Süddeutsche Zeitung - 17.02.2020

(Marcin) #1
Meinung
Der Westenist nicht tot, aber
es bedarf großer Anstrengungen,
um ihn zu retten 4

Feuilleton
Der Vatikan macht Akten von Papst
Pius XII. zugänglich, ein Gespräch
mit einem Kirchenhistoriker 9

Politisches Buch
ChristophNübel sammelt
historische Dokumente über
Bundeswehr und NVA 13

Wissen


DieAsiatische Hornisse, ein Top-
Gefährder für Honigbienen, hat
Hamburg erreicht 14

Wirtschaft
137 Staatenwollen sich
auf ein faireres System
für Konzernsteuern einigen 15

Medien, TV-/ Radioprogramm 20,
Schule und Hochschule 12
Kino · Theater im Lokalteil
Rätsel 14
Traueranzeigen 19

Der Montag bringt von Rheinland-Pfalz und
dem Saarlandbis nach Sachsen Regen. Bis
zum Abend regnet es dann auch im Süden.
Sonst ist es wechselnd bis stark bewölkt mit
örtlichen Schauern. Acht und 15 Grad wer-
den erreicht.  Seite 13 und Bayern

Kaum eine Lebensentscheidung scheint
stärkervon persönlichen Neigungen und
aktuellen Lebensumständen geprägt zu
sein, als der Entschluss, ein Kind in die
Welt zu setzen – auch wenn es gelegent-
lich ungeplant und überraschend vonstat-
ten zu gehen scheint. Doch nun zeigt sich:
Diese Vorstellung ist offenbar trügerisch.
Glaubt man Forschern aus Deutschland
und den Niederlanden, ist Kinderkriegen
geradezu ansteckend.
Dieses Ergebnis haben Wissenschaft-
ler im FachmagazinDemographypubli-
ziert. Demnach spielt das soziale Umfeld
eine wichtige Rolle, wenn es um die Bereit-
schaft zur Fortpflanzung geht. „Es ist
wahrscheinlicher, ein Kind zu bekom-
men, wenn Geschwister, Kolleginnen und
Kollegen eines bekommen“, sagt Henriet-
te Engelhardt von der Universität Bam-
berg, die an der Studie beteiligt war. Zu-
nächst werde eine Frau von Kolleginnen
oder aus dem Familienkreis mit dem Kin-

derwunsch „angesteckt“. Doch dann be-
einflussen auch ihre Geschwister, ihr wei-
teres Arbeitsumfeld sowie andere Freun-
de und Bekannte die Frau. Daraus könnte
man den bündigen Dreischritt ableiten:
Familie, Firma, Fruchtbarkeit.
Für ihre Studie haben die Forscher mit-
tels Netzwerkanalysen einen riesigen Da-
tensatz ausgewertet. Dazu standen ihnen
verknüpfte Registerdaten von Millionen
Einwohnern der Niederlande zur Verfü-
gung, darunter Angaben über Geschwis-
ter und Arbeitgeber. Der Einfluss der sozi-
alen Interaktion auf die Bereitschaft zum
Nachwuchs – ob aus Nachahmung oder
sozialem Druck – ließ sich klar erkennen.
Frauen waren dabei empfänglicher für
diese Faktoren als Männer und wurden

vergleichbar stark von Kolleginnen wie
Kollegen und Schwestern wie Brüdern in
ihrem Kinderwunsch angeregt.
Da der Einfluss der unmittelbaren Um-
gebung derart groß ist, gibt es bezüglich
der Bereitschaft zum Kinderkriegen auch
den umgekehrten Zusammenhang: Wer
im gebärfähigen Alter ist, aber kaum Ge-
burten im privaten oder beruflichen Um-
feld miterlebt, bekommt seltener Kinder.
Ist dann plötzlich doch eines da, tritt
manchmal eine Art Domino-Effekt ein:
Nach und nach wird die ganze Abteilung
schwanger.
Ähnliche Netzwerkanalysen haben in
den vergangenen Jahren in verschiede-
nen Bereichen gezeigt, wie groß der Ein-
fluss von guten Freunden und engen Kol-

