Die Welt - 17.02.2020

(nextflipdebug5) #1
QUIRIN LEPPERT

Verbündete


gesucht


Faisal Bin Farhan Al-Saud ist
45 Jahre alt, in Frankfurt am
Main geboren und war schon
Botschafter in Deutschland.
Seit dem vergangenen Jahr
ist er Außenminister von
Saudi-Arabien. Im Exklusiv-
Interview mit WELT
wünscht er sich, dass Europa
mehr Druck auf den Iran
macht. Seite 8

A


ndreas Scheuer, den sie
im Kabinett „Verkehrs-
minister“ nennen, hat
eine recht bedenkenswerte Idee
präsentiert. Er lässt gerade
überprüfen, ob es möglich wäre,
die Post mit der U-Bahn zu-
zustellen. Grundsätzlich scheint
das machbar. Man müsste nur
dafür sorgen, dass es mehr
U-Bahn-Haltestellen gibt. Das
wäre schon ein gigantisches
Bauprojekt, man müsste ganz
Deutschland untertunneln, und
alle 50 Meter wäre eine Halte-
stelle, an der man sich seine
Post abholen könnte, und zwar
nach Fahrplan. Technisch pro-
blemlos umsetzbar und sicher
eine willkommene Investitions-
spritze für die dahinsiechende
deutsche Wirtschaft. Mit dem
Projekt ist nebenbei auch die
Verkehrswende zu stemmen,
denn endlich wäre auch das
entlegenste Dorf an den öffent-
lichen Nahverkehr angebunden.
Ein Teufelskerl, dieser Scheuer.
Allerdings ist dann in den gan-
zen U-Bahnen kein Platz mehr
für Fahrgäste, weil da ja die
Post drinliegt. Wer mit der
Bahn fahren will, muss sich also
vorher in ein akkurat adressier-
tes Paket packen lassen. Und
den Rückweg macht man dann
als Retoure.

ZZZippert zapptippert zappt


I


n Kamerun befindet sich der
Journalist Amadou Va-
moulké,der am 10. Februar
dieses Jahres 70 Jahre alt gewor-
den ist und laut medizinischer
Gutachten an einer neurologi-
schen Erkrankung leidet, seit
mittlerweile mehr als 42 Mona-
ten in Haft.
Der Journalist und ehemalige
Generaldirektor des staatlichen
Fernsehsenders Cameroon Radio
and Television (CRTV) war im
Juli 2016 wegen der angeblichen
Unterschlagung von öffentlichen
Geldernverhaftet worden. Ob-
wohl Vamoulké in den vergange-
nen drei Jahren mehr als 20 Mal
vor Gericht erschienen ist, gibt
es bis heute kein rechtskräftiges
Urteil gegen ihn. Organisationen
wie Reporter ohne Grenzen und
das Komitee zum Schutz von
Journalisten (CPJ) riefen die
kamerunischen Behörden in den
vergangenen Jahren mehrmals
dazu auf, Vamoulké aus der Haft
zu entlassen.
Arnaud Froger, Chef des Afri-
ka-Büros von Reporter ohne
Grenzen, forderte zuletzt, „einen
der angesehensten Journalisten
des Landes nicht im Gefängnis
sterben zu lassen“. Nach mehr
als drei Jahren willkürlicher Haft
gebe es weder legale noch mora-
lische Gründe, Vamoulké weiter
fffestzuhalten und ihm die nötigeestzuhalten und ihm die nötige
medizinische Versorgung zu
versagen, so Froger.

