SEITE 8·FREITAG,20. MÄRZ2020·NR.68 Zeitgeschehen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
M
ehr als 200 000 Menschen
auf derWelt haben sich
mittlerweile (nachweis-
lich) mit dem Coronavirus infiziert.
Während sichdie Zahl der Infizierten
in China nach offiziellen Angabensta-
bilisiert hat, schnellt sie in Europa in
die Höhe. Erschütternd istdie Ent-
wicklung in Italien: Dorterlagen nur
am Mittwoch 475 Patientender Co-
vid-19-Krankheit.Auchaus Spanien,
Frankreichund andereneuropäi-
schen Ländernwerdenimmermehr
Todesfällegemeldet. Berichte, in der
Lombardei, derRegion, die in Italien
am härtesten betroffenist,werde Mili-
tär zumAbtransportder Leichen ein-
gesetzt,verraten die Dimension einer
Krise, die„Krieg“ zu nennen der fran-
zösische Präsidentsichnicht gescheut
hat und deren Dauerkein Menschvor-
hersagenkann.
Man kann nur feststellen,dass
Krankenhäuser und medizinisches
Personal vielerorts die Belastbarkeits-
grenze erreichen und in einigen Län-
dernüberschritten haben.Deswegen
istdie Erwartung,die drastischen Ein-
griffe in das öffentliche, sozialeund
wirtschaftlicheLebenkönntenrelativ
bald wiedergelockertwerden,völlig
unrealistisch. Eher wirddas Gegen-
teil passieren (müssen).Aber ir gend-
wann wirdman klärenkönnen und
klären müssen,warum einige Länder
so hartvon Covid-19getrof fenwor-
den sind; hartimSinnevonMortali-
tät.Wenn es systemischeGründeda-
für gibt, mangelhaftausgestatteteund
unzureichend vorbereitete Gesund-
heitssysteme zum Beispiel,ist das of-
fenauszusprechen. Oder istalles nur
eineFrageder Zeit –und des Zufalls?
Erschütternd
VonKlaus-DieterFrankenberger
B
undeskanzlerin Merkelhat die
Corona-Krise nicht direkt mit
der deutschen Einheit oder der
Zeit nachdem ZweitenWelt-
kriegverglichen–wohl abergesagt, dass
es seitdemkeine Herausforderung für un-
ser Land mehrgegeben habe, „bei der es
so sehr auf unsergemeinsames solidari-
sches Handeln ankommt“.
UndSolidarität lässt sichnicht befeh-
len. Das deutet auchdie Bundeskanzlerin
an: „Wir sind eine Demokratie.Wirleben
nichtvonZwang, sondernvon geteiltem
Wissen und Mitwirkung. Dies isteine his-
torischeAufgabe, und sie istnur gemein-
sam zu bewältigen.“ Deshalb sind die Mit-
teldes demokratischenRechtsstaats aber
nicht untauglichoder begrenzt. Sie müs-
sen nur sorgsamer abgewogenwerden.
Unddeshalb auchbesondersbegründet
werden: Wenn die BürgerkeinenAbstand
halten, dann können Ausgangssperren
verhängtwerden.
Andererseits besteht durch den Aufent-
halt imFreien als solchenkeine Gefahr.
Entscheidend istdie Kontaktvermeidung.
Deshalb die Mahnung des bayerischen Mi-
nisterpräsi denten Söder(CSU) und auch
des baden-württembergischen Minister-
präsidenten Kretschmann (Grüne): „Es
kann nicht sein, dassjetzt jungeLeutezu
Corona-Partysrennen“, sagteKretsch-
mann.„Wenn nicht alle ihrVerhalten
grundlegend umstellen, dann kommen
wir um härtere Maßnahmen und Sanktio-
nen nicht herum.“Nachder in Bayern am
Mittwoch beschlossenenAusgangssperre
für Mitterteichsind in zwei Gemeinden
im benachbartenLandkreis Wunsiedel
ähnliche Maßnahmen eingeleitet worden.
Söderkritisierte den laxenUmgang man-
cher Bürgermit Abstandsregeln und frei-
williger sozialerAbgrenzung.„Wir kön-
nen da nicht endlos zuschauen.Wirdür-
fenkein zweites Heinsbergoder Ischglzu-
lassen.“Wenn sichdie Menschen nicht an
die Beschränkungen hielten, „dann bleibt
nur eine bayernweiteAusgangssperre“,
sagteerineiner Regierungserklärung.