legen auf das eigene Verhalten ist. So brei-
ten sich positive Gefühle in einem Netz-
werk von Freunden prima aus, auch wenn
sich diese nicht so oft sehen und weiter
voneinander entfernt wohnen. Dieser er-
freuliche Zusammenhalt scheint wieder-
um gesund zu halten und einen gewissen
Schutz vor Krankheiten zu bieten – von
der Erkältung bis zum Infarkt. Allerdings
sind Laster ebenfalls sozial ansteckend.
So gilt etwa: Dicke Freunde machen dick.
Menschliches Verhalten wird durch so-
ziale Kontamination – also beispielsweise
Nachahmung oder Abgrenzung – erhebli-
cher geformt, als viele Menschen sich das
selbst eingestehen wollen. Denn das
schränkt die stolze Behauptung vom frei-
en Willen und dem selbstbestimmten In-
dividuum empfindlich ein. Andererseits
bedeutet es auch: Der Mensch ist ein Ge-
sellschaftstier, sogar dann, wenn er sich
auf Pfaden einsamer Entscheidungen
wähnt. werner bartens

FOTO: DPA

München– Nordrhein-Westfalens Minis-
terpräsident Armin Laschet (CDU) ist mit
der Europapolitik von Kanzlerin Angela
Merkel hart ins Gericht gegangen. Auf der
Münchner Sicherheitskonferenz sagte er
am Sonntag: „Heute macht der französi-
sche Präsident Vorschläge, wir brauchen
zu lange bis man reagiert.“ Die Union und
die SPD hätten zwar in ihrem Koalitionsver-
trag einen „neuen Aufbruch für Europa“
versprochen, davon habe man aber bisher
„nicht so viel gemerkt“. Der Bundesregie-
rung fehle es oft an Mut, Dynamik und Ge-
schwindigkeit, monierte er. Laschets Äuße-
rungen wurden in München mit großem In-
teresse aufgenommen, weil er als Nachfol-
ger von CDU-Chefin Annegret Kramp-Kar-
renbauer ebenso gehandelt wird wie als
möglicher Kanzlerkandidat der Union.

Laschet ging damit auf Emmanuel Ma-
cron zu, der in München sein Angebot für
einen „strategischen Dialog in Europa“ be-
kräftigt hatte. Er will erreichen, dass Euro-
pa sich von den USA unabhängig macht
und sich eigene sicherheits- und verteidi-
gungspolitische Handlungsfreiheit ver-
schafft. Gefragt nach der deutschen Reakti-
on hatte Macron gesagt, er sei „nicht frus-
triert, aber ungeduldig“. Er hatte jüngst
Frankreichs Verteidigungs- und Abschre-
ckungsstrategie vorgestellt und dabei an-
geboten, die französischen Atomwaffen in
den Dienst der europäischen Sicherheit zu
stellen. In München sagte der Präsident, er
wisse, wie schwierig eine solche Diskussi-
on sei. Aber Deutschland sei sehr wohl be-
reit gewesen, auch mit den USA über eine
nukleare Teilhabe in der Nato zu sprechen.

Laschet kam Macron auch in der Frage
des EU-Budgets entgegen. Deutschland
müsse nach dem Brexit finanziell mehr Ver-
antwortung in Europa übernehmen. Er sei
sich sicher, dass diese Position in der CDU
eine Mehrheit finde. „Die EU wird nur
ernst genommen, wenn sie mit einer Stim-
me spricht, das wird auch mehr Geld kos-
ten“, sagte er. Zur Höhe des deutschen Bei-
trags äußerte sich Laschet auch auf Nach-
frage nicht. Macron kritisierte, Europa
streite, ob das EU-Budget 1,06 oder 1,
Prozent der Wirtschaftsleistung betragen
solle, während die USA und China massiv
in Technologie und Verteidigung investier-
ten. „Das wird nicht reichen“, sagte er.
Auch Grünen-Chefin Annalena Baer-
bock forderte am Sonntag mehr leiden-
schaftlichen Einsatz für die EU. Macron

hatte sich mit ihr und dem Co-Vorsitzen-
den Robert Habeck in München zu einem
Abendessen getroffen. Dies sei angesichts
der innenpolitischen Entwicklung in
Deutschland von besonderem Interesse,
hatte der Élysée-Palast zuvor mitgeteilt.
Bei einem Treffen am Sonntag zu Liby-
en, zu dem Außenminister Heiko Maas
und die UN eingeladen hatten, bekräftig-
ten die zwölf vertretenen Länder und drei
internationale Organisationen das Ziel,
das seit 2011 bestehende Waffenembargo
umzusetzen. Maas will erreichen, dass die
EU-Außenminister an diesem Montag ei-
nen Beitrag zur Überwachung des Embar-
gos beschließen. Wichtig sei, dass man alle
Wege der Waffenlieferungen zu Luft, Was-
ser und Land überwache. paul-anton
krüger  Seiten 2, 3 und 4

