FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen FREITAG,20. MÄRZ2020·NR.68·SEITE 25
A
ufgrund der neuen und unbe-
kannten Aspekterund um das
Coronavirus und derUngewiss-
heit über diegenauenkonjunk-
turellenAuswirkungen sind die interna-
tionalenAktienmärkteparallelunter mas-
siven Druckgekommen. Dadurch wurde
der seit März2009 bestehendetechnische
Hausse-Zyklus abruptbeendet. Trotzdes
(versuchten) Krisenmanagements vieler
Regierungenund deskoordiniertenVorge-
hens einigerNotenbanken istdie „Flucht
in sichereHäfen“, zuletzt in die „Flucht
ins Bargeld“ seitens der Investorenge-
mündet(„Cash istKing“). Durch den
Kurseinbruchsind bei vielen Aktien- und
Sektorindizes sowiebei Einzelaktien deut-
lichüberverkaufte,technische Situatio-
nen entstanden. Jedochbedeutet dies
nicht automatisch, dasssichhier antizykli-
sche,technischeInvestments anbieten.
Dies gilt besondersfür die 13 Aktien
aus dem Dax und M-Dax,die sichseit Jah-
renineinertechnischen Baisse befinden
und die sichnun aufgrund der aktuellen
Ereignissefortsetzt .Daimler istein Bei-
spiel oder auchPro-Sieben-Sat.1 undTele-
fónica Deutschland.
Bei der Aktie desAutomobilbauers
Daimler liegt seit 23 Jahren, ausgehend
vonder einstigen „Hochzeit im Himmel“,
der Fusion mit Chrysler im Jahr 1998 und
den damaligen Höchstkursen um 96
Euro, einWechselspiel aus zwei mehrjäh-
rigenHausse- und drei mehrjährigen
Baisse-Trendsvor. Es begann mit einer
technischen Baisse, dievonMärz1998
bis zum März2003währte,mit einem
Kursrückgang von95,70 Euroauf 23,70
Euro. Demfolgteeine techni sche Hausse
bis Oktober 2007 mit einemKursanstieg
auf 78,90 Euro. Danachkam wieder eine
technische Baisse bis März2009 und der
Kurs sank auf 17,20 Euro. Bis zum März
2015 währte die anschließendetechni-
sche Hausse, die denKurs bis auf 96,10
Euroführte und zu guter Letzt dietechni-
sche Baisse, die bisher einenKursein-
bruc hauf 21,50 Eurogebracht hat.
Einerseits hat Daimler in denvergange-
nen Wochen massiv unter Druckgestan-
den, so dassdie technischenVerkaufssig-
nale zumgroßenTeil abgearbeitet sind
und vieletechnische Risiken im aktuellen
Kursniveau enthalten sein sollten. Des-
halb sollteesnicht überraschen,wenn
sichinder Nähe des aktuellenKursni-
veaus eine schwankungsintensiveStabili-
sierung herausbildet. Als erstetechnische
Konsequenz istdie Aktie jetzt wieder
eine „Halten“-Position.Vorher warsie
ein technischerVerkauf, wobei aufgrund
der hohen Schwankungen am Aktien-
markt derstrategische Sicherungsstopp
bei 15 Euro,etwasunterhalb derKurs-
tiefsaus dem Jahr 2009, angesetzt wird.
Andererseits istesaus technischer Sicht
aber zu früh, eine (antizyklische)techni-
sche Anfangsposition in demTitelaufzu-
bauen.
Dividendenrenditehalf Pro-Sieben
nicht
Diesverdeutlichen die beiden früheren
Baisse-Bewegungen. Daimler hattediese
beiden Baisse-Bewegungen jeweils in
eineschwankungsintensiveSeitwärtspen-
delbewegungverlassen, die mindestens
zwei bis drei Quartale in Anspruchnahm.
