Berliner Zeitung - 17.02.2020

(coco) #1

B e rlin


Berliner Zeitung·Nummer 40·Montag, 17. Februar 2020 (^9) ·························································································································································································································································································
Momperglaubt
nichtandie
Doppelspitze
Ex-Bürgermeister:Esgab
bittereJahrefürBerlinerSPD
D
er frühereRegierende Bürger-
meister Walter Momper ist
vomdesigniertenneuenFührungs-
duo derBerliner SPD nicht gerade
euphorisiert. „Siewerden sich be-
weisen müssen“, sagte der 74-Jäh-
rige zur KandidaturvonBundes-
familienministerinFranziska Giffey
und FraktionschefRaed Saleh. „Da
gibteskeineVorschusslorbeeren.“
„Von der Persönlichkeither ist
Frau Giffey sicherlichgut geeignet,
ein solchesAmt zu machen“,so
Momper,der von1989 bis 1991 re-
gierte und von1986 bis 1992 SPD-
Chef war.„Aber ob sie auch die
Härte dazu hat, da bin ich nicht si-
cher.Man muss so etwas auch
durchstehenkönnen.“Um in der
PolitikrichtigHärtezubekommen,
„muss man ein paar Stürme über-
standenhaben“,ergänzte er.„Das
hatsienochnicht.“
VonSalehsKandidaturzeigtesich
Momper wenig begeistert. „Dabin
ichskeptisch“,sagteer.Salehseibis-
her immer als
Strippenzieher
aufgefallen,aber
kaum mit Inhal-
ten.
Dass Giffey
im kommenden
Jahr SPD-Spit-
zenkandidatin
beiderAbgeord-
netenhauswahl
wird, hält Mom-
per für wahrscheinlich,aber noch
nicht für ausgemacht. „Michael
Müllerhatnichtgesagt,dasserauf-
hörenwill,sondernlediglichseinen
RückzugalsLandesvorsitzenderan-
gekündigt.“
GenerellhofftMomper,dassdie
SPDaufBundes-wieauchaufLan-
desebenewiedererstarkt.Diever-
gangenenJahreseien„ziemlichbit-
ter“fürdieParteigewesen.„Ichbe-
daueredieseEntwicklungsehr.“
DerRegierende Bürgermeister
undSPD-ChefMüller,Giffeyund
SalehhattendengeplantenWechsel
anderParteispitzeEndeJanuarver-
kündet.
DieNeuwahldesSPD-Vorstands
ist auf einemParteitag am 16.Mai
geplant.NebenGiffeyundSalehhat
auch dasweitgehend unbekannte
DuoAngelikaSyring und Ulrich
Brietzke eineKandidatur angekün-
digt. Beiden werden aber wenig
Chanceneingeräumt.
InUmfragenliegtdieSPDinBer-
lin schon seit geraumerZeit nur
noch aufPlatz vier hinterGrünen,
LinkeundCDU. (dpa)
Ex-Bürgermeister
Walter Momper
DPA
MehrKlagenaufKita-Plätze
SenatinvestiertgigantischeSummen–undkommtbeiderDeckungdesBedarfstrotzdemkaumhinterher
VonStefan Kruse