Frankfurt– Im größten deutschen Steuer-
skandal stellen sich die Justizbehörden in
Nordrhein-Westfalen auf eine wahre Pro-
zessflut ein. Nach Informationen vonSüd-
deutscher Zeitungund WDR rechnet das
Landgericht Bonn damit, allein mit Cum-
Ex-Fällen bis zu zehn Strafkammern aus-
zulasten. Das wäre ein Novum: Noch nie
haben Gerichte wegen einer Reihe ver-
wandter Strafverfahren derart viele Kapa-
zitäten geschaffen. sz  Wirtschaft

Paris –Frankreichs Polizei hat den russi-
schen Aktionskünstler Pjotr Pawlenskij
und dessen Partnerin festgenommen. Paw-
lenskij, der als politisch Verfolgter im Land
lebt, hatte sich bekannt, ein Sexvideo des
Pariser Bürgermeisterkandidaten Benja-
min Griveaux verbreitet zu haben. Dieser
erklärte seinen Rückzug. Für La Républi-
que en Marche, die Partei von Präsident
Emmanuel Macron, tritt nun Gesundheits-
ministerin Agnès Buzyn an. sz  Seite 7

London– Großbritannien beschäftigt sich
derzeit mit einer für Premier Johnson pi-
kanten Frage: Wer bezahlte dem Staats-
chef einen opulenten privaten Urlaub in
der Karibik? Johnson hatte offiziell angege-
ben, für die Unterbringung auf der Insel
Mustique sei der Millionär David Ross,
Gründer einer Telefonfirma, aufgekom-
men. Doch dieser bestreitet nun, die ge-
nannte Summe von 15 000 Pfund bezahlt
zu haben. ck  Panorama

München– Der Kölner Erzbischof Rainer
Maria Woelki will mehr Frauen in kirchli-
chen Leitungspositionen sehen, stellt sich
aber strikt dagegen, ihnen auch Priester-
ämter zu öffnen. „Der Stifterwille Jesu
lässt uns aber keine Vollmacht und Hand-
habe, Frauen zu weihen“, verteidigte der
Kardinal im Interview mit derSüddeut-
schen Zeitungdie Haltung der katholi-
schen Kirche. Das bedeute jedoch „keine
Abwertung“, sagte er. „Da sind wir nicht
frei zu sagen: Wir diskutieren das grundle-
gend neu und stimmen dann ab“, kritisier-
te er in diesem Zusammenhang die Erwar-
tungen an den Reformdialog, den deut-
sche Bischöfe und Laienvertreter derzeit
unter dem Namen Synodaler Weg führen.
Woelki, der als einflussreichster Vertreter
der Konservativen unter den deutschen Bi-
schöfen gilt, bekräftigte dabei den Füh-
rungsanspruch des Klerus in der Kirche:
Deren Leitung sei „den Bischöfen in Ge-
meinschaft mit dem Papst übertragen“.
Um den Vorsitz in der Deutschen Bischofs-
konferenz, von dem sich der Münchner
Erzbischof Reinhard Marx im März zurück-
zieht, will Woelki sich jedoch nicht bewer-
ben. sz  Seite 5

15 °/2°


Während auf der Münchner Sicherheitskonferenz diskutiert wurde, ob die Welt nun von den USA (Trump, Schwächung der Nato),
China (Coronavirus, Wirtschaftsübermacht) oder Russland (Putin) destabilisiert wird, tanzten in Rio de Janeiro diverse Gruppen
durch den Karneval. Der wird traditionell das ganze Jahr über geplant, und ebenso traditionell lassen sich die Feiernden die Laune
nicht von Aktualitäten verderben. Hier die „Cordão do Boitatà“-Party, bei der die Tanzenden Gold trugen. FOTO: REUTERS / PILAR OLIVARES

