Die Welt - 18.03.2020

(Jeff_L) #1

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18.03.20 Mittwoch,18.März2020DWBE-HP


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DIE WELT MITTWOCH,18.MÄRZ2020 FORUM 3


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B


undeswirtschaftsminister Peter
Altmaier sendet eine Botschaft,
die Millionen Bundesbürger nur
zu gerne hören wollen: Kein einziger
Arbeitsplatz werde verloren gehen,
sagte der CDU-Mann in einer ARD-
Talkshow, wenige Stunden nachdem
die Kanzlerin die weitreichendsten
Maßnahmen angekündigt hatte, die es
in der Bundesrepublik je gab. Das All-
tagsleben der Deutschen ändert sich
gerade komplett, und es dürften bald
noch weitere Einschränkungen des
öffentlichen Lebens beschlossen wer-
den. Das soll ohne Jobverlustegehen?
Altmaier verabreicht eine Beruhigungs-
pille, die sich rasch als Placebo er-
weisen wird.
Der Minister gibt eine Arbeitsplatz-
garantie, die ähnlich vertrauensbildend
wirken soll wie das Versprechen der
Kanzlerin beim Ausbruch der Finanz-
krise 2008. Angela Merkel garantierte
damals die Sicherheit der Spareinlagen


  • und die paar Worte schafften Ver-
    trauen. Doch die Corona-Krise folgt


völlig anderen Gesetzen als die Finanz-
krise. Heute reißen in der Wirtschaft
die Lieferketten, weil der Nachschub
von Vorprodukten aus dem Ausland
stockt. Überdies werden immer mehr
Arbeitnehmer selbst die Betreuung
ihrer Kinder übernehmen müssen.
Wenn jetzt Kneipen, Kinos und Ge-
schäfte schließen müssen, Reisen und
Veranstaltungen storniert werden und
viele Bürger nur noch Lebensmittel
einkaufen, wird dieser Konsumverzicht
meist nicht später nachgeholt werden.
Und der Staat kann schlicht den ge-
waltigen Einnahmeausfall aller Be-
troffenen nicht kompensieren. Nicht
wenige Laden- und Hotelbesitzer wer-
den nie mehr öffnen, weil sie nicht mit
neuen Schulden in unsichere Zeiten
gehen wollen. Altmaiers vollmundiges
Versprechen wirkt deshalb nicht wie
Merkels Spareinlagengarantie, sondern
wie das Pfeifen im Walde.
Statt unrealistische Erwartungen zu
schüren, sollte die Regierung lieber die
Bevölkerung auf schmerzhafte wirt-
schaftliche Folgekosteneinstimmen –
und zwar Beschäftigte, Unternehmer
und auch die Rentner. Den Bürgern wird
in dieser Krise weitaus mehr abverlangt
werden, als der wochen- oder monate-
lange Verzicht aufVVVergnügungen. ergnügungen.

Pfeifen im Walde


KOMMENTAR


DOROTHEA SIEMS


[email protected]


