Neue Zürcher Zeitung - 27.01.2019

(Sean Pound) #1

30 SPORT Montag, 27. Januar 2020


Die Be rner Welt ist wieder in Ordnung


Die Young Boys sindin alterFrische zurück und gewinnen gegen Basel eindrucksvoll 2:0


BERNHARD BRUNNER, BERN


Es war am vergangenen Mittwoch an der
Pressekonferenz vor demRückrunden-
start,als der Sportchef Christoph Spy-
cher eine Art Drohung aussprach. Er
sagte, dass YB jetzt wieder hungrig sei,
«voller Energie». Er schloss damit verbal
das Kapitel, das in derVorweihnachts-
zeit von der Ermüdung der Meisterspie-
ler erzählte. Das Team,vonVerletzungs-
sorgen geplagt, schleppte sich vonPar-
tie zuPartie. Nur wenig Inspiration war
nach all den englischenWochen mit dezi-
miertemPersonal übrig geblieben. Man
wol lte, konnte aber nicht mehr. Es war
keine Floskel, die Spycher in derVor-
schau bemühte. Die sonntägliche Szene
nach gut 70 Minuten dokumentierte all
das, was Spycher feststellte oderauch nur
hoffte: Die Energie, der Elan ist zurück.


Hoaraunach zwölf Sekunden


Guillaume Hoarau stieg zwölf Sekun-
den nach seiner Einwechslung in die
Lüfte und verwertete einen Flankenball
vonMiralem Sulejmani mit demKopf
zum 2:0.Das Publikum geriet in Eupho-
rie. Die BernerWelt war wieder in Ord-
nung, so wie man sie sich in den letzten
zweiJahren oft hat zurechtlegenkön-
nen. Der CaptainFabian Lustenberger
sprach vonRuhe, die nach diesem spiel-
entscheidendenTreffer eingekehrt sei.
Es gibt nichts zu rütteln an diesem Er-
folg derYoung Boys. Sie stellten in allen
Belangen das bessereTeam: entschlosse-
ner in den Zweikämpfen, vifer im An-
griffsspiel, ruhiger in ihrenKombinatio-
nen, gefährlicher in den entscheidenden
Gesten vor demTor. Zu den Comebacks
seiner beiden offensivenJuwelen meinte
YBsTrainer Gerardo Seoane lapidar,
dass man gesehen habe, dass Hoarau


und Sulejmani ihreRollen akzeptiert
und demTeam mit ihrerRuhe und Er-
fahrung sofort geholfen hätten.
Anfangs mussten beide Teams ihr
Augenmerk darauf richten, nach derWin-
terpause wieder den Rhythmus zu finden.
Es war die Phase der klarenRollenvertei-
lung mit YB alsTaktgeber undBasel in
der Rolle des Herausforderers. Je länger
das Spiel dauerte, desto klarer wurde, dass
die Berner in ihr altes Selbstverständnis
zurückfinden, solche Spiele für sich zu
entscheiden.YB musste sich zwar gedul-
den, eheJean-Pierre Nsame nach einem
rasanten Angriff denFührungstreffer er-
zielte. Die Verwaltung derVorsprungs ge-
lang gut, danach folgte die Gala.
YB liegt jetzt 5 Punkte vor dem FC
Basel, das sei aber «zweitrangig», sagte
Lustenberger, wichtiger sei es, mit einem
guten Gefühl die Meisterschaft wie-
der aufzunehmen. Ein viel besseres Ge-
fühl hätten sich die Berner nicht kreie-

ren können: Der Sieg, die Comebacks
der Schlüsselspieler, es war aus Berner
Perspektive der perfekte Nachmittag.
Seoane sprach von einerreifen Leistung,
von einem selbstsicherenAuftrittund
von derWichtigkeit,«Mittel gefunden zu
haben, um das Umschaltspiel derBasler
zu unterbinden». Besonders augenfällig
war, wie YB, vor allem Jordan Lotomba,
dem technisch begabten Edon Zhegrova
auf derrechten Seite die Luft nahm.
Seoane sieht sich nun mit der Luxusvari-
antekonfrontiert, seinPersonal für künf-
tigePartien gezielt auswählen zukönnen.
Basel hatte insgesamt zu wenig
Dynamik. DerTrainer MarcelKoller
sagte trocken, dass sie sich künftig zu
steigern hätten.Das war eine diplomati-
sche Kritik desTrainers. Trotzdem dürfte
es nach diesem ersten Eindruck schwie-
rig werden, YB mit dieser hohen Quali-
tät im Kader auf demWeg zur Meister-
schaft ein Bein zu stellen. Lustenberger

wieder in der Innenverteidigung, Chris-
topher Martins in der Zentrale im Mit-
telfeld als ruhenderPol mit Zweikampf-
här te und Übersicht, vieles wirkte sehr
stabilim Spiel derYoung Boys.

