D
ie Versprechen der »Smart City« sind
vollmundig: Die Bürgerbeteiligung in
der Politik soll ausgeweitet, der Zu-
gang zu wichtigen Infrastrukturen
demokratisiert werden. Tatsächlich
bedeuten die derzeitigen Pläne der
Smart City vor allem eine Zentralisierung von städti-
schen Einrichtungen. Statt an die Bürger würden Städ-
te Macht an Technologiekonzerne abgeben. Politische
Entscheidungsprozesse würden intransparenter.
In Barcelona haben wir das Konzept umgekehrt.
Nicht mit der Technik beginnen – Sensoren, Daten, Ver-
bindungen – und erst dann fragen: Wofür brauchen wir
das überhaupt? Stattdessen bringen wir die Technik mit
politischen Zielen in Einklang: bezahlbarer Wohnraum,
Gesundheitsversorgung für alle, nachhaltige Mobilität,
Energiewende, Kampf gegen den Klimawandel.
Den Kern des Barcelona-Modells bildet ein riesiges
Experiment in Bürgerbeteiligung: die digitale Plattform
Decidim, auf Deutsch: »Wir entscheiden«. Dort gestalten
die Bürger die Politik der Stadtregierung mit, indem
sie Ideen einbringen, diskutieren und abstimmen. So
konnten wir mithilfe von Decidim das Programm der
Stadtregierung entwickeln: Über 70 Prozent der Vor-
schläge kamen direkt von Bürgern, 400.000 haben sich
daran beteiligt. Eine der Schlüsselfragen: Wer kontrolliert
die Daten – Konzerne und Staat oder die Bürger?
Wir brauchen einen »New Deal on Data«, einen
neuen Gesellschaftsvertrag über Daten. Sie sollten öf-
fentliches Gut sein, genauso wie Strom, Trinkwasser,
Straßen und saubere Luft. Deshalb hat die Stadt in Ver-
trägen mit Dienstleistern Klauseln für eine »Datensou-
veränität« eingebaut: Jede Firma muss die gesammelten
Daten in einer maschinenlesbaren Form dem Rathaus
überlassen. Auf diese Weise werden die Daten zu einer
Art digitalem Gemeineigentum, das allen Bürgern von
Barcelona gehört. Darauf zielt auch ein Pilotprojekt ab,
das auf der Decidim-Plattform aufsetzt. Dort können
Bürger nach dem Einloggen alle Daten einsehen, die mit
ihnen zu tun haben: Daten zur Lärmbelastung in ihrer
Umgebung, Daten zur eigenen Gesundheit, offene Daten
der Stadtverwaltung. Und sie können kontrollieren,
wofür diese Daten genutzt werden dürfen.
Meine Vision ist eine digitale Stadt, die auf solch
einer Datensouveränität aufbaut. In der die kollektive
Intelligenz der Bürger in die Entscheidungen der Politik
einfließt. Technik und Daten müssen den Menschen
dienen – und nicht umgekehrt. —
OPTIMIST
Francesca Bria,
(Foto oben) ist
Ökonomin und berät
die EU-Kommission
in Fragen der Digi-
talisierung. Bis 2019
war Bria Beauftragte
für Technologie und
Digitale Innovation
der Stadt Barcelo-
na. Sie koordiniert
das EU-Projekt DE-
CODE, das Tools
für den Daten-
schutz entwickelt
Der digitale Wandel ist eine Chance für die Demokratie: Wenn die Daten
allen gehören, können auch alle mitentscheiden, wie sie genutzt werden
Eine digitale Stadt für alle
Fotos
Shutterstock (2); Imago; Getty Images
Text Francesca Bria