Auch die gilt freilichnicht absolut.Und
es dürftenicht einfachsein, sie bei mil-
demWetter gegenüberFamilien, die in
Stadtwohnungen leben, auchdurchzuset-
zen. Der Generalinspekteur der Bundes-
wehr äußerte am Donnerstag, es brauche
„sichkeiner Sorgenmachen, dassdie Bun-
deswehr Corona-Partysauflöstoder Aus-
gangsbeschränkungen überwacht“. Das
wirdaber auchfür diePolizeikeine leich-
te Aufgabe.
Nicht einfachdurchzusetzen sind auch
die Versprechen derRegierung zurAbfe-
derung der wirtschaftlichenFolgen der
Pandemie. Natürlichmüssen Volk und
Märkteberuhigtwerden –wie das schon
die Kanzlerin und ihr damaligerFinanz-
ministerSteinbrückauf dem Höhepunkt
der Finanzkrise eindrucksvoll taten: Sie
konnten undwollten natürlichkeine Ga-
rantie imWortsinn auf sämtliche Spargut-
haben und Einlagengeben („Auchdafür
steht die Bundesregierung ein“)–aber pa-
nischeReaktionenverhindern.Undda-
mit hat die Bundesregierung durchaus
eineWirkung erzielt.
Das istauchinder Corona-Krise wich-
tig. Sokönnen sichnachden Worten der
Bundeskanzlerin„alle ... daraufverlas-
sen, dassdie Lebensmittelversorgung je-
derzeitgesichertist,und wenn Regale ei-
nen Tagmal leergeräumt sind, sowerden
sie nachgefüllt“. Jede andereBotschaft
würde die zuRecht alsunsolidarischge-
brandmarktenHamsterkäufebefördern.
WasandereFolgen fürWirtschaftund
Arbeitsleben angeht, so istdie Bundes-
kanzlerin zurückhaltender als ihrWirt-
schaftsminister. Angela Merkel„versi-
chert“ den Bürgern,die Bundesregierung
„tut alles,wassie kann, um die wirtschaft-
lichenAuswirkungen abzufedern–und
vorallem, um Arbeitsplätze zu bewahren.
Wirkönnenund werden alles einsetzen,
wasesbraucht, um unserenUnterneh-
mernund Arbeitnehmerndurch diese
schwerePrüfung zu helfen.“
Dagegenversprac hBundeswirtschafts-
ministerPeter Altmaiervorder Anspra-
cheder Regierungschefin schon am
Dienstagzur bestenSendezeit imFernse-
hen:„Wir haben so vieleReserven, dass
wir versprechenkönnen, dasskein einzi-
gerArbeitsplatzwegenCoronaverloren-
geht.“ Eine umfassende Arbeitsplatzga-
rantie durch die Bundesregierung?
Andererseits hat derStaat in bestimm-
tenFällen ohnehin diegesetzliche Pflicht
zur Entschädigung. Hier mussernichts
großzügigversprechen oder inAussicht
stellen. Er hat zu zahlen, soferndie Vor-
aussetzungenvorliegen. So enthält das In-
fektionsschutzgesetz einerecht umfang-
reicheRegelung zur Entschädigungvon
betroffenen Arbeitnehmernund Betrie-
ben.Weretwaals TrägervonKrankheits-
erregern durch ein VerboteinenVer-
dienstausfall erleidet, „erhält eine Ent-
schädigung in Geld“. Die Entschädigung
bemisst sichnachdem Verdienstausfall.
Für dieerstensechsWochen wirdsie in
Höhe desVerdienstausfallsgewährt, spä-
terinHöhe des Krankengeldes.Auch
Selbständigewerden entschädigt.
Dochviele anderesind nicht unmittel-
bar vonVerboten betroffen, sondernmit-
telbar.KeineEinnahmen, aberhohelau-
fendeKosten. Womöglichläuft dasum-
fassendeVersprechen der Bundesregie-
rung zur Hilfe in der Corona-Not,bis hin
zur Aussicht ,dassniemanddurch die Kri-
se schlechtergestelltwerden solle, auf
eineteilweiseVerstaatlichungvonUnter-
nehmen hinaus.Dennesstellt sich die
Frage, obFinanzhilfenausreichenwer-
den, um dieVerluste durch die Krise wie-
der auszugleichen.
Wirtscha ftsministerAltmaiererinner-
te gerade daran,dasserinseinerIndus-
triestrategieals letztes Mitteleine zeit-
lichbefristeteBeteiligung des Bundes an
Unternehmen als Möglichkeitgenannt
habe,wenn es um dasVerhindern von
Unternehmensübernahmen geht.Das
könne auchdurch die Coronavi rus-Krise
angezeigtsein,umdie wirtscha ftliche
Souveränität zu erhalten. Nicht nur die
Wirtschaft, auch derStaat wirdein ande-
Viel Platz für Sicherheitsabstand:Berlin Alexanderplatz am Mittwoch FotoJens Gyarmaty rersein.