I


mmermehrElternsetzenihren
Rechtsanspruch aufBetreuung
ihrer KindervorGerichtdurch.
Gleichzeitig mehren sich Kla-
genaufSchadenersatz,wennberufs-
tätigeElternlängerzuHausebleiben
müssen,weilsiekeinenKita-Platzfür
ihren Nachwuchs finden.Dasergab
eineUmfragederDeutschenPresse-
AgenturbeiLandes-,Bezirks-und
Justizbehörden.
Beim Verwaltungsgericht Berlin
gingenimVorjahr 241 KlagenaufZu-
weisungeineswohnortnahenKita-
Platzesein–guteinDrittelmehrals
2018 (178).Gleichzeitigschlossdas
Gerichtnach Angabeneines Spre-
chers 260 Verfahrenab,teilsnochsol-
cheausdemJahrzuvor.
60 Klagenwurdeganzoderteils
stattgegeben, 30 wurdenabgewiesen.
In 157 Fällenerledigtensiesichim
LaufedesVerfahrens,weildieBezirke
–auchunterdemDruckderKlage–
einen Kita-Platz anbieten konnten
oder eine provisorischeBetreuung
bezahlten.
Beiletzterer Varianteübernehmen
zeitweise Privatpersonen dieBetreu-
ung, etwa Angehörige oder eine
Nanny–finanziertdurchdasJugend-
amt.UnddiekannfürdieBezirkezu-
nächst ganz schön insGeld gehen,
auch wenn das Land dieKosten am
Endeerstattet.SogabFriedrichshain-
KreuzbergfürdiesogenannteErsatz-
betreuungvon105 Familien in den
Jahren 2018/2019 gut 341000Euro
aus.Das JugendamtPankowbezif-
ferteseineAusgabendafürinbeiden
Jahren auf zusammen 308000Euro,
dasAmtinTreptow-Köpenickaufzu-
sammen 169000Euro.Steglitz-Zeh-
lendorfließ sichErsatzbetreuung in
dem Zeitraum 90000Euro kosten,
Lichtenberg89000, Spandau 19000
Euro.
Vorkurzemsorgte derFall einer
Mutter in Pankowfür Schlagzeilen,
die langeverg eblich einemBetreu-
ungsplatzfürihrKindsuchteunddas
Land auf Schadenersatz verk lagte,
weilsienichtnacheinemJahrwieder
inihren Jobzurückkehrenkonnte.Vor
Gericht wurde einVergleich erzielt,
demzufolge das Land derFrau 7500
Eurozahlt.
Auch andereElternhaben das
Land bereits auf Schadenersatz für
Verdienstausfall oder zusätzlich ent-
standeneKosten verk lagt: Stand Fe-
bruar hätten dieBezirke 18 solcher
Klagengemeldet,heißtesausderSe-
natsfamilienverwaltung.Voreinem
Jahrseienesneungewesen.
In Pankowendeten bisher drei
Verfahren mit einemVergleich und
der Zahlung voninsgesamt 18300
Euro an Eltern, zehn weiteresind
noch anhängig. Treptow-Köpenick

meldete bisher sieben Klagen,von
denenallemiteinemVergleichabge-
schlossenwordenseien.Lichtenberg
zählte zwei Klagen: eine endete mit
einem Vergleich, die zweite ist noch
offen. In Friedrichshain-Kreuzberg
fordertenbishervierElternSchaden-
ersatz. LautBezirksamt wurde eine
Klage abgewiesen, über drei wurde
noch nicht entschieden.In Tempel-
hof-SchönebergsindzweiKlagenan-
hängig.
Ab dem vollendeten ersten Le-
bensjahr hat inBerlin jedesKind ei-
nenRechtsanspruchaufeineBetreu-
ungvonbiszusiebenStundentäglich
in einer Kita oder bei Tagesmüttern.
WeildieStadtzuletztstarkdurchZu-
zugwuchs,dieGeburtenratehochist
undErzieherfehlen,istesfürdenrot-
rot-grünenSenatunddiefürdieUm-
setzungzuständigenBezirkeschwie-
rig, das in jedemFall auch wohnort-
nahsicherzustellen.
Im März2018 hatte das Oberver-
waltungsgericht denDruck noch er-
höht: Damals entschieden die Rich-
ter,dass der Rechtsanspruch dieBe-
zirke dazuverpflichtet, die nötigen
KapazitätenfürdieKinderbetreuung
zu schaffen.Fachkräftemangel und
andereSchwierigkeitenbegründeten
keine Entbindungvonder gesetzli-
chenPflicht.
AktuellgibtesinBerlinlaut Fami-
lienverwaltungrund2700Kitas.Dort
und in derTagespflege stehen–bei
etwa 220000Kindernmit Rechtsan-
spruch aufBetreuung–momentan
173600 PlätzezurVerfügung.Aktuell
seien2700davonnichtbelegt. 9500
zusätzliche Plätzeseien in unter-
schiedlichenVorhabeninArbeit.
InsgesamthabeBerlinindenver-
gangenenJahren mehrereHundert
Millionen Euro in den Kita-Ausbau
investier tund ZehntausendePlätze
geschaffen.DieZahl der Erzieher in
denKitasseiinnerhalbvonfünfJah-
renum6 300(24 Proz ent)auf
gestiegen. „DieZahl der Plätzeund
Fachkräfte wächst, aber ebenso die
Nachfrage“, sagteFamiliensenatorin
SandraScheeres (SPD) zu derEnt-
wicklung.„Gerade jetzt, in der zwei-
tenHälftedesKita-Jahres,istdie Su-
che nach einemKita-Platz fürEltern
schwierig.“Um diese Jahreszeit hät-
tendie Kitasihr eGruppeninderRe-
gel schonvoll belegt.„Deshalb müs-
sen derPlatzausbau und dieFach-
kräftegewinnunginunvermindertem
Tempoweitergehen“,soScheeres.
„Die Kitas müssenPlatzreser ven
aktivieren“, fügte sie hinzu. „Viele
Einrichtungen schöpfen ihreBe-
triebserlaubnisse nicht aus und bie-
ten nicht alle bereits genehmigten
Plätzean. Hier sehe ich ein erhebli-
ches Potenzial.“Genehmigt sind in
Berlin182000Kita-Plätz e,alsomehr,
alszur Verfügungstehen. (dpa)

