Berliner Zeitung - 17.02.2020

(coco) #1

L e serbriefe


12 Berliner Zeitung·Nummer 40·Montag, 17. Februar 2020 ·························································································································································································································································································


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DieRedaktionbehältsichdasRecht
sinnwahrenderKürzungenvor.

SoerreichenSieuns


GrausligeVorstellung,jeden


TagFleisch essen zu müssen


Meinung: „Ohne Sülze ins Heim“ von
André Mielke(12.Februar)
Ichbin84 Jahre.Fürmichisteseine
grausligeVorstellung,ineinemHeim
jeden TagFleisch essen zu müssen.
Ichessehöchstenein-biszweimalin
der Woche Fleisch und dann auch
nur Bio, dafür viel Gemüse und
Fisch. In meinemBekanntenkreis
binichdamitnichtalleineundfinde
diesesVorurt eilsehrärgerlich,genau
so wie das,dass ältereMenschen
volkstümlicheMusik und Schlager
mögen.Ichliebe Rockmusik,Jazz
und Klassik.DieVorstellung, dass
man mich imHeim mit Schlager
quälensollte,istfürchterlich.
Gisela Wiesner,per E-Mail


Endgültig die Nase voll von den


erbärmlichen AfD-Manövern


Leitartikel: „Ostbeauftragter:Neu-
startbitte!“ von Sabine Rennefanz
(10.Februar)
Da dasPersonalimMoment–dank
Thüringen-Skandal–sowieso pur-
zelt, sollte dieMarschroute heißen:
Neue Leute braucht das Land!Der
smarte Herr Lindnervonder FDP
sollte sich auch gleich anschließen.
DasWahlvolk hatvondiesen unge-
heuren Mauscheleien,auchvonden
erbärmlichen AfD-Manövern, end-
gültig die Nase voll. ZumGlück
schreitet dieSelbstentlarvung der
AfDvoran.Es zeigtsich,dassderPro-
testim Ostengegendieherrschende
Clique nicht zuProteststimmen für
dieAfDführendarf.Manmachtdie
TrickseraufallenSeitenhoffähig.
RainerFehlberg,Templin


Merkels klarePositionierung


nicht mehrheitsfähig


Titel: „Ende einer kurzen Ära“ von
Christine Dankbar(10.Februar)
Erst das Eingeständnis,dass rele-
vante Teile der CDU und FDP der
AFDdeutlichnähersindalsderLin-
ken, führtuns die wahreTragweite
der GeschehnissevorAugen. Mer-
kels klarePositionierung ist zwar
vorbildlich, aber zumindest in eini-
genLandesteileninnerhalbderCDU
nichtmehrheitsfähig.
Frank Oberle,
Berlin-Charlottenburg


Für den Ausgleich kämpfen,


den innerenFrieden sichern


In Thüringen hätte es der CDU gut
angestanden,BodoRamelowzuu n-
terstützen.Damit hätte sie staats-
männischen Weitblick bewiesen,
statt Betonblockdenkenweiter zu
fördern.Daswäredringendnötigin
Zeiten, wo Hasstiraden im Netz,
Pflastersteinschmeißen in Ham-
burg, Berlin und andernorts,von
Brandattacken und Mordanschlä-
gen gar nicht zureden, zunehmend
an Saalschlachten der Weimarer
Jahreerinnern.AnallepolitischVer-
antwortlichen: KämpfenSiefür den
Ausgleich,sichernSiesounserenin-
neren Frieden.
Horst G. Baumann, Berlin-Kreuzberg


Eine Krankenschwester mit Stethoskop DDP

KaumjemandwillnochindreiSchichtenarbeiten


Facebook: „Pflegekräfte der Charité regelmäßig überlastet“ von Christian
Gehrke(13. Januar)
DieGehältersindnichtsogering,aberwasnützteinerPflegerindieGe-
haltserhöhung,wennsietrotzdemdreiMammut-Schichtenschiebtund
wegenPersonalmangelfürdreiarbeitenmuss.VielePfleger/innenwech-
selndenBerufundwenigewollenenBerufnochlernen.Kaumjemand
willnochindreiSchichtenarbeiten.NurwennsieselberinderKliniklie-
gen,wollensieoptimalePflege.Ivanka Seka Glas

Wenn nichtreagiertwirdvon den Leitungen–wie denn auch,wenn
keine Mitarbeiter zurVerfügung stehen–gehen vieleKollegen woan-
dershin.Schade.
Cathrin Jakobi

Wenn Pflegekräfte derartig überlastetwerden, stellen sie für sich und
andereeineGefährdungdar.Unddarummussreagiertwerden!
GabrieleKoch

