Süddeutsche Zeitung - 19.03.2020

(Nancy Kaufman) #1
Berlin– Die Appelle an die Deutschen, zu
Hause zu bleiben, wurden in den vergange-
nen Tagen immer drängender. Am Mitt-
woch warnte auch das Robert-Koch-Insti-
tut die Bürger eindringlich: „Wenn die Men-
schen sich weiterhin so mobil verhalten,
dann wird es schwer, das Virus einzudäm-
men“, sagte RKI-Chef Lothar Wieler. Ab so-
fort will das Institut nun auf ganz neuem
Weg überwachen, ob die Deutschen sich an
die Mahnung halten. Das Institut greift auf
Handydaten zurück, um die Mobilität der
Bürger zu kontrollieren.
Die Forscher können mit den Informati-
onen der 46 Millionen Mobilfunkkunden
Bewegungsströme abbilden, um so auch
Prognosen über die Ausbreitung von
Covid-19 zu berechnen, sagte eine Tele-
kom-Sprecherin. Die Informationen lie-
ßen sich auf Bundesländer und die Kreis-
ebene herunterbrechen. Am Dienstag-
abend hatte die Telekom dem RKI erst-
mals Daten zur Verfügung gestellt. „Aussa-
gen zu Aufenthaltsorten oder Bewegungs-
spuren einzelner Mobilfunknutzer, also
das individuelle Tracking von Infizierten,
sind dabei nicht möglich“, sagt die Spreche-
rin. Daten zu konkreten Kunden gebe man
nur nach richterlicher Anordnung preis.

Das fünf Gigabyte große Paket enthält
anonymisierte Massendaten. Die seien
technisch ungeeignet, um einzelne Infizier-
te zu verfolgen. Außerdem sei das rechtlich
nicht zulässig, sagt die Sprecherin. „Unser
Mobilfunknetz ist ein Kommunikations-
netz, kein Überwachungsnetz.“ Funkzellen-
abfragen zu einzelnen Infizierten ergäben
keinen Sinn. Zum einen müssten alle Mo-
bilfunknummern in der Funkzelle ausfin-
dig gemacht werden, was einen doppelten
Datenschutzbruch darstelle. Zum anderen
seien Funkzellen viel zu groß, um exakte
Aussagen zu engen Kontakten zu treffen.
Die Telekom vermarktet solche anony-
misierten Datenpakete bereits seit Jahren
über ihre Tochter Motionlogic. Das RKI be-
kommt die Daten für den Kampf gegen die
Epidemie kostenlos. In diesen Daten steht
etwa, wie viele Personen sich an einem Wo-
chentag zwischen den Berliner Stadtteilen
Kreuzberg und Schönberg bewegen.

Die Weitergabe der Daten sei „in der ge-
wählten Form datenschutzrechtlich unbe-
denklich“, sagt auch der Bundesdaten-
schutzbeauftrage Ulrich Kelber. Es wür-
den mindestens 30 Datensätze zusammen-
gefasst, um eine nachträgliche Re-Persona-
lisierung zu erschweren. „Vor allem unter
den aktuellen Umständen spricht nichts ge-
gen die Weitergabe dieser Daten zum
Zweck des Gesundheitsschutzes“, sagt Kel-
ber. Ob die anderen großen deutschen Mo-
bilfunkanbieter Daten weitergeben, ist
nicht bekannt. Das RKI ging auf die Frage
nicht ein. Telefónica und Vodafone äußer-
ten sich zunächst nicht.
Inzwischen wollen Regierungen vieler-
orts, dass Gesundheitsbehörden und For-
schungsinstitute auf Standortdaten von
Handynutzern zugreifen, um zu verhin-
dern, dass sich Covid-19 weiter ausbreitet.
Einige ordnen dabei den Datenschutz dem
Gesundheitsschutz unter. Teils greifen die
Maßnahmen tief in die Privatsphäre der
Bürger ein. „Ich sehe, dass in anderen Staa-
ten während der Corona-Pandemie der Da-
tenschutz teilweise vernachlässigt wird“,
sagt Kelber. China und Israel greifen etwa
auf GPS-Daten einzelner Nutzer zu, die ei-
ne präzise und lückenlose Überwachung er-
möglichen. Bislang wurden diese sensib-
len Informationen nur vom israelischen
Geheimdienst genutzt, um Terroranschlä-
ge zu verhindern. Jetzt will Israel Personen

