Berliner Zeitung - 17.02.2020

(coco) #1

S p reewild


Berliner Zeitung·Nummer 40·Montag, 17. Februar 2020 (^15) ·························································································································································································································································································
Ersti-Kolumne
Ratschlägeeiner
baldigen BA

VonAniko Schusterius, 23 Jahre
D
ie letzten Essays sind gedruckt,
die Abschlussarbeit ist einge-
reicht.Damitbeginntdiespannendste
und gleichzeitig langweiligstePhase
meinesStudiums:dasWartenaufdie
Abschlussnote.GenugZeit,ummein
Studium zurekapitulieren. „Es wird
die beste Zeit deine sLebens“,hör-
te ich zumStudienbeginn oftvon
Erwachsenen.Dass dies kein einzi-
gerStudent oder
Gleichaltrigervor
drei Jahren zu
mir sagte,wun-
dert mich heu-
te nicht.Inden
fast dreieinhalb
Jahren bin ich
in meinenStu-
dienfächernum
einigesklügerge-
worden.Ichhabe
vonGrund auf
eine neueSpra-
chegelerntundmichmitKulturund
Eigenheiten einesmir vorher fast
fremden Landes beschäftigt.Ichsaß
in sechsstündigen Theaterauffüh-
rungen und schrieb danachseiten-
lange Analysen mit möglichenIn-
terpretationen.EinErasmussemster
gabmirdieChance,ineinemneuen
Umfeld zu studieren.Undich habe
gele rnt, zielorientiertans cheinbar
unlösbarenAufgabenzuarbeiten.
Am Ende ist einStudium immer
das,was man daraus macht.Werin
eine rGroßstadt wieBerlin studiert,
solltesich dessen bewusst sein, die
groß eHürde derAnony mität neh-
men zu müssen, um Anschluss zu
finden.Diejenigen,diegünstigwoh-
nen, sind nie die,die mal schnell in
die Bibliothek fahren können.Und
wernichtdamitumgehenkann,erst
nach derzehnten Mail eine Antwort
vomProfzubekommen, sollte sich
nach etwas anderem als einem wis-
senschaftlichenStudium umsehen.
In der Mitte desStudiums,wenn ei-
nendie Erkenntniswelle packt,zeigt
sich, ob man gewillt ist, bis zumBa-
chelor zu kämpfen oder beimnächs-
tenüberfüllten Seminaraufzugeben.
MELDUNG
Schülerwettbewerb zum
Tagder Pressefreiheit
WasbedeuteteuchunserePresse-
freiheit?DaswollenderVerband
DeutscherZeitungsverleger,dieStif-
tungLesen,ReporterohneGrenzen
undderBundesbeauftragtefürdie
Stasi-Unterlagenwissen.Gesucht
werdenBeiträge,diezeigen,welche
Rolledie Pressefreiheitineurem
Lebenspielt.Zugewinnengibtes
GeldpreiseimGesamtwertvon
2250Euro.DerWettbewerbrichtet
sichanJugendlicheabder8.Klasse.
Einsendeschlussistder28.Februar.
MehrInfosunter vdz.de(jill.)
Versöhnen
erleichtert –
immer!


I


nder Berliner Straßenrap-
Szene haben sichAOB bereits
einen Namen gemacht. Am 28.
Februar bringt Crew-Mitglied
Bangs sein erstesSoloalbumraus,
das den großenErfolg bringen soll.
DiePlatte sei nicht das,was alle ge-
rademachen,verräterimInterview.

Du gehörs tseit Jahren festzur Neu-
köllner Rap-Gang AOB(Army of
Brothers).Nunkommt dein erstes
Soloalbumraus.WurdeesZ eit, dass
jederalleinweitermacht?
Aufder„AufAchse“-EPhatjeder
einen eigenenSong gemacht.Das
hat uns angespornt, gutgetan, den
Ehrgeizgeweckt.Sokamesdazu.

Waserwartetuns?
DiePlatteistaufjedenFallnicht
das,was alle gerade machen.Brenk
Sinatra, ContraBeatz und Bullet-
Beatshaben dieBeats produziert.
DasAlbumistaufdieFresse,aberes
gibt auch entspanntereSongs.Der
Soundgehtnachvorne,ichhabedas
Albumnichtumsonst„AllesGefickt“
genannt.Ichwill,dassdieLeutemei-
neSongsihrenFreundenzeigenund
sagen:Guckmal,waserhiersagt.

Wiewürdest du dich und deineMu-
sik jemandem beschreiben,der di ch
nichtkennt?
BangsmachthartenStraßenrap.
Das, was die meisten Leuterappen,
das leben meineJungs und ich.Ich
bin jemand, den man auf derStraße
treffenkann.Undwir,AOB,sindeine
Gruppe echterFreunde.Chapo und
AlmaniwarenaufmeinerSchule.