E


s war in den vergangenen Jahren
einer der Albträume der Außen-
und Sicherheitsexperten: Dass
US-Präsident Donald Trump sich
irgendwann mit einer großen au-
ßenpolitischen Krise konfrontiert
sehen könnte, der er weder in-
tellektuell noch charakterlich gewachsen wäre. Nun
ist solch ein Krisenfall tatsächlich eingetreten, aber
anders als befürchtet. Es ist keine klassische sicher-
heitspolitische Krise, die nun zum Testfall für
Trump wird, sondern eine medizinische. Dennoch
macht Trump in Sachen Coronavirus genau das,
was viele im Fall einer außenpolitischen Krise be-
fürchtet hatten: Er verschlimmert die Lage in der
für ihn und seine Regierung so typischen Mischung
aus Realitätsverweigerung, Lügen, Spin und Un-
fähigkeit.
Wochenlang hat Trump das Problem kleingere-
det und so getan, als hätten die amerikanischen
Behörden alles im Griff. Und nachdem erste Test-
kits sich als fehlerhaft erwiesen, hat die Regierung
wenig getan, um das Problem zu beheben und so
schnell wie möglich verlässliche Nachweisver-
fahren im Land zu verteilen. „Jeder, der einen Test
will, kann einen bekommen“, sagte Trump Anfang
März, was damals eine glatte Lüge war. Experten
gehen davon aus, dass die USA bis heute kein ver-
lässliches Bild der tatsächlichen Erkranktenzahlen
haben, weil nicht genug getestet wurde. Eine neue
Studieetwa kommt zu dem Ergebnis, dass die rea-
len Zahlen mehr als zehnfach über den gemeldeten
liegen könnten. In einer der schlimmsten Krisen
der vergangenen Jahrzehnte ist die Trump-Re-
gierung weiterhin im Blindflug.
Die USA in Zeiten des Coronavirus sind ein gu-
tes Beispiel, warum Populismus gefährlich sein
kann. Denn Trump hat die Epidemie von Anfang an
nicht als Gesundheits-, sondern als Public-Relati-
ons-Problem begriffen. Das Virus war für Trump
eine Gefahr für sein Image und seine Wiederwahl-
chancen. Deshalb hat Trump das ganze verharmlost
und den wahren Ernst der Lage verschleiert, statt
sein Amt dazu zu nutzen, die Bürger zu den nöti-
gen Verhaltensänderungen aufzurufen, die eine
Verbreitung des Virus verlangsamt hätten. Trump
und seine Verbündeten in Politik und Medien ha-
ben die Pandemie lange als Pseudoproblem be-
zeichnet, das von Medien und vom politischen
Gegner angeblich nur aufgebauscht wurde, um
Trump zu schaden. Damit wurde eine medizinische
Krise, die naturwissenschaftlichen Gesetzmäßig-
keiten folgt, der sachfremden Logik der politischen
Polarisierung unterworfen. Wieder einmal lebten
Demokraten und Republikaner in zwei unterschied-
lichen medialen Realitäten, wo es eigentlich not-
wendig gewesen wäre, eine klare Botschaft unters
Volk zu bringen, um das Virus möglichst rasch und
effektiv einzudämmen. Für Trump war es hingegen
wichtiger, den kurzfristigen, täglichen Medien-
zyklus zu dominieren und „gut auszusehen“, an-
statt langfristig wirksame Strategien zu verfolgen.
Wie immer drehte sich alles nur um ihn selbst und
nicht darum, das Problem effektiv und pragmatisch
in den Griff zu bekommen. Eine der wenigen Din-
ge, die Trump richtig gemacht hat, war früh die
Grenzen für Reisende aus Risikoländern zu schlie-
ßen – weil das seinem Lieblingsprojekt vom abge-
schotteten Amerika entsprach.

Eine der charakteristischen Eigenschaften von
Populisten ist ihre Abneigung gegen Eliten und
gegen das Establishment, die quasi automatisch
auch die Ablehnung von Expertentum mit ein-
schließt. Trump ist der Prototyp dieser Abneigung
gegen die Meritokratie und die Intelligenzia, die ein
auf Leistung beruhendes System unvermeidlich
hervorbringt. In vielen Bereichen der Trump-Re-
gierung hat sich deshalb inzwischen das Prinzip
durchgesetzt, dass Loyalität zum Präsidenten wich-
tiger ist als Fachwissen.
Das führt in Krisenzeiten entweder dazu, dass
die Leute, die Trump in leitende Positionen gesetzt

