Frankfurter Allgemeine Zeitung - 19.02.2020

(ff) #1
S

pätes tens seitdem es Breitband-
Internetzugang infast jeder Be-
hausung gibt, istdas „Wohnen“
in eine Krisegeraten: Während
das Wohnzimmer–weil junge
Leutekaum mehrfernsehen–seine Be-
deutung als Medien-Raumverlorenhat,
wirdvermehrtimBettliegend am Laptop
geschaut,gelebt undgearbeitet.Der Sau-
groboterzieht derweil einsam seineRun-
den, der Bewegungsmelder schaltet das
Licht aus, und Alexa hat einen Botenbe-
stellt, derwarmeSpeisen aus dem benach-
bartenRestaurant bringt, das sichfür ein-
kehrende Gästeseit dem Aufkommen der
Lieferdienste nicht mehr interessiert. In
freien Momenten bringt die Online-Kurz-
zeitvermietung derWohnung einen will-
kommenen Mietzuschusszur teuren Klein-
wohnung.
Fürdie möglichstattraktiven Anzeigen-
fotosdarfdie Wohnung nicht zu individu-
ell sein. Die Erb-Möbel sind einstweilen
im „Self-Storage“-Container eingelagert,
und Freunde trifftman im Café, daswohn-
zimmerartigwarm gestaltet ist. Gekocht
wirdnur nochimFernsehen. Billigflüge
und Sharing-Plattformerlauben jederzeit
günstigeEskapaden. Der Arbeitsplatz ist
im Gegenzug wohnlichgeworden, mit
Sofaund Holzmöbeln ausgestattet und
lässt die vielenÜberstundenverge ssen,
die nachdem abendlichen Pizza-Essen
mit Kollegen nochanfallen. Die Lageder
Wohnung istentscheidender als ihreAus-
stattung. Mit schickenEames-Möbeln
lässt sichnicht mehr angeben.
Etwasiebenundachtzig Prozentihrer
Lebenszeitverbringen EuropäerinInte-
rieurs,ein en ernsthaftenDiskur süber
Wohn-und Einrichtungskultur gibt es
dennochnicht .Das möchtedas VitraDe-
sign MuseuminWeilamRhein ändern
und lässt in einerTour d’Horizon hun-
dertJahreWohnkultur in einer ambitio-
nierten AusstellungRevue passieren.Ne-
ben gutkanonisierten Höhepunkten der
großbürgerliche nWohnkulturwie den
Villenvon Ludwig Miesvander Rohe,
Adolf Loos oderJosef Frank vomAnfang
desJahrhunderts haben dieKuratoren ei-
nige interessanteÜberraschungen ent-
deckt: DasVerschwindender Grenzezwi-
schen Arbeits- und Privatlebenführen
die Kuratoren beispielsweise auf die Loft-
wohnung zurück,wie AndyWarhol sie
mitseiner legendärenSilverFactory
1967inNew York ersonnen hat. Zur glei-
chen Zeit experimentiertein ParisClau-
de Parent mitdem „vivreàl’obli que“,
dem Lebenauf un dimSchrägen. Seine
WohnunginNeuill y-sur-SeinestattetePa-
rent durchgehend mitschrägenEbenen
aus,die als Sitzgelegenheiten,zum Es-
sen, Arbeitenund als Liegengleichzeitig
genutztwurden.
Diegesellschaftlichen,politischenund
natürlichauchtechnischenVeränderungen
derletzten hundert Jahr espiegeln sic him
privaten Interieur. DieVerans chaulichung
derUmbrüche anhandvon zwanzig Bei-
spielen,wie di eSchau siewagt, kulminiert
inArno Brandlhubers„Anti-Villa“ beiPots-
damvon 2014, diezeigt, dass zumUmbau
einerehemaligenFabrik zumWohnraum
heut eschlichte textile Raumteiler undSe-
condhandmöbelgenügenkönnen.
Vom„heroischen“, aber auch übergriffi-
genGestalter,der Rezepte für ein „schöne-
resWohnen“verteilt, sind derlei Projekte
meilenweit entfernt.Unwillkürlichko-
mischwirkt in der Schau der direkteVer-
gleichdes „Hauses derZukunft“, das die
beiden britischen ArchitektenPeterund
Alison Smithson für die Londoner „Ideal
Home Exhibition“ 1956 mit neuestenMa-
terialien,Küchengeräten und selbstreini-
gendem Bad entwarfen, und JacquesTatis
Villa Arpel in dem Film „Mon Oncle“von
1958, einer aseptischen und eigenmächti-
genWohnmaschine, die sich ihreBewoh-
ner gefügig macht. DieseVorstellung von
modernem Wohnen istunwiderruflich
passé, siewirdals bourgeoise sKorsettver-
standen. Innenarchitektur als elitäresZu-
behör der sozialenRepräsentation wird