D
ie Corona-Krise schreibt ihre
ersten leicht widersinnigen
Geschichten.Um dochnoch
die benötigten dreihunderttausend
Saisonhelfer für die Erntezuorgani-
sieren,wirdesnich tohne Improvisati-
onskunstabgehenkönnen. Siekom-
men jedes Jahr fürwenigeWochen
aus der Mongolei, aus Usbekistan, der
Ukraine, ausRumänien oder auchaus
Polen nachDeutschland–aber wie
soll das in diesem Jahr funktionieren,
wenn die Grenzenkontrolliertwer-
den, derFlugverkehr ruht und die Ein-
reise in die EUverbotenist?Müssen
also die Grenzkontrollengelockert,
Sonderflügeorganisiertoder den Ern-
tehelferndie Einreise ausnahmsweise
genehmigtwerden?
Wenn es so käme, müssteman
wohl voneinemKatastrophenfall de
luxeinDeutschlandreden. DerKata-
strophenfall erlaubt es durchaus, in-
ländische Arbeitskräfte dorteinzuset-
zen,wo es dringend nötig ist, auch
wenn sie davonnicht begeistertsind.
Aber schon wirdbis in das Bundes-
landwirtschaftsministerium vorder
Rekrutierungvon„Zwangsarbeitern“
gewarnt, etwa Studenten. Das mag
daran liegen, dassJulia Klöckner aus
eigener Erfahrungweiß, dasssichSo-
ziologie-Studenten für schwereLand-
arbeit einfachnicht eignen. Geschwei-
ge denn zum Spargelstechen.Aber
vielleicht gibt es auchandere–andere
Studenten und anderePolitiker,die
den Mut haben, inNotzeiten Solidari-
tät einzufordern, und damit nicht nur
heißeLuft,sondernauchZumutun-
genmeinen.
Er könne sichwohl nicht einfachaus
dem Amt schleichen, sagtWolfgang
Lippertandem Tag, nachdem er als
Landrat des oberpfälzischen Kreises
Tirschenreuth in der 6500-Einwoh-
ner-Stadt Mitterteicheine Ausgangs-
sperre verhängt hatte. Mit der Maß-
nahme machte der kleine Landkreis
bundesweit Schlagzeilen,warMitter-
teichdoch die ersteKommune, für die
eine solche Sperreverhängt wurde.
Die Fallzahlenwarenindem bayeri-
schen Landkreis zuletzt überdurch-
schnittlichstark gestiegen. Am Don-
nerstagnachmittag lagen dort63be-
stätigteInfektionenvor, ein Großteil
davoninMitter teich.
Ohne die Corona-Epidemie hätte
sichder 64 JahrealteLippertindie-
sen Tagenohne großes Aufsehenvon
jenem Amt verabschiedenkönnen,
das er zwölf Jahrelang innehatte–zu
der Kommunalwahl am 15. Märzwar
Lippert, der denFreien Wählernange-
hört, nicht mehr angetreten. Zu sei-
nemNachfolger gewählt wurde ausge-
rechnetder Bürgermeistervon Mitter-
teich, Roland Grillmeier vonder
CSU.Der Wahlkampf, an dem er indi-
rekt beteiligtwar, sei zumTeil un-
schöngewesen, sagteLippert. Doch
es gebe nun, zumal imKampfgegen
die Epidemie,keine Hürden zwischen
ihm und Grillmeier,dem er das Land-
ratsamt am 30. April übergibt.
Am 2. Märzist im Landratsamt zu-
nächstein kleiner Krisenstabeinberu-
fenworden, um über denUmgang mit
dem Coronavirus zu beraten.AmMitt-
woch habe manin diesem Gremium
dann entschieden, dassesnunmehr
nicht mehr ausreiche, die Bevölke-
rung zu sensibilisieren, auf soziale
Kontakte zuverzichten, sagt Lippert.
In engerAbstimmung mit dem bayeri-
schen Gesundheits- und dem Innen-
ministerium sei die Entscheidung für
eineAusgangssperre schließlichgefal-
len. „Die Landesregierung istwirklich
sehr hilfreichunter wegs.“
WarumesausgerechnetinMitter-
teicheine solchhohe Konzentration
vonFällengebe, sei bislang unklar,
sagteLippertamDonnerstag. Er
warb bei der Bevölkerung nochein-
mal umVerständnis für die Einschrän-
kungen. Die Entscheidung sei nicht
gefallen, um die Menschen in ihrer
Freiheit zu beschränken, sondernum
die Geschwindigkeit derAusbreitung
zu bremsen, „umgewaltigeSpitzen zu
vermeiden, die das Gesundheitssys-
temdann nicht mehr abpuffern
kann“.
