Berliner Zeitung - 17.02.2020

(coco) #1
Berliner Zeitung·Nummer 40·Montag, 17. Februar 2020–Seite 7*
·························································································································································································································································································

B e rlin


DerSenatkommtmitdemBauvonKita-Plätzennichthinterher Seite 9


TesladarfinGrünheidevorerstkeineKiefernmehrfällen Seite 11


NACHRICHTEN


Polizei kündigt für Montag
Verkehrskontrollen an

DiePolizeiführtvonMontagbis
FreitaggezielteVerkehrskontrollen
inallenBerlinerBezirkendurch.Wie
sieankündigte,setzendieunter-
schiedlichenDienststellenanläss-
lichderBerlinerVerkehrssicher-
heitstageindividuelleSchwer-
punkte.Besondersachtenwilldie
PolizeiaufGeschwindigkeitsver-
stöße,FehlerbeimAbbiegen,Falsch-
parken, FahrenunterAlkoholein-
flussodermitdemHandyam Ohr
sowiedasIgnorierenvonrotenAm-
peln.AuchE-Scooter-undRadfahrer
sollenverstärktindenBlickgenom-
menwerdensowieSchulwegeüber-
wachtwerden. (dpa)

DRK: Situation in Berliner
Quarantäne entspannt sich

DasDeutscheRoteKreuz(DRK)hat
dieVersorgungder20Rückkehrer
ausChinainderBerlinerQuaran-
tänenacheigenenAngabenverbes-
sert. JedeFamilie,Einzelpersonund
jedesPaarhabenuneineeigeneToi-
lette,sagteDRK-SprecherDieter
SchützamSamstag.Dazuseienam
FreitagabendneunzusätzlicheWCs
imHofaufgestelltworden.„Die
Stimmungistsehrvielentspannter
alsindenerstenTagen.“Die16E r-
wachsenenundvierKindersindseit
vergangenemSonntagineinemum-
funktioniertenVerwaltungsgebäude
inKöpenickisoliertuntergebracht.
ZudemstehenaufdemHofContai-
nermit DuschenundToiletten.Zu-
vorhattensichdieMenscheninder
chinesischenStadtWuhanaufgehal-
ten,diestarkvondemneuartigen
Coronavirus Sars-CoV-2betroffen
ist.DieErgebnissevonbislangzwei
TestszumViruswarennegativ. (dpa)

Drei mutmaßliche Suizide in
Berliner Gefängnissen

Eine73-jährigeGefangenehatsich
inder Justizvollzugsanstaltfür
Frauenin PankowdasLebengenom-
men.SiewurdeamFreitagmorgen
totinihremHaftraumentdeckt.Ge-
gendie Frau,dieeinenMannlebens-
gefährlichmiteinemMesserverletzt
habensoll,sollteamDienstagdie
Gerichtsverhandlungbeginnen.„Al-
lesdeutetaufeinenSuizidhin“,
sagteJustizsprecherSebastianBrux.
AmSonnabendwurdezudeminder
JVATegelein26-Jährigertotinsei-
nemHaftraumentdeckt–lautBrux
ebenfallseinSuizid.DerMannwar
wegenKörperverletzungverurt eilt.
Bereitsam1.Januarhatteesinder
JVAMoabiteinenSuizidgegeben.Im
vergangenenJahrgabesnachAnga-
benvonBruxinBerlinerGefängnis-
senkeinenSuizid. (kop.)

Berliner E-Scooter-Verleiher
kauft britisches Start-up

DerBerlinerE-Scooter-VerleiherTier
MobilityhatdasbritischeStart-up
PushmeBikesübernommen,das
sichaufdieHerstellungaustausch-
barerAkkusfürElektrofahrzeuge
spezialisierthat.Laut Tier-Mittei-
lungverfügedas Start-upüberau-
ßergewöhnlicheFähigkeiteninden
BereichenTechnikundDesign.
DiesewürdenTierlangfristigbeim
AufbauderHardware-Kompetenzen
helfen.TierwilleigenenAngabenzu-
folgekünftignebenE-Scooternnoch
weitereFahrzeugeins Verleihpro-
grammaufnehmen. (BLZ)

Tempodrom-MörderaufderFlucht


DiePolizeiuntersuchtdieHintergründe,warumeinMannerschossenunddreiweitereverletztwurden


VonAndreasKopietz

N


ach den tödlichen
Schüssen auf einen 42-
Jährigen in Kreuzberg
sind dieTäterweiter auf
der Flucht. „Nach bisherigen Er-
kenntnissen gab es imZusammen-
hangmitdiesemErmittlungsverfah-
renkeineFestnahmen“,sagteMona
Lorenz, Sprecherin der Staatsan-
waltschaft, amSonntag derBerliner
Zeitung. Siewidersprach damit an-
derslautendenMeldungen,indenen
vonvierFestnahmendieRedewar.
InderNachtzum Sonnabendwar
vordem Tempodrom an der Mö-
ckernstraßeein42-jährigerManner-
schossenworden.VierweitereMän-
nerimAlterzwischen28und52Jah-
renwurden durch Schüsseverletzt.
Eineder verletztenPersonenbefand
sichauchamSonntagnochinkriti-
schem Zustand und wirdintensiv-
medizinischbetreut.

