Die Welt - 18.03.2020

(Jeff_L) #1

DAX


Im Plus


Seite 19


SchlussSchlussSchlussSchlussSchluss EZB-KursEZB-Kurs ��.�� Uhr��.�� Uhr��.�� Uhr��.�� Uhr��.�� Uhr


Dax Euro Dow Jones


+�,��% ↗–�,��% ↘


����,��


Punkte

��.���,��


Punkte

�,����


US-$

+�,��% ↗


A


grarindustrieministerin
Klöckner hat die Bürger
aufgerufen, „nur in haus-
haltsüblichen Mengen“ ein-
zukaufen. Das dürfte für große
VVVerunsicherung sorgen, denn eserunsicherung sorgen, denn es
ist ja völlig unklar, was eine
haushaltsübliche Menge über-
haupt ist. Für den einen sind
2 00 Packungen Klopapier und
zzzwei Zentner Nudeln völligwei Zentner Nudeln völlig
normal, weil das eben in seinem
Haushalt seit Jahrzehnten so
üüüblich ist. In anderen Haushal-blich ist. In anderen Haushal-
ten ist es üblich, 500 Gläser
Silberzwiebeln einzulagern. Das
könnte zwar auch damit zu tun
haben, dass es im Rewe gerade
nichts anderes gab, doch man
bewegt sich auch in einer men-
genmäßigen Grauzone. Darin
liegt aber auch die große Chan-
ce dieser Pandemie, dass man
jetzt das Essverhalten der Bür-
ger gezielt steuern kann. Dazu
müssen klare, täglich wechseln-
de Vorgaben gemacht werden.
Montags 125 Gramm Graupen,
5 0 Gramm Hefeextrakt, eine
Steckrübe und fünf Liter Brot-
trunk, das ist nahrhaft und er-
weitert den geschmacklichen
Horizont. Dienstag dann Sülze,
ein Pfund Topinambur, Kutteln
und Götterspeise mit Wald-
meistergeschmack, gerne auch
in haushaltsunüblichen Mengen.

ZZZippert zapptippert zappt


D


as Komitee zum Schutz
von Journalisten (CPJ)
hat die Behörden in
Ghana dazu aufgefordert, die
Polizeiermittlungen gegen
Bestway Zottor,den Direktor
des Radiosenders Radio Tongu,
umgehend einzustellen. Zottor
war am 15. Januar dieses Jahres
in seiner Wohnung in South
Tongu verhaftet worden. Die
Behörden hielten den Journa-
listen für zwei Tage in der Poli-
zeiwache der Stadt Ho fest,
bevor er am 17. Januar für eine
Kaution von 50.000 Cedi, um-
gerechnet rund 8000 Euro,
freigelassen wurde.
Laut Zottor, der mittlerweile
am Telefon mit CPJ-Vertretern
gesprochen hat, werfen die
Behörden ihm vor, Radio Tongu
als Propagandakanal für se-
paratistische Gruppen in der
Region genutzt zu haben. Am 11.
Februar entzog die ghanaische
Medienaufsichtsbehörde Radio
Tongu deshalb die Sendelizenz.
Zottor selbst muss seit seiner
Entlassung aus der Haft regel-
mäßig bei der Polizei vorstellig
werden. Und obwohl er nicht
angezeigt wurde, ermitteln die
Behörden derzeitig weiter ge-
gen ihn. Auf der Rangliste der
Pressefreiheit von Reporter
ohne Grenzen steht Ghana auf
Platz 27 von 180.

#Free


them


all


Bestway Zottor


In Kooperation mit
REPORTER OHNE GRENZEN

Wir twittern
live aus dem
Newsroom:
twitter.com/welt

Diskutieren
Sie mit uns
auf Facebook:
facebook.com/welt

1


18.03.20 Mittwoch,18.März2020DWBE-HP


- Zeit:----Zeit:Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: ---Zeit:---Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe:


Belichter: Farbe:Belichter: Farbe:Belichter:


**


DW_DirDW_DirDW_Dir/DW/DW/DW/DW/DWBE-HP/DWBE-HP
18.03.2018.03.2018.03.20/1/1/1/1/TIBE/TIBE RWAHLISS 5% 25% 50% 75% 95%

KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9358537 MITTWOCH,18.MÄRZ


DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen.


