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16 Berliner Zeitung·Nummer 67·Donnerstag, 19. März 2020 ·························································································································································································································································································
Datengegen Viren
Robert-Koch-InstituterhältInformationenvonTeleko m-Tochterunternehmen,umC ovid-19einzudämmen
VonKai Schlieter
D
as Robert-Koch-Institut
(RKI) nutzt Mobilfunk-
daten, um die Anste-
ckung durch dasCoro-
navirus zu simulieren und schließ-
lich einzudämmen.Nach Informa-
tionen derBerliner Zeitung arbeitet
dasRKIdafürmitderFirmaMotion-
logic zusammen, einerTochter der
DeutschenTelekom. RKI-Chef Lo-
tharWielerhatteamDienstagdavon
gesprochen,dasssodieZahlmögli-
cherKontaktpersonenenvonInfizie-
renbesser berechnet werden
könnte.AnfangMärzhattedie Tele-
kom dieZusammenarbeit noch de-
mentiert.
VisitBerl inaucheinKunde
DerBerliner Zeitung liegt ein
Screenshot derApplikationvor. Er
zeigt,wie Nutzeraneinemdigitalen
Cockpit Personenströme nachvoll-
ziehen können.DieVisualisierung
erinner tanA ufnahmen einer Wär-
mebildkamera.Aufeiner Kartelas-
sen sich dieDaten nachGeschlech-
terndifferenzieren.Kategorien wie
Tag, Woche,Monat, Jahr und ein-
zelne Zeitfenster können gewählt
werden. Auch die Besucher pro
Stundelassensichaufrufen.
DieMobilfunkdatenwerdendabei
aggregiert, also zusammengefasst.
IndividuelleInformationenüberein-
zelne Personen, dievonHandys er-
fasstwerden,seiendarausabernicht
ablesbar.„Einzelne Profilesinddabei
ausgeschlossen“, sagte Telekom-
Sprecherin Nicole Schmidt. Es han-
dele sich umDatenpakete mit einer
Mindestgrößevonje30Mobilfunk-
nutzern,sogenannteSchwarmdaten.
RKI-ChefWieler hatte amDienstag
gesagt, dass es mithilfe derApplika-
tionmöglichwäre,„zielgenauerdiese
Personen zu kontaktieren“, dieKon-
taktmit Infiziertenhatten.DieFrage,
obdanichteinWiderspruchbestehe,
ließdas InstitutbiszumRedaktions-
schlussunbeantwortet.
DieInternetseiteGolemhattebe-
richtet,dassdasauchdasHeinrich-
Hertz-Institut der Fraunhofer-Ge-
sellschaftdaranbeteiligtsei.DasIn-
stitut beantwortete Anfragen der
Berliner Zeitung nicht.DieTelekom
selbstteiltemit,nurmitdemRKIzu-
sammenzuarbeiten und dieDaten
kostenloszurVerfügungzustellen.
Einweiteres Datenpaket soll das
RKI schon in der kommendenWo-
che bekommen.Echtzeitdaten lie-
fertdie Firmaaber ausrechtlichen
Gründennicht.DasRKIhattefürein
älteres Projekt bereitsvoreinigen
Jahren voneiner anderenTochter-
firma derTelekom aggregierte und
anonymisierte Daten zu Bewe-
gungsströmeninBerlingekauft.
Motionlogic warvorsieben Jah-
reninB erli ngegründetwordenund
vertreibt „AnalysenvonVerkehr s-
undBewe gungsströmen,dieaufan-
onymen Signalisierungsdaten aus
demMobilfunknetzbasieren“,heißt
es bei der Firma. Siebietet ihre
Dienst enacheigenenAngabenauch
in Schweden,Finnland undNorwe-
gen an. In der Hauptstadt wirddie
DienstleistungvonVisit Berlin ge-
nutzt,umdieBewe gungderTouris-
ten zu verfolgen.Wo halten sich die
Gästelangeauf?WelcheSehenswür-
digkeitenwerden nicht besucht? Es
gehtumsoetwaswieMarktanalyse.
InDarmstadtist MotionlogicanVer-
kehrsanalysen beteiligt. Auch hier
stelltedieFirmadieMobilfunkdaten
zunächst kostenlos zurVerfügung.
„Die geliefertenDaten weisen eine
extremhohezeitlicheundräumliche
Auflösungauf,dieneueMöglichkei-
tender MobilitätsanalysefürDarm-
stadtzulassen“,hießesineinerAus-
wertungdes Projekts.