warnen, die Kontakt mit Infizierten hat-
ten, und die Einhaltung der Quarantäne
überprüfen. Italien und Belgien diskutie-
ren ähnliche Maßnahmen.
In den USA sollen die großen Tech-Kon-
zerne ihren Datenschatz öffnen, um Co-
vid-19 zu stoppen. Wie dieWashington
Postberichtete, ist die US-Regierung an
Facebook, Google und weitere Unterneh-
men herangetreten, um gemeinsam daran
zu arbeiten, die Daten für den Kampf ge-
gen die Pandemie einzusetzen. Ein Google-
Sprecher bestätigt den Bericht und sagt, es
handle sich ausschließlich um anonymi-
sierte Massendaten. Die Gespräche seien
in einem frühen Stadium, die Weitergabe
von individuellen Standortdaten schließe
man aus. Derzeit gebe es in Deutschland
keine derartigen Pläne.
In Deutschland gibt sich das Robert-
Koch-Institut nicht mit den Daten der Tele-
kom zufrieden. Man arbeite an einer App,
um auch personalisierte Handydaten aus-
zuwerten, sagt RKI-Chef Lothar Wieler. Da-
bei ist auch der Bundesdatenschutzbeauf-
tragte involviert: „Wir stehen im Kontakt
mit dem Robert-Koch-Institut, um diese
Entwicklung datenschutzrechtlich zu bera-
ten“, sagt Kelber. Bislang ist nicht bekannt,
wie genau diese App technisch funktionie-
ren könnte, und auf welche Daten sie zu-
greifen soll.
markus balser, simon hurtz

München –Zumindest ein Problem der Pa-
tienten-Hotline 116 117 des ärztlichen Be-
reitschaftsdienstes hat sich erledigt: Vor
Kurzem klagten die Anbieter noch, dass ih-
re Nummer, die seit 2012 existiert, zu we-
nig bekannt sei. Im Herbst vergangenen
Jahres startete daher eine große Werbe-
kampagne: Zwei als Elfen neckisch verklei-
dete Damen in türkis- und pinkfarbenen
Gewändern mit transparenten Flügeln am
Rücken sollten die Nummer in den Köpfen
der Deutschen verankern: „Elf6“ und
„Elf7“, so lautete die Eselsbrücke. Doch
erst das Coronavirus verhalf der Hotline
zum Durchbruch – verursacht aber auch ih-
ren zeitweiligen Zusammenbruch. Seit Ta-
gen beschweren sich Anrufer der 116 117,
sie seien dort endlos in der Warteschleife
gehangen.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen,
die den Service anbieten, kennen die Mise-
re. In Niedersachsen lagen die Wartezeiten
am Wochenende bei bis zu 60 Minuten. In
Spitzenzeiten liefen 1000 Anrufe gleichzei-
tig ein. In Hessen riefen an einigen Tagen
so viele Menschen an wie sonst in einer gan-
zen Woche. Das bundesweite Callcenter
hatte am vergangenen Wochenende
90000 Anrufe zu bewältigen.
„Belastend für die Hotline ist, dass viele
verunsicherte Bürger dort anrufen, die di-
verse Fragen haben, aber nicht wirklich
krank sind“, sagt Axel Heise von der Kas-


senärztlichen Vereinigung Bayern. Das er-
leben auch seine Kolleginnen und Kolle-
gen in anderen Bundesländern. Vor der
bundesweiten Schul- und Kita-Schlie-
ßung hätten sich dort Eltern erkundigt, ob
auch die Einrichtung ihres Kindes ge-
schlossen werde. Andere wollten wissen,
ob sich Corona auf Haustiere übertrage.
Oder ob das Fußballspiel ihrer Lieblings-
mannschaft in der Kreisliga stattfinde. Vie-
le Menschen versuchten, permanent anzu-
rufen, wenn sie mal nicht durchkommen,
erklärt Kai Sonntag von der Kassenärztli-
chen Vereinigung Baden-Württemberg.
Das verstopfe die Leitungen erst recht.
Dabei sind bei Weitem nicht alle unver-
nünftig, die sich bei der 116 117 melden. Die
Nummer sollte ja als „Patienten-Navi“ die-
nen, wie die Kassenärztliche Bundesverei-
nigung Anfang des Jahres erklärte. Medizi-
nisch geschultes Personal fragt bei Anru-
fern Symptome, Vorerkrankungen und Ri-
sikofaktoren ab und lotst sie dann, je nach
Dringlichkeit, zum Hausarzt oder zur
nächsten Klinik. Zudem können die Men-
schen unter dieser Nummer Termine mit
einem Facharzt vereinbaren. Das sollte die
Praxen entlasten wie auch die Kliniken
und deren Notaufnahmen, die gerade
abends und an Wochenenden von vielen
Patienten geflutet wurden, die über gering-
fügige Schürfwunden klagten oder ein
leichtes Kratzen im Hals verspürten.