Telefon 0 30 / 25 91 0 Fax030 / 25 91 71 [email protected] Anzeigen 0 30 / 58 58 90 Fax 0 30 / 58 58 91 E-Mail [email protected]


Kundenservice DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 BerlinTelefon 0 800 / 93 58 537 (Mo–Sa: 7 bis 19 Uhr) Fax 0 800 / 93 58 737 E-Mail [email protected]


A3,70 &/ B 3,70 &/ CH 5,30 CHF / CZ 107 CZK / CY 3,70 &/ DK 30 DKK / E 3,70 &/ I.C. 3,70 &/ F 3,90 &/


GB 3,50 GBP / GR 3,70 &/ I 3,70 &/ L 3,70 &/ MLT 3,90 &/ NL 3,70 &/ P 3,70 &(Cont.) / PL 17 PLN / SK 3,50 €


D


ie Corona-Epidemie in
Deutschland entwickelt
sich rasant zur Bedrohung
von Menschenleben, Wirt-
schaft und Arbeitsplätzen.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) stufte
am Dienstag die Gefahrenlage auf die
zweithöchste Stufe „hoch“. „Wir mer-
ken, dass sogar gut aufgestellte Gesund-
heitsämter und Universitätskliniken in-
zwischen Probleme haben mit der stei-
genden Zahl von Erkrankungsfällen“,
sagte RKI-Chef Lothar Wieler in Berlin.
Die von der Regierung beschlossenen
Einschränkungen müssten immer wieder
überprüft und angepasst werden.
Das RKI verlangte eine schnelle Vorbe-
reitung der Kliniken. Die Zahl der Infi-
zierten in Deutschland bezifferte Wieler
auf gut 6000, es gebe 13 Tote. Zu den Infi-
zierten gehört auch Friedrich Merz, einer
der Kandidaten für den CDU-Vorsitz.
Klar sei, dass die Zahlen schon wegen der
Dauer der Meldewege weit höher seien,
sagte Wieler. Nach seiner Einschätzung
könne weltweit die Corona-Krise etwa
zwei Jahre dauern, dies hänge auch von
der Entwicklung eines Impfstoffes ab.
Bund und Länder beschlossen am
Dienstag einen Notfallplan für die Kran-
kenhäuser. So soll die Zahl der Intensiv-
betten verdoppelt werden. In dem der
Deutschen Presse-Agentur vorliegenden
Beschluss heißt es, durch das „Auf-, Aus-
und Umrüsten von Rehabilitationsein-
richtungen, Hotels oder größeren Hallen
können für die zahlreichen leichteren
Behandlungsverläufe zusätzliche Kapazi-
täten aufgebaut werden“. Zuvor hatte
der Berliner Senat mitgeteilt, dass die
Hauptstadt ein eigenes Krankenhaus für
Covid-19-Patienten bekommen soll. Es
wird auf dem Gelände der Messe Berlin
Platz für bis zu 1000 Patienten bieten
und in Zusammenarbeit mit der Bundes-
wehr entstehen.
Um das Virus einzudämmen, forderte
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident
Armin Laschet (CDU) die Bürger auf:
„Bleiben Sie zu Hause.“ Er betonte: „Es
geht um Leben und Tod – so einfach ist
das. Und so schlimm.“ Seit Dienstag gel-
ten gravierende Einschränkungen in