Um zu verhindern, dassdie Lagein
seinem Landkreis eskaliert, wirdder
Volksschullehrer,der seine politische
Karriere1996 alsStadtratvonKem-
nath begonnen hat, nun also auch
nochdie letztenWochen seiner Amts-
zeit als Landrat in dieVollen gehen.
Mit zwölf Jahren Erfahrung an der
Spitze des Kreises sei er dafür gutge-
rüstet, sagt Lippert.Vielleicht besser
als ein Bürgermeister–diesen Seiten-
hieb auf seinenNachfolgervonder
Konkurrenzparteikann er sichdann
dochnicht verkneifen.
ANNA-LENARIPPERGER
Katastrophe de luxe?
VonJaspervonAltenbockum
Wasgesagt werden muss
Wolfgang LIPPERT FotoLandratsamt
Israels Opposition sprichtvoneiner „Gei-
selnahme“ der Demokratie, derRechtsbe-
rate rdes Parlaments wird imFernsehen
mit denWorten zitiert,„die Knesse ter-
hielt denTodeskuss“, und selbstPräsi-
dentReuven Rivlinwarnte in einemTele-
fonat mit dem Parlamentspräsidenten:
„Eine Knessetaußer Betrieb schadetdem
Funktionieren desStaates Israel.“Kurz
zuvor hatteebendieser Knesset-Präsident
Juli Edelstein, einParteifreund des seit
Ende 2018geschäftsführenden Minister-
präsidenten BenjaminNetanjahu, die ers-
te Parlamentssitzung seit derWahl nach
nur wenigen Minuten beendet. ZweiTage
nachVereidigung des neuenParl aments
verwehrte der Likud-Politiker der Opposi-
tion die Möglichkeit, ihn in einerAbstim-
mung durch einen anderenAbgeordneten
zu ersetzen.Tatsächlichgibt eskein Ge-
setz,wonach ein neuer Knesset-Präsident
gewählt sein muss, bis eine neueRegie-
rung vereidigt wurde. Gleichzeitig aber
verhinderteEdelstein am Mittwoch somit
aucheine Abstimmung über dieZusam-
mensetzung des wichtigen sogenannten
Hauptausschusses der Knesset, der parla-
mentarischeVerfahrensfragen und über
die Bildung der anderen parlamentari-
schenAusschüsse bestimmt.
Üblicherweise wirdder Hauptaus-
schussvon einemVertreterdes Politikers
geführt, der denAuftrag zurRegierungs-
bildung bekommen hat.Das wäre im aktu-
ellenFall Netanjahu-Herausforderer Ben-
ny GantzvomBlau-Weiß-Bündnis: 61 der
120 Abgeordnetenstimmten dafür,dass
Gantz dieVerhandlungen über eineRegie-
rungsbildung führt–und ebenso vieleAb-
geordnete verlangten schriftlicheine Ab-
stimmung über einen neuen Knesset-Prä-
sidenten und eine über den Hauptaus-
schuss. Eine Mehrheit also.Unddiese
Mehrheit spricht sichfür dieAblösung
Netanjahus aus. Dochwenn die Knesset
nichttagt, können diese 61 ihre Mehrheit
in der Abstimmung nicht ausdrücken.
Gantz sprachvon einem „antidemokrati-
schen Versuch“ Netanjahus und Edel-
steins, „die Knessetzulähmen“. Am Don-
nerstag reicht eBlau-Weiß Klagevor dem
OberstenGerichtshof ein.
In Israel zeichnetsicheine Verfassungs-
krise ab, die nicht nur imZusammenhang
mit der Corona-Pandemie, sondern voral-
lem mit der politischen Situation nach
nunmehr dreiWahlensteht:Nachkeiner
dieserWahlen binnen nur eines Jahres er-
zieltenNetanjahu und seineKoalitions-
partner eine parlamentarische Mehrheit.
Gleichzeitig jedochkommt die Oppositi-
on zusammengenommen zwar auf eine
knappe Mehrheit,kann sichindes nicht
auf eineKoalition einigen,wasvor allem
an dergegenseitigenAblehnungder mehr-
heitlicharabischenVereinten Liste und
der nationalistischenPartei Yisrael Beite-
nu sowie mindestens zweierAbgeordne-
tervon Blau-Weiß liegt.
