Frankfurter Allgemeine Zeitung - 20.03.2020

Schwarzgeldabrede

machtVerträge nichtig

Ein Gerichtkann eine Schwarzgeldab-

rede, auchohne dasssicheine Partei

hierauf beruft,feststellen. DieParteien

hatten via Whatsapp miteinanderkom-

muniziert. Ausder Auswertung dieses

Austausches ergabsichfür das Gericht

die Überzeugung, dasseine Schwarz-

geldabredegetrof fenwurde. Ein erheb-

licherTeil der Leistungen sollteohne

Rechnung erfolgen. DerVertrag istauf-

grund dieserAbrede nichtig. Sämtliche

gegenseitigeAnsprüche entfallen. Eine

Vergütungkann nichtverlangtwerden.

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil

vom21. Januar 2020, Az. 21U34/19.

Keine Kündigung nach

Abnahme der Arbeiten

EinWerkvertrag kann vomBesteller

nurbis zur Abnahme der Leistungenge-

kündigtwerden. Die Klägerin hatteden

Vertrag nachAbnahmegekündigt.Be-

gründetwurde dies damit,dassArbei-

tenmangelbehaftetgewesen undFris-

tenzur Nacherfüllung nicht eingehal-

tenworden seien. Die Klägerin hättein

einem solchenFall dieAbnahmever-

weiger nkönnen, eineKündigung je-

dochist nicht mehr zulässig. Landge-

richtKarlsruhe,Urteil vom20. Dezem-

ber 2019, Az. 10O365/17.

Eigenbedarfdes Vermieters

gegen Härtefall desMieters

Ein Mieterkann einer Eigenbedarfs-

kündigung widersprechen und dieFort-

setzung des Mietverhältnisses verlan-

gen, wenn die Beendigung des Mietver-

hältnisses eine Härte bedeuten würde,

die auchunterWürdigungder Interes-

sen desVermieters nicht zurechtferti-

genist. Dabei sind die hinter denPosi-

tionenstehenden Grundrechtezube-

achten. Sowohl dievomVermieterbeab-

sichtigte Lebensplanung als auchdas

Bestandsinteressedes Mieters sind zu

berücksichtigen. Dies bedarfimmer ei-

ner Einzelfallentscheidung. Bundesge-

richtshof, Urteil vom11. Dezember

2019, Az. VIII ZR 144/19.

Dorothee Klumpe,Rechtsanwältin in der

Kanzlei Bethge,Hannover

Urkunde für nachträgliche

Verein barung erforderlich?

Vereinbaren dieParteien eines Grund-

stückskaufvertrags nachträglich, die

Nutzungsmöglichkeiten des Grund-

stückszubeschränken, mussdies nicht

notariell beurkundetwerden. DerKäu-

ferverpflichtetesich, auf dem Grund-

stückkeineVerarbeitungvon Milchvor-

zunehmen. In dieserVereinbarung lag

keine Änderung oderNeubegründung

vonErwerbs- oderVeräußerungspflich-

ten. Nachdem dieAuflassung bereits

bindend erfolgt war, istdie Vereinba-

rung auchohne Beurkundung wirksam.

Bundesgerichtshof,Urteil vom11. Ok-

tober 2019, Az.VZR7/19.

Whatsapp-Nachrichten

könnenverbindlichsein

Istfür dieRechtswirksamkeit einer Er-

klärung nurTextformgefordert,kön-

nen solche Erklärungen auchper

Whatsapp erfolgen. Der Hausverkäufer

forderte vondem das Grundstück be-

reits nutzendenKäufer nachRücktritt

vomKaufvertragverbindlicheTermin-

vorschlägefür eine Hausbesichtigung.

Obwohl derKäufer über Whatsapp ei-

nen entsprechenden Vorschlag unter-

breitet hatte,kameszum Prozess, da

der Verkäufer sichdarauf berief, die

Nachrichtnicht gesehen zu haben. Die

Nachrichtwar jedochmit zwei blauen

Pfeilenversehen, istalso auf dem End-

gerätdes Empfängerseingegangen und

auchvon diesemgeöffnetworden. Das

Gerichtging dahervonderenKenntnis-

nahme durch den Verkäufer aus, so

dasskein Anlassfür diegerichtliche In-

anspruchnahme bestandenhätte .Land-

gerichtBonn,Urteil vom31. Oktober

2020, Az. 17O323/19.

