Frankfurter Allgemeine Zeitung - 19.02.2020

(ff) #1

TeurefalscheAuskünfte


Erteilt ein Chef seinem Mitarbeiter
Auskünf te,die dessenVermögensinte-
ressen berühren, haben die Informa-
tionen nacheiner Entscheidung des
BundesarbeitsgerichtsvomDienstag
„richtig, eindeutig undvollständig“ zu
sein. Sonsthafte tdas Unternehmen
möglicherweise für die Schäden, die
der Mitarbeiter infolgeder Fehlinfor-
mation erleidet. In demFall hatt esich
einArbeitnehmerimJahr 2003 aufei-
ner internenVeranstaltung über eine
Betriebsrenteinformiertund sich
schließlichfür diese entschieden. Als
er sic himRuhestand 2015 auszahlen
ließ, folgte die böseÜberraschung:
Wegeneiner Gesetzesänderung im
Jahr 2003 mussteerdie Beiträgezur
Kranken- und Pflegeversicherung
nachzahlen.Erverklagteseinenfrühe-
renArbeitgeber,weil dieser seineAuf-
klärungspflichtenverletzt habe. Da-
mit hatteervor dem Landesarbeitsge-
richtErfolg. Die ErfurterRichterga-
ben derRevision desUnte rnehmens
statt, ließen aber offen, ob Arbeitge-
ber „überobligatorisch“ Hinweis-
pflichten treffen. Sie treffe keine gene-
relle Pflicht, ihreMitarbeiter über die
auf Betriebsrenten fälligen Kranken-
kassenbeiträgeaufzuklären(Az.:
AZR 206/18). mj.


Weniger Beschwerden


Im Jahr 2019 sind erstmals seit 2006
beim Bundesverfassungsgeric ht weni-
gerals 5500Verfassungsbeschwerden
eingegangen. DasteilteGerichtspräsi-
dent AndreasVoßkuhle auf der Jah-
respressekonferenz inKarlsruhe mit.
Etwa63Prozent der Beschwerden
konnten im ersten Jahr entschieden
werden. „Es bleibt zu hoffen, dasses
sichhierbei um eine längerfristige
Entwicklung handelt“, sagteVoßkuh-
le. Nursokönne esgelingen, dierich-
tigeBalance zufinden zwischengro-
ßen Senatsverfahren und denTausen-
den Kammerverfahren. Im Durch-
schnitt sind 2,3 Prozent derVerfas-
sungsbeschwerden erfolgreich. hw.


FRANKFURT. Im Abgasskandal liegen
die rechtli chen WertungenvonStaatsan-
wälten, Wirtschaftsjuristenund denStraf-
verteidigernder beschuldigtenPersonen
im viertenJahr seit Bekanntwerden der
SoftwaremanipulationenamDiesel-Mo-
torEA189 weiter auseinander.Das gilt
vorallem für denStraftatbestand Betrug.
Die Norm nimmt in den bislang erhobe-
nen Anklagengegenden früherenVolks-
wagen-Chef MartinWinter korn oder ge-
genden einstigen LenkervonAudi, Ru-
pertStadler,eine zentrale Position ein.
„Die Grenzendes individuellenSchuld-
strafrechts sind imFall der Beschuldigten
möglicherweise überschritten“, sagte
Wolfgang Spoerr, Partner derKanzlei
Hengeler Mueller,jüngstauf einemTref-
fender WirtschaftsstrafrechtlichenVerei-
nigung(WisteV) inFrankfurt.
Spoerr, der in der Diesel-Affäre den Zu-
lieferer Boschberät, verglichdie Situati-
on mit der Phase in Amerikanachder Fi-
nanzkrise. Dorthabe dieStrafjustiz unter
der Federführung der damaligen Justizmi-
nisterinSallyYates zahlreicheStrafzah-
lungengegenBankerverhängt und einzel-
ne Manager angeklagt.Die Bilanz:Ver-
gleiche über 85 Milliarden Euro–aber
die Anklagenscheiter tenspektakulär.
Den zentralen Betrugsvorwurfhielt
der Hengeler-Anwalt an mehrerenStellen
für angreifbar.Zum häufigverwendeten
Narrativ,wonachesnicht seinkönne,
dassdie Vorstände inWolfsbur gund In-
golstadt nichts mitbekommen hätten,ver-
wies Spoerrauf dieRechtsp rechung des