hat, heillos überfordert sind. Oder dass die noch in
der Regierung verbliebenen Experten dem Prä-
sidenten entweder öffentlich widersprechen oder
einen Eiertanz aufführen müssen, um sich nicht die
Wut des obersten Mannes im Staate einzuhandeln.
Im Ergebnis bestand die Kommunikation der
Trump-Regierung aus einer beispiellosen Kakopho-
nie mit einander ständig widersprechenden Bot-
schaften. Während Trump ständig Entwarnung
funkte, versuchten die Fachleute von Seuchen-
schutz (CDC) und dem nationalen medizinischen
Forschungsinstitut (NIH) der Bevölkerung den
Ernst der Lage zu verdeutlichen. Und im Zweifel
hielt sich der Präsident – natürlich – für den bes-
seren Immunlogen. Kurz nachdem die WHO eine
auf aktuellen Berechnungen beruhende Mortali-
tätsrate von 3,4 Prozent für das Virus angegeben
hatte, bezeichnete Trump das als „falsche Zahl“,
die weit übertrieben sei, er habe da so eine Ahnung.
Die Mortalitätsrate läge tatsächliche weit unter
einem Prozent, sagte Trump, ohne dass es dafür
irgendwelche Belege gäbe.
Stattdessen gibt es jedoch Belege dafür, dass die
verschlafene Reaktion der amerikanischen Behör-
den auf das Desaster mit den Testkits unter ande-
rem darauf zurückzuführen ist, dass Trump mög-
lichst niedrige Infektionszahlen haben wollte, um
gut dazustehen. Offenbar drängten die Spitzen der
Gesundheitsbehörde nicht darauf, das Testproblem
zügig zu beheben, um Trump nicht zu verärgern.
Der Präsident hat seine Obsession mit Imagefragen
selbst eingestanden, als er erklärte, warum er ein
Kreuzfahrtschiff vor der Küste Kaliforniens mit
infizierten Amerikanern nicht anlegen lassen woll-
te. „Mir gefallen die Zahlen, so wie sie sind“, sagte
Trump. „Ich kann es nicht gebrauchen, dass die
Zahlen sich verdoppeln wegen eines Schiffs, das
nicht unser Fehler ist.“
Die Eitelkeit des Präsidenten hat letztlich ver-
hindert, dass die USA entschlossener auf die Epi-
demie reagierten, weil viele Verwaltungschef in den
drei Jahren Trump-Regierung gelernt haben, dass
es besser ist, dem Chef nach dem Mund zu reden.
Und so wurden frühe Anzeichen dafür, dass der
Coronavirus Amerika längst erreicht hatte, offen-
bar willentlich ignoriert oder blieben folgenlos,
weil der Präsident noch weiter die Mär von der
erfolgreichen Isolierung des Landes erzählte.
Es ist in den vergangenen Jahren viel geschrie-
ben worden über die erodierende Wirkung des
Trumpismus auf die Gesellschaft. Wie Trump sys-
tematisch das Vertrauen in die Institutionen unter-
graben hat, wie er das Ansehen des Präsidenten-
amts beschädigt mit seinen ständigen Unwahr-
heiten und damit auch die Bedeutung von Fakten
für den politischen Diskurs systematisch ge-
schwächt hat. Und wie der konservative Echoraum
in den Medien und im Netz jede noch so absurde
Wende Trumps wohlwollend mitvollzieht und da-
mit die vom Präsidenten ausgehende Realitäts-
verzerrung befördert.
In der Corona-Krise wird nun deutlich, dass es
hier nicht allein um Fragen von demokratischer
Etikette und politischer Hygiene geht. Sondern
dass die Methode Trump genau jenes Grundver-
trauen zerstört, das nötig ist, damit eine Gesell-
schaft entschlossen und rasch auf eine Krise reagie-
ren kann. Tatsächlich haben sich Trumpisten bis
vor Kurzem noch gebrüstet, Massenpartys zu orga-
nisieren und sich nicht von der angeblich medien-
geschürten Hysterie anstecken zu lassen. Und so
wird der Anti-Fakten-, Anti-Establishment-, Anti-
Eliten-Impuls, der aus bloßer Daffke heraus „alter-
native Wahrheiten“ verbreitet, die Trump ent-
schuldigen sollen, zu einer ernsten Bedrohung der
öffentlichen Gesundheit.
Die Lage in Amerika sollte deshalb all jenen als
warnendes Beispiel dienen, die in Europa damit
liebäugeln, Populisten zu wählen, um dem Estab-
lishment eins auszuwischen. Denn in Zeiten der
Krise können faktenresistente Populisten an der
Macht buchstäblich Menschenleben kosten.
[email protected]