Um den Feinschliff kümmern


YB wird sich in den nächstenWochen
weiter um denFeinschliff kümmern
können, und die Spieler werden mit har-
ter Konkurrenz untereinanderkonfron-
tiert werden.Vincent Sierro und Gian-
luca Gaudino sind nachVerletzungen
auf dem Sprung zu alter Leistungsstärke,
einzig bei Mohamed Camara und San-
dro Lauper dürften noch einigeWochen
ins Land ziehen, bis sie in denKonkur-
renzkampf eingreifenkönnen.Das gilt
sowieso für denDänenFrederik Sören-
sen. Nach einer kleineren Leidensphase
könnten in Bern wieder vertraute Zei-
ten anbrechen, Zeiten der Dominanz.

1:0 für dieYoung Boys: Jean-Pierre Nsame lässt sich zum 16. Mal indieser Saison feiern. ALESSANDRO DELLAVALLE / KEYSTONE

Basel murrt


über die eigene


Disziplinlosigkeit


Alderete leistet sich nicht den
erstenunnötigen FCB-Platzverweis

STEPHAN RAMMING, BERN

MarcelKoller hatte genug gehört. Der
FCB-Trainer kickte denTürstopper weg
und zog dieTüre zum Kabinengang hin-
ter sich zu. Die Gesänge der YB-Spieler,
die in der Mixed-Zone feierten, klan-
gen wie Hohn inKollers Ohren.Koller
wollteRuhe haben. Vielleichtauch des-
halb, weil er deutlicheWorte an seine
Mannschaft richten wollte. Zum Bei-
spiel an Omar Alderete.
Der Innenverteidiger hatte es ge-
schafft, innerhalb von 200 Sekunden
zweiVerwarnungen zu kassieren, als
das Spiel längst entschieden war. In der


  1. Minute blockte der 23-jährigePara-
    guayer einen YB-Spieler, dann kickte er
    nach einem eindeutigenFoul denBall
    weg. In der Summe:Platzverweis. Er war
    Ausdruck derBaslerFrustration, YB
    klar und deutlich unterlegen zu sein. Es
    war vor allem aber auchAusdruck da-
    von , dass es im FCBasel ein Problem
    mit den Nerven und der Disziplin gibt.
    Valentin Stocker, Taulant Xhaka, Eray
    Cömert und Arthur Cabral, sie alle fehl-
    ten am Sonntag wegen Sperren. Und sie
    alle hatten sich ihre Sperren durch Un-
    diszipliniertheiten geholt.
    «Das akzeptieren wir nicht, wir haben
    das in der Hinrunde schon zwei Mal
    deutlich angesprochen», sagte Koller
    später. «DenBall wegschlagen, mit dem
    Sch iedsrichter rumstreiten oder einem
    anderen Spieler an die Gurgel gehen –
    solcheDummheiten wollen wir nicht se-
    hen. Die Spieler wissen das ganz genau»,
    sagteKoller. Bekommt Alderete eine in-
    terne Busse? «Das schauen wir morgen
    an», sagte er emotionslos. Schmerzen be-
    reitet ihm dieTatsache, dass mit Alde-
    rete im nächsten Spiel gegen St. Gallen
    wieder ein wichtiger Spieler fehlt.
    Denn gegen YB war bald offenkun-
    dig, dass mit Xhaka, Stocker und Cö-
    mert zwei oder drei Spieler zu viel fehl-
    ten. Sie hättendem FCB den nötigen
    Hubraum verleihenkönnen, um in Bern
    etwas auszurichten.Aber wenn dieBas-
    ler denBall einmal über die Mittellinie
    gebracht hatten, fiel ihnen nicht mehr
    viel ein. Am Ende hatten sie insgesamt
    drei Chancen erarbeitet, grosszügig ge-
    zählt. YB sei besser gewesen, sagteKol-
    ler, aber die Meisterschaft noch lang.
    Viel Zeit, um über die Bücher zu gehen.