vonGestaltungen abgelöst, deren alleini-
gesZiel es ist,Wohlgefühl zu befördern,
und die alleinvomNötigen und Erhältli-
chen ausgehen.Zeitgenössische Innen-
raumgestaltungen befreienvonNippes,
Hausarbeit undKonv ention zugleich.
Die Vorstellung, dieWohnung sei nur
ein Refugiumvorder Welt,stammtaus
Japan,wodie Urbanisierung ungleich
ausgeprägter istals im Westen undfolge-
richtig die moderneWohnkapsel erson-
nenwurde, die allenKomfor tbietetund
rein garnichts mehr.Nichtmöblierte Inte-
rieurssind heuteenvogue. DasBestre-
ben, aus einemInterieur ein Gesamt-
kunstwerkzumachen, wurde eingestellt.
Dafürist die Kunstformder Innenraum-
gestaltungwohlauch zu ephemer.Unter
denMillennialsherrschtUnlust,aus dem

eigenen Heim ein Lebensprojekt zu ma-
chen. Derhomo movensbevorzugt den
Dauertourismusund brauchtkein „Zu-
hause alsSelbstdarstellung“. Möbel sind
in dem Zusammenhang oftnur kurzlebi-
ge Konsumgüter. Der „Flur-Grundriss“,
wie er Millionen vonWohnungen in
Deutschland prägt, scheintdeshalb eben-
so obsolet wie Nobelküche undWohn-
zimmer. Das Zuhause soll aussehen und
funktionieren wie ein Boutique-Hotel-
zimmer. Das wareinmal anders.Das be-
weisen die beiden Höhepunkte der
Schau:Karl Lagerfelds Wohnung in Mon-
te Carlo, die er in denAchtzigernimüber-
bordend-postmodernen Memphis-Stilge-
stalten ließ, undVerner Pantons „Phanta-
sy Landscape“von 1970,ein höhlenarti-
gerWohntunnelauspsychedelischen lila

Polsterelementen, in dem Besucher der
Ausstellung demZeitgeis tihrer Jugend
frönenkönnen.
Die ausgestellt eReise durch die jüngere
Geschichtedes privaten Wohnens wirft
Fragennachder Produktion auf: Die Schau
krön tElsie deWolfe, die1913 das Buch
„The House in GoodTaste“verfasste,zur
ersten Einrichtungsgestalterin der Welt.
IhreneobarockenInterieurssollten diege-
hobene Identität der Bewohner aus dem
amerikanischen Geldadel darstellen.Seit
den Fünfzigernaber wurde derTypus der
„Dekorateurin“ zunehmendvon akade-
mischausgebildeten, of tmännlichen „De-
signern“ ersetzt.Mit dem millionenfachen
Aufkommen bezahlbarer Hypotheken in
der angelsächsischen Welt wurde das Haus
zum „Finanzinstrument“. Der Berufsstand

derArchitekten hat sich das Sujetweit ge-
hend aus der Hand nehmenlassen ,auch
wenn Architektengleichzeitig begannen
das Möbeldesign zu dominieren.
Im digitalenZeitalter ändertesichnicht
nurderWohngeschmack, sondernauchdie
Medien,mit deren Hilfe er kommuniziert
wird. Heuteist dieWohnung mehrWare
als Inszenierung. Möblierung folgtden Ge-
setze nder „FastFashion“und versteht si ch
nicht mehr als Akkumulierungvon kultu-
rellen Sedimenten. Erst wennHerstellerge-
zwungen würden,Altmöbelzurückzuneh-
men,könntensie motiviertwerden, wieder
Langlebigkeit zu mZiel zu machen undso
Müllzuvermeidenoder Möbel zumMieten
anzubieten.Die pneumatischenPlastik-Ob-
jekte,die ma ninden Siebzigernliebte,wa-
ren„einfachkeine guteIdee“, stelltederita-
lienische Gestalterder Ausstellung,Joseph
Grima,anlässlich derVerni ssagetrock en
fest.Dem „fehlgeleit eten Optimismus der
siebziger Jahre“folgtnun de rKlima-Kater
und nährteineweitverbreiteteTechni k-
Skepsis.FürGrima bestimmtin derSurveil-
lance-Ökonomie alleindie Daten-Ernte
den Wert einer Immobilie.