#Free
them

all
Amadou Vamoulké

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17.02.20 Montag, 17. Februar 2020DWBE-HP


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S


ind wir allein im Universum? Auf der Suche
nach außerirdischen Zivilisationen haben
Forscher nach eigenen Angaben den bislang
größten Lauschangriff auf unsere Heimatgalaxie un-
ternommen. Fast zwei Petabyte an Beobachtungsda-
ten der Milchstraße hat die privat finanzierte Initia-
tive Breakthrough Listen nun öffentlich zugänglich
gemacht, wie die an der Suche nach extraterrestri-
scher Intelligenz (Seti) beteiligte Universität von
Kalifornien in Berkeley berichtet. Das Projekt wurde
am Wochenende bei der Jahrestagung der Amerika-
nischen Gesellschaft zur Förderung der Wissen-
schaften (AAAS) in Seattle vorgestellt.
Zwei Petabyte sind rund zwei Milliarden Mega-
byte, das entspricht etwa einer Billion Seiten Text.
„Das ist die größte Veröffentlichung von Seti-Da-

ten in der Geschichte“, betonte Breakthrough-Lis-
ten-Chefwissenschaftler Andrew Siemion von der
Universität von Kalifornien. Die Daten stammen
vor allem vom Parkes-Radioteleskop in Australien
und vom Green-Bank-Radioteleskop in den USA.
Sie hatten in den vergangenen vier Jahren die von
Sternen dicht bevölkerte Scheibe der Milchstraße
nach möglichen Funksignalen außerirdischer Zivi-
lisationen abgehorcht.
Bei der Auswertung geht es darum, Signale zu er-
mitteln, die sich vom natürlichen astrophysikali-
schen Hintergrundrauschen abheben, andererseits
aber auch nicht von irdischen Quellen wie etwa Sa-
telliten stammen können. Für diese Herkulesaufga-
be hofft die Initiative auf die Hilfe von anderen For-
schern wie etwa Experten für Maschinenlernen und

künstliche Intelligenz, wie Siemion erläuterte. Auch
Bürger können sich beteiligen: Ein Teil der Daten
kann über das Bürgerforschernetzwerk der Univer-
sität von Kalifornien auf heimischen PCs analysiert
werden. Allerdings seien die Datenmengen so riesig,
dass sie sich nicht alle direkt über das Internet sen-
den ließen, erklärte Siemion. Stattdessen würden
die Rohdaten mithilfe von Supercomputern verklei-
nert, wobei die Empfindlichkeit für ein möglichst
breites Spektrum von Signalen erhalten bleibe.
Die Beobachtungen dienten nicht allein zum Auf-
spüren Außerirdischer, so die Wissenschaftler. Sie
seien auch wertvoll für die Suche nach natürlichen
astronomischen Phänomenen, die sich im Bereich
der Radiowellen bemerkbar machen. So habe eine
Analyse vor etwas mehr als einem Jahr mehr als 70

Radiopulse von einem sich wiederholenden soge-
nannten Fast Radio Burst (FRB; kurzer Radioblitz)
aufgespürt. Die zufällig auftretenden FRB gehören
derzeit zu den rätselhaftesten Beobachtungen im
Kosmos. Sie sind natürlichen Ursprungs, aber ihre
Ursache ist noch nicht geklärt. Astronomen brau-
che daher Daten. Breakthrough Listen ist eine der
vom russischen Unternehmer Juri Milner gegrün-
deten und privat finanzierten Forschungsinitiati-
ven. „Für die gesamte Menschheitsgeschichte hat-
ten wir eine begrenzte Datenmenge, um nach Le-
ben jenseits der Erde zu suchen. Daher konnten wir
nur spekulieren“, erläuterte Milner in der Mittei-
lung der Universität. „Jetzt, wo wir eine große Men-
ge Daten bekommen, können wir echte Wissen-
schaft betreiben.“ dpa

Hallo, ist da wer?


Forscher haben beim größten Lauschangriff auf Außerirdische zwei Petabyte Daten gesammelt. Auswertung dauert ein wenig


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A


uf die deutsche Wirtschaft
rollt eine in dieser Kombina-
tion einmalige Bedrohung
zu: Neben dem Technologie-
wandel, wie dem Trend zum
E-Auto, geopolitischen Veränderungen
und der Konjunkturabschwächung in
China kommen jetzt auch die Folgen des
Coronavirus hinzu. Diese außergewöhn-
liche Situation werde zu einem „massiv
höheren Restrukturierungsbedarf“ bei
Unternehmen führen, heißt es beim US-
Beratungsunternehmen AlixPartners.

