Die Welt - 17.02.2020

(nextflipdebug5) #1

I


n der Antike und im Mittelalter war der Pluto unbekannt –
darum gibt es keine Mythen über ihn. Erst 1930 wurde der
Planet entdeckt, vor wenigen Jahren dann zum „Zwergpla-
neten“ herabgestuft. Der Amerikaner Percival Lowell
(1855–1916) wollte jenseits des Planeten Neptun einen unbe-
kannten Planeten X finden und gründete 1894 das Lowell-Ob-
servatorium in Arizona. Doch Lowell fand keinen „Planeten X“
–obwohl er ihn 1915 fotografiert hatte. Er übersah ihn auf sei-
ner Fotografie – und starb 14 Jahre vor der Entdeckung. Die Su-
che wurde ab 1929 von Clyde Tombaugh (1906–1997) fortge-

setzt. Er entdeckte am 18. Februar 1930 den Planeten X, der
nach dem römischen Gott der Unterwelt benannt wurde: Plu-
to. Immerhin sind die ersten beiden Buchstaben von Pluto die
Initialen des Pechvogels Percival Lowell. Am 24. August 2006
wurde Pluto von der Internationalen Astronomischen Union
zum Zwergplaneten degradiert. In den 1990er-Jahren wurden
immer neue Objekte sogar jenseits von Neptun und Pluto ent-
deckt. Einige von ihnen, wie Eris, Sedna und Xena, erwiesen
sich als ähnlich groß wie Pluto. Eine neue Planeten-Definition
schien nötig. Die Astronomen einigten sich darauf, dass ein

Planet ein Körper ist, der seine Sonne umkreist, genügend
Masse für eine Kugelgestalt besitzt sowie seine Umgebung von
kleineren Objekten freigeräumt hat. Dies sollte nur noch auf
Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Nep-
tun zutreffen – nicht auf Pluto. Zum Jahrestag seiner Entde-
ckung gibt es nun weltweit Forderungen, Pluto wieder zum
Planeten zu machen. Zu den Befürwortern gehören der Nasa-
Chef Jim Bridenstine und Alan Stern, Leiter der „New Hori-
zons“-Mission. Das Hamburger Planetarium hat sogar die Ak-
tion „#plutoforplanet“ gestartet.
REUTERS/ NASA/ JHUAPL/ SWRI

/ BS

Wird Plutowieder


ein richtiger Planet?


P


lötzlich rebellierte mein
Körper gegen mich“ – so
brachte Lady Gaga ihre Er-
fahrungen mit Lupus ery-
thematodes auf den Punkt.
Bei der Krankheit attackiert das Im-
munsystem den eigenen Körper. Sie zu
erkennen ist schwierig. Professor Mar-
tin Aringer erklärt, warum die Erkran-
kung nicht heilbar, aber behandelbar ist.

VON JÖRG ZITTLAU

WELT:Bei einem Begriff wie Lupus
erythematodes denkt man an Erythe-
me und damit an eine Hauterkran-
kung. Doch jetzt sprechen wir gerade
mit einem Rheumatologen und Inter-
nisten darüber ... sind wir an der fal-
schen Adresse?
MARTIN ARINGER:Nein, Sie sind schon
richtig. Lupus wurde zwar in Wien als
tödliche Hautkrankheit entdeckt. Doch
der Grund für ihre Gefährlichkeit liegt
nicht in der Haut, sondern darin, dass
sie alle Organe betreffen kann, und des-
wegen gehört sie zur Inneren Medizin.
Und als Autoimmunerkrankung gehört
sie ins Fachgebiet der Rheumatologie.

Was genau ist eine Autoimmun-
erkrankung?
Eine Autoimmunerkrankung liegt vor,
wenn die Körperpolizei, also die Imm-
unabwehr, auf den eigenen Organismus
losgeht. Man kann dies mit einer fehler-
haften Impfreaktion vergleichen. Bei ei-
ner Impfung entstehen sogenannte An-
tikörper, also Eiweißstoffe, die ausse-
hen wie kleine Ypsilons und alles Mögli-
che binden können. Und wenn die jetzt
vom Immunsystem versehentlich so ge-
macht werden, dass sie körpereigenes
Gewebe attackieren, kommt es zu ent-
zündlichen Reaktionen, wie es etwa
beim Lupus der Fall ist.