HomeStories. 100 Jahre, 20 visionäre
Interieurs.ImVitraDesign Museum,Weil am
Rhein; bis zum 23.August. ZurAusstellung
erscheint eine Publikation.

Nehmt die Musik doch erst einmal ernst,
holt sie aus der „Genuss“-Ecke,stellt euch
ihren Ansprüchen und Herausforderun-
gen, begreiftsie endlichals existentielle
Notwendigkeit! Das möchte man den (ge-
ladenen)Politikern, allen vorander Minis-
terpräsidentin Malu Dreyer,entgegenhal-
ten, wenn sierefrainartig wiederholen,
die „Musik zu den Menschen bringen zu
wollen“, und dann sofortbei den „neuen
Wegender Vermittlung“ und dem„Ange-
botfür vielfältigePublikumserwartungen“
sind. Fragt dochzuerst,was ihrvermitteln
wollt –Unverzichtbaresgar, Grundbedin-
gungen unserer eigenenKultur?
So wievorhundertJahren am Ende
des Ersten Weltkriegs, als das Musikleben
verödetwar und einigeBürgerder Stadt
Landau inkulturellerNotein Or chester
ins Lebenriefen: das Pfalzorchester. Heu-
te heißt es DeutscheStaatsphilharmonie
Rheinland-Pfalz und istein Reiseorches-
tergeblieben. 1974kamesinden Rang ei-
nes Staatsorchesters,1998 wurde es in ei-
nen Landesbetrieb umgewandelt.Schon
am 15.Februa r1920 trat das neue Orches-
terindem schönen Jugendstilsaal der
LandauerFesthalle erstmals auf, mit ei-
nem Programm fürAusgehungerte:„Tod
und Verklärung“ vonRichar dStrauss,
dem Violinkonzertvon Brahms, dem
„Tannhäuser“-Vorspiel vonWagner und
der Fünftenvon Beethoven.
DiesesProgramm im Jubiläumskonzert
am selben Ortkomplett zu wiederholen,

wäre wahrscheinlichein „Vermittlungs-
problem“ fürTermingestresstegewesen,
aber die symphonische Dichtung und die
Symphonie aller Symphonien blieben die
Eckpfeiler.Und siehe da: Man mussdie
Musikgar nicht zu den Menschen bringen
wollen, siekommt ganz vonselbstzuih-
nen, trifft sie ins Herz,reißt sievonden
Stühlen, bringt sie zumStrahlen,macht
sie glücklich. Es herrschte eine Auf-
bruchsstimmung, alswolle si ch die Staats-

philharmonie unter ihrem neuen Leiter,
dem Engländer MichaelFrancis, ein zwei-
tesMal gründen.Unvergesslic hwirdden
Musikerndabei bleiben, wie sichFrancis
mit dem Buchstaben-Ungetüm „Grün-
dungs-Jubiläum“–„what aword!“ –kaba-
rettreif vordas Publikumstellte. Undal-
len Kulturskeptikern, die sichjetzt schon
fragen, ob wir Beethovennochbrauchen,
sei gesagt: Ja, mehr denn je!Zumindest
nachdieser Fünften, derenrevolutionärer

Impetus Orchesterund Publikum zusam-
menschweißte. „Niemals nachgeben“, dar-
in liegedie wahreKraftder Musik,sohat-
te Francis seine Beethoven-Auffassung
kur zzusammengefasst,und entspre-
chend stringent und zielgerichtet ging er
ans Werk,ritt seinem Orchestermit we-
hendenFahnen gleichsamvoran, ein ech-
terAvantgardist, der seine „Feinde“–all
die klein- undwankelmütigen Bedenken-
träger,die no torischen Lebens-Erschwe-
rerund Veränderungsgegner,die Verzag-
tenund Mutlosen–gleichinder er sten At-
tackevom Feld schlug.
Undso, wie jeder einzelneMusiker zur
Stelle war–vonden wunderbargrum-
melndenKontrabässen im Fugatodes
dritten Satzes bis zum beflügelnden Picco-
lo imfabelhaftgesteiger tenFinale –, so
wurde auchjeder einzelne im Publikum
aufgerufen, ins Große zu denken, ein Ziel
vorAugen zu haben, sichnicht inNeben-
sächlichkeiten zuverzetteln, Verschnauf-
pausen nicht inAusweichmanöverzuver-
kehren undkeine Angstzuhaben,weder
vordem Furor in noch außerhalb der Mu-
sik.Das is tBeetho vens politische Bot-
schaft, und wir sind ihm auchnachüber
zweihundertJahren nochweit hinterher.
Ähnlichausgearbeitet warenauchdie
beiden anderen Programmpunktedieses
Jubiläumskonzerts, zur Eröffnung die
symphonische Dichtung„Tod undVerklä-
rung“, die derKomponistRichar dStrauss
selbst1929 in einemKonzertinLudwigs-