  1. Strafsenats am Bundesgerichtshof. Der
    habe 2017 klargestel lt, dassesimdeut-
    schenStrafrechtkeine „allgemeineVer-
    antwortlichkeit“vonVorgesetztengebe;
    eine Pflicht zum Handeln ergebe sic hnur
    für Garanten (Az.:2StR 308/16).
    Bei derTäuschungshandlung sei es ab-
    wegig, dasssichVerbraucher an den An-
    gaben der Hersteller orientierthätten.
    Vielmehr sei es ihnen dochumden
    Schutz des Motors gegangen, meint
    Spoerr. Für den möglichenVermögens-
    schadenverwies er auf eineAuswertung
    der allgemeinen Wertentwicklung von
    Diesel-Fahrzeugen. DerWertverlustsetze
    nicht mit Bekanntwerden der Manipulati-


onsvorwürfe ein, sondernJahrespäter.
„Aus meiner Sicht istesdeutlichdie 2018
einsetzende Diskussion um Diesel-Fahr-
verbote,die denWert beeinflusste“, er-
klärte Spoerr. Für Oberstaatsanwalt
Noah Krüger aus Frankfurtbleibt der
Schaden das „problematischste und
schwierigste Thema“ beim Betrugsvor-
wurf. DerStrafverfolger verwies auf den
Vorteil, auf die bisherigen Ermittlungen
in Braunschweig und München schauen
zu können. EineTeilschuld sah er bei den
Zulassungsbehörden. Sie hättenvordem
Problem der Manipulationen „ganz be-
wusstdie Augengeschlossen“.
Dissens besteht über dieWirkung von
Sanktionenauf die Unternehmen. Spoerr
meinte, dasssichdie Strafjustiz bewährt
habe. Schließlichhätten dieStaatsanwalt-
scha ften die höchsten Unternehmensbuß-
gelder in der Geschichteder Bundesrepu-
blik verhängt.Damit habe man sichinder
internationalenKonkur renz „alswettbe-
werbsfähig“ erwiesen. Im Grundsatz
stimmt Oberstaatsanwalt Krüger dem zu.

Für künftig eVerbandsgeldbußenkönn-
tensichdie Automobilhersteller undZu-
lieferer aber nicht auf dasVerbotder Dop-
pelbestrafung („ne bis in idem“) berufen.
Schließlich habe die Geldbuße meistens
nur eineKonzerntochter bezahlt.Wenn
man sichdie Konzernstrukturen und die
VerlagerungvonGewinnen anschaue, sei
man in der Branchevermutlich nochim
einstelligen Prozentbereichder Unterneh-
men, dietatsächlichsanktioniertwurden,
berichteteKrüger.
Die StaatsanwaltschaftinFrankfurt,
die jüngstihreErmittlungengegenden ja-
panischen HerstellerMitsubishi ausweite-
te,beschäftigt sichschon seit längerem
mit dem Einsatz mobilerAbgasmessgerä-
te im Fall vonNutzfahrzeugen. Dabeiste-
hen abermals MessungenvonPartikeln
und derStickoxid-Konzentration im Mit-
telpunkt.NachKrüger sWortensteht „ein
Diesel-Skandal 2.0 in denStartlöchern“.
Die Nutzfahrzeughersteller sollten sich
überlegen, ob es nicht an derZeit sei, auf
eine legaleAbgasstrategie zuwechseln.