Opferdraußenabgepasst
DieTat ereignete sichFreitagabend
gegen23Uhrdirekt vordemHaupt-
eingang des Veranstaltungshauses.
DieOpfer wurden offenbar abge-
passt,alssiedieVeranstaltungvorzei-
tigverließen.Soschildernzumindest
Augenzeugen,mitdenendieBerliner
Zeitunggesprochenhat,dieSituation
vordem Tempodrom. Nach den
Schüssen alarmiertenPassanten mit
ihren HandysFeuerwehrund Polizei.
EinNotarztkonntenurnochdenTod
des 42-Jährigen feststellen.DieOb-

duktionderLeicheergabinzwischen,
dass derMann an einem Schuss in
denOberkörperstarb.
Die8.M ordkommissiondesLan-
deskriminalamtesübernahmdieEr-
mittlungen und befragte amWo-
chenende zahlreicheZeugen. Auch
MitarbeiterdesTempodromwurden
am Sonntag angehört.DieBeamten
sicherten zudem Aufnahmen aus
Überwachungskameras.DieHinter-
gründedesVerbrechenswarenauch
am Sonntag noch völlig unklar.Fest
steht jedoch, dass der tödliche An-
schlag nicht auf dieVeranstaltung
abzielte.„Dazugibteskeinendirek-
ten Zusammenhang“, sagte die
Sprecherin derStaatsanwaltschaft.
Im Tempodrom lief zu derZeit die

„Güldür GüldürShow“–ein belieb-
ter Live-Comedy-Fernsehklassiker.
Beidem42-jährigenGetötetenhan-
delt es sich um einen türkischen
Staatsbürger.Dievier Verletzten,die
in verschiedene Krankenhäuser ge-
bracht wurden, sind türkischstäm-
migeDeutsche.
Kurz nach den tödlichen Schüs-
senwardiePolizeimiteinemGroß-
aufgebotvonetwa200 Beamtenprä-
sent.SiesperrtendenTatortweiträu-
migundsuchtendieUmgebungab.
Dieetwa3000BesucherdesTem-
podroms mussten das Gebäude
durch die Seiten- undHinteraus-
gängeverlassen,dennderHauptein-
gangwargesperrt.IhreTaschen,die
sie vorder Veranstaltung einschlie-

ßen mussten, konnten sie erst am
nächsten Tagabholen, weil die
Schließfächer am Abend noch im
Sperrbereich derPolizei lagen.Bis
zum Sonnabendmorgen sicherten
KriminaltechnikeramTatortSpuren
und mehrerePatronenhülsen, die
ausverschiedenenFaustf euerwaffen
stammen sollen.DiePolizisten lie-
ßenaucheinenToyotaabschleppen,
der dor tinz weiter Reihe geparkt
hatte.Aber der Wagen habe nichts
mitdenSchüssenzutun,sagteMona
Lorenz zu entsprechendenMutma-
ßungen zahlreicher Augenzeugen.
EshandelesichumeinanderesVer-
fahren.

SchussindieBeine
WievieleTäteramFreitagabendge-
schossen haben, kann dieStaatsan-
waltschaftnochnichtsagen.Eintür-
kisches Nachrichtenportal behaup-
tet, dass fünfzehn schwarzgeklei-
dete Personen dieGruppe,die das
Tempodrom verließ, angegriffen
hätten. Undder Tagesspiegel will
herausgefunden haben, dass den
OpferngezieltindieBeinegeschos-
sen worden sei.Beides bestätigt die
Staatsanwaltschaftbislangnicht.
VondenVerletztenhattenachAn-
gaben einesErmittlers mindestens
einer Schussverletzungen in den
Beinen. Ob diese gezielt zugefügt
wurden, konnte die Staatsanwalt-
schaft nicht bestätigen. Schüsse in
dieBeinegeltenimMilieukriminel-
ler Clans und in der Organisierten
Kriminalitätals„Verwarnung“.