Weinerliche narzisstisch gekränkte Männlichkeit


Feuilleton: „Berlin ist die hässlichste,
langweiligste Stadt, die es gibt“ von Ai
Weiwei
(11.Februar)
Schon lange habe ich kein so erhel-
lendes Interview mehr gelesen.Ein
großerKünstlerentpupptsichdabei
als weniger großerMensch, als er
selbstzuseinglaubt.Sovielweinerli-
che narzisstisch gekränkte Männ-
lichkeit, wie sie AiWeiwei präsen-
tiert, ist ein bisschen erschreckend.
WerJournalist*innenaufnimmtund
fotografiert, hat ein Problem mit
KontrollverlustundkeinehoheMei-
nung über dieFreiheit derMedien.
OffenbarglaubtersichüberseinBild
in den deutschenMedien sehr gut
informiert,ohneesindesinfünfJah-
rengeschafft zu haben, sich auch
nur grundlegende Deutschkennt-
nisse anzueignen.Wo bleibt da der
RespektvordemGastland?VonInte-
resseganzzuschwiegen?InderEng-
lisch radebrechenden Berliner Ex-
pat-Szene wirdman vom(kulturel-
len)LebendieserStadtnur rudimen-
täreEindrückegewinnen.
Ándré Zwiers-Polidori,
Berlin-Schöneberg

Mansollte ihn auchvoll ernst neh-
men.DasGefühlhabenwirseitJah-
ren, aber er hat es sehr wunderbar
ausgedrückt.
ZekaiYaprak, per E-Mail

DankefüreintollesInterviewmitei-
nem Hobby-Jo urnalisten, der durch
Dissidenten-Kitsch auf sich auf-
merksam machen konnte.Nun er-
klärterm irendlichBerlinundgleich
dieganz eWelt.Bleibtzuhoffen,dass
die Bewohner vonCambridge nicht
eines Tages vonihm erfahren müs-
sen, das sie in der hässlichsten und
langweiligstenStadt leben.Aber bis
dahin ist der schmarotzendeNo-
made sicherlich längstweiter ge zo-
genundlässtsichdorthofieren.
Hagen Döring,per E-Mail

AuchwennseineÄußerungensicher
subjektiv,auchmanchmal wider-

sprüchlichschienen,fandichdessen
Meinungschonerfrischendundauf-
schlussreich.
Jürgen Köhler,per E-Mail

Herr Weiwei nennt ungeschönt ge-
naudie DingebeimNamen,dieder-
zeit zur Abkehr der Allgemeinheit
vonder sogenannten „Politik der
Mitte“ geführthaben. Siehelfen
massiv,die bestehende demokrati-
schen Grundwerte zu unterminie-
ren. Herr Weiwei findet dafür zwar
sehr harsche,aber offene und ehrli-
cheWortezurVerlogenheit und zur
Unglaubwürdigkeit des derzeitigen
deutschen politischen Establish-
ments.Weilesüberallnurnochums
Geld und Schöngerede statt um
menschendienliche Inhalte und
Zweckegeht!PermanentredenPoli-
tiker und auchJournalistenvonei-
ner starken „Demokratie“ (Volks-
herrschaft) inDeutschland. Doch
das Volk hat hier keineMacht. Tat-
sächlich leben wir in einerMoney-
kratie ,einer Herrschaft desGeldes,
inderLobbyismusundKlüngelwirt-
schaft bis hin zuverbrecherischen
politischenMachenschaften Gang
und gäbe sind.Wiejene des amtie-
renden Verkehrsministers Andreas
ScheuermitderrechtswidrigenVor-
bereitungderPkw-Maut.
Ingo Marzahn, per E-Mail

DabeißtdocheinerindieHand,die
ihm gereicht wurde und die ihn ge-
streichelthat!
Lieselotte Barthel, per E-Mail

IstdasKunstoderkannesweg?Herr
Ai Weiwei verar... un salle vonvorn
bishinten.Wirmerkenesnicht.
Karin Hoff, per E-Mail

Esistunerträglich,denBeitragüber
den selbst ernannten angeblichen
KünstlerausChinazulesen.Ersollte
dorthin zurück gehen, seine mas-
senhaften „Kunststühle“ kann er
gleich mitnehmen.Warumhat er
überhauptnocheinAtelierin Berlin?
KnutWenzelides, per E-Mail

Also bei aller berechtigten Kritik an
denhiesigenVerhältnissen,einbiss-
chen an Verfolgungswahn leidet
HerrAi Weiweiwohlauch.Einekur ze
Suche im Internet zeigt eine Menge
deutscherPresseberichte zu seiner
Klage gegen VW.Aber wenn man
deutsche Zeitungen nicht lesen
kann.MögeesihminEnglandbesser
ergehen.
Monika Höltje, per E-Mail

EinMann, der gastfreundlich in
Deutschland aufgenommen und
demeineGastprofessuranderBerli-
ner Universität der Künste angebo-

tenwordenwar,übtinselbstgefälli-
ger,jan arzisstischerAttitüde in ei-
nem furorhaften Rundumschlag
eine verallgemeinernde,unspezifi-
sche und inTeilen völlig unberech-
tigte Kritik an nahezu allem, was
deutsch ist.Natürlich hat er in sei-
nemInterviewauchberechtigteKri-
tikgeübt,z.B.,dassChinatrotzstän-
diger Verletzung der Menschen-
rechte Deutsc hlands Geschäftspart-
neristundseine(Weiweis)kritische
Stimmenichthörenwill.
Klaus Gallinger,
per E-Mail