In Berlin kennen euch mittlerweile
sehrvieleJugendliche.Wieschätztdu
euren Bekanntheitsgradein?
Das ist schwer. Ich habe nur
4800 Followerauf Instagram, aber
dann werdeich zumBeispiel plötz-
lich in Hamburgauf den Straßen er-
kannt.AOBwächstwieeinVirus.

Im Maihattet ihr euer erstes eigenes
Konzer timM aze. Wiewardas?
Daswar krass.Wir hattendank
Said schonAuftritte davor,aber im
Maze ging es zum erstenMalnur
um uns.Dawaren wirrichtig stolz!
Insgesamt waren 270 Leute da.Ich
schwöredir,derSchweißistdortvon
der Decke runtergetropft.DasGeile
war, dass beim erstenTrack direkt
alle mitrappen konnten.DasGefühl

kannte ich noch nicht.Daswar wie
eineBelohnungfürdieZeitdavor.

WiewardeineKindheit?
Mein Elternhaus war sehr gut,
meine Eltern haben beide gear-
beitet.Ichhabe sehr viel Liebe zu
Hause gehabt, aber ich hab mei-
nenWeg selbst gewählt.Ich wollte
immerdraußen auf derStraße sein
undhätte auch schnellabrutschen
können.Ichhatte in der letztenZeit
einpaarProbleme.Langsamgehtes
in die Richtung, dasses sich nach
Erfolganfühlt.

Auf„Mama“ rappst du: „Mama
dachte,ichwerde Anwalt oder Rich-
ter,heute steh ich mit demAnwalt
vordem Richter.“Wiesieht sie deine
Karrier emittlerweile?
Jede Mutter sieht in ihremSohn
ihren Schatz und ihreNummer 1.
Natürlich habe ich meineMutter
oftenttäuscht .Eshat damitange-
fangen, dass ich als Kleiner immer
mein eFünfen aus der Schule unter
meinemBett versteckt habe.Ir-
gendwann hat sie danndie Noten
gefunden, die sich dortüber zwei
Jahreangesammelthatten.Meine

Mutter hat mich immer bei meinen
Gerichtsterminen begleitet. Egal,
wo ich war,sie war überall dabei.
DerSong ist wie eineEntschuldi-
gung an sie.Sie hat letztens gesagt,
dass sie stolz ist auf mich, wie ich
das Ganzedurchgezogen habe.Sie
sieht ja, was ich zuHause rumste-
henhabe.Ich hab nur3800 Likes
bei Facebook, aber ich bekomme
einPaket vonCarlo Coluccizuge-
sendet.Ichglaube,dassmeineMut-
ter versteht, dass ich nichtsBöses
mache.

IhrhabtinderNetflix-Serie„Skylines“
einenAuftri tt.Wiekamesdazu?
Diebrauchten Leute,die Faxen
machen, und da sind die auf uns
gekommen.Ich wu sste damals gar
nicht,dassdieSeriesogroßist.

Waserhoffstdudirfü rdieZukunft?
Erst mal, dass alle gesundblei-
ben, dass wir alle glücklich und
zusammen bleiben. Es wäredas
Schlimmste,wenn uns derErfolg
auseinanderreißenwürde.

DasInterviewführte LukasBreit,
19Jahre.

„Ichl ebe,worüber die Leute rappen“


Bangs gehört zur Neuköllner Rap-Gang AOB. Nun kommt sein Soloalbum,das den Erfolg bringen soll


VonMarti Mlodzian, 15 Jahre

A


mSonnabendwurdedasVideo-
portalYouTube15Jahrealt.Ein
gute rAnlass,fünfYouTuber,diever-
gleichsweise wenig Klicks haben,
insRampenlichtzus tellen.

BUBBLES: Kann ein Gemein-
schaftsprojekt vonYouTubernund
Psychologen was taugen?Ja! Be-
kannte deutsche YouTuber wie
Simon Will,Coldmirror oder An-
nikazion machen zusammen mit
zwei Psychologen teils ernste,teils
lustigeVideos.Die Themen Schule,
MobbingundEhrenamtsindrichtig
undwichtig.Abonnenten:33200.

Phils Osophi e: Bücher, Serien,
Nerdstuff, Lifestyle–das gi bt es
aufdem Kanal vonPhil –und in
unregelmäßigen Abständen auch
Interviews undGewinnspiele. Für
Buchinteressierte undSeriennerds

sehr empfehlenswert.Abonnenten:
10200.

DIE DA OBEN!: Waspassier tei-
gentlich imBundestag?Dassagen
uns dieModeratorenJanSchip-
mann un dAline Abboud,diedie

Debatten auf wichtige Kernaus-
sagen zusammenfassen.Darüber
hinaus gibt es interessanteEin-
zelstatementsvonPolitikern. Für
politischInteressierteein Muss,
für alle anderen eigentlich auch.
Abonnenten: 24 800.