Deutschland wie Sperrstunden von Res-
taurants und praktisch ein Reiseverbot.
Dabei sehen sich Hoteliers und Gastro-
nomen einem „Verordnungschaos“ aus-
gesetzt. „Unterschiedliche Regelungen
für Hotels und Restaurants in Bund, Län-
dern und Gemeinden führen dazu, dass
keiner mehr durchblickt“, kritisierte der
Deutsche Hotel- und Gaststättenver-
band. Leitlinien würden uneinheitlich
umgesetzt. „So ist teilweise unklar: Was
gilt für Cafés, was gilt für Geschäftsrei-
sende in Hotels? Dürfen sie auch nach 18
Uhr bewirtet werden und so weiter?“ Die
Branche erwarte praxistaugliche Regeln.
Derweil registriert die Bundesagentur
für Arbeit (BA) einen Beratungsbedarf,
der um „ein Zigfaches gestiegen“ sei. Da-
runter seien Branchen und Betriebe, die
bisher mit Kurzarbeit nie etwas zu tun
gehabt hätten, sagte eine Sprecherin. Die
Bundesregierung will eine Pleitewelle
durch ein unbegrenztes Kreditprogramm
und gezielte Hilfen auch für Kleinst-
unternehmer verhindern. Die EU-Wett-
bewerbshüter wollen solche Hilfen ge-
nehmigen. Volkswagen als größter Auto-
bauer der Welt kündigte an, die Produk-
tion auch seiner Töchter europaweit ein-
zustellen. Andere Hersteller hatten be-
reits ebenfalls die Produktion zurückge-
fahren oder wollen es tun, etwa Ford und
Daimler.
Um die wirtschaftlichen Folgen der
Krise abzufedern, stellen immer mehr
Länder gigantische Summen bereit. So
legt Spanien ein riesiges Rettungspaket
über 200 Milliarden Euro auf. Die Sum-
me entspreche rund 20 Prozent der ge-
samten Wirtschaftsleistung, sagte Minis-
terpräsident Pedro Sánchez. Die US-Re-
gierung will laut „Washington Post“ der
Wirtschaft Hilfen im Volumen von rund
850 Milliarden Dollar zur Verfügung stel-
len. Für die besonders hart betroffene
Luftfahrtbranche seien 50 Milliarden
Dollar vorgesehen. Trump sagte, man ar-
beite an einem „großen“ und „kühnen“
Paket. Die Aussicht auf weitere milliar-
denschwere Geldspritzen der US-Noten-
bank ermunterte einige Anleger zur
Rückkehr an die internationalen Aktien-
märkte.

Unterdessen betonte Landwirtschafts-
ministerin Julia Klöckner (CDU), die Le-
bensmittelversorgung sei gesichert. Man
arbeite aber an Regelungen, um Saisonar-
beitskräfte nach Deutschland zu bringen.
„Es ist genug für alle da“, sagte Klöckner.
„Hamsterkäufe sind nicht nur unnötig, sie
schaden auch.“ Sie forderte die Bevölke-
rung auf, Ruhe und Augenmaß zu bewah-
ren und mit Bedacht einzukaufen.
Um Tausende Deutsche aus dem Aus-
land zurückzuholen, will die Bundesre-
gierung Fluglinien beauftragen. Außen-
minister Heiko Maas (SPD) sprach von
einer „Luftbrücke“ vor allem für Urlau-
ber in Marokko, der Dominikanischen
Republik, den Philippinen, Ägypten und
auf den Malediven. Für die Rückholflüge
will die Regierung bis zu 50 Millionen
Euro ausgeben. Gleichzeitig sprach Maas
eine formelle, weltweite Reisewarnung
für touristische Reisen aus. Das hat es so
noch nicht gegeben. Reisewarnungen
können kostenlose Stornierungen er-
möglichen. Die Fernbusunternehmen