hafen dirigierthatte: ein Gemälde wie
vonEugène Delacroix, mit enormer Dra-
matik undgeradezu euphorisierend diri-
giert–auchhier:vorwärts, vorwärts! Hin-
ein in die ersehnteHymne derVerklä-
rung, welterlösend,weltbewegend. Dazu
eineBühne fürdievielensolistischenPas-
sagen, Oboe und Englischhornanerster
Stelle,Flöte,Harfe,erste Violine mitKon-
zertmeisterinYi-QiongPan, ein in perfek-
temTiming hinausgezögerterSchlag der
Pauke, die später anWagners„Götter-
dämmerung“ erinnerte:ein hochvirtuo-
ser Einstand für dasganze Orchester, das
sichinschneidendenAkkorden zusam-
menballteund wieder infiligranen Ge-
sangslinien auflöste.
Neununddreißig Jahrealt wardie sym-
phonische DichtungvonStraus s1929,
sechsundvierzig Jahreist der zwölfteili-
ge Orchesterzyklus „Des Canyons aux
étoiles“von Olivier Messiaen. Der letzte
Satz„Zion Park et la Cit écéleste“, eben-
falls eine Himmelsbeschwörung, bildete
das HerzstückinLandau, nunmehr in
kammermusikalischer Besetzungauf
der rückwärtigen Saalseite bei abgedun-
keltem Licht:eine geballteLadung disso-
nanter, metallischharterSakralmusik,
vonvielenVögeln aus denTiefen des
amerikanischen Canyons nachoben, zu
den Sternen, getragen, undvomPianis-
tenmit gewaltiger Schlagkraftins Kla-
vier gemeißelt. Aufdie nächstenhun-
Hundertist keinAlter :Das Orchestermit Chefdirigent MichaelFrancis Foto Christian Kleiner dertJahre! LOTTE THALER