Allein in dieserWocheließ Netanjahu
seinen ihmgetreuen Justizministerden
Ausnahmezustand im Justizwesen erklä-
ren, wasdazu führte,dasssein Korrupti-
onsprozessauf frühestens Ende Maiver-
schoben wurde. Sodann erlaubteNetanja-
hu MontagNachtden Sicherheitsbehör-
den per Dekret,die Mobiltelefone und Be-
wegungsprofile vonCorona-Infizierten
und jenen, die sichinder Nähe der Infi-
ziertenaufhielten, zu verfolgen. Diese
Maßnahme allein,über die bislang schon
rund 400 Israelis per Mobilfunknachricht
angeschrieben wurden, sichinhäusliche
Quarantäne zu begeben,können einige
nachvollziehen. Dassdie Entscheidung
darüber allerdings ohne parlamentari-
sche Mitbestimmung, vorVereidigung
der neuen Knessetund auchohne Einbe-
ziehung des bis dahinvoneinem Blau-
Weiß-Politikergeleiteten Geheimdienst-
ausschussesgetrof fenwurde, sorgt für
weiterenStreit.„Ohne einen funktionsfä-
higen Verteidigungsausschussgibt es
auchkeine (parlamentarische)Aufsicht
über behördlicheVerfolgungvonZivilis-
ten“, so Gantz.
Netanjahu dagegen nannteamMitt-
wochabend die Zusammenarbeit von
Gantz mit der arabischenVereinten Liste
als Grund dafür,dassnochkeineAus-
schüssegebildetwurden.„Wir verlang-
ten, dasssie (Blau-Weiß) sichverpflich-
ten, dasskeineTerror-UnterstützerAus-
schüsse leiten“, soNetanjahu imFernse-
hen über dieVereinte Liste,die mit 15Ab-
geordnetendrittstärksteKraftinder
Knessetgeworden ist. Es sei bedauerlich,
so Netanjahu, dass„Blau-Weiß selbstin
Zeiten derNotlageweiter mitTerror-Un-
terstützernkooperiert“.Wann immer er
sichzweiMinutenAuszeitvonder Füh-
rung in der Corona-Krise nehme, sagte
Netanjahu, sehe er,wie Blau-Weiß „op-
portunistische und undemokratische
Schritteinder Knessetunternimmt, die
wir nicht hinnehmen“.
Knesset-Präsident Edelstein begründe-
te seine Entscheidung wider dieAbstim-
mungen in der Knessetdamit, dasserin
die vermeintlichenVerhandlungen zwi-
schen Likud und Blau-Weiß über eine Ein-
heitsregierung in Zeiten vonCorona
nichtstörend eingreifen wolle. Diese Les-
artnehmen ihm und dem Likud nicht
mehr viele ab. Darunter istauchIsraels
ehemaliger JustizministerDan Meridor,
der einstselbstzum Likudgehörte:„Dies
isteine gefährliche Entscheidung, Edel-
stein hat einenFehler gemacht“, sagt Me-
ridor derF.A.Z. Die Knessetsei einwe-
sentliches Elementder Gewaltenteilung
und stehe über derRegierung.„Wir leben
im 21. Jahrhundert, undgerade inZeiten
der Krise brauchen wir eine funktionsfähi-
ge Demokratie.“Netanjahu habe die Co-
rona-Krise nicht erfunden, und erwolle
auchdie Maßnahmen derRegierung in
Bezug auf diePandemie nicht kritisieren.
Dochdie Knesset-Entscheidung und die
VerschiebungvonNetanjahusKorrupti-
onsprozess„deuten auf einen Interessen-
konflikt“, so Meridor.„Netanjahu hätte
die Gerichtsverhandlungenstoppenkön-
nen, aber sagen müssen, ‚alle bis auf mei-
nen‘.“Nunhabe Israel „einVerfassungs-
problem“, sagt Meridor.„Ob daraus eine
Verfassungskrise wird, entscheidetsich
Sonntag.“ Dann urteilt das ObersteGe-
richt, ob dasParl amentarbeiten darf.
Unfreiwillige
Premiere
Knessetaußer Betrieb
Netanjahu bringt in der Krise die Gewaltenteilung in Israel in Gefahr /VonJochenStahnke,TelAviv
Die Regierung mussRuhe garantieren,
kann aber nicht allesversprechen.
VonReinhardMüller
Ein früherer Justizminister
sagt, Israel habe einVerfas-
sungsproblem, aus dem eine
Krisewerden könne.
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