MÜNCHEN.Seit über 15 Jahrenstellt
die EuropäischeKommission auf ihren
Internetseiten jedeWoche Produktezu-
sammen, die Marktüberwachungsbe-
hörden in den Mitgliedstaaten als le-
bensgefährlichgemeldethaben. In vie-
len Fällen sind diese Meldungen über
Rapex(Rapid ExchangeofInformation
System) jedochunrichtig, davonden
Produkten keinerlei Gefahren ausge-
hen. Die betroffenen Hersteller stehen
dennoch medial am Pranger.Erstmals
hat jetzt ein Gericht entschieden, dass
sichbetroffene Unternehmenwehren
können.
Das Rapex-System dientden Mit-
gliedstaaten gewissermaßen alsrotes
Telefon, über das sie sichwechselseitig
über lebensgefährlicheNon-Food-Ver-
braucherprodukteaustauschenkön-
nen, damit diese binnenkürzesterZeit
aus demVerkehr gezogenwerden kön-
nen. DieKommission nimmtsichdabei
die Freiheit, diese Meldungenwöchent-
lichimInternetzuveröf fentlichen. In
ersterLinie sind es freilichnicht interes-
sierte Verbraucher,sonderndie Me-
dien, die dieWarnungen regelmäßig
studierenundredaktionellaufgreifen.
Unternehmen,die mi tihren Produk-
tenauf derRapex-Listestanden, hat-
tenbisherkaum Chancen,sich gegen
denöffentlichen Behördenprangerzur
Wehr zu setzen.Die Kommission,die
die Meldungen jeweils an die übrigen
Mitgliedstaatenweiterleitet und sie in
eigenerVerantwortungveröffentlicht,
weistjegliche inhaltlicheVerantwor-
tungvon sich. DieinDeutschlandfor-
mal verantwortliche Bundesanstalt für
Arbeitsschutz undArbeitsmedizin
(BAuA) weiß zwar,dasssie Rapex-Mel-
dungenvalidieren undüber dasSystem
an dieeuropäischeKommissionweiter-
leitenmuss, fühlt sichaber für deren In-
halt ebenfalls nicht verantwortlich.
DienachLandesrecht zuständigen
Marktüberwachungsbehörden,die die
Produkteprimär beanstanden,als le-
bensgefährlic heinstufen und sodann
an dieBAuA weiterleiten, lehnten ih-
rerseits bislang jede Verantwortlich-
keit ab.

Folgedieses Zuständigkeitswirrwarrs
ist, dassdie Rapex-Liste wöchentlic hvie-
le Produkteauffüh rt,von denen ersicht-
lichkein ernstesRisikoausgeht, das den
öffentlichen Prangerrec htfertigt.
Ein neues Grundlagenurteil desVer-
waltungsgerichts Münstervom Novem-
ber (Az.:9K2514/16)lässt Hersteller
vonVerbraucherprodukten aufatmen:
Das Verwaltungsgericht hat in einer ju-
ristischanspruchsvollen Gemengelage
–entgegen der in Deutschlandgängi-
genBehördenpraxis–festgestellt, dass
Unternehmen, deren ProduktezuUn-
recht auf derRapex-Liste stehen, die
Beseitigung ihrer Produktevon dieser
Liste erzwingen können.Verantwort-
lichfür die Beseitigung istdabei primär
die nachLandesrech tzuständige Markt-
überwach ungsbehörde, die das Produkt
beanstandetund die Meldungveran-
lasst hat. Rechtsgrundlag ehierfür ist
ein allgemeinerFolgenbeseitigungsan-
spruch, dergegenüber der Behörde mit
der allgemeinen Leistungsklagegel-
tend zu machen ist.
In dem vomVerwaltungsgericht
Münsterzuentscheidenden Rechts-
streit ging es umRadiergummis in Ge-
stalt eines Golfschlägersoder einer
Tierfigur,die der Hersteller als Spiel-
zeug für Kinderüber drei Jahredekla-
rierthatte. Obwohl das Produkt bereits
seit Jahren millionenfachbeschwerde-
frei verkauftwurde, ließ die Behörde
das Produkt auf dieRapex-Liste setzen
und behauptete ,dassbeim Umgang mit
dem Produktmit einerWahrscheinlich-
keit von1:1000mit einemTodesfall zu
rech nen sei. Dem istdas Verwaltungsge-
richtentschieden entgegengetreten.
Die Behörde wurdeverurteilt, imRah-
men ihrer Möglichkeiten zuveranlas-
sen, dassdie Meldung beseitigt wird.
Die eigentlichen Gewinner desUr-
teils sind dieVerbraucher.Sie werden
in Zukunftwieder mehr daraufvertrau-
en können,dassdie wöchentlichanden
Rapex-Pranger gestellten Produkte
wirklichgefährlichsind, undkönnen
ihr Konsumverhalten darauf einstellen.

DerAutoristPartnerbeiNoerrund hat das
klagendeUnternehmenvertreten.