von lea deuber

Peking– Die Epidemie des Coronavirus
bringt ChinasMachthaber in Erklärungs-
not. Die Zentralregierung wusste offenbar
deutlich früher als bisher angenommen
von der Gefährlichkeit des neuartigen Erre-
gers. Wie eine am Samstag veröffentlichte
Rede von Anfang Februar zeigt, schätzte
Staats- und Parteichef Xi Jinping bereits
zwei Wochen bevor er sich zum ersten Mal
öffentlich geäußert hat, den Ausbruch in
der zentralchinesischen Stadt Wuhan als
bedrohlich ein. Schon Anfang Januar soll
er deshalb Anweisungen gegeben haben,
um die Seuche zu bekämpfen. Zu diesem
Zeitpunkt spielten die Lokalbehörden die
Gefahr noch herunter. Erst Ende Januar
teilten sie mit, das Virus könne sich von
Mensch zu Mensch ausbreiten.

Angeblich soll Xi auch die strengen Rei-
sekontrollen in der besonders stark betrof-
fenen Region Hubei angeordnet haben. Die-
se hatten fast 60 Millionen Menschen de
facto unter Quarantäne gestellt. Erst in der
vergangenen Woche hatte Xi als Reaktion
auf die andauernde Krise mehrere hoch-
rangige Politiker in Hubei entlassen und ei-
gene Vertraute entsandt. Die anfängliche
Vertuschung und die späte Reaktion waren
bisher als Versagen der Lokalregierung dar-
gestellt worden. Unmut hatte zuletzt der
Tod eines Arztes ausgelöst, der den Aus-
bruch entdeckt hatte. Die Polizei hatte ihn
zum Schweigen gezwungen.
Die Zentralregierung scheint mit der
Veröffentlichung von Xis Rede zu versu-
chen, den Parteichef nun als Krisenmana-
ger der ersten Stunde zu inszenieren. Xi
war zuvor in die Kritik geraten, nachdem

er tagelang nicht in der Öffentlichkeit auf-
getreten war. Zudem hatte er Ministerprä-
sident Li Keqiang nach Wuhan geschickt
und war selbst nur in einem Pekinger Kri-
senzentrum aufgetreten. Die Rede liest
sich nun fast wie eine Verteidigung.
Die neue Strategie ist nicht ungefähr-
lich für den Parteichef, den die Epidemie
in die schwerste Krise seiner Amtszeit ge-
stürzt hat. Seit Wochen steht das Leben in
China still. Firmen, Schulen und Universi-
täten sind aus Angst vor Neuansteckungen
weiterhin in den meisten Teilen des Lan-
des geschlossen. Die wirtschaftlichen Schä-
den werden schon jetzt auf bis zu einem
Prozent des Bruttoinlandsprodukts ge-
schätzt. Sollte es Peking nicht gelingen, die
Lage bald unter Kontrolle zu bringen, dürf-
te das Kritiker in der Frage bestärken, ob
die Zentralregierung im Angesicht der Kri-

se möglicherweise zu spät oder nicht um-
fassend genug reagiert hat.
Die Zahl der Todesopfer stieg am Sonn-
tag auf 1665 Menschen. Mindestens
68 500 Menschen sind in China erkrankt.
Experten vermuten noch eine deutlich hö-
here Dunkelziffer. In Europa ist am Wo-
chenende erstmals ein Mensch am Corona-
virus gestorben. Dabei handelt es sich um
einen älteren chinesischen Touristen, der
in einem französischem Krankenhaus be-
handelt worden sei, teilte die französische
Gesundheitsministerin Agnès Buzyn mit.
Die Lage in Deutschland hat sich eher ent-
spannt. In Bayern wurden Corona-Patien-
ten als geheilt entlassen. Der chinesische
Außenminister Wang Yi gab sich auf der
Münchner Sicherheitskonferenz am Sams-
tag optimistisch: „Der Morgen naht und
wir sehen das Licht“, sagte Wang. Seite 4

HEUTE


Die SZ gibt es als App
für Tablet und Smart-
phone: sz.de/zeitungsapp

Paris: Festnahmen nach


Eklat um Kandidaten



NACHTS

Jetzt ein Baby


Freunde, Familie und Kollegen beeinflussen den Kinderwunsch


Tanz und Gloria


Coronavirus bringt Chinas Führung in Not

Staatschef Xi wusste früh von der Gefährlichkeit des Erregers, äußerte sich aber nicht öffentlich.