LautTelekomseiein„lückenloser
Datenschutz“sichergestellt.„DieSi-
gnalisierungsdatenwerden in Echt-
zeit anonymisiert, aggregiert, in
Massenstatistiken umgewandelt
und stehen erst nachAbarbeitung
dieserArbeitsschrittezurAuswertung
bereit“, heißt es bei derTelekom.
DieseProze sskett esei „gemeinsam
mit denDatenschutzbehörden erar-
beitet“ worden undvonder dama li-
genBundesdatenschutzbeauftragten
Andrea Voßhoffals„datenschutzkon-
formbewerte tworden“, so dieSpre-
cherin. DerehemaligeDatenschutz-
beauftragte ThiloWeichertbeton t,
dass Funkzellendaten keinProblem
seienunddassdieRechtsprechungin
den vergangenenJahren freigiebiger
gewordensei.„WenneineZweckb in-
dung beimRobert-Koch-Institut si-
chergestelltist,halteichdasfürsinn-
voll“, so Weichert zurBerliner Zei-
tung. DieZweckbin dungseiaber„ab-
solutnotwendig“.
WarnungvorGoogle
DerVerein Digitalcourage,der sich
fürBürgerrechte einsetzt, fordert,
„der Versuchung zu widerstehen,
jetztaneineKooperati onmit Google
auchnur zu denken“, so derVor-
stan dund Netz-AktivistPadeluun,
dernurunterPseudonyminderÖf-
fentlichkeitauftritt.Googleis tunter
Technik-Experte ndafür bekannt,
dass dasUnternehme ndie Bewe-
gungsdatenseinerNutzer besonders
präzise ermitteln kann.DerNetzak-
tivist ergänzte noch: „Wir können
unsvorderInfektionnichtmehrab-
schotten, wir können nur noch die
Verbreitungverlangsamen–undwie
dasgeht,wissenwir.“
Nach Recherchen derWashing-
ton Post arbeitet die US-Regierung
in den USA mit Facebook und
Google,umm it persönlichen Nut-
zerdaten dieA usbreitung desVirus
zu bekämpfen.Hier werden Stand-
ortdaten derSmartp hones vonUS-
Bürgerngesam melt.
In Deutschland besitzen mehr als 80 Prozent der Bürger ein Smartphone. ADOBESTOCK
WAS ANDERE LÄNDER MACHEN
Israel:Dortnutztder Ge-
heimdienst eine moderne
Software, die sonstzur Ter-
rorbekämpfungdient. Nach
Medienberichten handelt es
sich vorallem um Handy-
überwachungvonErkrank-
ten.
Österreich:Im Nachbar-
land hat die Regierung Zu-
griff auf die Bewegungsda-
ten aller österreichischen
Bürger.Sosoll geprüftwer-
den, ob die Menschen sich
an dasAusgehverbot hal-
ten.
USA:In denVereinigten
Staaten wird die Koopera-
tion mitgroßenTech-Unter-
nehmen wie Google undFa-
cebook diskutiert. Google
gilt als das Unternehmen,
das am besten Bewegungs-
daten erfassen kann.
ApplebringtneueiPadsaufdenMarkt
GerätegewinnenanTempoundsindfürdenUmgangmitAugmentedRealitygeeignet
Z
weiJahrenachderletztengröße-
renProdukt-OffensiveimM arkt
der Tablet-Computer hatApple am
Mittwoch vier neue iPad-Modelle
vorg estellt.DieneueniPadProwur-
denmiteinemschnellerenA12ZBio-
nicChipausgestattet.VorallemAug-
mented-Reality-Anwendungen (AR)
sollen vonder besserenHardware-
Ausstattungprofitieren,zuderauch
eine neu entwickelteUltraweitwin-
kel-KameraundeinneuartigerScan-
nergehören.
BeiARw erden virtuelleInhalte
mitder realenUmgebunggemischt
angezeigt. Dieneue iPad-Genera-
tion sollte eigentlich auf einem
Event in Kalifornien angekündigt
werden. Vordem Hintergrund der
Reise- und Versammlungsbe-
schränkungendurchdieCoronavi-
rus-Krise schwenkteApple dann
auf eine Ankündigung imInternet
um.
Mitden neuen iPad-Modellen
baut Apple nach Einschätzungen
vonExpertenseineFührungimobe-
renMarktsegment aus.Bei den
preiswerteren Tablet-Computern
spielen dagegen auchModelle von
Amaz on, Samsung, Lenovo und an-
deren Herstellerneine Rolle,die in
der Regel auf dasGoogle-Betriebs-
systemAndroidsetzen.
DieneuenApple-Modellekönnen
künftig auch ähnlich wie ein Laptop
bedientwerden. DasUnternehmen
hat dazu eine neueTastatur für die
iPad-P ro-Modellevorg estellt, in die
auch einTrackpad integriertist. Bis-
lang hatteApple vonder Bedienung
miteinerMausodereinemTrackpad
beimiPadAbstandgenommen.