RECHTUND STEUERN


Zuletzt haben Vertreter der großen ameri-
kanischen Tech-Konzerne überwiegend
den Eindruck vermittelt, sie hätten Angst
vor dem, was Ursula von der Leyen mit ih-
rer EU-Kommission für eine Politik ver-
folgen wird. Sie schlagen Regulierungen
vor und haben die Sorge, dass die Europä-
er selbstbewusster werden. Ist ihre Sorge
berechtigt?
Jedenfalls istesgut, dassEuropa selbstbe-
wussterwirdund dassdas auchwahrge-
nommen wird. Ähnlich wie für unsTiger-
staaten wie Singapur und Südkoreakeine
Gefahr darstellten,weil sie einfachzuhe-
terogenwaren, zu klein, zu divers, sind
wir Europäer in der bisherigenWelt für
die VereinigtenStaaten zu langsam, zu
klein, zuwenig innovativ gewesen. Mir
hat ein ehemaliger amerikanischer Gene-
ralmal gesagt:Wissen Sie, wir denken,
Europa wirdnochsehr langebrauchen.
Unddann hat er mir auf die Schulterge-
klopft.


Was ist heute anders?
Wirsteuernauf eine bipolareWelt zu,
und in der istdas, waswir jetzt an interna-
tionalen Handelskonflikten sehen, nur
der Anfang.Wenn die Beteiligten nicht
aufpassen,könnten als nächstesLieferk et-
tenzerbrechen, dannwerden wir die Bipo-
laritätstärkermilitärischerleben, dann
mit Blickauf denTechnologie-Standard.
Wirsteuerndarauf zu, dassesinz entra-
len Bereichen zwei Technolog ie-Stan-
dards auf derWelt gibt, einen auf Ameri-
ka zentrierten, einen auf Chinazentrier-
ten. Undbeide haben ihreSatelliten, Alli-
iertenoder mehr oderweniger freiwillig
Angedockten um sichherum.


Die Standards werden wirklich sover-
schiedensein, dass dereinenicht mit et-
was Hilfe mit demanderen verschaltet
werden kann?
Wenn beide aufKonfliktkursbleiben,wer-
den dieStandards so sein, dassder andere
keinen Nutzen davonhat.


HatEuropaüberhaupt noch Zeit, dar-
aufselbstbestimmt zu reagieren?
Europa befindetsichimZugzwang.Wir
habenals EuropäischeUnion nochnie ei-
nen derartigen Handlungsdruckgehabt.
Wirhaben dieVereinigtenStaaten als mi-
litärischen Schutzschirm, und wir haben
die amerikanischenStandards übernom-
men.Künftig müssen wir uns entschei-
den, machen heute aber Geschäfte mit
beiden. Idealerweise findetEuropa eine
Rolle, in der esweiterhin mit beidenko-
operieren und Geschäfte machenkann.
Idealerweise is tEuropakünftig das für
die Welt, wasdie Schweiz als neutrale Al-
ternativefür Eu ropa ist. Europa istinklas-
sischindustrieller Hinsicht eineWelt-
macht.Nun müssen wir im Digitalen
selbstbestimmter agieren und unabhängi-
gerwerden .Deshal bist die Sorge derame-
rikanischen Monopolisten berechtigt,
dassEuropa ihreProdukteund Dienste
nicht mehr automatischeinfac habnimmt
und sicheinordnet.

WasgehörtIhrerAnsichtnachkonkret
zu mehr Souveränitätdazu? BrauchtEu-
ropa eineeigene Cloud-Infrastruktur,
ein eigeneskonkurrenzfähigessoziales
Netzwerk, eineeigene Suchmaschine,ei-
gene Satelliten-Navigation, eigene
Raumfahrt?
Um es kurz zu sagen:Wirbrauchen die
nächs te Generation digitalerTechnolo-
gien.

Auseuropäischer Herstellung?
Auseuropäischer Knowhow-Sicht .Aber
die nächste Generation. Das Jetzigeein-
fach nachzumachen, das isthoffnungslos.
Das istdie pauschale Antwort.

Wasbedeutet das konkret?
Europa nimmt für sichinAnspruch, ein
Wirtschaftsraum zu sein. Das sind wir
aber nur bedingt.Wirhaben einenZoll-
raum und einen begrenztenWährungs-
raum. In meinerZeit als CEO der Soft-
ware AG warenwir in 15 europäischen
Ländernaktiv –und hatten 15verschiede-
ne Sy steme der Gehaltsabrechnung.