Marvin Neumann: DieserYouTu-
ber ist derProminenteste in dieser
Liste.Trotzdem bekommt erver-
gleichsweise zu wenig Klicksfür
seineVideos.Einmal proWoche er-
klärtMarvinden Zuschauernleicht
verständlich politische Zusam-
menhänge.Erf asstübersichtlich
Parteiprogramme zusammen und
interviewtPolitiker.Dabei bleibt er
immer neutral undkennzeichnet
seine Meinung, wenn er sie mal
sagt.Abonnenten:38300.

1LIVEComedy: AufdiesemKanal
gibtesVideos mitFelix Lobrecht
und anderen schon bekannten
Leutenausder Comey-Szene.Wäh-
rend diese teilweise 300 000 Klicks
erreichen, schaffen die ebenfalls
guten Newcomer,die dieserKanal
vorstellt,oftnur4000Aufrufe .Doch
geradewegendieser Abwechslung
ist dieserKanal so empfehlenswert.
Abonnenten:35200.

Diese YouTuber haben mehr Klicks verdient


Auf derVideoplattform geht guter Content oft unter.Zum 15. Geburtstag stellen wir fünf unterschätzte Kanäle vor


Hörprobe


King Krule–„ManAlive!“
Eine dunkle,kratzige Stimme
summt,kreischtundträumtentlang
melancholischer E-Gitarrenmelo-
dien.HörtmanKingKrulesStimme,
dieüberLiebe,Schmerzunddie Fra-
ge nach demSinn vonallem singt,
stellt man sich sicher nicht denrot-
haarigen schlaksigenBriten vor, der
mit seinen 25Jahren schon drei Al-
benund mehrerebekannteSingles
veröffentlichthat.Auf „Man Alive!“
spricht und singt er in tieferPassion
persönlicheTexte aufmelancholi-
sche Gitarrenmelodien.Zu Be ginn
wirdder Hö rermit dissonantenE-
Gitarrenakkorden fast unangenehm
intensiv in KrulesGedankenchaos
hineingesogen. Ab „The Dream“
kehrtwiederRuheeinundder„alte“
Krulegibtsichzuerkennen.
Zora Günther,21Jahre

FazitKein Album, dasman nebenbei hört.

Die BerlinerRap-GangAOBwachse wie ein Virus,sagt Mitgl iedBangs. Sein Soloalbum soll dazu beitragen. ALFA PHOTO

Aniko weiß heute:
Die Studienzeit ist
nicht immertoll.

PRIVAT

Gigantisch: 2019 erzielte YouTube einen Jahresumsatz von 15 MilliardenDollar. ADOBESTOCK

Das Projekt„Spreewild“
im Internetunter:

DieBeiträge dieser Seitewerdenvon
Jugendlichengeschrieben.

KONTAKT
BerlinerZeitung
Jugendredaktion
Telefon:030/

[email protected]
instagram.com/spreewild_de
facebook.com/spreewild
twitter.com/Spreewild

Mit freundlicher Unterstützungvon:

VonMaleen Harten

L


etztens habe ich mich mitMia
aufeinen Kaffeegetroffen.Wer
unssah,dacht evermutlich,wirsei-
ennormaleFreundinnen.Dochdie-
sesTreffenwarbesonders:daserste
Wiedersehen nach acht Jahren.
Denn bevor ich
damals aus un-
serer Mädchen-
WG ausge zogen
war,hatten wir
uns ziemlich fer-
tiggemacht.
Dabei hatte
ich Miasehr ge-
mocht. Wieein
Wasserfal lhatte
ich ihr die Ge-
schichtenmei-
nes Lebens er-
zählt. Ichwollte, dass sie allesvon
mirweiß.
Manchmal ging ich heimlichin
ihr Zimmer,woi ch dann nichts tat,
alsdazustehenundalldasOrdentli-
che zu bestaunen.Solche Aktionen
wurden mir–natürlich–zumei-
nem Nachteil ausgelegt. „Duwarst
in meinemZimmer?“, fragte sie in
kühlemTon. Außerdem hatte ich in
regelmäßigenAbständenvonihren
Apfelschorle-Flaschen getrunken.
Sienannte mich unzuverlässig und
rücksichtslos,ichfandsiezickigund
neurotisch. UnsereErwartungen
aneinanderwareneinfachzuh och.
Ichsah Miajahrelang nicht wie-
der,doch dachte oft an sie,wie ger-
ne ich sie wiedersehen undFrieden
schließen würde.Wir verabredeten
uns, sie kam. Wirsprachen auch
über dieWG. Wirentschuldigten
uns beide noch einmal, ganz förm-
lich. Damit war dasThemavom
Tisch und wir konnten über dieZu-
kunft sprechen.Warumhaben wir
dasnichtschonJahrezuvorgetan?

Die Erfahrung lehrt:Es ist so ein gutes
Gefühl,Frieden zu schließen.

Springt über euren Schatten
und macht den Anfang

DIE ERFAHRUNG LEHRT


Maleen wünschte,
sie hätte Mia schon
früher kontaktiert.

PRIVAT
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