Fast 70 000 Menschen sind in der Volksrepublik erkrankt. Ein Tourist stirbt in Frankreich


Macron fordert mehr EU-Engagement von Deutschland


Frankreichs Präsident empfiehlt höhere finanzielle und militärische Beiträge – Armin Laschet wettert gegen Merkels Politik


Gerichte rüsten im


Cum-Ex-Skandal auf


Ärger wegen Karibikreise


von Boris Johnson


DAS WETTER



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Auswahlwette:3, 11, 27, 30, 31, 35
Zusatzspiel: 38
Spiel 77: 6648418
Super 6:0 0 2 1 4 7 (Ohne Gewähr)
 Weitere Gewinnzahlen:
Wirtschaft, Seite 18

„Keine Vollmacht,


Frauen zu weihen“


Kölns Kardinal Woelki will Kirche
nicht für weibliche Priester öffnen

(SZ) Neues vom Street-Art-Künstler Bank-
sy, dessen wahren Namen keiner kennt: Er
hat im südwestenglischen Bristol mal
wieder eine graue Hauswand verschönert.
Pünktlich zum romantischen Valentinstag
sprühte Banksy ein kleines Mädchen, das
mit einer Zwille auf einen Strauß roter Ro-
sen anlegt. Hierzu muss man wissen, dass
Bristol die Heimatstadt des Underground-
Künstlers ist, dessen Werke millionen-
schwer sind. Man müsste sie allerdings aus
den Hauswänden umständlich herausfrä-
sen, wollte man sie im Tresor eines Samm-
lers verschwinden lassen. Aber das wäre
nicht in Banksys Sinn, der der romanti-
schen Idee anhängt, Kunst sei für alle da.
In Bristol hat das Fremdenverkehrsamt ei-
ne Adressliste zusammengestellt, in der
steht, wo man zum Beispiel Banksys mas-
kierten Gorilla sehen kann (an der Fish-
ponds Road natürlich) und auch Banksys
nackten Liebhaber, an der Fassade der al-
ten Klinik für Geschlechtskrankheiten.
Was nun das Mädchen mit der Zwille an-
geht: Das ist, kaum war es auf der Mauer,
bereits beschmiert worden von Interpre-
ten, die die einigermaßen unromantische
Botschaft „BCC Wankers“ drübergesprüht
haben. Zu Deutsch: „BCC-Wichser“. Sehr
zur Freude jener populistischen Zeitgenos-
sen übrigens, die für die Abschaffung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind.
„Die BBC ist voller Wankers!“, textete auf
Twitter jemand, der allerdings nicht genau
hingesehen hat. Da steht nicht BBC an der
Wand, da steht BCC. Gemeint sein könnte
die Banque Centrale des Comores (BCC),
der Berlin Cricket Club (BCC) oder das Bos-
mal City Center (BCC), ein Geschäftsgebäu-
de in Sarajevo. In all diesen BCCs mag es
Leute geben, die sich den Ehrentitel „Wan-
ker“ redlich verdient haben – in Bristol
aber bezieht sich das Kürzel vermutlich
aufs Bristol City Council, den Stadtrat also.
In alten Zeiten sagte man: „Nur Narren-
hände beschmieren Tisch und Wände.“
Man sagte es eher in Deutschland als in
Bristol, aber auch in Bristol können sich
welche angesprochen fühlen, jedenfalls je-
ne Schmierfinken, die Banksys Kunstwerk
versaut haben. Denn Banksy beschenkt
mit seinen Schablonen-Graffiti die Stadt,
mit jedem Bild macht er sie gesprächiger.
Aber wird sie dann mit jedem zerstörten
Bild nicht einsilbiger? Banksy, der seine
Kunst im vollen Bewusstsein aller Gefah-
ren in die Wildnis entlässt, hat anderes
erlebt: Vor Weihnachten sprühte er zwei
Rentiere auf eine Mauer in Birmingham,
die eine Sitzbank gen Himmel zogen – er
wollte damit auf die Situation von Obdach-
losen aufmerksam machen, Banksy ist ein
politischer Künstler. Auch hier kamen wel-
che und malten den Rentieren über Nacht
rot leuchtende Nasen, weil ja das Rentier
Rudolph auch eine rote Nase hat. Anders
gesagt: Das Risiko des Übermaltwerdens
gehört zum Leben – erst recht zum Leben
jedes Kunstwerks, das sich da draußen
zeigt, an den Wänden der Welt.


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