Handelsblatt - 17.02.2020

(Ann) #1

80er-Jahren wählten die Chipdesig-
ner und Softwareentwickler jedoch
den Republikaner Reagan.
Das änderte sich mit Bill Clinton.
Unter dem jungen, liberalen Präsi-
denten und seinem Vize Al Gore, ei-
nem frühen Förderer des Internets,
wurde der Einsatz für offene Welt-
märkte, qualifizierte Einwanderung
und laxe Wettbewerbskontrolle zum
Gemeingut beider Parteien. Das half
der Industrie, binnen wenigen Jahr-
zehnten eine ganze Reihe globaler IT-
Giganten zu produzieren. Das Valley
wurde zwar über die Jahre immer li-
beraler. Eigentlich konnte es den IT-
Industriekapitänen aber egal sein,
wer Präsident war.
Dieser Konsens pro Tech-Indus-
trie ist zerbrochen. Läuft es
schlecht, drohen dem Tal an der Pa-
zifikküste nun vier weitere Jahre
kühler Gegenwind.
Denn schon Donald Trump ist al-
les andere als ein Wunschkandidat.
Der Handelskrieg mit China zer-
schlägt Apples feinziselierte Handels-
routen. Justizminister William Barr
legt sich mit Facebook an, um die ge-
plante Verschlüsselung aller Nach-
richten auf den sozialen Netzwerken
zu verhindern – Barr fürchtet, dass
FBI und Polizei es schwerer haben
werden, Kriminelle und Terroristen
in den Netzwerken zu überwachen.
Mit Amazon-Chef und „Washing-
ton Post“-Eigner Jeff Bezos verbindet


Trump gar eine persönliche Intim-
feindschaft: „Jeff Bozo“, also Jeff
Blödmann, nennt Trump einen der
erfolgreichsten Unternehmer des
Landes in seinen Tweets. Die jahr-
zehntelange Liebesbeziehung zwi-
schen Valley und Washington ist jäh
beendet. Eine Wahl zwischen Trump
und Bernie Sanders oder Elizabeth
Warren würde selbst die größten Op-
timisten zwischen San Francisco und
San José auf eine harte Probe stellen.
Nicht einmal auf gegenseitige Blo-
ckade der ideologisierten Parteien
im Kongress können sich die Valley-
Konzerne noch verlassen. Geht es
etwa um die Regulierung der sozia-
len Netzwerke sind sich viele Repu-
blikaner und Demokraten plötzlich
ziemlich einig: bei der „Section
230“ des „Communications Decen-
cy Act“ etwa.
Hinter dem bürokratischen Namen
versteckt sich die Geschäftsgrundla-
ge von offenen Plattformen wie Face-
book, Instagram oder Youtube.
„230“ entbindet sie von der Haftung
für jedes Posting auf ihren Seiten. Bei
einer ersatzlosen Streichung müssten
Google und Facebook wohl Zehntau-
sende neue Moderatoren einstellen
oder die Veröffentlichung von Beiträ-
gen erst nach einer Überprüfung frei-
geben.

Schwieriges Verhältnis
Ein Konsens zwischen den Parteien
ist denkbar: Den „Earn it“-Act, der
„230“ für Plattformen abschaffen
will, wenn sie Nachrichten verschlüs-
seln, hat der einflussreiche Republi-
kaner Lindsey Graham gemeinsam
mit einem Demokraten eingebracht.
Bernie Sanders und Joe Biden haben
sich sogar für die komplette Abschaf-
fung der Regel ausgesprochen.
Bidens Position ist bemerkens-
wert, war er vor vier Jahren doch
noch Vizepräsident von Barack Oba-
ma, dem letzten unverhohlen tech-
freundlichen Präsidenten. „Obama
sammelte Spenden im Silicon Valley,
nutzte Facebook für seinen Wahl-
kampf und berief als erster Präsident
einen CTO der USA“, sagt O‘Mara.
Tempi passati.
Die Kritik hat sich die Tech-Bran-
che auch selbst eingebrockt: Biden,
der Zuckerberg ein „echtes Problem“
nennt, ärgerte sich über eine mit Lü-
gen gespickte Wahlwerbung aus dem
Trump-Lager, die Facebook nicht
von seiner Seite löschen wollte. Der
Streit ist symptomatisch für das Ver-
hältnis zwischen Demokraten und
Tech-Unternehmen: Die Manipulati-
on der Präsidentschaftswahl 2016,
für die die fragwürdige Umfragefirma
Cambridge Analytica Facebook miss-
brauchte, hat das Vertrauen zwi-
schen der progressiven Linken und
der Industrie tief erschüttert.
Plötzlich bricht ein Thema nach
dem anderen in den Wahlkampf: die

bedrohliche Marktmacht der Tech-
Konzerne. Ihre Datensammelwut,
die Missachtung der Privatsphäre.
Der schlechte Umgang von Amazon
mit seinen Lieferanten oder von
Uber und Lyft mit ihren Fahrern.
„Plötzlich wird vielen klar, dass das
Silicon Valley eine Industriezone wie
viele andere auf der Welt ist“, sagt
O‘Mara. Der verführerische Traum,
die Tech-Industrie sei mehr an Welt-
verbesserung als an Margen interes-
siert, sei geplatzt.
Dass die Topmanager großer Tech-
Konzerne aber offen gegen einen lin-
ken Demokraten revoltieren, dass sie
gar Trump unterstützen, ist trotzdem
nicht zu erwarten. Offene Trump-Un-
terstützer wie der Facebook-Investor
Peter Thiel oder Oracle-Gründer Lar-
ry Ellison, der kürzlich eine Spen-
denveranstaltung für den Präsiden-
ten organisierte, sind rar.
Das wird sich auch im Wahlkampf
kaum ändern. Mehr noch als die Ra-
che eines etwaigen demokratischen
Wahlsiegers müssten die Topmana-
ger im Silicon Valley die Rache ihrer
eigenen Mitarbeiter fürchten. Laut

einer Analyse des Nachrichtenpor-
tals Vox hat Sanders bei Mitarbei-
tern von Google, Apple, Amazon,
Facebook und Twitter mehr Spen-
den eingesammelt als jeder andere
Kandidat.
So bleibt den Topmanagern und
Investoren fast nur die Hoffnung auf
Mike Bloomberg – und dem umge-
kehrt nur die Hoffnung auf Kalifor-
nien: Der 77-Jährige ignorierte die
erste Vorwahl im Bauern-Bundes-
staat Iowa vergangene Woche weitge-
hend und tourte, während seine
Konkurrenten auf die Ergebnisse der
chaotischen Wahl warteten, schon
wieder durch den Sonnenstaat. Die
Demokraten dort stimmen am 3.
März – dem „Super Tuesday“ – mit 13
anderen Staaten ab.
Bisher verfängt seine Botschaft
nicht, in Umfragen liegt der New Yor-
ker im größten Bundesstaat der USA
abgeschlagen auf Platz fünf. Verliert
Bloomberg in Kalifornien, dürfte sein
Wahlkampf vor dem Ende stehen.
Und für die Tech-Konzerne und -Mil-
liardäre des Staates könnten düstere
Zeiten anbrechen.

M. Scott Brauer/Redux/laif

Elisabeth Warren: Kein Wahl-
kampfgeld von Tech-Konzernen.

UPI/laif

Bernie Sanders: Einschränkungen
für die Tech-Konzerne.

UPI/laif

 


 








 
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MONTAG, 17. FEBRUAR 2020, NR. 33
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