Die Zeit Wissen - 01.2020 - 02.2020

(Barry) #1




W


ie verschnupft die Deutschen sind,
weiß wohl niemand so gut wie Udo
Buchholz. Er ist Epidemiologe am
Robert-Koch-Institut und kennt
den Krankenstand der Deutschen,
was Atemwegsinfektionen angeht:
wie viele von ihnen über Husten, Schnupfen oder Hei-
serkeit klagen, ob mehr oder weniger Menschen ihren
Arzt konsultiert haben als im Jahr zuvor und ob es nur
ein leichter Halsschmerz oder vielleicht doch die echte
Grippe ist – die Influenza, welche die meisten Pati-
enten heutzutage ohne bleibende Schäden überstehen.
Das Problem ist nicht eine lokale Ausbreitung oder ir-
gendein Virus, sondern globale Grippewellen, die das
Zeug haben, sich zur weltweiten Katastrophe auszu-
wachsen – also Pandemien. Eine der bekanntesten in
der Geschichte ist die Spanische Grippe aus dem Jahr


  1. Sie soll mehr Tote gefordert haben als der kurz
    zuvor zu Ende gegangene Erste Weltkrieg.
    Dass sich eine solche Pandemie auch heute noch
    wiederholen kann, steht für Experten außer Frage. Zwar
    gibt es inzwischen Impfstoffe. Die müssen aber an jeden


neu auftretenden Erregertyp angepasst, produziert und
verteilt werden. Bis dahin können sich die Grippeviren
ungehindert ausbreiten. Manche Experten gehen so
weit, zu behaupten, dass es Pandemien heute sogar
leichter hätten als früher. Per Flugzeug reisen auch
Krankheitserreger rasend schnell um die Welt.
Vorhersagen können Udo Buchholz und seine
Kollegen bislang nicht, wann und wo Viren zuschlagen.
Wie bei einem Erdbeben erkennt man das Ausmaß des
Desasters erst, wenn es schon passiert ist. Auch die letzte
Pandemie im Jahr 2009, bekannt geworden unter der
Bezeichnung H1N1 oder als Schweinegrippe, erwischte
die Wissenschaftler kalt. Es steckten sich zwar viele
Menschen an, aber bei den meisten verlief die Erkrankung
überraschend milde, viele von ihnen gingen erst gar nicht
zum Arzt. Was zur Folge hatte, dass die Meldungen der
Ärzte bei den Grippeexperten im Robert-Koch-Institut
wenig über die tatsächliche Zahl der Infizierten aus-
sagten. Und die Berichte aus Arztpraxen und Laboren
waren bis dahin die einzige Informationsquelle für die
Grippeforscher. Mit der Schweinegrippe hatte sich ge-
zeigt: Es fehlte ein funktionierendes Frühwarnsystem.

Heute schon gehustet?


Wer immer montags seine Gesundheit überprüft,
hilft, weltweite Grippewellen zu verhindern

Text Ulf Schönert

Foto

Shutterstock

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