Erst wenn eine solchetechnische Boden-
formation wiedervorliegt oder diese Bo-
denformation nachoben verlassen wird,
fährtDaimler austechnische Sicht auf die
Kaufliste. Der Aktienkursdes Medienkon-
zerns Pro-Sieben-Sat.1 erreicht eimNo-
vember 2015,kurz bevorder Titelim
März2016 in den Dax aufrückte, sein bis-
heriges Allzeithochmit Kursen um 51
Euro. ImUmfeld der Index-Aufnahme
etablierte die Aktie insgesamt jedochnur
nocheine Seitwärtsbewegung oberhalb
der Unterstützungszone bei 41 Euro. Die-
se Seitwärtsbewegung erhielt dentechni-
sche nCharakter einer mittelfristigenTop-
formation.
Im Sommer 2016 beendete die Aktie
mit einem übergeordnetenVerkaufssig-
nal diese Topformation undetablierte
eineAbwärtsbewegung, die sichinden
Folgejahren zu einer ausgeprägten
Baisse-Bewegung ausweitete. Hierdurch
istimJahr 2018 auchdie Dax-Mitglied-
schaftmit der Eingruppierung in den
M-Dax wiederverlorengegangen.Weite-
re Verkaufssignale haben für die Etablie-
rung eines zentralen Baisse-Trendsge-
sorgt, dessen Baisse-Trendlinie aktuell
bei 14 Euroliegt.Weder die zwischenzeit-
lich„optisch“ hohe (Brutto-)Jahresdivi-
dendenrendite nochder Einstieg eines ita-
lienischen Großaktionärshaben bisher
zu einerAbschwächung dieser Baissege-
führt. In denvergangenenWochen sorgte
mit dem Verlassen der zwischenzeitli-
chen Konsolidierung mitKursen um 12
Euro, dasvonhohen Handelsvolumina
an der Aktienbörse begleitet war, ein wei-
teresVerkaufssignal für eineFortsetzung
der Baisse. Da hierweiter dietechnischen
Hinweise auf denAbschlussdieser Baisse
oder den Eintritt in einetechnischeBo-
denformationfehlen,bleibt die Aktie–be-
sondersineiner (kurzfristigen)Kurserho-
lung–ein Verkauf oder einTausch.
Ein Musterbeispiel anStabilität
Der im M-Dax notierte Telekommunika-
tionskonzernTelefónica Deutschland,
der sichmehrheitlichimBesitz des spani-
schen MutterkonzernsTelefónica befin-
det, istebenfalls eintechnisches Muster-
beispiel für die teilweise auftretende
hoheStabilität und DauervonBaisse-
Trends.Nach dem Börsenlisting am deut-
schen Aktienmarkt im Oktober 2012 zum
Emissionspreisvon5,60 Euro,wobei eine
Kapitalmaßnahme im Jahr 2014 dieses
Anfangsniveau verwässerthat, konnte
die Aktie zunächstvon der damals freund-
lichen Gesamtmarktstimmung profitie-
renund bis zum Oktober 2015 Allzeit-
hochs bei6Eurosetzen.
Seitdem befindetsie sichaber in einem
idealtypischen Baisse-Trend, dessen zen-
traleTrendlinie jetzt erst bei 3,70 Euro
liegt.Seit September 2017und Kursen um
4,90 Euroliefer tder Titel zusätzlicheinen
vonweiterenVerkaufssignalen begleite-
ten, beschleunigtenBaisse-Trend,dessen
Abwärtstrendlinie jetzt bei 2,60 Euroanzu-
tref fenist.Inden vergangenen Handelsta-
genist die Aktie mit einemweiterenVer-
kaufssignal aus der kleinen Baisse-Rallye
von2,10 Euroauf 2,50 EuroimUmfeld
des Jahreswechselsmit einemweiteren
Verkaufssignal auf neue Allzeittiefsbis un-
ter2Eurogefallen. Da esnocheinige
Quartale dauern sollte, bis die Aktie in
einetechnische Bodenformationhinein-
läuftoder die Baisse-Trends zumindest
zur Seiteverlassenwerden, bleibt die Ak-
tie –besondersineinerKurserholung –
ein technischerVerkauf oderTausch.