Trump in der


Corona-Krise


Der US-Präsident hat


das Virus lange als


PR-Problem statt


als Gesundheitskrise


behandelt und damit


wertvolle Zeit


verschenkt. Amerika


zeigt beispielhaft,


wie gefährlich es sein


kann, von Populisten


regiert zu werden, die


Expertentum verachten


LEITARTIKEL


CLEMENS WERGIN


Jtisch es eigentlich noch werdenkann. Und warum es nichtsofort ganz drastisch wird, weileden Tag wird es drasti-scher und drastischer undman fragt sich, wie dras-
das bestimmt Leben rettenwürde. Als Pestlaie blickt manda wenigsten von uns erinnernnicht wirklich durch, die
sich noch an die SpanischeGrippe und ob man damalsauch in die Armbeuge gehustet
hat. Aber welche Maßnahmenkönnte die Regierung jetztnoch ergreifen? Demnächstkommt die Ausgangssperre und
mehr fällt der Seuchengrokowahrscheinlich nicht mehr ein.Dabei gäbe es durchaus Alter-nativen. Man könnte zum Bei-
spiel einige Tonnen Beruhi-gungsmittel ins Leitungswassermischen, dann fühlen wir uns
so entspannt wie Jens SpahnEnde Februar. Am Wochenendegibt man eine Prise LSD dazu,damit es nicht so langweilig
wird und sich das Bewusstseinerweitert. Sollten diese Maß-nahmen noch immer nichtausreichen, wird es Zeit, den
Bürgern per Wasserhahn einhochdosiertes Schlafmittel zuverabreichen, dann wäre end-
lich Ruhe und der Dax könntenicht mehr unter 1000 fallen.

Zippert zappt

Iten verhafteten den Chefredak-teur der regierungskritischenNachrichtenseite OdaTV amn der Türkei ist der Journa-list genommen worden. Polizis-Baris Pehlivanfest-
6.März in Istanbul.Laut Informationen der un-abhängigen Nachrichtenseite
Bianet wird Pehlivan vorgewor-fen, geheime Informationenverbreitet zu haben. Die Vor-würfe gegen ihn beziehen sich
dabei auf einen Artikel, derkurz vor seiner Verhaftung beiOdaTV erschienen war. Darinberichteten Reporter von
OdaTV über einen angeblich inLibyen getöteten türkischenGeheimdienstmitarbeiter und
veröffentlichten auch dessenVornamen und das Initial sei-nes Nachnamens. Die türkischeRegierung hatte zwar bereits
Ende Februar über den Todmehrerer Militärs in Libyenberichtet, allerdings keine wei-teren Angaben über deren
Identität gemacht.Baris Terkoglu und Hülya KilincNeben Pehlivan wurden mit
auch zwei Reporter von OdaTVfestgenommen. Das Komiteezum Schutz von Journalisten(CPJ) verurteilte die Verhaftun-
gen scharf und kritisierte dietürkischen Behörden.

a#themllFree
Baris Pehlivan JIMKURAS/ CC BY-SA 3.

In Kooperation mitREPORTER OHNE GRENZEN

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normalen Zeiten überquillt von Passanten und Stimmengewirr aus aller HerrenStraße: Zu Fuß läuft er durch das Zentrum von Rom, über die Via del Corso, die inLänder. Aber die Zeiten sind nicht normal. Und manchmal hilft nur noch beten.Das Coronavirus zwingt die Menschen in die Häuser, den Papst bringt es auf dieDas hat Papst Franziskus getan: In der Kirche Santa Maria Maggiore und vor demPandemie angefleht. Egal, ob wir gläubig sind oder nicht, Beistand können wir jetztPestkreuz der Kirche San Marcello al Corso hat er Gott um das Ende der Corona-alle gebrauchen. Auch von oben. VIA REUTERS/