Man hört ja auch immer wieder da-
von, dass Impfungen einen Schub der
Erkrankung auslösen können ...
Das ist ein weitverbreiteter Irrtum. In-
zwischen hat man in Studien mehrfach
zeigen können, dass durch Impfungen
so gut wie nie ein relevanter Schub aus-
gelöst wird. Es ist vielmehr so, dass Lu-
pus-Patienten in besonderem Maße
durch Infektionen gefährdet sind, auch
durch Influenza und Pneumokokken.
Da sollte man also eher zu entsprechen-
den Impfungen raten.

Was sind die Lupus-Ursachen? Wa-
rum richtet sich bei ihm das Immun-
system gegen den eigenen Körper?
Das ist noch nicht abschließend geklärt.
Was wir wissen: Es spielen genetische
Komponenten mit. So erkranken rund
zehnmal so viele Frauen an Lupus wie
Männer, und das liegt nicht nur an ihren
Hormonen, sondern auch an der simp-
len Tatsache, dass sie über ein X-Chro-
mosom mehr verfügen. Eine Rolle spielt

aber auch das UV-Licht der Sonne, und
auch bestimmte Virusinfektionen wer-
den als Ursache von Lupus diskutiert.

Wie oft kommt die Erkrankung vor?
Sie trifft hierzulande ungefähr einen
von 10.000 Männern sowie eine von
1000 Frauen.

Was sind die Symptome?
Das große Problem am Lupus ist, dass
praktisch alle Organe betroffen sein
können, von der Haut über Gelenke und
Muskeln bis zu Nieren, Herz und Ge-
hirn. Dementsprechend bunt sind die
möglichen Symptome.

Gibt es wenigstens im Anfangsstadi-
um der Erkrankung typische Sympto-
me? Man hört von Fällen, in denen sie
sich durch psychische Symptome wie
Angststörungen ankündigt ...
Das kann schon vorkommen, doch bei
solchen psychiatrischen Symptomen
muss dann der behandelnde Arzt schon
sehr neugierig sein, um nach Lupus als
Ursache zu suchen. Im Anfangsstadium
zeigt sich indes Lupus eher an der Haut,
zum Beispiel durch das bekannte
Schmetterlingserythem im Gesicht so-
wie an den Gelenken und Nieren, und
manchmal entwickelt sich auch eine
Rippenfell- oder Herzbeutelentzün-
dung. Typisch ist außerdem, dass es oft
relativ junge Frauen unter 45 Jahren
trifft, die dann plötzlich von einem auf
den anderen Tag krank werden, ohne
dass man einen offensichtlichen Grund
dafür ausmachen könnte.

Gibt es bestimmte Blutwerte, durch
die sich die Erkrankung zeigt?

Es gibt einen Test, mit dem man nach
ANA, also antinukleären Antikörpern,
im Blut sucht. Das Problem ist jedoch
dessen Aussagekraft. So gibt es zwar
praktisch keinen Lupus-Patienten, bei
dem der ANA-Wert nicht erhöht wäre.
Doch erhöhte Werte findet man leider
auch bei etwa jedem fünften Menschen,
der gesund ist und nicht unter Lupus
leidet. Ein positiver ANA-Befund ist al-
so nur ein weiterer Hinweis, man muss
danach noch weitere Tests durchfüh-
ren, beispielsweise nach anderen Anti-
körpern suchen.

Lupus scheint also eine Wundertüte
zu sein, mit einer schier unbegrenz-
ten Palette an Symptomen und ande-
ren Krankheitszeichen ...
Ja, es ist kein Zufall, dass er in der Serie
„Dr. House“ immer wieder als mögli-
che Erklärung für die unterschiedlichs-
ten Erkrankungen genannt wird. Doch
ein erfahrener und geduldiger Arzt
sollte die einzelnen Puzzlestücke
schon zu einer zuverlässigen Lupus-Di-
agnose zusammenstecken können. Die
Deutsche Gesellschaft für Rheumato-
logie bietet auch Spezialkurse an, in de-
nen sich Ärzte zur Diagnose und The-
rapie der Erkrankung weiterbilden las-
sen können.

Welche Therapien gibt es?
Als Basismedikament wird in der Regel
ein Anti-Malaria-Mittel eingesetzt:
Hydroxychloroquin. Wir Rheumatolo-
gen haben gerne Medikamente aus an-
deren Fachbereichen umfunktioniert.
Hydroxychloroquin stabilisiert das Im-
munsystem und senkt dadurch das Risi-
ko für Krankheitsschübe und Schäden

an den Organen. Es hat nur relativ we-
nige Nebenwirkungen, benötigt aber
rund drei Monate, bis es wirkt.