Der Autorleitet den BereichTechnische Analy-
se &IndexResearch derCommerzbank.
E
in flüchtiger Blickauf den Ak-
tienchartder DeutschenFamili-
enversicherung deutet zunächst
einmal nicht auf eine Krise hin.
Seit einem Jahr istder Kurs um ein Drittel
gestiegen–besonderssteil EndeNovem-
ber,nachdem derFrankfurterDigitalversi-
cherer über den ersten Tarifabschlusszu
einer arbeitgeberfinanziertenPflegezu-
satzversicherung berichtete. InFolgeder
Corona-Krisefiel die Börsenbewertung
ein wenig,amDonnerstag aber nachVer-
kündungdes Jahresergebnissesstand ein
Kursanstiegvonphasenweise 7Prozent in
negativem Marktumfeld zu Buche. Das
mag daran liegen, dassdie Anlegerweiter
an dieStory des selbstbewussten Unter-
nehmensgründersStefanKnollglauben,
derseinenVersichererals einziges funktio-
nierendesStart-up bezeichnet. Siekönn-
tenaber auchdarauf setzen, dassinZeiten
einerPandemieein etabliertesVersiche-
rungsmodellmit digitalenAbläufenbe-
günstigt sein könnte. „Unser Vertrieb
läuft zu 80 Prozent online“,sagteKnoll in
einerVideokonferenz. „Daszeigt, wierich-
tig eswar, konsequent auf Online zu set-
zen.“ DasUnternehmenkönne derRezes-
sionsstimmung nicht trotzen,aber den
Kurs einigermaßenstabil halten.
BesonderePhantasie hat im abgelaufe-
nen Geschäftsjahrtatsächlich dieVerein-
barung mit der GewerkschaftIGBCE
und dem Chemiearbeitgeberverband
BAVC geweckt. Fürpotentiell 580 000
wurde somit eine betriebliche Pflegezu-
satzversiche rung vereinbart. Im Konsorti-
um mit der R+V,die 45 Prozent des Ge-
schäftsvolumens hält, und der Barmenia
mit 20 Prozent istdie DeutscheFamilien-
versicherung dabei zum zweitgrößten
Partner aufgestiegen. „DorthabenTarif-
parteien Geschichtegeschrieben“, sagte
Knoll. Dieser Erfolg sei das Ergebnis ei-
ner strategischenUnternehmensplanung
in den Jahren zuvorgewesen.Vorzwei
Jahren habe derVersicherer erstmals öf-
fentlichgezeigt, dasserinder Lageist,
das gesamteVersicherungsgeschäftvon
Vertragsabschlussbis zur Schadenbeglei-
chung digital zugestalten. Das sei dieVor-
aussetzung dafürgewesen, dassInvesto-
renden Börsengang ermöglicht haben.
Mit dem Erlös des Börsengangs bautedas
Unternehmen dann für den Dax-Konzern
Henkel eine betriebliche Pflegezusatzver-
sicherung auf. Das wiederum sei dieVor-
aussetzungdafürgew esen, mitden Sozial-
partnerninder Chemiebranche ein so
großes Geschäftabzuschließen. Das Bei-
tragsvolumen hat sichallein dadurch um
70 Millionen Euroerhöht, 400 000 neue
Kunden und 41 Millionen EuroKapital
seien neu hinzugekommen.