Papa ante portas VATICAN MEDIA

Z


ur Eindämmung der Corona-virus-Pandemie soll das öf-fentliche Leben in Deutsch-
des Virus zu verlangsamen seien Maß-nahmen nötig, die es „so in Deutschlandland drastisch eingeschränktwerden. Um die Ausbreitung
noch nicht gegeben hat“, sagte Bundes-kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mon-tagabend in Berlin. Sie sprach von einer„einmaligen“ Situation. Die Bundesre-
gierung vereinbarte mit den Ministerprä-sidenten der Länder, dass zahlreiche Ge-schäfte geschlossen werden sollen. Aus-genommen sind unter anderem Lebens-
mittelgeschäfte, Getränkemärkte, Apo-theken und Drogerien sowie Tankstellen,Banken, Poststellen, Friseure und Bau-
märkte. den sollen Sonntagsverkaufsverbote aus-gesetzt werden.Wie in verschiedenen BundesländernFür die weiterhin geöffneten Lä-
überall Einrichtungen wie Bars, Klubsund Kneipen, Theater, Opernhäuser undbereits geschehen, sollen außerdem
Museen sowie Spielbanken, Bordelle undSportanlagen zugemacht werden. Dasgilt auch für Spielplätze. Restaurants undHotels sollen geöffnet bleiben dürfen, al-
lerdings auch nur unter Auflagen. Res-taurants und Speisegaststätten dürfendemnach frühestens ab sechs Uhr mor-

soll es neue Regeln geben. So könnte Be-such nur noch einmal am Tag für eineStunde gestattet werden. Für Einrich-Für Krankenhäuser und Pflegeheime
tungen des Gesundheitsdienstes sowiefür Universitäten, Schulen und Kinder-gärten – wenn sie nicht ohnehin ge-
schlossen sind – soll es zudem ein „gene-relles Betretungsverbot“ geben für Men-schen, die sich zuletzt in Risikogebietenim Ausland oder besonders betroffenen
Regionen im Inland aufgehalten hatten.Im Kampf gegen das Virus Sars-CoV-2hatte Deutschland am Montag an denÜbergängen zu Österreich, Frankreich,
Luxemburg und Dänemark sowie zurSchweiz mit strengen Grenzkontrollenbegonnen. Damit soll eine rasante Aus-
breitung des Virus verhindert und dieZahl der Infizierten und Toten niedriggehalten werden. An einigen Grenzüber-gängen bildeten sich mit Beginn der Kon-
trollen längere Staus. Kleinere Straßen –etwa von Frankreich nach Baden-Würt-temberg – wurden komplett gesperrt.
für Europa im Auswärtigen Amt, warntedavor, sich in der Corona-Krise überwie-gend auf nationale Maßnahmen zu kon-Michael Roth (SPD), Staatsminister
zentrieren. „Mir blutet das Herz, wennGrenzen geschlossen, die individuelle

werde ihren Vorschlag den Staats- undRegierungschefs unterbreiten, sagte vonder Leyen. „Je weniger Reisen, desto bes-ser können wir das Virus eindämmen.“
zen großer Notenbanken sind Börsenan-leger weltweit in Panik. Der AusverkaufTrotz Zinssenkungen und Geldsprit-
an den Aktienmärkten nahm am Montagweiter Fahrt auf. Der Deutsche Aktien-index fiel auf den niedrigsten Stand seit 2 013 zurück. In New York brach der Dow
mdJones so stark ein wie seit dem „Schwar-zen Montag“ am 19. Oktober 1987 nichtehr – dem stärksten Kurseinbruch seitem Zweiten Weltkrieg. Dollar und Roh-
ötnlpreis setzten ihre Talfahrt fort. Inves-oren befürchten, dass die Pandemie ei-e weltweite Rezession auslöst.
jetzt gravierend. So schließt der Opel-Mutterkonzern PSA in den kommendenTagen vorübergehend 15 Autofabriken inDie wirtschaftlichen Folgen sind schon
Europa. In Deutschland sind die Standor-te Rüsselsheim und Eisenach betroffen.

Der Autobauer führte als Gründe Unter-brechungen in der Zulieferkette und ei-nen deutlichen Rückgang auf den Auto-mobilmärkten an. Auch FiatChrysler, Re-
nault und Volkswagen kündigten Produk-tionseinschränkungen an.Fluggesellschaften in aller Welt fürch-
verboten um ihre Existenz und rufennach Staatshilfe. Airlines wie Lufthansa,Air France KLM, British Airways und derten nach Grenzschließungen und Reise-
Billigflieger Easyjet fahren ihre Kapazitä-ten herunter, weil fliegen. Baden-Württemberg will in denkommenden Tagen den Passagierflugver-kaum noch Menschen
kehr komplett einstellen. Die Bundesre-gierung sieht aber momentan keine Not-wendigkeit für weitere Hilfen für die
Flugverkehrsbranche. Die bislang verab-schiedeten Maßnahmen – ein ausgewei-tetes Kurzarbeitergeld, Liquiditätshilfenund Steuerstundungen – reichten zu-
nächst aus, sagte der Luftfahrtkoordina-tor der Regierung, Thomas Jarzombek.Später werde entschieden, ob es weitereHilfen geben müsse.
Lufthansa erklärte, die Airline begrüßedas Krisenmanagement der Bundesregie-rung. Die FlugbegleitergewerkschaftEin Sprecher der