WirhabeneinenderwichtigstenMe-
taphysiker undGelehrten verloren.
Jens Halfwassen hat sein Leben der
Fragegewidmet,welche „Vollen-
dungsgestalt“ einePhilosophie ha-
be nmuss: Gelingt es, diemit Hegel
gesetzt eVersioneiner immanenten
Geistmetaphysik auf eineEinheit
hin zu überschreiten ,die Geist und
Selbstbewusstsein erst begründet?
Kurzum: Jens Halfwassenwarein
Denker desAbsoluten, der um die da-
mit verbundenenParadoxien und be-
grifflichen Härtenwusste. Ausgangs-
punkt seines Denkens wardie Rekon-
struktion der großen metaphysi-
schen Gebäude der antiken Philoso-
phie und des Deutschen Idealismus,
die er in unübertroffener Klarheit
darzustellen wusste.
1958 in Bergisch Gladbachgebo-
ren, schloss er seinStudiumander
UniversitätKöln 1989 mit einerPro-
motion zu Platonund Plotin ab.Die
philosophische Richtung, die sich
hier schon im Titel „Der Aufstieg
zum Einen“ anzeigte,setzteseineHa-
bilitation über Hegel und denNeupla-
tonismusfort .Seit1999 warerOrdi-
narius für Philosophie an derUniver-
sität Heidelberg,wo er un terande-
remdie Gadamer-Professur begrün-
dete und die Karl-Jaspers-For-
schungsstelle leitete.
JensHalfwassen hat stetseine
idealistische Lesartder antiken Meta-
physik verteidigt .Das materiell-ener-
getischeUniversum,zudem wir
durch unser eSinne Zugang haben,
hielt er für eineManifestationvon
Proze ssen,die demUniversummeta-
physischvorausliegen. Ausgangs-
punkt dieser Thesewardie Selbster-
forschung unserer eigenenGeistig-
keit, dieuns, wi eeranalysier te,auf
einen Einheitsgrund führt, derSub-
jektivität und Objektivitätgleicher-
maßen überschreitet.
In den letzten JahrenseinesLe-
benshat er sich in engemAustausch
mit Heidelberger Quantentheoreti-
kern zunehmend damit befasst,wie
der Geistund da sihn überschreiten-
de Absolut eauf de rEbeneder Quan-
tenseine Spuren im materiell-energe-
tischen Systemdes Universumsein-
zeichnet. Die partielleUnbestimmt-
heit vonQuantenobjekten und die
Rolle,die Geistund Subjektivitätin
einigen gegenwärtigen Deutungen
der Quantenmechanikspielen,las er
mit gutenGründen als Hinweis dar-
auf,dassesmit dem naiven metaphy-
sischenNaturalismus unsererTage
theoretischnicht weit he rist:Wirk-
lichkeitkann nicht auf jene Außen-
welt reduziert werden, die sichuns
in derFormdersinnlichenWahrneh-
mungvorstellt.
Diese idealistischeGrundüberzeu-
gunggelangtheute nicht nur in der
Philosophie, sondernauchinande-
renBereichen der Geistes-und Na-
turwissenschaft zu neuer Aktualität.
Man wird sagen müssen: Halfwassen
und dieTraditionen, aufdie er sich
stützt, warenvor un sda.
Kein zufälligerVorsprung: Halfwas-
sen dachte aus einemFundus, der
weit über die abendländische Meta-
physik hinausreicht.Zu seinen engs-
tenGesprächspartnerngehörten der
ÄgyptologeJan Assmann,der Theolo-
ge Chris toph Markschies, der Sinolo-
ge RudolfWagner und derKunsthis to-
rikerLothar Ledderose. Ingemeinsa-
men Seminaren bemühteers ichum
den Nachweis, dassdie Grundmotive
der abendländischen Metaphysik in
Wahrheit universal undkeineswegs
auf dieVerlaufsformbeschränkt sind,
die derwestlichenKultur vertraut ist.
Auch hier warseine Arbeit bahnbre-
chend. Dem Irrtum voneiner westli-
chen Säkularisierung und naturalisti-
schenÜberwindung der Metaphysik
isternie aufgesessen.
Jens Halfwassenverkörper te das
Ideal des enzyklopädischen Philoso-
phen.Wieessichfür einen Platoni-
kergehört,warerauch ein herausra-
gender Lehrer.Mit großer Sorgfalt
führte er seine Schülerindie von
ihm als denkerische Wertegemein-
schaf taufgefassteUniversität ein.
SeineRolle als Professorverstand er
nachdem Modell der Platonischen
Akademie undnicht alsAusbilder an
der Massenuniversität.Für ihnwar
der Ehrendoktorder Universität
Athen, den er 2014für seineVer-
dienste um die Erforschung der Anti-
ke erhielt,eine der passendsten sei-
nervielen akademischen Ehren. Zu-
gleichwarerein kritischer Beobach-
terder vonder Wachstumphiloso-
phiegetriebenen Bildungspolitik,ge-
gendie er unter anderem in dieser
Zeitung einums andere Malener-
gischinter venierte.
Zuletzt sprachen wir vielüber das
Hauptthema Platons: Unsterblich-
keit.Wennerrecht hatte, sehen wir
uns wieder,dochdannmit anderen
Augen. Amvergangenen Samstagist
Jens Halfwasse ninHeidelberg im Al-
tervon einundsechzigJahrengestor-
ben. MARKUSGABRIEL

Purer Wohnsinn


Die Musik kommt ganz vonselbstzuden Menschen


Wider den Geistder Verzagtheit:Die DeutscheStaatsphilharmonie Rheinland-Pfalzfeiertsichals Mutmacher


Früher warmehr Lebensprojekt: Das VitraDesignMuseumwidmet


sichder Wohnkultur.VonUlf Me yer, Weil am Rhein


Tempel desStils:Karl Lager-
felds Apartment in Monte
Carlo mit Entwürfenvon
„Memphis“, um 1983
Foto Jacques Schumacher

Spuren des


Absoluten


Der Philosoph Jens


Halfwassen istgestorben


FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Feuilleton MITTWOCH, 19.FEBRUAR2020·NR.42·SEITE 11

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