Den Anspruch, dieNeukundenzahlvon
50 000 auf 100 000 zuverdoppeln, hat der
Versicherer laut Bilanzgerade eben er-
füllt.Wegen dergroßen Investitionsoffen-
siveinden eigenenVertrieb hatteKnoll
mit einemVerlustvon 9bis 11 Millionen
Eurogerechnet. Tatsächlichlandeteer
dann bei einem Minusvon5,25 Millionen
Euro. DasNeugeschäftwuchs um 81 Pro-
zent in derStückzahl und um 70 Prozent
im Beitrag. 514 000Kunden haben eine
Police bei derFamilienversicherung. Da-
mit kommt sie nun auf einen Gesamtbei-
trag von101 Millionen Euro. In der Bran-
chehat Knoll dafür durchaus Anerken-
nung erhalten, allerdings schränken eini-
ge Manager ein, dassder Erfolg vorallem
aufdentechnischwenigeranspruchsvol-
len Zusatzversicherungen beruht. Gewis-
sermaßen als Antwort auf diese Kritik
trug Knollvor, der Umbau in der Sachver-
sicherung auf neue Produkte sei abge-
schlossen,die Tierkrankenversicherung
seierfolgreicheingeführtworden.DasBe-
standsvolumen liegt bei 1,1 Millionen
Euro. Corona bewerteteder politischin
der CDU beheimateteUnternehmerweni-
gerals Geschäftsrisikodenn alsgesell-
scha ftlicheAufgabe.Ausseine rSicht führ-
tendie derzeitigen Maßnahmen dazu,
dassder wirtschaftlicheWohlstand gefähr-
detwerde. „Ichverstehe nicht,warumwir
einegesamteVolkswirtschaftriskieren,
statt Risikogruppen zu schützen“, sagteer.
Bislanggelingeesnicht, zum Beispiel am-
bulantePflegekräfte zu schützen sowie
Krankenhäuser und Pflegeheimefür Nicht-
krankezuschließen.„Warumsind wir
nicht in der Lage, die öffentliche Hygiene
zu sichern?“, fragteerund forderte,dass
die wirtschaftlicheProsperität als zentrale
Voraussetzung für die Sicherheit bewahrt
werden müsse. Knollstell esichauf mehr
als eine Eintrübung ein, eswerdezueiner
massivenRezessionkommen, prophezei-
te er.„Eigentlich hatteich mich auf heute
gefreut.Denn wenn nichtdiese Umstände
wären, hätten ichIhnen die bestenZeiten
unserer Geschichte präsentiert“, sagteer.
Baisse-Trendssindunbedingtzumeiden
Beispiele Daimler,Pro-Sieben-Sat.1und Telefónica Deutschland/Technische Analyse/Von Achim Matzke
Fürprivate Krankenversicherer istdie
Corona-Krise eineMöglichkeit, dieTrag-
fähigkeit ihrer digitalen Geschäftsabläu-
fe zu beweisen. Die Hallesche bietet seit
Jahren telemedizinische Informationen
über einenGesundheitsdienst in Lud-
wigshafen an. Seit sichdas Coronavirus
in Deutschlandausbreitet,sei dieNut-
zung um bis zu 50 Prozentgestiegen, sag-
te Wiltrud Pekarek, Krankenvorstand
des Konzerns,ineinerTelefonkonferenz.
Auch die bislangweniger in Anspruchge-
nommenen Videoangebotewürden be-
liebter. „Das isteine Entlastung fürKun-
den,dennviele Arztpraxen sind nicht
mehrerreichbar“, sagtesie. Imvergange-
nen Jahrstiegen die Beitragseinnahmen
beider Konzernteile: Die Hallesche
wuchs um 4,5 Prozentauf 1,28 Milliar-
den Euro,Haupttreiberwardabei die Zu-
satz versicherung. Die mit ihrverbunde-
ne AlteLeipzigerLebenstiegdurch die
gewachsene Nachfrag enachbetriebli-
cher Altersversorgungum5,7 Prozent
auf 2,67Milliarden Euro. DieEinnah-
men im kleinerenSachgeschäft fielenum
1,8 Prozent.Die AlteLeipziger hat seit je-
her ihreErträgevorsichti ganKunden
ausgeschüttet.„Unsere finanzielleStabili-
tät rüstetuns“,sagteKonzernchef Chris-
toph Bohn mit Blickauf die wirtscha ftli-
cheEntwicklung. DasUnternehmenwar
in derKapitalanlageimmer Aktiengegen-
über aufgeschlossen. In dieses Jahr ging
es mit einer Aktienquotevon4,5 Pro-
zen t. Alsdie Volatilitätstieg, wurdenPo-
sitionen abgesichertund Wertpapiere
verkauft. Nunsteckten nur noch0,4 Pro-
zent derKapitalanlageinAktien. pik.
