Neue Zürcher Zeitung - 27.01.2019

(Sean Pound) #1

16 PANORAMA Montag, 27. Januar 2020


ZAHLENRÄTSEL NR. 21

SPIELREGELN«GEBIETSSUMME»:Die
Ziffern 1bis 7sind soei nzutragen,dasssie
in jeder Zeile und jeder Spalteeinmalvor-
kommen. Die kleinenZahleninden umran-
detenGebietengeben dieSumme im
jeweiligenGebietan. InnerhalbeinesGe-
bietskönnen Ziffern mehrfachvorkommen.

Auflösung:
ZahlenrätselNr. 20

Im Kampf gegen das Coronavirus


ergreift China drastische Massnahmen


45 Millionen Menschen werden von der Aussenwelt abgeschottet – Peking verschiebt den Schulbeginn nach dem Neujahrsfest


Der chinesische Präsident


Xi Jinping spricht von einer


«ernstenLage». Wegen der neuen


Lungenkrankheit wird der


Reiseverkehr stark eingeschränkt,


in der Provinz Guangdong


ist Mundschutz jetzt Pflicht.


FABIAN KRETSCHMER, PEKING


ÜbersWochenende hat dieVerbreitung
des Coronavirus in China erneut stark
zugenommen. Die Behörden haben
56 Todesfälleund knapp 2000Infizierte
bestätigt, mehrere hundertPatienten
befänden sich in kritischem Zustand.
Die Zahlen erklären dieradikalen
Eindämmungsmassnahmen der chinesi-
schen Zentralregierung.Allein am Sonn-
tag wurden über einDutzend davon er-
lassen. So hatPeking etwa den Start
des kommenden Sommersemesters für
sämtliche Schulen und Universitäten
auf unbestimmte Zeit vertagt. Ebenso
verschoben werden auch die nationa-
len Winterspiele, die eigentlich eine
wichtigeVorbereitung auf die Olympi-
schenWinterspiele 2022 inPeking hät-
ten werden sollen. Sämtliche Gruppen-
reisen vonAusländern insLand wurden
gestoppt, auch Chinesen dürfenkeine
Pauschalreisen mehr buchen – sowohl
im In- als auch imAusland. Mittler-
weile sind rund 45 Millionen Menschen
in gut einemDutzend Städten aufgrund
von Verkehrsbeschränkungen weitge-
hend von derAussenwelt abgeschot-
tet. Die südchinesische Provinz Guang-
dong hat eineAtemschutzmaskenpflicht
im öffentlichenRaum für all ihre Bür-
ger eingeführt. Die Zentralregierung
hat zudem den Handel vonWildtieren
verboten, schliesslich soll der Erreger
aus einem Markt für exotischeTiere in
Wuhan stammen.


Aus Biolabor entwichen?


Doch als gesichert gilt auch das nicht.
Mediziner vom Jinyintan-Kranken-
haus inWuhan berichten, dass der erste
Ansteckungsfall bereits am1. Dezem-
ber entdeckt worden sei – vierWochen
vor der ersten Bekanntgabe durch die
Lokalregierung. Die damals betroffene
Person hatte jedoch nachweislich kei-
nen Kontakt zu jenemTiermarkt in
Wuhan.
In den letztenTagen tauchten über-
dies Medienberichte auf, wonach in
Wuhan das NationaleLabor für Bio-
sicherheit stehe. Dort wird an Ebola-
und Sars-Viren geforscht.Experten wie-


sen schon 2017 darauf hin,dass aus dem
Labor Viren austretenkönnten.
In der 11-Millionen-Metropole ist das
öffentliche Leben praktisch zum Erlie-
gen gekommen. Die Stadt hat am Sonn-
tag nun auch sämtlichenAutoverkehr
auf den Strassen verboten.Das amerika-
nischeKonsulat inWuhan hat unterdes-
sen die Evakuierung seinerAngestellten
sowie einer begrenzten Zahl von Zivilis-
ten für Dienstag angekündigt.Auch die
japanische, die russische und die franzö-
sischeRegierung planen eine Evakuie-
rung ihrer Staatsbürger aus der sechst-
grössten Stadt desLandes.