Berlin bietet nicht genug Betreuungsplätze für Kinder. IMAGO

„Viele Einrichtungen schöpfen ihreBetriebs-


erlaubnisse nicht aus und bieten nicht alle


bereits genehmigtenPlätzean.


Hier sehe ich ein erheblichesPotenzial.“


SandraScheeres,SPD-Bildungssenatorin,
zur Entwicklung der Zahl der Kita-Plätze in Berlin

Berlinerhelfen


Baby


Nisa-Shirin


Rund1000Besucherkamen
gesternzurTypisierung.

N


isa Shirin ist erst achtMonate
alt und bereits schwer krank.
DerSäugling aus Tempelhof hat
Leukämie (Blutkrebs).Nisa Shirin
hatschonetlicheTageihresLebens,
dasgeradeerstbegann,inderKlinik
verbracht.Ihre ElternÖzlem und
AkifhanY. hoffenverzweifeltaufei-
nen passendenSpender,denn nur
noch eine Stammzellenspende
kann das Leben ihres Babysretten.
Gesternorganisierte die DKMS,
ehemalsDeutsche Knochenmark-
spenderdatei, eineRegistrierungs-
aktionimColumbia-Theaterfürdas
kleine Mädchen, an der sichrund
1000 Menschen beteiligten. „Wir
sind ganz gerührt, dass so viele
Menschen,dieunsgarnichtkennen
unseremKind helfen wollen.Das
gibt uns enormviel Kraft“, sagt der
Vater.
Aktuell sind bei der DKMSwelt-
weitrund9MillionenMenschener-
fasst. Mehr als 76 000 Lebenschan-
cenkonntenseit1991mittelsSpen-
der ermöglichtwerden. In rund 80
Proz ent der Fälle ist heutzutage
keine Operation mehr erforderlich
unddie Stammzellenkönnendurch
ein vereinfachtes Verfahren der
Blutbahn entnommen werden.
DochtrotzallemistdieChancesehr
gering: In Deutschland findet jeder
zehnte Blutkrebspatient keinen
passendenSpender.
Auch für Nisa Shirin ist es ein
Wettlauf gegen dieZeit. Siewar ge-
rade zehnWochen auf derWelt, als
die Ärzte die Leukämie diagnosti-
zierten. DasNeugeboreneerhieltin
denerstenLebensmonatenbereits
schwereChemoblöcke.
EswirdnunnochWochendau-
ern,bisdieDatenderRegistrierung
ausgewertetwordensind.Damitist
dieFamilieweiterhineinemWech-
selbadderGefühleausgeliefert.Öz-
lemY.sagt;„AnmanchenTagensind
wirvollerHoffnung,ananderenam
RandederVerzweiflung.“ (kh.)

Stäbchen rein: Abdul Kadir (19) ließ sich
im Columbia-Theater typisieren. UHLEMANN

Meinen Ausbildungsplatz habe


ich auf azubis.de gefunden!

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