Online zum Erfolg
AlteLeipziger trennt sichvon Aktien
Die Deutsche
Familienversicherung
hat mehrereHäutungen
hinter sich. Nunhat sie
sich an derBörse
etabliert. Das digitale
Modell hat sichdurchaus
bewährt.
VonPhilipp Krohn,
Frankfurt
Der Gründer:StefanKnoll FotoRicardoWiesinger
TelefónicaDeutschland: Die Baisse nährt die Baisse
5,50
6,00
6,50
5,00
4,50
4,00
3,50
3,00
2,50
2,00
2015 2016 2017 2018 2019 2020
F.A.Z.-GrafikKaiser
AngabeninEuro(Skala logarithmisch,V=Verkaufssignal)
Qu elle :Commerzbank
V
V
V
V V
V
Zentraler Baisse-Trend
Beschleunigter Baisse-Trend
Neue B aisse-Tiefs
200- Tage-Linie
3,70
2,60
2,10
4,90
3,30
6,00
Unterstützung
Akti enkursseit Bör sendebütinEuro
AktuellerBörsenwert:
211 MillionenEuro
Quelle:Refinitiv F.A.Z.-Grafik Kaiser
Deutsche
Familienversicherung
7.12.201 81 9.3.2020
im Tagesverlauf
20,30
9,50
20
18
16
14
12
10
8
BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER
Unterder Überschrift„Leninkommt“
informieren Sie IhreLeser in derF.A.Z.
vom11. Märzdarüber,dassdas Münste-
raner Oberverwaltungsgericht gegen
den Willen derStadt Gelsenkirchen der
Marxistisch-Leninistischen Partei
Deutschlands (MLPD) erlaubt habe,
eine Lenin-Statue vordem ehemaligen
Sparkassengebäude im Gelsenkirchener
Stadtteil Horst aufzustellen.Aber Lenin
warlängst da, seit ausgerechnetdie städ-
tische Sparkasseden Marxisten-Leninis-
tenihreaufgegebene Horster Zweigstel-
le verkauft hat.Und die Sparkassekonn-
te sichbeimVerkauf darauf berufen,
dassschon Jahrezuvor die Stadtverwal-
tung der MLPD oder einer ihrer Hilfsor-
ganisationen imgleichen Stadtteil ein
ehemaliges Jugendheim überlassen hat-
te.Vielleichtwäre die Stadt garnicht in
den Genussdes Anblicks des Lenin-
Standbildesgekommen,wenn dortfrü-
her die offenbarfinanziell gut ausgestat-
tete MLPD beim Erwerb vonGrundstü-
cken aus öffentlichen Händen ausge-
bremstwordenwäre.
WILHELMMENSING,BONN
In derF.A.Z. vom7.Märzfandich im
Artikel„Vorwürfe aus Athen“folgende
Formulierung: DerPlan der (grie-
chischen)Regierung istesoffenbar,
den Aufgegriffenen (illegal Eingereis-
ten) nicht zugestatten, Asylanträgeab-
zugeben, sondernsie in ihreHeimatlän-
der zu „deportieren“.Wir wissen, wie
der Begriffdeportieren besetzt ist, hier
finde ichseineVerwendung empö-
rend.
FRIEDRICHREGENFELDER,
WOLFRATSHAUSEN
Leninwarschon da
Zu „Schockiertüber Grenzschließung“
(F.A.Z.vom17. März): Angesichts der
Pandemiefällt einigenStaaten nichts
Besseres ein, als imWege der Verdre-
hung oderUnterschlagungvon medizin-
historischenFakten die Schuld amVor-
dringen der Seuche „demAusland“ in
die Schuhe zu schieben, insbesondere,
um voneigenenVersäumnissen abzu-
lenken. MeisterdieserKunstsind Chi-
nesen und Italiener,die dieWelt mit
verheerenden Fallzahlen scho-
ckier(t)en,wobei Letzterenicht nur
ihreVolkswirtschaft, sondernauchdie
Seuche nicht im Griffhaben und sich
nicht entblöden, den „klugen“ Chine-
sen, an die siestrategische „Landmar-
ken“ verkauftoder verpacht et haben,
für derenvermeintlichselbstlose Hilfe
zu danken,statt die europäische Loyali-
tätallgemein und die deutscheKoopera-
tion insbesondereaktiv zu pflegen. Das
erbärmliche Spiel wirdnur nochvon
DonaldTrumpüberboten, dem nichts
Besseres einfällt, als einen in Deutsch-
land in Entwicklung befindlichen Impf-
stoffausschließlichfür Nutzung durch
Amerikaner einzufordern. Schlimmer
geht’s nimmer!