Dieneuen iPads werden in vier
Modellenangeboten,miteinem11-
Zoll-Bildschirmoder mit einem
12,9-Zoll-Display.DieGerätekosten
zwischen knapp 880 Euro und
knapp 1270 Euro.Sie sollen trotz
der widrigen Umstände mit wo-
chenlangreduzierterKapazität in
denProduktionsstätteninChinaab
kommenderWoche im Handel ver-
fügbar sein.DieApple Stores sind
derzeit allerdingswegen derCoro-
navirus-Krise vorläufig geschlos-
sen.(dpa)
In Corona-Zeiten eignet sich ein iPad auch
zur Kommunikation bei Hochzeiten. AP
Mädchen
auf
Zeitreise
COMIC
VonOlafKieser
S
okann es Zeitungszustellern
auchergehen.Erin,Mac,Tiffany
undKJstolpernbeiihrermorgen-
dendlichenTour übereine echte
Zeitmaschineundfindensichun-
versehensineinemKriegzweierver-
feindeterFraktionenvonZeitreisen-
denwieder.DerwildeRittdurchdie
Zeit führ tdie Mädchen inverschie-
dene Epochen derMenschheitsge-
schichte,von der Urzeit bis in die
ferne Zukunft.
Beiihren Versuchen wieder nach
Hauseins Jahr1988zurückzukehren,
werden die vier Mädchen immer
wiedergetrennt,landeninverschie-
denen Zeitlinien, treffen ihrezu-
künftigenIchs,bekommenesmitge-
fährlichenKlonenzutunundreiten
riesige Bärtierchen.Beiall der Dra-
matik bleibt sogar noch etwasZeit
fürdieLiebe,alsMacundKJerken-
nen, dass sie mehr alsFreundschaft
füreinanderempfinden.
ImsechstenundletztenBandder
Reihe„PaperGirls“habenErin,Mac,
Tiffany und KJ die lang ersehnte
Chance,tatsächlich wieder nach
Hause zurückkehren zu können.
Doch so einfach, wie es sich viel-
leicht anhört, ist es nicht, denn das
Vorhaben könnte ihreFreundschaft
gefährden.„PaperGirls“isteineAnt-
wortauf all dieAbenteuergeschich-
ten der 80er-Jahrewie „DieGoo-
nies“, „E.T.“, „StandBy Me“oder
„ZurückindieZukunft“.
In der Regel war es damals den
Jungen vorbehalten, auf Schatzsu-
chezugehen,Außerirdischezutref-
fen, melancholischeSommeraben-
teuerzuerlebenoderindieZukunft
zu reisen. Mädchen spielten eher
Nebenrollen.Nicht so inBrian K.
Vaughans turbulentem Science-Fic-
tion-Zeitreiseabenteuer.Aneiner
Stelle meintTiffany trocken: „Hast
du dich umgesehen?Zeitungsjun-
gensindausgestorben.“
Ganzim Geistderderzeitigange-
sagten nostalgischen Retro-Welle
hat der Autor seineGeschichte mit
unzähligen popkulturellenReferen-
zengespickt.Dazu kommen noch
etwas Coming-of-Age,viel Action
und eine gute Dosisvontrockenem
Humor.Obwohl die Storymit ihren
sich überschlagenden Ereignissen
undvielen,vielenZeitebenenetwas
verwirrendistundandereinenoder
anderenStelleetwasargaufmodisch
getrimmt ist, liest sich„PaperGirls“
flottundbietetguteUnterhaltung.
Dasliegt vorallem an den vier
jungen Heldinnen, die einemvon
Anfang an sympathisch sind.Witzig
ist,dassdieTrupperechtgenaudem
Aufbau vonGirl- oderBoy-Groups
entspricht. DieZeichnungen von
CliffChiang(„WonderWoman“)sind
verg leichsweise einfach gehalten.
Gestik, Mimik undBlicke derFigu-
rengelingenihmganzgutundinter-
essieren ihn offensichtlich auch
mehr alsHintergründe undDetails,
soweitdienichtfürirgendwelcheZi-
tatenotwendigsind.Manchein Bild
sieht aus,als stamme es aus einem
Wettbewerb mit demMotto: „Wie
vieleAnspielungenlassensichinei-
nerZeichnungunterbringen?“
„Paper Girls“,Brian K.Vaughans, Cross Cult,
Ludwigsburg2019, 128 Seiten, 22 Euro)
Olaf Kieserfühlte sich an
die Zeit der Girl- und Boy-
Bands erinnert.
abcdefghi
jklmnopqr
stuvwxyz
Trafficim
Netzweiter
gestiegen
GroßerBedarffür
Videokonferenzen
D
er Betreiber desweltweit größ-
ten Internetknotens DE-CIX in
FrankfurtamM ainhateineersteBi-
lanz seitVerschärfung der öffentli-
chen Maßnahmen imKampf gegen
die Ausbreitung desCovid-19 Virus
gezogen. DasErgebnis: Derdurch-
schnittlicheDatenverkehr am welt-
größtenInternet-Austauschknotenin
Frankfurthat sich seitvergangenem
MittwochumzehnProz enterhöht.