Spaniens Handballer verteidigen den EM-Titel


Das Lebenswerk des legendärenkroatischen Trainers LinoCervar bleibt unvollendet


CHRISTOF KRAPF


In denTime-outs stehen die kroatischen
Handballer jeweils um einen kleinen
alten Mann herum und lassen sich an-
brüllen. Der alte Mann heisst Lino Cer-
var und sieht ein bisschen aus wieWoody
Allen, die meisten Spieler überragen ihn
um einen oder sogar zweiKöpfe. Cer-
var hat nie Handball auf Profistufe ge-
spielt, der kroatische Nationaltrainer ist
ein Theoretiker. Und trotzdem hören die
Spieler aufmerksam zu.
Lino Cervar ist in Kroatien eine Le-
gende, er hat als Nationaltrainer fast
alles gewonnen: 2003 den WM-Titel, ein
Jahr später in Athen Olympiagold, dazu
je zwei Silbermedaillen an WM und
EM.Wegen der Erfolge nennen sie ihn
in Kroatien «Mago di Umago», «Magier
von Umag»; dort kam Cervar vor bald
70 Jahren zurWelt.


Der Finalim Fussballstadion


Was Cervar fehlt, ist der EM-Titel. Die
EM in Schweden,Norwegen und Öster-
reich war für ihn die letzte Chance, dies e
Lücke imPalmarès zu schliessen.Dass
Cervar dieTrainerkarriere nach der EM
beenden würde, stand schon vor dem
Turnier fest.
Diese Karriere beginnt vor über 45
Jahren, als der junge Lehrer Cervar


1974 in der Heimat unterklassigeTeams
trainiert. Nach Stationen in Italien und
Österreich wird er 2002 kroatischer
Nationaltrainer, er bleibt achtJahre lang
und wird dank den Erfolgen zumVolks-
helden, 2010 tritt er zurück. Cervar lässt
sich daraufhin ins kroatischeParlament
wählen, der Status alsTrainerlegende
begünstigt diePolitkarriere.
Von derPolitik hat er nach dreiJah-
ren genug, er wird wiederTrainer, arbei-
tet in Zagreb und für Metallurg Skopje,
führt dieseTeams in die Champions
League. 2017 fragt der kroatischeVer-
band an, ob er sich vorstellenkönne, zu-
rückzukehren – Cervar wird zum zwei-
ten Mal Nationaltrainer.
Im EM-Final der Kroaten am Sonn-
tag gegen Spanien ist alles angerichtet
für Cervars Abschied. Normalerweise
spielen dieFussballklubs Djurgarden
Stockholm und Hammarby IF im über-
dachten Stadion. Am Sonntagkommen
17 800 mehrheitlich kroatischeFans in
die zur Handballhalle umfunktionierte
Tele2-Arena.
Cervar sieht einen soliden Start sei-
ner Mannschaft, bald führen die Kroa-
ten gegen die spanischenTitelhalter
mit dreiToren Vorsprung. Doch Kroa-
tien bricht vor derPause ein, der Mann-
schaft gelingt während zwölf Minuten
kein Tor. Die Spanier verteidigen plötz-
lich solider und verwerten ihreWürfe

aus demRückraum präzise. Wenn es sei-
nem Team nicht läuft, wird Cervar zum
Rumpelstilzchen. Er tigert an der Sei-
tenlinie entlang, als könnte er selbst ver-
teidigen, gestikuliert, legt sich mit den
Schiedsrichtern an, nimmtein Time-
out, brüllt.Das hilft alles nichts, Kroa-
tien liegt zurPause 11:12 zurück.
Dass Cervar auch anders kann, dass
er vomRumpelstilzchen zum Magier
werden kann, beweist er in der 36. Mi-
nute. SeinTeam liegt 12:16 zurück, das
Spiel droht den Kroaten zu entgleiten.
Cervar stellt dieVerteidigung offensi-
ver ein und ersetzt im Angriff den Goa-
lie durch einen zusätzlichenFeldspieler.
Die Massnahmen erweisen sich als
richtig. Kroatien holtauf, angeführt von
DomagojDuvnjak, demWelthandbal-
ler von 2013 und wertvollsten Spieler
dieser EM.Duvnjak ist für Cervar ein
Glücksfall, ohne denRückraumspieler
des THW Kiel wären die Kroaten wohl
nicht bis in denFinal gekommen. Duv-

njak ist der besteTorschützeKroat iens
und nimmt als vorgezogenerVerteidi-
ger auch in der Defensive eine Schlüs-
selrolle ein.