Es gibtauch keinen digitalen Binnen-
markt.
Eben.Wirmüssen denWirtschaftsraum
als einen homogenenRaum etablieren,
mit allem,wasdas bedeutet.Wir benöti-
genfür Europa einen wirklicheinheit-
lichenRechtsrahmen, einenSteuerraum,
insgesamt einen darauffolgenden Gover-
nanceraum für Datenregulierung–und
dann einen europäischen Datenraum für
unterschiedliche Themen, für Gesund-
heit etwa ,für den öffentlichen Bereich,
für die Mobilität.Ein einheitlicher Hand-
lungsrahmenist der Anfangvonallem.
Danachkönnen wir uns über Clouds un-
terhalten undTechnologiestandards

Davon scheint Europa momentanmen-
tal weitentfernt.
Das Verhältnis zwischen Bund und Bun-
desländernoder Bund,Kanton undKom-
munen in der Schweiz funktioniertdoch
auch! Gebenwirdochjeder unteren Ebe-
ne nachdem Subsidiaritätsprinzip die
größtmöglicheFreiheit!Aber Dingewie
einen Wirtschaftsraum, eine Schwung-
masse, einetechnologische Basis, die wir
brauchen, um souverän zu sein–lasst uns
da zusammenwirken. Allein für sichsind
europäischeStaaten zu unbedeutend, um
in derglobalenWirtschafts- undTechno-
logi epolitik zu bestehen.

Was wäreein Datenraum fürGesund-
heit konkret?
Fürdiesen und andereBereiche gilt:Die
Datenschutzgrundverordnung istein

Schritt in dierichtigeRichtung.DassKali-
fornien sich daranorientiert,zeigtja, da ss
es of fensichtlich einenWeg gibt, dendie
Menschenwollen, zwischenWildwes tauf
dereinen und totaler Regulierung aufder
ander en Seite.Auf denPunkt gebracht ist
Folgendesnötig:Die Daten, die inEuropa
gespeichertsind, diewerden ausschließlich
nach europäischenGesetzen undRegelnzu
behandeln sein. Da darfesk einen Cloud-
Actgeben,der darauf zugreifen kann,nur
weil es irgendeineRegelung außerhalb Eu-
ropas gibt.Damüssen wir einfachhartund
klar bleiben undKante zeigen.Wirbrau-
chen einen europäischenSchengenraum
fürDaten, an densich jeder halten muss,
derinE urop aDaten verarbeitet.

Ist das rechtlichmöglich? Die Amerika-
nerhabenden Cloud-Actbeschlossen,

daranmüssen sich die amerikanischen
Unternehmen halten. Ihr Ansinnen be-
deutet in der Konsequenz, dassGesund-
heitsdaten vonEuropäern auchnicht
auf amerikanischenServern in Europa
liegen dürfen.
Ja. Solangewir nichtgarantierenkönnen,
dassausschließlich europäischesRecht
gilt, istdas dieKonsequenz.Wassonst?

Gibt es keine Alternative?
Da müssen wir im Zweifel PrivatePublic
Partnerships machen. Eine Möglichkeit
wäre,für ganz bestimmte,hochkritische
Datenräume PPP einzurichten, indenen
natürlichnicht die Innovation vomStaat
kommt, aber dieRegularien.Wo staatl-
iche Regulierunggarantiert, dasskeiner
zugreiftoder eingreift, sondernunsereRe-
geln gelten.

Wäre eine Einigungmit den Amerika-
nern möglich oder wären beispielsweise
die Telekoms in der Pflicht?
Ideal wäre eine Lösung, dieetwa beinhal-
tet, das sMicrosoftein JointVentureein-
geht mit einer PPP und einem europäi-
schenUnternehmen, sodass dann der
Cloud-Actnicht gilt–oder die Amerika-
ner ändernden Cloud-Act. Ichhabe dem
Microsoft-Vorstandsvorsitzenden Nadel-
la gesagt, dassder Cloud-Actdas Problem
ist, weshalb wir amerikanischen Clouds
nicht mehrvertrauen können,weshalb
wir eigene Infrastrukturen aufbauen müs-
sen.

In derRealität ist es doch so, dass deut-
sche Cloud-Bemühungen, ob es
Mindsphere von Siemens istoder das,
was dieSoftware AG unterIhrerRegie
begann,nichtsorichti gfliegt–etwa
weil dieUnternehmen Bedenken haben,
Datendahinein zu geben.
Da arbeitet die Zeit für uns.DasVerständ-
nis die Digitalisierung wirdgrößer,und
so werden die Bedenken kleiner.Nehmen
wir malAdamos,wasder deutsche Ma-
schinenbauvorvier Jahren begonnen hat.
Da konnten einigedas Thema Digitalisie-
rung nochnicht klar positionieren.Für
viele im Marktwardas ThemaDigitalisie-
rung nochein Buchmit sieben Siegeln –
ganz zu schweigenvonder Frage, ob wir
da nun souverän sind oder nicht.Darüber
hinaus müssen dieUnternehmen lernen,
in der digitalenWelt zusammenzuarbei-
ten–jeder für sich, dasgeht nicht mehr.
Jetzt werden alle digital affiner undste-
hen unter größerem Handlungsdruck.
Schließlich wirddurch diebipolareWelt
jedemklar:Wir müssen definieren,wer
wir seinwollen.