Und was macht man in dieser Zeit?
Da greift man meistens auf Gluko-
kortikoide zurück, um die Entzündun-
gen zu dämpfen. Es gilt allerdings, die
Dosis und auch die Dauer der Anwen-
dung im Auge zu behalten, wegen der
potenziellen Nebenwirkungen. Sollten
Glukokortikoide in niedriger Dosis
nicht ausreichen, kommen immunsup-
pressive Mittel infrage – oder Metho-
trexat, das sonst bei Gelenkrheuma ein-
gesetzt wird. Wichtig ist aber auch,
dass die Patienten bestimmte Verhal-
tensregeln einhalten. So sollten sie un-
bedingt auf Zigaretten verzichten. Und
sie sollten sich auch vor der Sonne in
Acht nehmen, also lichtundurchlässige
Kleidung und Kopfbedeckung tragen,
Sonnenschutzcreme mit einem Licht-
schutzfaktor von mindestens 50 ver-
wenden und mittags – gerade im Som-
mer – im Schatten bleiben. Denn UV-
Strahlen sorgen für Hautschäden, die
beim gesunden Menschen oft problem-
los repariert werden, bei Lupus-Patien-
ten aber dauert das zu lange. Ihr Im-
munsystem fährt dann hoch – und da-
durch kann es zu einem Krankheits-
schub kommen.

Ist die Erkrankung heilbar?
Nein. Rheumatische Erkrankungen kön-
nen Sie nach derzeitigem Wissensstand
generell nicht heilen, also auch nicht Lu-
pus erythematodes. Denn das Immun-
system hört erst auf zu kämpfen, wenn
der letzte Feind tot ist. Und das bedeu-
tet im Falle einer Autoimmunerkran-
kung, dass es zeitlebens kämpfen wird.
Man kann seine Reaktionen abmildern,
aber eben nicht komplett ausschalten.

Das klingt nur wenig tröstlich und
nach einer ebenso schweren wie un-
heilbaren Krankheit ...
Früher war Lupus in der Tat oft ein To-
desurteil, doch diese Zeiten sind vorbei.
In den letzten Jahren sind Lebenser-
wartung und Lebensqualität der Patien-
ten stetig nach oben gegangen. Was
auch daran liegt, dass wir gelernt haben,
wie wir mit Medikamenten wie etwa
den Glukokortikoiden umgehen. Und
daran, dass man bei der Entwicklung
neuer Therapien weitergekommen ist,
wie etwa den sogenannten Biologika,
mit denen sich gezielt bestimmte Bo-
tenstoffe oder Zellen ausschalten las-
sen. Doch man muss auch sagen, dass
wir da gerne schon weiter wären. Es
gibt noch viel zu wenige zugelassene
Medikamente gegen Lupus.

TMartin Aringer leitet die Abteilung
Rheumatologie am Uniklinikum
Dresden. Er ist zudem Mitglied im
Beirat der Deutschen Gesellschaft
für Rheumatologie.

WWWarum Lupusarum Lupus


erythematodes


so schwer zu


erkennen ist


Jede 1000. Frau ist im Laufe ihres Lebens


von dieser Autoimmunkrankheit betroffen.


Sie lässt sich zwar nicht heilen, doch es gibt


einige Möglichkeiten zur Verbesserung der


Lebensqualität von Lupus-Patienten.


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17.02.20 Montag, 17. Februar 2020DWBE-HP


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DIE WELT MONTAG,17.FEBRUAR2020 SEITE 20