Bundesweit 1500 Mitarbeiter hatten die
Kassenärzte für die Callcenter vorgesehen,
um die erwarteten zehn Millionen Anrufe
in diesem Jahr zu beantworten. Diese Zahl
dürfte weit überschritten werden. In Ba-
den-Württemberg sind deshalb statt bis-
her zehn nun fünfzig Menschen beschäf-
tigt, um Termine zu vermitteln und Fragen
zum Coronavirus zu beantworten. Auch
Bayern baut die Kapazitäten aus, ebenso
Hessen. Dort sei aber, wegen der aktuellen
Grippewelle, der Krankenstand sehr hoch,
das Fachpersonal, das deshalb fehlt, könne
nicht so einfach ersetzt werden.

In Bayern informiert eine Bandansage
allgemein über Corona, zumindest das bin-
de keine Mitarbeiter, erläutert Axel Heise.
Wenn ein Patient in der Leitung bleibe, wer-
de er zu einem medizinisch geschulten Dis-
ponenten durchgestellt, der abkläre, ob
ein Coronaverdacht besteht. „Ist ein Pati-
ent besonders hartnäckig, etwa weil er ei-
nen Test aus Unsicherheit oder auf Druck
des Arbeitgebers will“, werde er zu einem
Arzt durchgestellt, der ihn berät. Wie viele
andere Bundesländer hat Bayern einen mo-
bilen Fahrdienst eingerichtet, der Abstri-
che bei den Patienten zu Hause vornimmt.
Doch auch hier komme es „leider zu Verzö-
gerungen aufgrund der knappen Laborka-
pazitäten“, sagt Heise.
Er betont, wie auch seine Kolleginnen
und Kollegen, die 116 117 sei keine Hotline
für Fragen zum Coronavirus. Die Kassen-
ärztliche Vereinigung Niedersachsen bittet
fast flehentlich, die Nummer „nur bei wirk-
lichen gesundheitlichen Problemen“ anzu-
rufen. Von der Geschäftsstelle in Hessen
heißt es, wer schnell Hilfe benötige, könne
sich alternativ an seinen Hausarzt, die Ge-
sundheitsämter und an die 112 wenden.
Das Problem: Hausärzte und Gesund-
heitsämter sind kaum weniger überlastet.
Und am Mittwoch appellierte die Patien-
ten-Beauftrage der Bundesregierung, Clau-
dia Schmidtke, den Notruf 112 für „Meldun-
gen von Notfällen freizuhalten“. Für alle,
die befürchteten, mit dem Coronavirus infi-
ziert zu sein, sagte sie, stehe „die Nummer
116 117 des ärztlichen Bereitschaftsdiens-
tes zur Verfügung“. rainer stadler

von markus grill
und kristiana ludwig

Berlin –Es ist ein weiter Weg von Island
bis in den Ostalbkreis in Baden-Württem-
berg. Das müssen die Menschen dort gera-
de schmerzlich erfahren. Bereits vor zwei
Wochen, am 5. März, hatte Island den öster-
reichischen Skiurlaubsort Ischgl zum Risi-
kogebiet erklärt. Mehrere Isländer waren
positiv auf das Coronavirus getestet wor-
den, nachdem sie dort Skifahren waren.
Doch im Ostalbkreis erfuhren die Behör-
den von dieser Warnung nichts. Entspre-
chend sorglos machten sich zwei Tage spä-
ter noch sechs Omnibusse mit 200 Skifah-
rern nach Ischgl auf. Tags drauf kamen sie
zurück, gingen eine Woche lang in die Schu-
le, ins Büro und in die Kneipen der kleinen
Stadt Aalen. Heute weiß das örtliche Ge-
sundheitsamt, dass es ein Problem hat.
Der Ausbruch des Coronavirus im Ost-
albkreis hat nun das Potenzial, zu einem
neuen Hotspot der Infektionen in Deutsch-
land zu werden. Von Sonntag auf Montag
stieg die Zahl der Infizierten dort um 50