Nehmen wireinmalan, wir bekommen
dashin: Würdedas bedeuten, dass es
dann künftig drei Standardsgibt –einen

chinesischen, einenamerikanischenund
einen europäischen? Daswäre ja nicht
zwingend eine Vereinfachung.
Das Ideal aus meiner Sichtwäre eine Si-
tuation, in der wir mit beiden Blöckenar-
beitenkönnen. Daswäre schon mal nicht
schlecht.Stellen Sie sichdarüber hinaus
vor, dass wirsoinnovativ sind, dasswir je-
demBlocknocheinenNutzen bringen be-
zogen auf Innovation. Dassbeide Blöcke
auchKomponenten in ihren Lösungen
hätten, dievonuns kommen.Stellen Sie
sichschließlichvor,wir öffnen die Märk-
te für beide–unter der Bedingung, dass
in unserem Haus nachunserenStandards
gearbeitetwird: Wenn einerdann meint,
ichziehe dir denStecker, dannkommt
vonuns eben auchnichts mehr. Offen,
stark, vertrauenswürdig und relevant
sein, darumgeht es.Wirwerden unseren
Wohlstand nicht erhalten,wenn wir ohne
eigeneRelevanz zwischen den Machtblö-
cken stecken.

Und wersoll das konkretmachen?
Die EU,das mussvon der EUkommen.

Und welche Unternehmen?
Alle müssen mitmachen –alle wollen
dochihren Wohlstand erhalten.

Nochkonkreter bitte.
Wirmüsse neinen regulatorischenRah-
men aufspannen,der unserenUnterneh-
men als LateStarter ermöglicht aufzuho-
len.China hat das äußerstradikalge-
macht–soentstanden Alibaba,Tencent,
Baidu.Wenn China Google undFace-
bookreingelassen hätte, danngäbe es
das allesnicht .Ein Bild:Wenn man ei-
nen großen Teichhat, und man setzt Hai-
fische und Piranhas rein, dannkann ich
nicht den jungen Karpfen sagen: Ihr
müsst schnellerschwimmen, ihr
schwimmt nicht schnellgenug! Wirmüs-
sen fünf oder zehn Jahre lang denFrei-
raumschaffen, da ss sich dasentwickeln
kann.

Die EU würde sich dadurch nachaußen
digital abschotten.
Ichspreche nichtvonAbschottung.Wir
müssen einen Handlungsrahmen schaf-
fen, der ermöglicht, dasseigene Innova-
tionen eine Chance haben, ohne unserem
freiheitlichenWertesystem und einer offe-
nen Marktwirtschaftden Rücken zukeh-
ren. Auchdie VereinigtenStaaten haben
dazu ihreInstrumente,etwa das CFIUS.
Das Committee onForeign In vestment in
the United States kontrolliertAuslands-
investitionen in amerikanischeUnterneh-
men im Hinblickauf dieAuswirkungen
auf die nationale Sicherheit.

Das GesprächführtenAlexander Armbruster
undCarstenKnop.

Schuld ist immerein Me nsch–das gilt auchimVW-Skandal. FotoAFP

Karl-Heinz Streibich FotoDavid Ausserhofer

Uneins über Betrug am Diesel-Fahrer


Strafrechtler diskutieren über dieVorwürfe im Abgasskandal und ob die


Unternehmensbußen deutlichhöher ausfallen sollten /VonMarcusJung


Radierer in Verruf


Wenn Behörden ProduktezuUnrechtgefährlich


nennen, hilftder GangvorGericht/VonArunKapoor


„Off en,s tark,relevant sein–darum geht es für Europa“


Karl-HeinzStreibich


leitet die Denkfabrik


Acatec hund ist


Aufsichts ratmehrerer


deut scherKonzerne.Er


sagt,was dieEUvon


Chin aund de rSchweiz


lernenkann –auch mit


Blic kauf Google&Co.


SEITE 16·MITTWOCH,19. FEBRUAR2020·NR.42 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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