VeronikaThormann,Rechtsanwältin in der

Kanzlei Bethge,Hannover

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RECHTECK

dpa-AFX.KARLSRUHE.Reißt einWoh-

nungseigentümerden Teppich vonsei-

nemFußboden undverlegt Fliesen, darf

sich derTrittschallzwarverstärken. Er

muss aberweiterhinunterhalb deszum

Bauzeitpunktgeltenden Grenzwerts blei-

ben.Das machtedie VorsitzendeRichte-

rindes V. Zivilsenatsdes Bundesgerichts-

hofs (BGH), ChristinaStresemann, in ei-

nerVerhandlungamvergangenenFrei-

tagdeutlich. Schwierigsei derFall aus

Nordrhein- Westfalen aber, weil di ezum

GemeinschaftseigentumgehörendeGe-

schossdecke unterder Dachgeschoss-

wohnung nichtden Anforderungenent-

spreche.

Ein Urteil soll es erst in einigen Mona-

tengeben (Az.VZR173/19). Die unten

wohnenden Klägerverlangen mehrRuhe,

indem zum Beispiel wiederTeppichver-

legt wird, wie es früher derFall war. Das

Landgericht Düsseldorfgab den lärmge-

plagtenNachbarnweitgehendrecht und

urteilte, dassein bestimmter Grenzwert

für den Trittschall eingehaltenwerden

müsse. „Mankommtrechtzwanglos zu

dem Ergebnis, dassdie Deutsche Indus-

trie-Norm(DIN) nicht eingehalten wird“,

sagteauchStresemann. Da aber die

Geschossdecke nicht der DIN entspreche,

könnte man auf die Ideekommen, „die

Gemeinschaftzuverpflichten, die Decke

zu ertüchtigen“.

Das Hausstammt aus dem Jahr 1962.

Das Dachgeschosswurde 1995 ausgebaut

und mitTeppichboden ausgestattet. 2008

ließ der Beklagteden Teppichdurch Flie-

sen austauschen. Ein Gutachten ergab,

dassdie Trittschalldämmung nicht den

Mindestanforderungen entspricht.Eine

Trenndecke zu bauen, lehntedie Eigentü-

mergemeinschaftab. DieVertreterindes

Beklagten aus dem Dachgeschossargu-

mentierte,dassdie Fliesen ordnungsge-

mäßverlegt worden seien und sichder Ei-

gentümer darauf habeverlassen dürfen,

dassdie Geschossdecke den notwendigen

Trittschallschutz gewährleiste.Deshalb

müsse die Eigentümergemeinschafteine

Sanierung bezahlen.

Für die Kläger aus derunten liegen-

denWohnung sagte derAnwalt, der Be-

klagtekönne ja die GemeinschaftinAn-

spruch nehmen.Wenn er dasnicht ma-

che, se ierverantwortlich.Außerdem hät-

te es Möglichkeiten gegeben, zuverhin-

dern,dasssichmit den Fliesen derTritt-

schallverstä rke, etwa mit einer dämmen-

den Unterlage.

In einem zweitenFall, in dem es um ei-

nen Wasserschaden nacheinem Immobi-

lienkaufgeht,wirdder V. Zivilsenat zu-

nächstkein Urteil fällen. Errichtete

nachder Verhandlung amFreitag dieFra-

ge an denfür dasWerkvertragsrecht zu-

ständigen VII. Zivilsenat, ob dieser ansei-

ner Rechtsprechungfesthalte. Esgebe un-

terschiedlicheAuffassungen darüber,ob

der Schaden auch anhandder voraus-

sichtlichenKosten der Beseitigung abge-

rechnetwerde nkönne, sagte Strese-

mann. DiesesVerfahren wirdfiktiveAb-

rechnunggenannt (Az.VZR33/19).„Wir

möchten für dasKaufrecht an unserer Li-

nie festhalten“, sagtedie Richterin. Der

VII. Zivilsenat hatte mit einemUrteil aus

den Jahr2018 aber seineRechts prechung

geändert unddie fiktiveAbrechnung aus-

geschlossen. Sollteesdabeibleiben,wol-

le ihr Senatden Großen Senat desBun-

desgerichtshofsanrufen, derfür die Klä-

rung solcherFragen zuständig sei, sagte

Stre semann.Mit demVerfahren sollen

Widersprüche in der Rechtssprechung

verhindert werden.