Offen sollen nur Läden für


Lebensnotwendiges bleiben


Cöffentliche Leben. Kanzlerin Merkel spricht von „einmaliger“ Situation. Deutsche sollen nicht mehr reisenorona-Krise spitzt sich zu: Bund und Länder beschließen drastische Einschränkungen für das

Bundesliga pausiert bismindestens 2. April

EImmer noch steigen die Infektions-zahlen rasant, kämpfen Ärzte undPflegekräfte gegen das Virus, wäh-in Albtraum, aus dem es keinErwachen gibt – so fühlt sichder Alltag in der Pandemie an.
nahmen ergreift. In dieser Lage ist esvor allem die Wissenschaft, die Hoff-rend ein Land nach dem anderen fürunbestimmte Zeit drastische Maß-
nung spendet. Nie zuvor ist es inmit-ten einer Pandemie gelungen, denAuslöser so schnell zu entlarven und
zu entschlüsseln. Weltweit arbeitenForscher zusammen, um möglichstschnell eine schützende Impfung, einlebensrettendes Medikament zu fin-
den. In dieser Situation hat DonaldTrump versucht, einen ganz beson-ders aussichtsreichen Ansatz mit vielGeld an das eigene Land – und an das
eigene Land allein – zu binden. Erwollte wertvolle Technologie undkluge Wissenschaftler der Firma Cu-
Die Bundesregierung, die sich in derreVac aus Tübingen mit viel Geldnach Amerika locken.Das hat Deutschland aufgerüttelt.
Vergangenheit bei ähnlichen Gele-genheiten gern unter Verweis auf dieKräfte des Marktes zurückgehalten
hat, gab diesmal zu verstehen, dass esGrenzen gibt: „Deutschland stehtnicht zum Verkauf“, formulierte Bun-deswirtschaftsminister Peter Altmai-
er bewusst unfreundlich. Dass ausdem Deal nichts wurde, hat das Landaber vor allem einem zu verdanken:CureVac-Eigentümer Dietmar Hopp


  • und damit ausgerechnet jenemMann, der noch vor wenigen Wochenvon Bundesliga-Chaoten auf üblen
    die Brüder Andreas und ThomasPlakaten ins Fadenkreuz genommenwurde. Der SAP-Gründer und Fuß-ballmäzen Hopp gehört ähnlich wie
    Strüngmann zu den reichsten Men-schen in diesem Land. Und gleichzei-tig zu den wenigen Kapitalgebern, aufdie sich die schwächliche deutsche
    Biotechbranche seit vielen Jahrenverlassen kann.Dass die Branche schwächelt, hat
    nichts mit der Qualität der Forscherzu tun. Tatsächlich ernten viele derIdeen und Technologien, die hierzu-lande erdacht und ertüftelt werden,
    weltweit Bewunderung. Kluge Köpfewie CureVac-Gründer Ingmar Hoerroder Ugur Sahin, Chef der Biotech-Perle BioNtech, werden seit vielen
    Jahren von ihren treuen Kapitalge-bern unterstützt. Und konnten ge-nau deshalb in Ruhe reifen. Vielen
    anderen Biotechfirmen ist das nichtvergönnt. Sie sterben, weil ihnen aufhalbem Wege das Geld ausgeht. Odersie müssen ihre innovative For-
    schung auf Eis legen zugunsten ein-träglicherer Dienstleistungen. Diesebringen zwar keinen medizinischenDurchbruch, aber den Firmen we-
    nigstens Geld in die Kasse. Länderwie Israel, Großbritannien und die


KOMMENTAR
IIIinvestierennvestierenn Biotech
ANJA ETTEL

**D2,80EUROBNr. 65

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Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser


wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen


uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das


Recht der Kürzung vorbehalten. Aufgrund der


sehr großen Zahl von Leserbriefen, die bei


uns eingehen, sind wir leider nicht in der Lage,


jede einzelne Zuschrift zu beantworten.