HEINRICHF.BRUNE,KÖLN
ZumThema „DieKindervonLesbos“
(„Wer darf kommen? Die Koalition
will Flüchtlingskindern aus Griechen-
land helfen.Über dieZahlen sind sich
Berlin und Athen uneins.“von Helene
Bubrowski, Berlin, und Michael Mar-
tens, Wien, F.A.Z. vom11. März): In
derNachtvom8.aufden 9. März2020
beschlossder Koalitionsausschuss,den
Griechenbei der schwierigen humani-
tärenLageauf ihren Inseln zu unter-
stützen. Dabei handelt es sich um etwa
tausend bis 1500 schwer erkr ankte
oderverwaiste Kinder,die unter 14 Jah-
re altsind.„Auf europäischer Ebene
werdederzeitverhandelt,umineiner
,Koalition derWilligen’die Übernah-
me dieser Kinder zu organisieren.In
diesemRahmensteht Deutschland be-
reit, einen angemessenen Anteil zu
übernehmen“,teiltedie Koalition mit.
Ein großerWurf wardas sicherlich
nicht,wennman bedenkt,dassdas bis-
herige Verhalten derEU, besondersin
diesemFall, mehrals beschämendwar.
Seit 2015 hat man nichtsgegendie
inhumanenZustände in den Heimat-
ländern unternommenund somit auch
nicht die eigentlichen Fluchtursachen
verhindert, nämlichAngst vorKrieg,
Gewalt und Massensterben.Daher ist
es unwahrscheinlich, dass es gerade
jetzt zu einer solchen „Koalition der
Willigen“ in der nötigen Größenord-
nungkommt;vor allem,weil das sehr
schnellgeschehen müsste, dennwenn
man mit derHilfenochlängerwartet,
kommt sie mit Sicherheit für vieledie-
ser Kinderzuspät. Wenn wir nunaber
Vorreiter beim umstrittenenAusstieg
aus Kernenergie undBraunkohlewa-
renund sind,warum dann nicht erst
recht, wenn es darumgeht,zumindest
die kranken undverwaistenKinder aus
ihrer menschenunwürdigenUmgebung
zu holen?
Dievon den Kritikern zu Rechtgefor-
derte Registrierung für einegeordnete
Einreise istbei dergeringenPersonen-
anzahl unproblematisch.Undauch für
eineBetreuung nachihrer Einreise ist
gesorgt, da sicherfreulicherweis eetli-
cheKommunenbereit erklärthaben
diese Kinder aufzunehmen. Alsowor-
auf nochwarten? „Wir schaffen das!“
ERWIN REIMANN,WEIßENTHURM
Am 11. Märzhaben Sie imFeuilleton
der F.A.Z. gemeldet, dassdas Oberver-
waltungsgerichtfür das Land Nord-
rhein-Westf alen der Marxistisch-Leni-
nistischen Partei Deutschlands
(MLPD) dieAufstellung eines Lenin-
Denkmals in Gelsenkirchen erlaubt
hat.Dassman mit einem Denkmal des
Gründersder SowjetunionWladimir Il-
jitschUljanow, genannt Lenin, auch
heutenochGutes bewirkenkann, be-
weistdas Schicksal der sechs Meterho-
hen undfast siebenTonnen schweren
Lenin-Statue, die einstauf dem zentra-
len Platz der lettischen Hafenstadt Lie-
paja, früherLibau,stand.