Die Kräfte sind aufgebraucht


In der Schlussphase steht der EM-Fi-
nal auf Messers Schneide. Einmal führt
Kroatien, dann Spanien. Den Spielern
ist anzumerken, dass die Kräfte im neun-
ten Spiel innerhalb von zweiWochen
schwinden. Vor allem bei den Kroaten
ist das derFall, der Halbfinal gegen Nor-
wegen war amFreitag erst nach doppel-
ter Verlängerunggewonnen, nach 80
statt 60 Minuten.
Am Schluss entscheiden Nuan-
cen und dieRoutine der Spanier über
den Sieg. Kroatien wirkt im Angriff ge-
hemmt,kein Spieler will einenFehler
begehen, da nützt alles Gestikulieren
von Lino Cervar nichts. Eine Minute
vor Schluss unterläuft Igor Karacic ein
Schrittfehler, der auf diesemNiveau
nicht passieren darf. Cervar schlägt die
Hände vor das Gesicht.Im Gegenzug
erzielt AlexDujshebaev das 22:20 für
Spanien, Kroatiens Niederlage steht fest.
Cervar nimmt 25 Sekunden vor
Schluss nochein Time-out. Er hat auf-
gehört zu brüllen und zu gestikulieren.
Er hatrealisiert, dass sein Lebenswerk
unvollendet bleiben wird.

Lino Cervar
Cheftrainer
PD Kroatien

Alexia Paganini


wird EM-Vierte


Drei russische Eiskunstläuferinnen
unerreichbarfür die Schweizerin

(sda)· AlexiaPaganini hat an den Eis-
kunstlauf-EM in Graz in derKür den


  1. Platz erfolgreich verteidigt.Damit er-
    reichte sie angesichts der Übermacht
    der russischenLäuferinnen das Maxi-
    mum. Als die18-Jährige ihre Punkt-
    zahl in derKür erfuhr, war sie sehr be-
    wegt. Sie war laut eigenerAussage noch
    nie so gut auf einenWettkampf vorbe-
    reitet gewesen und bestätigte dies ein-
    drücklich. Nach demKurzprogramm ge-
    lang ihr auch im zweitenWettkampfteil
    eine persönliche Bestleistung. Das Total
    steigerte die in den USA lebendeLäu-
    ferin um 10,38 auf192,88 Punkte. Da-
    mit distanzierte sie die fünftklassierte
    Finnin EmmiPeltonen, dieTochter des
    HC-Lausanne-TrainersVille Peltonen,
    um 11,09 Punkte. An ihren ersten bei-
    den Europameisterschaften hatte sie die
    Ränge 7 und 6 belegt.
    «Ich habe das ganzeJahr über so hart
    gearbeitet und wollte das unbedingt zei-
    gen», sagtePaganini. «DieKür war nicht
    perfekt,aber ich binglücklich damit.» Sie
    freute sich insbesondere darüber, dass
    sie sich nach dem Sturz beim Dreifach-
    Lutz auffangenkonnte. «Das ist ein gros-
    ser Schritt vorwärts für mich.»Trainer
    Igor Krokavec traut ihr in zweiJahren
    an den Olympischen Spielen inPeking
    den Sprung in dieTop Ten zu.


SuperLeague,19. Runde


Samstag, 19 Uhr Sonntag, 16 Uhr
Zürich - Luzern 2:3 YB - Basel 2:0
Xamax - Servette 1:2 Thun - Sitten 2:1
St. Gallen - Lugano 3:1



  1. YB 19/41 6. Lugano 19/21

  2. St. Gallen 19/38 7. Luzern 19/21

  3. Basel 19/36 8. Sitten 19/21

  4. Servette 19/30 9. Xamax 19/14

  5. Zürich 19/30 10. Thun 19/12

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