VON OLAF GERSEMANN, GERHARD HEGMANN
UND EDUARD STEINER

Je nach Dauer der Corona-Effekte in
den globalen Lieferketten könnte in
Deutschland auch Kurzarbeit in man-
chen Unternehmen notwendig werden,
sagt Michael Dorn, Leiter des deutschen
Restrukturierungsgeschäfts bei AlixPart-
ners, gegenüber WELT. Die Sorgen von
Wirtschaftsexperten nach Bekanntwer-
den des Corona-Problems richteten sich
zunächst auf einzelne unmittelbar be-
troffene Branchen wie den Tourismus

und die Airline-Branche – oder auf In-
dustrien, die besonders stark auf Zuliefe-
rungen aus China angewiesen sind, wie
die Pharma-, die IT- und die Beklei-
dungsindustrie. Doch inzwischen weitet
sich der Kreis der Betroffenen aus. Zum
Beispiel kommen auch aus der Luxusin-
dustrie warnende Töne, die bislang ver-
wöhnt war von der Konsumlust der stark
wachsenden Mittel- und Oberschicht in
der Volksrepublik. „Was gerade in China
passiert, begrenzt das Wachstum der
Branche“, sagt Jean-Christophe Babin,
der Chef von Bulgari.
Außerdem werden manche Effekte ab-
sehbar erst mit Verzögerung, dann aber
heftig spürbar. So decken sich Firmen
aus dem Ausland jedes Jahr rechtzeitig
vor dem chinesischen Neujahrsfest mit
benötigten Waren aus chinesischer Pro-
duktion ein. Während der Neujahrsferien


  • in diesem Jahr zwischen dem 25. Januar
    und dem 8. Februar – wird der Output in
    Chinas Fabriken deutlich zurückgefah-
    ren. Soweit Produktionsprozesse und
    Logistikketten gestört werden, ist dies
    aufgrund des Neujahrseffekts womöglich
    nicht unmittelbar aufgefallen.


Mittlerweile werden auch Zweit- und
Drittrundeneffekte erkennbar. So wur-
den schon die ersten Flüssiggastanker,
die nach China unterwegs waren, umge-
lenkt. Dadurch erhöht sich das Gasange-
bot nicht zuletzt auch in Europa. Der oh-
nehin zu beobachtende Preisverfall wird

so nur noch verstärkt. Gazprom, ein
wichtiger Finanzier des russischen Staa-
tes, gerät damit noch weiter unter Druck.
Wegen des in vielen Ländern weiter-
hin dynamischen Bevölkerungszuwach-
ses, gilt als Daumenregel schon ein Wirt-
schaftswachstum von weniger als drei
Prozent als globale Rezession. Ende Ja-
nuar, kurz vor Bekanntwerden des Coro-
na-Problems, hatte der IWF seine Prog-
nose für 2020 auf 3,3 Prozent gesenkt –
die Welt würde demnach an einer Rezes-
sion vorbeischrammen. Doch das briti-
sche Analysehaus Oxfordeconomics
glaubt inzwischen nur noch an ein Plus
von 2,3 Prozent. Die Schwelle zur globa-
len Rezession wäre demnach deutlich
überschritten; der Zuwachs wäre der
drittschwächste in den vergangenen 30
Jahren: Nur 1993 und 2009 waren die
ausgewiesenen Werte noch schlechter.
Peter Altmaier aber sieht im Corona-
virus noch „keine große Belastung der
Weltwirtschaft“. Erfahrungsgemäß, so
der Bundeswirtschaftsminister im
Deutschlandfunk, seien „wirtschaftliche
Auswirkungen eingrenzbar und be-
herrschbar“. Seiten 9, 12

Coronavirus infiziert


die Wirtschaft weltweit


Die ökonomischen Folgen der Lungenkrankheit ziehen weitere Kreise. Schon 2020 könnte es zu einer


globalen Rezession kommen. Doch Wirtschaftsminister Peter Altmaier sieht „keine große Belastung“


ISSN 0173-8437 40-8 ZKZ 7109

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Während die Zahl der Corona-
Fälle insgesamt steigt, sind die in
Germersheim unter Quarantäne
gestellten 120 deutschen China-
Rückkehrer gesund entlassen
worden. In Frankreich wurde der
erste Todesfall in Europa bekannt


  • ein 80-jähriger Tourist aus China.
    Auch in Afrika gibt es nun Infizier-
    te. In China stieg die Zahl der Ver-
    storbenen um 142 auf 1665. Unter
    den infizierten Passagieren eines
    festgesetzten Kreuzfahrtschiffs in
    Japan sind zwei Deutsche.