Einsatzfahrzeuge vonPolizei undFeuerwehr stehen amTempodrom. PAUL ZINKEN/DPA

Elende und


Erniedrigte


V


orzweiWochenschriebichan
dieser Stelle über Licht und
SchattenamMaybachufer.Vonder
Emsigkeit desMarktaufbaus oben
unddemdrogenverseuchtenNieder-
gang unten, am U-Bahnhof Schön-
leinstraße.Der ja nicht tatenlos hin-
genommen wird: Häufig sieht man
Polizisten oderSecurity-Mitarbeiter
aufdemBahnsteig.Soistesauchan
demMorgen,andemicheinweiteres
Maldie Stufen hinabsteige.Schon
oben höreich lauteStimmen. Wem
siegelten,erkenneichwenigeAugen-
blickespäter.
EinMannmit Bierflasche,zotteli-
gerMähne,verfilztemBartundmehr
in Fetzen als Kleider gehüllt schlin-
gertmirentgegen.Untenstehendrei
Mitarbeiter einesSicherheitsdiens-
tes,zweiMänner und eineFrau. Die
Frau ruft dem Betrunkenen hinter-
her:„DannpullerdochindeinWohn-
zimmer!“IchhöreVerachtunginihrer
Stimme,aber auchSelbstzufrieden-
heit.WegendererfolgreichenVertrei-
bung?OderweilsieihrenSpruchfür
sehr gelungen, gar witzig hält?Der
Mann kämpft sich indesweiter die
Treppenhoch,lalltUnverständliches,
zwischendurchdenSatz:„Manchmal
kannmanesebennichthalten.“
Mitleiderfasstmich,dasvertraute
Bahnhofs-GefühlderOhnmachtund
–Wut.WieeineWand beimFreistoß
stehen die dreiUniformierten am
Treppenabsatz und schauen dem
Mann hinterher.Denn eineToilette
gibtesobennicht,ineinCaféwir der
keinenEinlassbekommenundeinei-
genesWChaternicht.Schongarkein
Wohnzimmer.Jederkanndassehen.
Auchdie FrauvomSicherheitsdienst.
Warumalsohatsiedasgesagt?
Ichweiß nicht, was sichvormei-
nem Eintreffen abgespielt hat. Doch
selbst wenn der Mann sich imTon
verg riffenhat –gehörtesn ichtzuden
Aufgaben vonSecurity-Mitarbeitern,
auf Aggression nicht mitGegenag-
gressionzureagieren?Andersgefragt:
Würdemanjemanden,deraufFehl-
verhalten mitverbalem Nachtreten
reagiert, für dieSicherheit in einer
SchuleodereinemHoteleinsetzen?
Dass UniformierteElende davon
abhalten müssen, sich aufBahnstei-
gen zu erleichtern, und dieElenden
anschließendnassundstinkendwei-
terziehen müssen, gehörtzur trauri-
gen Realität dieser an widerstreiten-
den Bedürfnissen sovollen Stadt in-
mitten diesesreichen Landes.Inder
KonflikteundProblemetoben,deren
augenscheinlicheUnlösbarkeiteinen
manchmalumdenVerstandbringt.
Auch ich will mir nicht dieNase
zuhalten müssen und bin jenen
dankbar,diesichumSauberkeitund
Sicherheit kümmern.Einschwerer
Job. Ichwill aber auch nicht, dass
Menschen nicht wissen, wo sie uri-
nierenkönnen.Vorallemjedochwill
ichnicht,dassMenscheninsauberen
Kleidernund mit eigenenToiletten
und Wohnzimmernsolche Men-
schendemütigen,diealldasnichtha-
ben.
KeinEinzelnerkannetwasfürde-
renSituation,keinEinzelnerkannsie
ändern. Wovonichaberzutiefstüber-
zeugtbin: Dassjeder Einzelnedarauf
achten kann, wie er mit anderen
spricht. Auchundgerademitdenen,
die nichts mehr besitzen als ihre
WürdeundeineFlascheBier.


Stadtbild


BarbaraWeitzel
wirdZeugineinerhässlichen
Vertreibung

IMAGO IMAGES/IMAGEBROKER/SCHREITER

IndiesemJahrkommendieAllergienfrüh


W


egendesmildenWintersbeginntinBerlindieLeidenszeitfürAll-
ergikererneutdeutlichfrüheralsüblich.ThomasDümmel,Me-
teorologeanderFreienUniversität,zählteimStadtteilDahleminder
verg angenenWoche an manchenTagen bereits mehr als 100Hasel-
undmehrals70ErlenpollenproKubikmeterLuft.BeiTemperaturenbis
zu15 GradandiesemWochenenderechnetererneutmitsolchenSpit-
zenwerten.DieerstenPollengingenDümmelbereitsam10.Januarin
dieFalle.PurpurerlenhattensogarschonimDeze mbermitderBlüte
begonnen.DamitbliebenAllergikernnurwenigeWochenAtempause,

seitdieletztenAmbrosia-PollenEndeOktoberflogen.Dümmelrechnet
damit,dassbaldauchdieBirkemehrer eWochenfrüherblühtalsüb-
lich.
DerfrüheStartind iePollensaisonistkeinneuesPhänomen.Auch
dervergangeneWinterwardeutlichzuwarm.„Langsammachtesmir
Angst“,sagteDümmel.ErrechneindiesemWinternichtmalmehrmit
einerhauchdünnenSchneedecke.„WennesindemRhythmusweiter-
gehtmitderErwärmung,wirdesb edenklich.“NichtnurfürAllergiker.
„DannbrauchenwirimSommermehrKlimaanlagen.“ (dpa)
Free download pdf