ImVergleichzudenverg angenen
Wochen gab es auch einen signifi-
kantenAnstiegdesVideokonferenz-
verk ehrs–wiebeispielsweiseSkype,
TeamsundWebEx–ume twa50P ro-
zent, zudem wurde auch eine stei-
gende AnzahlvonVPN-Nutzernre-
gistriert.Darüber hinaus wurde seit
FreitagaucheineZunahmevonetwa
25 ProzentimBereich Online- und
Cloud-Gamingverzeichnet, ebenso
erhöhte sich derDatenverkehr bei
derNutzungvonSocial-M edia -Platt-
formenerheblich.
ÄhnlicheErgebnisse werden für
dieanderen DE-CIX Stando rteer-
wartet.„DieKapazitäteninunserem
eigenen Netz werden regelmäßig
und langfristig ausgebaut.Wirpla-
nenimmerfüretwazwölfMonateim
Voraus.Wir bauen unsereKapaz itä-
tenweiteraus ,sobald63Proz entder
vorhande nenK apazitäten erreicht
werden.Dieübrigen37Proz entfreie
KapazitätwirdzumeinenfürRedun-
danzen benötigt und zum anderen,
damitwirimmergenügendfreieKa-
pazitätenfürTraffic-Wachstumha-
ben.NebenunseremNetzfürdieIn-
ternetknoten müssen die Kunden
ihreKapaz itäteninihremNetzauch
ausb auen.DieseAusbautennehmen
dieKundenselbstvor,nacheigenen
Prozessen und Vorgehen sweisen“,
kommentierteDr.ThomasKing,Ge-
schäftsführerbeiDE-CIX,denstei-
gendenDatenverkehr.
RekordeinMadridundNewYork
Durchdieansteigendeundauchver-
änderteNutzungdesInternetserhö-
hendieDE-CIXKundenihreDaten-
kapazitätenweltweit,umdenBedarf
ihrerEndverbraucherbedienenzu
können.So ist insgesamt über alle
DE-CIXInternetknotenweltweitseit
AnfangMärzeinAnstiegdesBedarfs
an zusätzlichenKapazitäten um 20
Proz entzuverzeichnen.„Wir sehen
die Erhöhung derKapazitäten be-
sondersbeidenweltweitagierenden
großen Internet-und Contentprovi-
dern. DieKapazitätenwerden hi er
teilweisemehralsverdoppelt.Voral-
lemin internationalenDaten- Dreh-
kreu zenwie NewYork, Madrid oder
auch Frankfurtist die Nachfrage
nach mehrKapazitäten an den DE-
CIX Internetknoten groß.Auch hier
sehenwirneueRekordwerteanDa-
tenverkehr zuSpitzenzeiten“, kom-
mentierteIvoIvanov, Geschäftsfüh-
rerCEO DE-CIXInternational, die
aktuellenEreignisse.
BereitsvoreinerWochehatteder
DE-CIX (DeutscherCommercialIn-
ternet Exchange) inFrankfurteine
neue Weltrekordmarke imDaten-
durchsatzgesetzt.Mitüber9,1 Tera-
bit pr oSekunde wurde eine neue
Schallmauer durchbrochen. Noch
nie wurden an einemInternetkno-
ten zu Spitzenzeiten so vieleDaten
ausgetauscht. Erst im Dezember
2019 hatte DE-CIX inFrankfurtden
damaligenSpitzenwertvonacht Te-
rabitpr oSekundegeknacktundstei-
gerte seinenDatendurchsatz in nur
wenigenMonatenummehralszwölf
Proz ent.WeiterelokaleRekordewur-
den in denTagen an den DE-CIX
Standorten in München,Hamburg
undMadridaufgestellt.
„InZeiten, in denen dieMenschen
teilweiseinderIsolationlebenmüs-
sen,istderdirekteDrahtzur Familie,
zu Freunden und zumFirmenum-
feldessentiell.DerBetriebdieserAp-
plikationsebene und derAustausch
der Daten mussreibungslosverlau-
fen“,sagteIvanov.(BLZ)