DieUnzufriedenheitAiWeiweisteile
ich.MeineStadtBerlinaberlasseich
nicht verunglimpfen.Siehat schon
sehrvielmehrerlebtunderlitten,als
wiran Jahrenzählen.Siewargeteilt.
Simone Haupt, per E-Mail

Warumist Herr Ai Weiwei so verbit-
tert?? WarderroteTeppich,denman
ihmausgelegthat,alsernachBerlin
kam,nichtbreitgenug?
Christa Roll, per E-Mail

Erhatso Recht!
DietmarWachter,per E-Mail

Ichmöchte mich sehr bedanken.In
meinenAugenisteswenigerZornals
Analyse,die die Situation Deutsch-
landsbeschreibt.Hatern ichtRecht
mit der Unehrlichkeit, denWaffen-
exporten,derpolitischenMachtder
großen Konzerne und derHaltung
gegenüberunbequemenPersonen?
HerrWeiweifandinDeutsc hlandei-
nen sicherenHafen und vielewer-
den ihmUndankbarkeit undVer-
messenheitvorwerfen. Wirsollten
dankbarsein,dassAiWeiweiunsden
Spiegel vordas Gesich thält und
gleichzeitiganbietet,seinWissenmit
unszut eilen. Wieeinfachistesnach
den USA zu schauen, sich über den
dortigenPräsidenten lustig zu ma-
chen. Dasist sc hmerzfreier als die
Selbstbetrachtung.
Andreas Model,
Steinhagen

Der chinesische Künstler AiWeiwei MARKUS WÄCHTER

Die Stimme


der Leser


E


rschöpfung und Resignation
prägen das LebenvonDajana
Töpel. Die44-jährige kümmertsich
liebevoll um ihren 21-jährigen
schwerbehindertenSohnPaul.Doch
Unterstützunggönnt man ihr dabei
nicht.Jetztkannsienichtmehr.
Eine zarte Figur hat die Friseuse
ausKöpenick,kaumvorstellbar,dass
sie es schafft, den Sohn mit 40 Kilo
und seinen 50 Kilo schweren Roll-
stuhl regelmäßigins Auto zu wuch-
ten.„Ichkannesbaldnichtmehr,die
erheblichernkörperlichen, seeli-
schen und finanziellenBelastungen
werden immer unerträglicher für
mich“,sagtsietraurig.Seit16Mona-
ten transportiertsie Paul jede zwei-
tenWoche nach Biesenthal,obwohl
die Förder-und Beschäftigungs-
WerkstattfürBehinderteeinenFahr-
dienst anbietet.Deraber bringt nur
bisandieGrenzedesBundeslandes
Brandenburg,nichtnochdiedreiKi-
lometerreinnachBerlin.DajanaTö-
pel: „Also fahreich ihn, das aber
übersteigtaufDauermeineKräfte.“
In derWerkstattlernt Paul Töpel
mit den Augen, den Computer-Cur-
sorzuführen.EineFertigkeit,dieihn
selbstständigermachenkönnte.Da-
janaTöpel hofft, dass ihr Paul eines
Tages aufschreiben kann, was er
möchteundwieesihmgeht.„Dasist
für ihn in seiner schwierigen Lage
genausowichtigwiefürjedenMen-
schen.“ Denn der körperlich
Schwerstbehindertekannsichnicht
bewegen und nicht verständlich
sprechen.SeineBetreuungüberneh-
men die Eltern, derVater in seinem
BrandenburgerZuhause, dieMutter
beiihremneuenLebensgefährtenin
Berlin. Seitdem sie dorthin zog,
währtderStreitumdiedreiKilome-
ter.UnzähligeBriefeundAnträgehat
Dajana Töpel geschrieben. Der
LandkreisBarnimlehntab,dieKos-
tenfür drei Kilometerzu überneh-
men. Stattdessensoll Familie Töpel
prüfen, ob eineWerkstattinder nä-
heren Umgebung inFrage kommt.
„Solche Plätzesind rar, auf den hat

Paul zwei Jahregewartet.“Im Beruf
kann sie nur nochTeilzeit arbeiten,
ihr Arbeitgeber will das eigentlich
nicht. Dajana Töpel fürchtet die
Kündigung,weißnichtmehrweiter.
„DabeihabenMenschenmitBehin-
derung ein gesetzlichesRechtauf
Leistungen, um ihreSelbstbestim-
mung und ihrevolle,wirksame und
gleichberechtigte Teilhabe
amLebeninderGesellschaft
zu fördern.“ So bleibt ihr
wohl nur eine KlagevorGe-
richt,erklärtemirderSozial-
verbandVdK.„Aberdasdau-
ertbis zur Entscheidung
Jahre“,befürchtetDajana
Töpel. „UnsereGesellschaft
redetvon Inklusion, aber
lässt Familien wie unserein
solcheinerschwierigenLage
totalalleine.“

Nachge spürt


Susanne Dübber
will wissen, was Sie denken.

BLZ/REEG

Der schwerbehindertePaul Töpel mit sei-
ner Mutter Dajana. SABINE GUDATH
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