Die Nerven liegen blank


Die Lage der medizinischenVersor-
gung vor Ort ist prekär. Das bele-
gen Videos, die in den Social-Media-
Netzwerken kursieren.Darauf zu se-
hen sind überfüllte Notaufnahmen, in
denen Krankenschwestern verzweifelte
Menschen nach Hause schicken müs-
sen. In einem von Patienten auf-
genommenenVideo schreit ein Arzt
in einTelefon-Headset: «Feuern Sie

mich einfach!» Laut offiziellen An-
gaben haben sich mindestens15 Medi-
ziner inWuhan mit dem Coronavirus an-
gesteckt, ein Arzt ist bereits verstorben.
Die Dunkelziffer liege jedochviel höher,
sagte ein Arzt gegenüber der Hongkon-
ger Zeitung «South China Morning
Post». Demnach seien die Spitalange-
stellten ursprünglich nicht darüber in-
formiert worden, dass sich dasVirus

auch über menschlichenKontakt ver-
breitenkönne. Zudem fehlten weiterhin
Schutzausrüstung undTest-Kits.
In einer unge wöhnlichen Krisen-
sitzung desPolitbüros rief Staats- und
Parteichef Xi Jinping am Samstag die
lokalenFunktionäre dazu auf, «ene rgi-
schere Massnahmen» zu ergreifen. Er
warntevor einer «ernstenLage». Alle
Ebenen vonPartei undRegierung müss-

ten dem Kampf gegen dasVirus «höchste
Priorität» einräumen, mahnte Xi.
Wirtschaftlich wird die Epidemie
wohl schwerwiegendeFolgen für China
haben. Nicht nur sind über einDut-
zend Städte in der Hubei-Provinz lahm-
gelegt.Auch dieKonsumausgaben wäh-
rend der chinesischen Neujahrsfeier-
lichkeiten, die am Samstag begonnen
haben, dürften massiv einbrechen. 20 19
gaben die Chinesen in dieser Zeit umge-
rechnet149 Milliarden Dollaraus. Der-
zeit wächst die chinesischeWirtschaft
nur mit 6,1 Prozent,so l angsam wie seit
dreissigJahren nicht mehr. In einer ers-
ten Einschätzunggeht der Analyse-
dienst Economist Intelligence Unit von
einem Einbruch desWachstums von bis
zu einem Prozentpunkt aus.

Whistleblower willkommen


Im asiatischenAusland istes zu teilweise
heftigenReaktionen auf denVirusaus-
bruch gekommen.In Südkorea etwa ruft
eine Petition auf der Präsidenten-Web-
site dazu auf, «chinesische Staatsbürger
aus unseremLand zu verbannen». Nach
vier Tagen haben die Initianten bereits
über 285000 Unterschriften gesammelt


  • obwohl zwei der insgesamt drei Infi-
    zierten in Südkorea auch südkoreani-
    sche Staatsbürger sind.
    In Hongkong fordern immer mehr
    Bü rger vonihrer Lokalregierung, die
    Grenzen zuFestlandchina zu schlies-
    sen. «Vor wenigenWochen noch haben
    wir Hongkonger darüber geredet, welche
    Masken uns am besten vor demTränen-
    gas derPolizisten schützen. Heute disku-
    tieren wir noch immer über Masken,aber
    solche, die uns vor dem Coronavirusaus
    China schützenkönnen», schreibt Demo-
    kratieaktivistJoshuaWong auf seinem
    Twitter-Account. Viele Hongkonger füh-
    len sich vor allem deshalb bedroht, weil
    sie sich noch gut an die Sars-Epidemie
    erinnern, bei der knapp 300 Bürger der
    ehemaligen britischenKolonie starben.
    Das Sars-Virus wurde erstmals 2002 in
    China dokumentiert, wobei die dorti-
    gen Behördenlange Zeit versucht hat-
    ten, die wahrenAusmasse der Bedrohung
    geheim zu halten. Dies haberechtzeitige
    Eindämmungsmassnahmen erschwert
    und dieVerbreitung desVirus in Hong-
    kong ermöglicht, meintJoshua Wong.
    Nun wirkt dieRegierung demVor-
    wurf entgegen – etwa, indem sie seit
    Sonntag eineWhistleblower-Funktion
    auf der chinesischenWechat-App ein-
    geführt hat.Dortkönnen Bürger Behör-
    den, Krankenhäuseroder Parteifunktio-
    näre melden, die fahrlässig mit der Be-
    drohung durch das neueVirus umgehen.


Mitarbeiter derGesundheitsbehörde beim Fiebermessen vor einer U-Bahn-Station inPeking. KEVIN FRAYER / GETTY

Kaum mehr Hoffnung auf Überle bende


Ein schweres Erdbebe n in der Osttür kei fordert mindestens 38 Tote


(dpa)· Nach dem schweren Erdbeben
am Freitagabend in der Osttürkei suchen
Rettungskräfte in Eiseskälte weiter nach
Überlebenden. Die Helfer bargen am
Sonntag jedoch nur weitere Leichen aus
den Trümmern – die Zahl derToten stieg
nach Angaben der Katastrophenschutz-
behörde Afad auf 38. Lebend geborgen
werdenkonnten bisher 45Personen.Min-
destens zweiPersonen wurden nach In-
formationen des Senders CNNTürk noch
unter denTrümmern vermutet – die Hoff-
nun g,sie lebend zu finden, schwand stetig.
Das Beben der Stärke 6,8 hatte am
Freitagabend gegen 21 Uhr (Ortszeit)
die Provinz Elazig erschüttert,auch in der
Nachbarprovinz Malatya kamen Men-
schen ums Leben.Das Epizentrum lag im
Bezirk Sivrice. Nach offiziellen Angaben
wurden mehr als1600 Personen verletzt.
Der GesundheitsministerFahrettinKoca
sagte am Sonntag, mehr als hundert wür-
den noch im Krankenhaus behandelt, 13
von ihnen seien auf der Intensivstation.