Flixbus und Blablabus stellen nationale
und internationale Verbindungen ein.
Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) rief in der Corona-Krise zu
„Geduld und Mithilfe“ auf. Die Men-
schen sollten Verkäuferinnen in den Su-
permärkten „einfach mal ein Lächeln“
schenken und den Lastwagenfahrern „ei-
nen freundlichen Wink“, sagte Spahn
nach gemeinsamen Beratungen mit dem
bayerischen Kabinett in München. Es ge-
he in der Krise darum, besonnen zu blei-
ben. „Ich nehme eine sehr, sehr große
Bereitschaft wahr, einander zu helfen
und mitzuhelfen.“ Bayerns Ministerprä-
sident Markus Söder (CSU) forderte die
Menschen auf, auch in den Osterferien
auf Reisen zu verzichten. Nach dem Aus-
rufen des Katastrophenfalls in Bayern
setzte Söder einen in seiner Staatskanz-
lei angesiedelten Katastrophenstab ein.
Die Landesregierung akquirierte dem
CSU-Chef zufolge bereits 500 Medizin-
studenten zur Unterstützung der medi-
zinischen Hilfe. Diese Zahl könne auf bis
zu 5000 erhöht werden. Schleswig-Hol-
steins Regierung erklärte, Touristen
dürften das Land nicht mehr betreten.
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian
Lindner kritisierte das Verhalten man-
cher Menschen in der Corona-Krise, die
Menschenmengen auch jetzt nicht mei-
den, scharf. Ein solches Verhalten sei
„unverantwortlich, unreif und schlicht
absurd“, sagte Lindner im WELT-Inter-
view. „Ein Leben in Freiheit funktioniert
generell nur, wenn man Rücksicht nimmt
und verantwortlich handelt. Wer seine
Freiheit in dieser Weise auslebt, der be-
schädigt ihren Wert geradezu.“
Wegen der Pandemie findet die Fuß-
ball-Europameisterschaft nun erst 2021
statt. Das Turnier sollte ursprünglich
vom 12. Juni bis 12. Juli 2020 ausgetragen
werden. Den Beschluss zur Verschiebung
fasste das Exekutivkomitee der Europäi-
schen Fußball-Union am Dienstag. Aus-
getragen wird das Turnier nun vom 11. Ju-
ni bis zum 11. Juli 2021. Die Ligen haben
dadurch in diesem Jahr mehr Zeit, um
die derzeit ausgesetzte Saison noch un-
ter einigermaßen regulären Umständen
beenden zu können. DW

Gesundheitsminister: Es geht darum, besonnen zu bleiben. Robert-Koch-Institut stuft Risiko jetzt als


„hoch“ ein. Bund und Länder beschließen Notfallplan für Kliniken. Fußball-EM wird auf 2021 verschoben


Begrüßung in Zeiten der Corona-Pandemie: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (r.) und der bayerische Finanzminister Albert Füracker in München


DPA

/ PETER KNEFFEL

Spahn bittet in Corona-Krise


um „Geduld und Mithilfe“


DIE WELT digital ISSN 0173-8437 66-12 ZKZ 7109
Lesen Sie DIE WELT digital auf allen Geräten


  • unter edition.welt.de, auf Smartphone
    oder Tablet. Attraktive Angebote finden
    Sie auf welt.de/digital oder auch mit
    den neuesten Tablets auf welt.de/bundle.


Nach Italien und Spanien hat nun
auch Frankreich wegen des Coro-
navirus eine Ausgangssperre ver-
hängt: Seit Dienstagmittag dürfen
Bürger ihre Wohnungen in der
Regel nur noch aus zwingenden
beruflichen oder medizinischen
Gründen sowie für Einkäufe von
Lebens- und Arzneimitteln ver-
lassen. Innenminister Christophe
Castaner nannte die Maßnahmen
„die strengsten in Europa“. Rund
1 00.000 Polizisten sollen die Ein-
haltung kontrollieren. „Bleiben Sie
zu Hause, damit können Sie uns
helfen“, appellierte Castaner an
die Bürger. Er rief diese auf, „Ver-
bündete“ im „Gesundheitskrieg“
zu werden, den Präsident Emma-
nuel Macron in einer TV-Ansprache
ausgerufen hatte.