Was wäre denn, wenn es plötzlich
heißt: Ich hab mich im Drogenrausch
mit Corona angesteckt. Wieso passiert
nichts, wenn sich jemand auf Ectasy in
den Tod tanzt?

YYYASMIN SAOI, WELT-COMMUNITYASMIN SAOI, WELT-COMMUNITY


Die Clubbetreiber handeln richtig und
verantwortungsvoll. Die Gäste übri-
gens auch. Obwohl sie die wirtschaft-
lich Leidtragenden sind, übernehmen
sie als Unternehmer die Verantwor-
tung. SIMON BAUER, WELT-COMMUNITY

Frage der Herkunft


Zu: „Merkels zweiter 1989-Moment“
vom 14. März

Es gibt aber auch viele Ostdeutsche
oder Westdeutsche, die unser Land

ren. Ostdeutsche haben tatsächlich
zwei Erfahrungen voraus: den Zusam-
menhalt in einer Gesellschaft und das
Bewältigen von krisenhaften Situatio-
nen. Deshalb regiert Merkel unaufge-
regt.CHRISTIAN NISSLER, WELT-COMMUNITY

Endlich aufgewacht


Zu: „Die Politik verliert ihre rechts-
staatliche Orientierung“ vom 7. März

Als Verfassungsrichter hatte Papier auf
die Rechtsstaatlichkeit vertraut. Er hat
die Intoleranz der Linken unterschätzt.
Herr Papier ist endlich aufgewacht.

STEFAN KRÜGER, WELT-COMMUNITY


Wenn man den langen, aber kontinuier-
lichen Weg der Linken anschaut, dann
sieht man einen langen Marsch durch

die Instanzen der alten Bundesrepublik
in den Schulen, Behörden und Medien.
Und immer waren irgendwie die DDR
und die SED im Hintergrund.

VOLKER ZELL, WELT-COMMUNITY


Das derzeitige moralische Klima in
Deutschland in Politik und Gesellschaft
verteufelt jede, sogar fundierte, Kritik.
Logisches Denken und Argumentieren
wird mit den moralischen Keulen er-
schlagen. Das Dilemma ist, dass der
Natur Moral völlig unbekannt ist. Da
gilt das Gesetz „friss oder stirb“. Die
Moral ist die Erfindung einer der Natur
entrückten menschlichen Gesellschaft.
Wir sollten den Verstand gebrauchen.
Alles andere ist nur die Fortsetzung der
Zerstörung natürlicher Lebensgrund-
lagen und zivilisatorischer Errungen-
schaften.

RALF-GERD TACKE, WELT-COMMUNITY


LESERBRIEFE


2015 nicht in die Krise geführt hätten.
Führungsstil hat nichts mit der Her-
kunft innerhalb Deutschlands zu tun,
sondern mit dem Willen, dem Staat
und den Bürgern zu dienen und Scha-
den von ihnen abzuwenden.

DANIEL KRAUSE, WELT-COMMUNITY


Der Artikel trifft den Kern. Wenn man
die Situation in Deutschland mit ande-
ren Ländern vergleicht, steht Deutsch-
land aktuell sehr gut da, insbesondere
weil auch unsere Forschung gut und
breit aufgestellt ist. Wir haben noch
lange nicht die Situation wie beispiels-
weise in Italien, und Panik ist immer
ein schlechter Ratgeber. Interessant ist,
das insbesondere Westdeutsche jetzt
nach Führung rufen. Nach der Wende
haben mir die erklärt, der Staat küm-
mert sich jetzt nicht mehr um dich, du
musst das jetzt alles selber organisie-

Drogenkonsum


wird schöngeredet


Zu: „Berlins Vernunft hört Techno“
vom 15. März

Stammgäste des Berghain sind positiv
getestet worden. Nur spricht man nicht
gerne davon. Dass das Berghain als
einer der ersten Clubs schloss, ist wohl
nicht nur auf Vernunft zurückzuführen.