Auf Fernsehbildern warenRettungs-
kräfte zu sehen, die schweigend auf den
Überresten eines Hauses arbeiteten und
Schutt beiseiteräumten. Die Helfer for-
derten dieWartenden immer wieder zur
Stille auf, um die Stimmen von möglichen
Überlebenden hören und Geräusche
messen zukönnen.Am Samstagwaren
laut Medien mindestens zwei Kinder und
eine Schwangere gerettet worden.
Dem Beben amFreitag folgten nach
Angaben der Katastrophenschutzbe-
hörde mehr als 700 Nachbeben.Tausende
Personen verbrachten aus Angst vor wei-
teren Erschütterungen die Nächte bei
Temperaturen bis zu zwölf Grad Minus
in Zelten und Sporthallen.

Hilfevon Fussballfans


Fans des IstanbulerFussballklubsFener-
bahce unterstützten die Erdbebenopfer
in einer aufsehenerregendenAktion:Sie
warfen am Samstagabend während des

Spiels gegenBasaksehir ihre Schals und
Mützenauf denPlatz und skandierten:
«Elazig friere nicht,Fenerbahce ist mit
dir.» Nach Angaben des Senders NTV
wurden die Kleidungsstücke eingesam-
melt, sie sollen zu den Opfern geschickt
werden. DieFans von Besiktas Istanbul
schickten 3800 Decken in die Erdbeben-
region,wie der Klub mitteilte. NachAn-
gaben der Katastrophenschutzbehörde
wurden insgesamt mehr als 10000 Zelte
und rund 35000 Decken bereitgestellt.

Etwa80 G ebäude eingestürzt


Der türkische PräsidentRecep Tayyip
Erdogan hatte Elazig am Samstag be-
sucht und versprach am Sonntag vor
einerReise nach Algerien, beschädigte
und zerstörte Häuser schnell wieder auf-
zubauen. In den Provinzen Elazig und
Malatya wurden laut Afad insgesamt
etwa 650 Gebäude schwer beschädigt,
etwa 80 seien eingestürzt.

Virus verbreitet sich auch ohne Symptome


(dpa)· Die Inkubationszeit des neuen
Coronavirus hinter der Lungenkrankheit
in China beträgt meist etwa 10Tage. Wie
der Direktor der nationalen Gesundheits-
kommission, Ma Xiaowei, am Sonntag in
Peking berichtete, ist die kürzesteregis-
trierte Zeitspanne aber auch nur einTag
gewesen – die längste14 Tage. Die Infi-
zierten seien in dieser Zeit bereits anste-
ckend, auch wenn nochkeine Symptome
erkennbar seien.Das unterscheide die
neueVariante des Coronavirus von dem
eng verwandten Sars-Erreger.

Eine Studie imJournal «Lancet» hatte
zuvor schon ergeben, dass dasVirus
auch vonPersonen weitergegeben wer-
den kann, die nochkeine Erkältungs-
symptome zeigen. DieForscher bezogen
sich auf eineFamilie in der chinesischen
Stadt Shenzhen. Zwei Mitglieder hatten
in Wuhan Kontakt zu einem erkrankten
Verwandten im Hospital. Am Ende hat-
ten sechsFamilienmitglieder dasVirus,
unter ihnen eines, das nicht einmal in
Wuhan war. Ein infiziertes Kind zeigte
keine Symptome.

37 Tote


durch Unwetter


Erdrutsche und Übersc hwemmungen


inBrasilien


(sda/afp) · Bei schweren Unwettern
sind im Südosten Brasiliens mindestens
37 Menschen ums Leben gekommen.
Weitere17 Menschen würden nach den
tagelangenRegenfällen im Gliedstaat
Minas Geraisnoch vermisst, teilten die
Behörden am Sonntag mit.47 Städte und
Gemeinden waren von Erdrutschen und
Überschwemmungen betroffen, 12 000
Bewohner mussten ihre Häuser verlassen.
Auch die angrenzenden Gliedstaa-
ten Rio deJaneiro und Espírito Santo
waren von denAuswirkungen der Un-
wetter betroffen. DieRegion erlebte
seit Donnerstag die schwerstenRegen-
fälle seit Beginn derWetteraufzeich-
nungen vor 110Jahren. In der Haupt-
stadt von Minas Gerais, Belo Horizonte,
wurde nach Angaben des nationalen
Wetterdienstes binnen 24 Stunden ein
Rekord wert von171,8 MillimeternRe-
gen gemessen.

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