Sofortnachder Wiedererlangung der
lettischenUnabhängigkeit im August
1991 wurde sievomSockelgeholt und
im städtischen Bauhofzwischengela-
gert.Von dortkam sie 1992 mitZustim-
mung der lettischenRegierung und der
Stadtverwaltung vonLiepaja nach
Deutschland. Die ursprüngliche Ab-
sicht, dieStatue als Ganzes zuverkau-
fen, um mit dem Erlös bedürftigen Men-
schen in Liepaja zu helfen, ließ sichlei-
der nichtverwirklichen.Zu jenerZeit
warder Markt an sozialistischen Monu-
mentalobjekten durch ein Überangebot
mehr alsgesättigt. So entstand die Idee,
das Denkmal des aggressiven Bolsche-
wikenführersin500 friedliche Glocken
umzugießen. Eine dieserTischglocken,
16 Zentimeterhochund 800 Gramm
schwer,mit einem Griff, der auf der ei-
nen Seiteden Kopf Lenins und auf der
anderen dasWappen derStadt Liepaja
zeigt, erhält jeder,der mit einer Spende
vonmindestens 260 Eurosoziale Pro-
jekteinLiepaja unterstützt.
Diese Geschichteist auchineinem
Heftchenfestgehalten, das jeder Spen-
der erhält.Seit dieserZeit werden ein
Altenheim,ein Heim für jugendliche be-
hinderte Menschen, eineTagesstätte
für geistig behinderte Erwachsene, eine
Sonderschule und das „House of Hope“
in Liepaja unterstützt.Hier werden Ju-
gendlichenvonder Straße Perspektiven
für dieZukunftermöglicht, durch Com-
puterkurs e, Englischunterricht, vielfäl-
tigeMusikgestaltung oderNähkurse.
WALTRAUT FREIFRAUV.TIESENHAUSEN,
MECKENHEIM
Der Leserbrief „Zuviele Krimis“ mit
Bezug zur Meldung „18,36€pro Mo-
nat“(F.A.Z.vom21. Februar) in der
F.A.Zvom 11. Märzvon Dr.Christian
Weiserwendetsichgegen die Erhö-
hung der „Fernsehsteuer“ und kritisiert
die Überbezahlung vonIntendanten,
Fernsehdirektoren et cetera und be-
gründetdies etwamit derFrage:„Was
bietendie öffentlich-rechtlichen Sen-
der?Vorallem immer brutalereKrimis,
die vermutlicherheblichzuder vonden
politischen Kommentatoren dieser Sen-
der beklagtenVerrohung der Gesell-
schaftbeitragen. Wenn Verbrechen,
Mord,Folter ,Hassund soweiter zu ei-
nemwesentlichen Teil derAbendunter-
haltunginDeutschlandgehören,kann
das eigentlichnicht ohneFolgen für die
Mentalität der Bevölkerung bleiben.“
In diesemZusammenhang möchteich
auf einen Aspekt hinweisen, der schon
seit langerZeit Betroffenheit auslöst.
Es gibtkaum einen Krimi–ob„Tat-
ort“ oder andereKrimis –, bei denen
sichnicht am Ende desFilmsheraus-
stellt, das dergesuchteTäter ein miter-
mittelnderPolizeibeamter,der ermit-
telnde Kommissar,der zuständige
Staatsanwalt oder sogar auchein Rich-
terist. Es mag solche Einzelfällegeben,
aberwenn in diesen Krimis insinuiert
wird, dassunsereStaatsgewalt korrupt
ist, dann braucht man sichnicht über
denrespektlos und zumTeil auchge-
walttätigenUmgang mit unseren Ord-
nungshüternzuwundern. Möglicher-
weise gibt es empirischeUntersuchun-
geninden Kommunikationswissen-
schaftenzudiesem Phänomen.
DR.RAINER KRIEGER,PAPPENBURG
Empörend
Erbärmliches Spiel
Worauf nochwarten?
So bewirkt Lenin dochnochGutes
WasinKrimis insinuiertwird