In demFall ausNordrhein-Westfalen

geht es um dieFrage,welche Summe der

Verkäufer der Immobile für eineRepara-

tur zahlen muss. DieParteien hatten –

weil die Schlafzimmerwand bereits zuvor

einmalfeuchtwar–im Kaufvertragver-

einbart, dassder Verkäufer eine Sanie-

rung bezahlen muss,wenn bis zu einem

bestimmten Datum wiederFeuchtigkeit

auftritt. Das passierte,der Verkäufer un-

ternahm aber nichts. Das Oberlandesge-

richtDüsseldorfverur teilteden Beklag-

tenzur Zahlungvonfast8000 Europlus

Zinsen undweiterenKosten. Die Kläger

fordernanhand desKostenvoranschlags

eines Unternehmens mehr als 12 000

Euro.

I

st einer der heißestenImmobilien-

märkteder Welt ein Wegweiser,

wirddie Corona-Krise auchvor

dem Wohnungs- und Büromarkt

nichthaltmachen:InSydneyleidendie

Hausverkäufeschon nachwenigenTagen

im Krisenmodus deutlich. InPotts Point,

einer der begehrtesten Wohnlagen der

Stadt, weistkein einziges Schild mehr auf

eineAuktion in denfolgendenWochen

hin –normalerweise werden mehr als ein

Dutzend an einemWochenende angebo-

ten. Dabei hattesichder Markt nachei-

nemspürbarenAbkühlenüberdievergan-

genen Monatewieder gut erholt undRe-

kordpreisegeliefert.

Zwar lockenRekord-Niedrigzinsenpro-

fessionelle Investoren in den Markt für

Büro- und Industrieimmobilien. Auchhel-

fenKonjunkturspritzen,um die die austra-

lische Regierung nicht mehr umhin-

kommt–angekündigt hat sie einenWert

vonfast20Milliarden australischen Dol-

lar (11 Milliarden Euro), dervorallem

Rentnernund sozial Schwachen wie auch

kleinen und mittleren Firmen zugutekom-

men soll. DochsagteMinisterpräsident

Scott Morrison schon, es ließen sichmit

Sicherheit nicht alle Arbeitsplatzverluste

verhindern. Diese könnteHäuslebauer

schwer treffen. Denn auf demFünften

Kontinent istesimmer nochmöglich,

sichmit 90 Prozent der Bau- oderKauf-

summe zuverschulden.Fehlt dann das

Einkommen, platzt der Kredit.

GroßeVeränderungen sagen Analys-

tenaber vorallem am oberen Ende des

Marktesvoraus. Denn dieLuxusimmobi-

lien wurdenvorallemvonjenengekauft,

die auchgroßimAktienmarkt investiert

sind. Der aber istinAustralien seit sei-

nem Allzeithocham20. Februar schon

um gut 30 Prozentgefallen. Dochgeht es

nicht nur um denWert des Depots: „Die

Menschenkümmernsichjetzt erst mal

mehr um ihre Gesundheit.Und sie sorgen

sichdavor,dassdie Wirtschaftineine tie-

fe Rezessionstürzenkönnte. Damitsteigt

die Verunsicherung“, sagteShane Oliver,

Chefvolkswirtvon AMP Capital, im

„AustralianFinancial Review“. Die Inter-

netseiteRealestate.com.au meldet, die

Suchanfragen hätten sichinden beiden

vergangenenWochen spürbarverringert:

„Wir erwarten eineVerlangsamung im

Preisanstieg fürLuxusimmobilien, viel-

leicht sogar einenRückgang der Preise“,

warntChefvolkswirtinNerida Conisbee.

Damit entstehtein Teufelskreis: Wohl-

habendeMenschen schieben denKauf ei-

ner teuren Immobilie auf,weil sie auf nied-

rigere Einstiegspreise hoffen. Siewohnen

zur Miete. Die Mietensteigen damit, und

das machtWohnungenzuattraktiveren

Renditeobjekten. DieFolge: Der Markt

am oberen Ende schmilzt, der Druckauf

den Wohnungsmarktwächst.Australische

Ökonomenblickenzurück, um die Ent-

wicklung zu illustrieren: In derletztenVer-

langsamungdes Wohnungsmarktesgaben

die Preise fürLuxusimmobilien in Städten

wie Sydneyoder Melbourne um 13 Pro-

zent nach. Die Preise fürWohnungen im

untersten Viertelder Skala hingegenverlo-

rennur 2,3 Prozent.„Investoren nutzten

die Chance, leichtvermietbareObjektezu

kaufen, die durch guteRenditen ihreKos-

tendecken“, sagt MargaretLomas, Grün-

derinvonDestinyFinancial Solutions. Mit

Käufen für den Eigenbedarfhingegenwar-

tensie ab.

Insgesamt dürfteder Markt selbstnun

zu einemweitgehendenStillstand kom-

men.Zumeinenwollen Verkäufer ihreIm-

mobilien nicht in einer Krise anbieten.