Prozent auf 52 Menschen, am Mittwoch-
vormittag registrierte das Landratsamt
109 Infizierte. Noch gebe es keine schwe-
ren Erkrankungen, aber noch seien auch
längst nicht alle Testergebnisse der Skifah-
rer da, wie Landrat Klaus Pavel (CDU) auf
Anfrage erklärt. So seien mit Stand Diens-
tagabend noch 230 Testergebnisse nicht
zurückgekommen. Mehr als 1000 Bürger
seien bereits in Quarantäne.
Man blicke „mit Sorge“ auf die zurück-
gekehrten Skiurlauber, sagt auch der Präsi-
dent des Robert-Koch-Instituts, Lothar
Wieler. Wenn es nicht gelinge, die Infekti-
onsfälle zu reduzieren, könne es in
Deutschland in zwei oder drei Monaten bis
zu zehn Millionen Corona-Patienten ge-
ben. Von ihnen müsste dann auch ein ge-
wisser Teil in die Klinik. Am Dienstag ver-
ständigte sich Kanzleramtschef Helge
Braun (CDU) mit den Bundesländern auf
ein „Grobkonzept Infrastruktur Kranken-
haus“, laut dem die Zahl der 28 000 Inten-
sivbetten bundesweit verdoppelt werden
soll. Rehakliniken, Hotels und Hallen sol-
len zudem umgerüstet werden, um „Kran-

kenhäuser für schwerere Verläufe“ zu ent-
lasten, heißt es in dem Papier.
Doch am Fall der Stadt Aalen wird sicht-
bar, wie schwierig es wird, solche Vorberei-
tungen zu treffen – und wie schwer, das Vi-
rus einzudämmen, wenn man viele Tage
auf die Testergebnisse warten muss. Das
örtliche Gesundheitsamt schöpfte vergan-
gene Woche selbst Verdacht. Zehn Feuer-
wehrleute begannen die Skiurlauber abzu-
telefonieren. Sie baten die Leute, mit dem
Auto an eine eilig eingerichtete Teststation
zu fahren. Doch viele Ergebnisse stehen
bis heute noch aus. Das zuständige baden-
württembergische Sozialministerium
räumt ein, dass die Laboruntersuchung
„teilweise mehrere Tage in Anspruch“ neh-
me. Viele Labore im Land seien „an der Ka-
pazitätsgrenze angelangt“. Dieselbe Beob-
achtung macht auch Andreas Botzlar von
der Ärztegewerkschaft Marburger Bund.
Bundesweit seien Labore „am Anschlag“,
die Labormitarbeiter kämen „mit der Ar-
beit nicht hinterher“.
Eigentlich dauert ein Corona-Test nur
wenige Stunden. Im Ostalb-Klinikum

„läuft alles noch in seinen geordneten Bah-
nen“, sagt dessen Leiter, Ulrich Solzbach,
am Telefon. Man bemühe sich, die nicht-
akuten Operationen zu reduzieren und die
Hälfte der Intensivbetten frei zu bekom-
men, „für die Omas und Opas der Ischgl-
Rückkehrer“. Doch über die Forderung der
Politik, die Intensivbetten zu verdoppeln,
kann er nur lachen: „Wir können vielleicht
eine Erhöhung um zehn Prozent schaffen.“
Wenn er „alles hochschraube“, komme er
in den drei Kliniken des Ostalbkreises „auf
40 bis 45 Beatmungsplätze“. Auch der Chef
der Deutschen Krankenhausgesellschaft,
Gerald Gaß, hatte bereits abgewinkt: Zwan-
zig Prozent zusätzliche Betten könne man
zeitnah aufbauen, mehr nicht.
Ein entscheidender Engpass bei der
Schaffung neuer Intensivbetten sind Beat-
mungsgeräte. Eine Umfrage von NDR,
WDR und Süddeutscher Zeitung unter
mehr als 50 großen Kliniken in Deutsch-
land zeigt, dass viele von ihnen derzeit Lie-
ferschwierigkeiten bei Verbrauchsmateri-
al haben, darunter besonders Beatmungs-
schläuche und Kanülen für Geräte, die das