WISSEN

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VERSCHWENDUNG

5 27 Kilokalorien an


Lebensmittelabfällen


Weltweit werden einer Studie zufolge
doppelt so viele Lebensmittel wegge-
worfen wie bisher angenommen. Nie-
derländische Forscher berichten in der
Fachzeitschrift „Plos One“ zudem von
einem Zusammenhang zwischen dem
Wohlstand von Verbrauchern und der
Menge an weggeworfenem Essen: je
reicher, umso mehr Lebensmittel-
verschwendung. Im Jahr 2005 schätzte
die Ernährungs- und Landwirtschafts-
organisation der Vereinten Nationen
(FAO), dass damals ein Drittel aller
Lebensmittel im Müll landete. Diese
Schätzung sei bis heute die Grundlage
für viele Aussagen zur globalen Nah-
rungsmittelverschwendung, schreibt
das Team um die Ökonomin Monika
van den Bos Verma von der Universität
Wageningen. Die Forscher nutzten
globale Daten der FAO, der Weltbank
und der Weltgesundheitsorganisation
zu Lebensmittelverfügbarkeit, Ener-
giebedarf und Aktivitätslevel für 67
Prozent der Weltbevölkerung. Von den
Daten der FAO zum Lebensmittel-
angebot zogen sie den Kalorienver-
brauch der jeweiligen Bevölkerung ab,
ermittelt aus Bevölkerungszahl, Ak-
tivitätslevel und Gewicht. Aus dieser
Überschlagsrechnung erstellten sie
schließlich einen internationalen Da-
tensatz mit Schätzungen zur Lebens-
mittelverschwendung in verschiedenen
Ländern. Demnach steigt die Menge
der Abfälle ab einer täglichen Konsum-
schwelle von 6,70 Dollar (etwa 6,
Euro) pro Kopf. Sie nimmt mit zuneh-
mendem Wohlstand zunächst rapide
zu, wächst dann bei höherem Wohl-
stand aber langsamer. Bislang ging die
FAO von einer Verschwendung von 214
Kilokalorien pro Kopf und Tag aus. Die
neue Studie kommt auf einen Wert von
527 Kilokalorien.

SIBIRIEN

Permafrostboden


birgt viel Kohlenstoff


Wenn der Klimawandel sich in Sibirien
verstärkt auswirkt, ist davon nicht nur
Russland betroffen. In weiten Land-
strichen ist der Boden dort ganzjährig
bis in große Tiefen gefroren. Mit stei-
genden Temperaturen taut er immer
rasanter – es ist eine der sichtbarsten
Folgen der Erderwärmung. „Derzeit
beobachten wir einen sehr schnellen
Ablauf bestimmter Tauprozesse“, sagt
Mathias Ulrich, Geograf an der Univer-

sität Leipzig. Das könnte sich weltweit
aufs Klima auswirken – und auf die
Menschen in Sibirien. Fast zwei Drittel
der Bodenfläche in Russland sind dau-
erhaft gefroren. Permafrost wird das
Phänomen genannt. In dieser riesigen
Tiefkühltruhe liegen immense Mengen
an Überbleibseln von Pflanzen und
Tieren, die noch nicht von Mikroben
zersetzt wurden. Aktiv werden diese
erst, wenn die Temperaturen steigen
und der Boden aufweicht. Zu finden
sind solche uralten Dauerfrostböden in
Alaska, Kanada sowie im Osten und
Norden Sibiriens – vom Nordpolar-
meer bis teilweise zum Ural und im
Süden bis Kasachstan. Der Frost kann
bis in eine Tiefe von einem Kilometer
und mehr reichen. Da die arktischen
Winter wärmer und die Sommer länger
werden, tauen inzwischen aber immer
tiefere Erdschichten auf. Forscher der
russischen Universität Tomsk haben
im Januar ermittelt, dass die mittlere
Jahrestemperatur in Sibirien in den
vergangenen 50 Jahren um fast vier
Grad stieg. Russlands Kühltruhe wird
demnach weiter auftauen.

WINTERQUARTIERE

Störche mit neuen
Strategien

Viele Störche kehren in diesem Jahr
früher als sonst aus den Winterquartie-
ren nach Deutschland zurück. Seit zwei
Wochen werden regelmäßig Rück-
kehrer gemeldet, sagte der Storchen-
experte des Naturschutzbundes
(Nabu), Kai-Michael Thomsen. So
klappern nach Angaben von Storchen-
betreuern in Rheinland-Pfalz schon die
ersten Störche auf den Nestern, ebenso
in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schles-
wig-Holstein. In Mecklenburg-Vor-
pommern wurde der erste zurück-
gekehrte Storch schon am 2. Februar
gesichtet. „Bei den Westziehern haben
wir den Eindruck, dass sie gut eine
Woche früher zurückkommen“, sagte
Thomsen. Das Naturschutzinstitut in
Sachsen sprach sogar von vier Wochen.
In den westlichen Ländern inklusive
Sachsen-Anhalt und Thüringen über-
wiegen die Störche, die auf der west-
lichen Route über Frankreich nach
Süden fliegen. Im Osten überwiegen
die Ostzieher, die auf der Balkanroute
über den Bosporus nach Afrika ge-
langen. Die Störche passen ihre Strate-
gien veränderten Bedingungen an. So
verzichten viele Westzieher seit 20 bis
30 Jahren auf den Flug über das Mittel-
meer nach Afrika. Das liege aber nicht
am Klimawandel, sondern am Nah-
rungsangebot, erklärte Thomsen.

KOMPAKT


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