Die Entwicklung
in Stichworten

B


ei Konferenzen ereignet sich
Politik in Rede und Gegenre-
de. Im besten Fall zumindest.
Falls sich nichts ereignet, wird trotz-
dem geredet, und darin liegt eine ge-
wisse Verführung zur Bequemlich-
keit, die besonders Deutschland
fürchten sollte. Wenn die Münchner
Sicherheitskonferenz als Institution
etwas dokumentiert, dann ist es das
Selbstverständnis der Deutschen als
Supermacht des Gesprächs. In dieser
Rolle riskiert man stets eine gewisse
Lächerlichkeit und durchaus konkre-
te Gefahr.
Eigentlich steht es nicht gut mit
der deutschen Gesprächssituation.
Zwischen Paris und Berlin wird mehr
gezischt als gesprochen. Ob das an
Deutschlands behäbigem Kleingeist
oder Frankreichs gaullistischem Grö-
ßenwahn liegt, ist gleichgültig – ohne
gegenseitiges Verständnis beider
Staaten gibt es keine europäische Au-
ßenpolitik und deshalb dann auch
kaum eine deutsche mehr. Der Kol-
benfresser im deutsch-französischen
Motor ist eine Tragödie der späten
Ära Angela Merkels. Dennoch wagt
die Bundesregierung auf den wohl
letzten Metern noch eine neue Rolle


  • die als internationaler Vermittler.
    Beim Atomdeal mit dem Iran hat sie
    geübt, im Minsk-Prozess mit Russ-
    land und der Ukraine hat sie vorge-
    legt, und mit dem Berliner Prozess
    zum libyschen Bürgerkrieg ist sie ein
    echtes, großes Wagnis eingegangen.
    Ist das politisches Handeln oder nur
    noch Simulation? Das hängt davon
    ab, ob wir zweierlei lernen.
    Erstens: Der Bedarf an ehrlichen
    Maklern in der Staatenwelt ist groß,
    aber die Schweiz oder Norwegen ha-
    ben nicht das geopolitische Gewicht
    der Deutschen. Daran dürfte es unter
    anderem liegen, dass Reden allein die
    Welt noch nicht geheilt hat, weder
    auf Norwegisch noch auf Schwyzer-
    dütsch und Welsch. Das Gewicht des
    Moderators muss der Vermittlung
    Substanz geben – finanziell und mili-
    tärisch. Wo Frieden geschaffen wer-
    den soll, braucht es immer jemand,
    der ihn sichert und den Wiederauf-
    bau mitfinanziert.
    Zweitens: Ob Vermittlung Erfolg
    hat, hängt letztlich davon ab, ob
    Streitende den Streit beenden wol-
    len. Dazu kann sie niemand überre-
    den. Hier muss die deutsche Debatte
    erwachsener werden. Dass sich die
    Libyer in Berlin nicht sofort um den
    Hals gefallen sind, ist keine Niederla-
    ge der Bundesregierung, die profes-
    sionellen Spott verdient hätte. Eine
    Konferenz zu einem Bürgerkrieg ist
    kein Dieselgipfel. Es dauert Jahre, bis
    ein bewaffneter Konflikt totgeredet
    ist, und die entscheidenden Worte
    fallen erst am Schluss. Immer. Das
    müssen wir aushalten lernen. Es gibt
    wahrlich Schlimmeres.


KOMMENTAR

Supermacht des


Gesprächs


[email protected]

DANIEL-DYLAN BÖHMER

**D2,80EUROB Nr. 40

LOTTO: 2 – 5 – 11 – 20 – 22 – 40
Superzahl: 5 Spiel77: 6648418
Super6: 002147 ohne Gewähr

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