Blut mit Sauerstoff anreichern. So berich-
tet etwa der Oberarzt in der Lungenklinik
in Köln-Merheim, Christian Karagianni-
dis, dass er zwar genügend Schläuche für
alle Patienten hat, die derzeit in den Klini-
ken Köln liegen – die Frage sei aber, „wie
lange der Vorrat reicht“. Derzeit noch etwa
zwei bis vier Wochen, schätzt er, aber hier
sei „der Nachschub essenziell“.
Für Beatmungsgeräte gibt es weltweit
nur etwa eine Handvoll großer Hersteller.
Einer von ihnen ist die schwedische Firma
Getinge. In den vergangenen Tagen haben
sich Regierungen verschiedener Länder
und die EU an das Unternehmen gewandt.
Der Bedarf sei seit dem vergangenen Wo-
chenende massiv gestiegen, vor allem aus
Europa und den USA, sagt Getinge-Direk-
tor Markus Stirner-Schilling. Es werde al-
lerdings „sehr, sehr schwierig“, alle Bedürf-
nisse zu erfüllen, weil die Produktion von
vielen Zulieferern abhänge. Getinge hat im
vergangenen Jahr 10000 Beatmungsgerä-
te hergestellt, dieses Jahr sollen es 16 000
Maschinen werden. Allein die Bundesregie-
rung hatte vor einigen Tagen 10000 Gerä-
te beim Konkurrenten Dräger in Lübeck be-
stellt.

Doch obwohl die Betten bald knapp wer-
den könnten, wenn die Infektionszahlen
weiter steigen, war vergangene Woche
noch nicht jeder Klinikchef bereit, planba-
re Operationen zu verschieben. Am Freitag
schrieben etwa die Geschäftsführer der
Uniklinik Marburg an ihre Belegschaft,
„obwohl die Regierung schon ab Montag
eine Verschiebung oder Aussetzung von
planbaren Aufenthalten und Eingriffen
vorschlägt“, wolle man die Versorgung der
Patienten „im vollen Umfang aufrechter-
halten“. Drei Tage später musste die hessi-
sche Landesregierung offiziell anordnen,
die OPs zu verschieben. Allerdings ist es
bis heute noch nicht in jedem Bundesland
Pflicht zu verschieben. Baden-Württem-
berg verweist etwa immer noch auf die
Empfehlung von Bundesgesundheitsmi-
nister Jens Spahn (CDU) – die rechtlich
aber gar nicht bindend ist.
Auch bei den geplanten Notunterkünf-
ten in Hotels und Messehallen kommt es
nicht auf die Regierung, sondern auf einzel-
ne Kommunen an. Wenn etwa das Deut-
sche Rote Kreuz (DRK) Krankenlager er-
richtet, muss ein einzelner Amtsarzt ent-
scheiden, wie es beschaffen sein soll. Als
Beispiel nennt der stellvertretende Katas-
trophenschutzbeauftragte des DRK, Jörg
Haas, die Mundschutzmasken. „Es wird im-
mer wichtiger, sparsam mit dem Material
umzugehen“, sagt er. Während die DRK-
Helfer in der ersten Corona-Quarantäne in
Germersheim noch bei jedem Kontakt mit
einem Patienten eine Schutzmontur ver-
brauchten, habe man später die Helfer ein-
fach mit unter Quarantäne gestellt – oder
versucht, die Menschen „kontaktlos“ zu
versorgen und das Essen vor die Tür zu stel-
len. Ob solche Lösungen erlaubt sind, ent-
scheiden aber die Ämter, mitunter „sehr
unterschiedlich“. Doch neben all den Gerät-
schaften, die bei einer Pandemie ge-
braucht werden, ist eine Ressource beson-
ders knapp: die Helfer.