SIEGLINE NICOLAISEN, WELT-COMMUNITY


Als Arzt musste ich leider schon meh-
rere jugendliche Drogentote erleben
und finde es mehr als bedenklich, wenn
Drogenkonsum schöngeredet wird.

DR. GUIDO RABAST, WELT-COMMUNITY


Das mag für die Betreiber zutreffen,
schließlich geht es um Geld und Image.

A


lles-ist-jetzt-anders ist das neue
Normal. Wie die Menschen
üüüberall auf der Welt damit um-berall auf der Welt damit um-
gehen, ist großartig. In einer katastro-
phalen Lage zu versuchen, im Schlech-
ten das Gute zu finden, schafft Zuver-
sicht. Und die Zuversicht ist die ver-
nünftigere Schwester der Hoffnung.
Für moralindurchtränkte Sozialroman-
tik aber taugt die jetzige Situation
nicht: Der Trost derjenigen, die Ent-
schleunigung, Verzicht und Rückbesin-
nung auf das Existenzielle als positiven
Effekt der akuten Krise werten, ist ein
trügerischer.
Das Leben vor Corona war kein be-
sinnungsloses, sondern das einer Ge-
sellschaft, die voranschreitet, sich ver-
netzt, sich daran versucht, nationale
Grenzen zu überwinden, eben eine
Gesellschaft, der die Welt offenstand.
Wir haben in einem globalen Dorf ge-
lebt, das nun durch das Virus in seine
Einzelteile zerfällt. Jetzt bleibt uns
selbst die Tür unseres Nachbarn ver-
schlossen, weil im Moment soziale
Enthaltsamkeit geboten ist. So notwen-
dig und richtig die derzeit ist – positiv
ist daran nichts.
Die Beschränkungen, zu denen das
Virus uns zwingt, als Chance zu sehen,

von dem Höher-schneller-weiter run-
terzukommen, dem die Gesellschaft
verfallen sei, ist dumm. In Deutschland
zeigt sich gerade jetzt, dass es gar nicht
zu hoch, zu schnell, zu weit gehen
kann. In der Digitalisierung zum Bei-
spiel ist das Land weder effizient noch
ambitioniert gewesen. Nun, wo alle,
deren Beruf es zulässt, von zu Hause
arbeiten, sämtliche Schulen geschlossen
sind und Unterricht nur noch online
stattfinden kann, macht sich das be-
merkbar. Das Digitale, von Kulturpessi-
misten und Fortschrittsskeptikern als
Hort der menschlichen Entfremdung
verfemt, hält Arbeitsprozesse, die Mög-
lichkeit zu lernen und soziale Inter-
aaaktion aufrecht. Es ist zu unserem Zu-ktion aufrecht. Es ist zu unserem Zu-
fffluchtsort geworden. Die sozialen Me-luchtsort geworden. Die sozialen Me-
dien ersetzen den real nicht mehr statt-
fffindenden gesellschaftlich-kulturellenindenden gesellschaftlich-kulturellen
AAAustausch: Musiker streamen Konzerteustausch: Musiker streamen Konzerte
aus ihrem Wohnzimmer, im Home-
office Sitzende teilen ihre Erfahrungen,
und auch die Hardcore-Feministinnen
haben hier einen Platz, um publikums-
wirksam ihre Gendersternchendebatten
fffortzusetzen, wenn Markus Söder Ärzteortzusetzen, wenn Markus Söder Ärzte
in der Elternzeit reaktivieren will.
WWWenn eine Chance in der Corona-enn eine Chance in der Corona-
Krise liegt, dann ist es die Einsicht, die
Digitalisierung endlich konsequent
anzugehen, eine KI-Strategie zu ent-
wickeln, deren Inhalte und Finanzie-
rung dem Namen gerecht werden, und
digitale Plattformen nicht als Parallel-
welt zu begreifen, sondern als Teil
unseres echten Lebens.

Das Digitale hält uns zusammen


PLATZ DER REPUBLIK


DAGMAR ROSENFELD


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