In Frankreich gilt eine


Ausgangssperre


L


ange Zeit haben sich selbst an-
gesehene Politikwissenschaft-
ler offen gefragt, ob die Politik
hierzulande überhaupt noch krisen-
fähig sei. Geprägt von den fetten Jah-
ren der Bundesrepublik, fehle den
meisten Politikern das Bewusstsein
dafür, so die früheren Klagen, dass
auch magere Jahre jeden Augenblick
wie eine Lawine auf uns einstürzen
könnten. Die Bedenken waren meist
mit der Sehnsucht nach einem Hel-
mut Schmidt verbunden. In der Tat:
Dieser Bundeskanzler stammte aus
wahrhaft babylonischen Zeiten und
hat dementsprechend krisengestählt
und besonnen reagiert.
Heute wissen wir aber: Es geht auch
ohne diese Erfahrung. Der Satz des
Sozialdemokraten Julius Leber, den
die Nazis noch im Januar 1945 hinrich-
ten ließen, mag gut klingen und ir-
gendwie auch richtig sein, trotzdem
trifft er nicht immer zu: „Große Füh-
rer kommen aus dem Chaos, aus der
richtigen Ordnung kommen sie sel-
ten, aus der Ochsentour nie.“
Die gegenwärtigen Spitzenpoliti-
ker unseres Landes sind fast alle Kin-
der der Ochsentour, dennoch sind sie
krisenfähig. Wer das ernste, aber
doch gelassene, das ruhige und doch
bestimmte Auftreten etwa von Mar-
kus Söder und auch Jens Spahn ver-
folgt, der nimmt weder großmäulige
Waghälse noch halbstarke Propagan-
disten ihrer selbst wahr und auch kei-
ne aufgescheuchten Aktionisten, son-
dern umsichtige, zur Führung bereite
Erwachsene in einer Gesellschaft, die
bisher eher verspielt, unernst, zuwei-
len sogar kindlich, wenn nicht kin-
disch wirkte. Gleiches gilt für Finanz-
minister Olaf Scholz, Wirtschaftsmi-
nister Peter Altmaier und für die
Bundeskanzlerin selbst.
Wer spricht noch von der Opposi-
tion? Es schlägt die Stunde der Exe-
kutive – auf kommunaler, Länder-
und Bundesebene. Ihre Vertreter sind
besser als ihr bisheriger Ruf. Mehr als
das: Sie sind in der Lage, das Land
auch im Ausnahmezustand so zu füh-
ren, dass die Mehrheit ihnen Vertrau-
en schenkt. Möge es so bleiben!
Man mache sich nichts vor: Diese
Krise ist längst nicht ausgestanden.
Es ist weder hysterisch noch überzo-
gen, davon auszugehen, das
Schlimmste werde erst noch gesche-
hen. Es wird noch dicker kommen –
und das nicht nur auf die Epidemie,
sondern auch auf die Wirtschaft und
die Weltfinanzen bezogen. Wie der
Staat und die Gesellschaft darauf rea-
gieren werden, ist zur Stunde nicht
ausgemacht. Bisher aber gibt es zu
ernster Sorge keinen Anlass. Diese
Demokratie ist gefestigt. Ihr Füh-
rungspersonal weiß, was zu tun ist,
und ist weit entfernt von jeglichem
martialischen Auftreten.
Die offene Gesellschaft mag der-
zeit geschlossen sein, der Ausnahme-
zustand kann sogar noch schärfer
werden, trotzdem besteht kein Zwei-
fel: Das Land ist auch in dieser Stun-
de ein liberales. In ihm ist der Verfas-
sungspatriotismus kein bloßes
Schlagwort. Die Väter und Mütter des
Grundgesetzes haben die Verfassung
mit dem Wissen konstruiert, dass Ru-
he und Ordnung keine Naturgesetze
sind, sondern jederzeit ins Gegenteil
umschlagen können. Deswegen ha-
ben sie die wehrhafte Demokratie
hinterlassen, die zuweilen autoritäre
Züge haben kann, ohne antidemokra-
tisch zu sein. Ganz im Sinne von Karl
Poppers Jahrhundertwerk „Die offe-
ne Gesellschaft und ihre Feinde“. Der
Philosoph schreibt darin, dass selbst
in Zeiten schwerster Krisen die De-
mokratie in der Lage ist, sich zu be-
haupten, weil sie etwas besitzt, über
das kein anderes politisches System
verfügt: „den Schlüssel zur Kontrolle
der Dämonen“.

KOMMENTAR


Die Stunde


ddder Exekutiveer Exekutive


[email protected]


JACQUES SCHUSTER


**D2,80EUROB Nr. 66


© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung DIE WELT -2020-03-18-ab-22 692802dafd6e9977e664ddc478d4f1e


UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws

Free download pdf