Zumanderenwerden Wohnungsbesichti-

gungen, die inAustralien üblichenVer-

steigerungen undRenovierungen abge-

sagtwerden. Die ersten Verlierer der Co-

rona-Krise sind jene, die ihreWohnung

über Airbnb anTouris tenvermieten–

denn diese bleiben nunweg, während die

Kosten weiterlaufen.Auchdie neuen Co-

Working-Gebäude bleiben jetzt vielleicht

über Monateungenutzt, und ihreBesitzer

treiben in die Insolvenz, genauso wie Ca-

fés, Eisdielen oder Kinos.Universitäten,

die schließen müssen,werden versuchen,

ihreMietverträgeetwafür Studenten-

wohnheime zukürzen. Sind die Besitzer

dieser Immobilien hochverschuldet,wer-

den sie überkurz oder lang Probleme mit

ihren Krediten bekommen.

Die nächste –rechtliche –Frage

kommt auf,wenn ein Mietersichmit dem

Coronavirus ansteckt, insbesonderein

größerenWohnanlagen:Werkommt für

die Desinfizierung der Wohnung auf?

Was, wenn in einem Blockein „Cluster“

der Ansteckungen entsteht und die Be-

wohner in Quarantänegebracht odereva-

kuiertwerden müssen? Schon jetzt fra-

genimmer mehr australische Mieternach

einemZahlungsaufschub,weil sie ihren

Arbeitsplatz–etwaimHotel- oder Gast-

stättengewerbe–verlieren oder,wie rund

20 000 Mitarbeiter der Fluggesellschaft

Qantas, über MonateinunbezahltenUr-

laubgeschicktwerden.

Das aber istnur der Anfang.Die In-

vestmentbankJPMorganwarntvor„ei-

nerschwindendenKauflust,dieeinewei-

tere Erholung imWohnungsmarktbelas-

tenkönnte,weil möglicheKäufer Sorge

haben, ihren Arbeitsplatz zuverlieren“.

Die erste RezessioninAustralien nach

29 Jahren,die nun zu erwarten steht,

wirdfür vieleMenschen die erstebewuss-

te Erfahrung einer wirtschaftlichen Kri-

se mitsichbringen–und damit einen

Schock.

In Australien leiden auchdie Bauunter-

nehmen schon: DerZusammenbruchin

diesem Bereichstieg auf den höchsten

Wert seit dreieinhalb Jahren,weil sich

Projekteverzögernund Lieferketten auch

für sie unterbrochen sind. Schon dasver-

gangene Jahr,prakt ischnoch virenfrei

mit AusnahmevonAbnehmernchinesi-

scher Lieferungen,verzeichnete 1700 In-

solvenzen, so viele wie zuletzt 2016.Nun

herrschtbesondereSorge vormangeln-

den Finanzierungsmöglichkeiten und den

Kosten vonVersicherungenvor. „Natür-

lichgibt es ein Risiko, dassdie Bauaktivi-

tätsinkt,weil Projektesichverzögern,

oder abgesagtwerden undweil Importe

vonBaumaterial nicht mehr ins Land

kommen“,warntDenitaWawn, dieVor-

standsvorsitzende vonMasterbuilder

Australia.

Den Silberstreif am Horizont bildetdas

billigeGeld: Rund um dieWelt warenKre-

ditenie günstiger als heute.Unddas wird

auchnachder aktuellen Krise so bleiben.

Zugleichkönnteessichlohnen,gegen

Ende der Krise–mit billigem Geld–zu

kaufen,wenn die Preise niedriger sind als

derzeit.Allerdings wirddies dazu führen,

dasseigentlichgeplante Investitionen

über Monate, vielleicht Jahreaufgescho-

ben werden –wodurch das Immobilienge-

werbe, das sehr langegoldeneZeiten ge-

noss, nun erstmalsrichtig unter Druckge-

rate ndürfte.

Stillstand droht:TeureHäuser undWohnungen sind in Sydney derzeit sowenig gefragt wie imRest Australiens. FotoBloomberg

Das kann lautwerden. Fotodpa

Der Streit um denTr ittschall

BGHbefas st sichmit zu lautem Obergeschoss/Auch ein Wasserschaden vorGericht

Aust raliensH äusermarkt leidet

Am australischen

Immobilienmarkt, einem

derheißesten Märkte

der Welt, sind dieFolgen

derwachsendenAngst

vordem Coronavirus

schon zu spüren.

VonChris toph Hein,

Sydney

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Immobilien FREITAG,20. MÄRZ 2020·NR. 68 ·SEITEI3