Wissen, wer so alles unterwegs ist


Die Telekom liefert dem RKI Mobilfunkdaten ihrer Kunden. Sie sind anonymisiert – noch


Mehr von allem


Die Zahl der Intensivbetten in Deutschland soll verdoppelt werden – das klingt gut.
Doch so einfach ist das alles nicht, denn es gibt Lieferengpässe bei vielen nötigen Gegenständen

Endlos in der Warteschleife


Die Patientenhotline 116117 war lange kaum bekannt – jetzt ist sie völlig überlastet


Berlin– Der Bundestag will trotz Coro-
na-Krise in der kommenden Woche
tagen. Darauf verständigten sich Bun-
destagspräsident Wolfgang Schäuble
und die parlamentarischen Geschäfts-
führer aller Fraktionen am Mittwoch in
einer Telefonkonferenz. Um das Infekti-
onsrisiko zu reduzieren, würden die
Fraktionen aber untereinander „geeig-
nete Maßnahmen für den Ablauf der
Plenarsitzungen und Ausschussberatun-
gen“ abstimmen, sagte ein Bundestags-
sprecher. Welche Maßnahmen das ge-
nau sein werden, ist noch unklar. Sicher
ist aber bereits, dass der Bundestag in
verkleinerter Form tagen soll. In einem
Brief des parlamentarischen Geschäfts-
führers der Unionsfraktion, Michael
Grosse-Brömer, an alle Abgeordneten
seiner Fraktion heißt es, „das Format“
der kommenden Bundestagssitzung
sollte „auf das personell und zeitlich
unabdingbare Mindestmaß“ be-
schränkt werden. Es bestehe bereits
jetzt „grundsätzliches Einvernehmen,
in der kommenden Sitzungswoche nur
dringend notwendige Beschlüsse“ zu
fassen – dazu zählten vor allem die zur
Bewältigung der Corona-Krise.rro


Paris/Genf –Weltweit dürfen rund die
Hälfte aller Schüler und Studenten laut
UN als Folge der Corona-Pandemie
nicht in ihre Lehreinrichtungen gehen.
Insgesamt handele es sich um 850 Milli-
onen junge Menschen, teilte die UN-Or-
ganisation für Erziehung, Wissenschaft
und Kultur (Unesco) am Mittwoch in
Paris mit. In 102 Staaten seien landes-
weit die Schulen und Universitäten
geschlossen, in elf Staaten seien lokale
Einrichtungen nicht mehr geöffnet. Die
Zahlen gelten den Angaben nach für
Dienstagabend. Die Unesco geht von
weiteren Schließungen aus und sprach
von einer beispiellosen Herausforde-
rung für die Bildungssysteme. epd


Leipzig –Der Bundestagsabgeordnete
Christian Hirte will neuer Vorsitzender
der CDU Thüringen werden. Dies teilte
er am Dienstagabend über Twitter mit.
Nachdem der Landes- und Fraktionsvor-
sitzende Mike Mohring Anfang März
von seinen Ämtern zurückgetreten war,
führt Hirte die Union in Thüringen kom-
missarisch. Hirte sitzt seit 2008 im
Bundestag. 2018 war er zum Parlamen-
tarischen Staatssekretär im Bundeswirt-
schaftsministerium und Ostbeauftrag-
ten der Bundesregierung ernannt wor-
den. Nachdem er im Februar Thomas
Kemmerich (FDP) zu dessen Wahl zum
Thüringer Ministerpräsidenten öffent-
lich gratuliert hatte, wurde er von Bun-
deskanzlerin Angela Merkel (CDU) ent-
lassen. Unklar ist, wann Hirte das Amt
übernehmen könnte. Der für den
18.April geplante Landesparteitag muss
im Zuge der Corona-Epidemie verscho-
ben werden. uz


Warten auf den Ansturm: In der Messe Chemnitz stehen Corona-Kabinen bereit. Hier können sich Leute mit Symptomen testen lassen. FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA

6 HMG (^) POLITIK Donnerstag, 19. März 2020, Nr. 66 DEFGH
Anonym, aber unter Beobachtung: Das Robert-Koch-Institut wertet die Bewegungs-
profile der Telekom-Mobilkunden aus. FOTO: WOLFGANG KUMM/DPA
Nicht jeder Klinikchef war
gleich bereit, planbare
Operationen zu verschieben
Mühsamer Anfang: In Werbespots versuchten die zwei neckischen Elfen „Elf6“ und
„Elf7“, die Nummer in den Köpfen der Deutschen zu verankern. FOTO: YOUTUBE
In Bayern informiert eine
Bandansage über Corona –
das binde keine Mitarbeiter
China und Israel greifen zur
lückenlosen Überwachung auf
GPS-Daten einzelner Nutzer zu
Bundestag arbeitet weiter
850 Millionen ohne Unterricht
Hirte will Landesvorsitz
KURZ GEMELDET

Free download pdf