Süddeutsche Zeitung - 18.03.2020

(Elliott) #1
von bernd kramer

I


rgendwo in diesem Land, das den
Rückzug in die häusliche Abschot-
tung längst antritt, soll es sie immer
noch geben: Chefs, die ihre Mitarbeiter
unbeirrt Morgen für Morgen ins Büro be-
stellen – egal was die Infektionszahlen sa-
gen. Selbstverständlich können nicht alle
ins Home-Office wechseln. Pflegekräfte,
Essenslieferanten, Verkäufer im Super-
markt, Polizisten – sie können nicht ein-
fach ihre Schicht am heimischen Schreib-
tisch ableisten. Sie brauchen in diesen Zei-
ten besondere Unterstützung und die An-
erkennung, die sie sonst zu selten erfah-
ren. Dass aber Arbeitgeber weiterhin
auch die Menschen kommen lassen, de-
nen sie die Arbeit von zu Hause ermögli-
chen könnten, ist unverantwortlich, fahr-
lässig, rücksichtslos und unsolidarisch.
In Krisenzeiten wie diesen rächt sich
der Präsenzfetisch deutscher Unterneh-
men. Er könnte schon bald als großer
Seuchenbeschleuniger dastehen.
Zwölf Prozent der Beschäftigten in
Deutschland arbeiten gelegentlich von
zu Hause, obwohl es bei 40 Prozent mög-
lich wäre, hielt das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung vor einigen Jahren
fest. Beim Home-Office liegt Deutsch-
land unter dem EU-Schnitt. Und es schei-
tert nicht an den Arbeitnehmern. Es sind
die Unternehmen, die die Heimarbeit ver-
wehren. Da mögen die Corona-Krisenstä-
be der Konzerne in den vergangenen Ta-
gen den Ratsuchenden zwar empfohlen
haben, sie sollten im Zweifelsfall doch
mit den Vorgesetzten die Möglichkeiten
der Heimarbeit ausloten – wenn die
Chefs und Chefinnen zuvor bei jeder sich
bietenden Gelegenheit signalisiert ha-
ben, dass Home-Office nicht gern gese-
hen ist, schleppt man sich eben doch
hüstelnd zur Arbeit.
Die SPD hat bereits mehrere Anläufe
unternommen, um einen Rechtsan-
spruch aufs Home-Office zu schaffen. Sie
scheiterte an der Union – und an den Ar-
beitgeberverbänden, welche die Idee als
„künstlich und überflüssig“ bezeichne-
ten. Auch mit einem Home-Office-Ge-
setz würden die Bäcker und die Busfahre-
rin nicht von zu Hause arbeiten können.
Aber viele Beschäftigte hätten zumindest
die bessere Verhandlungsposition, die dif-
fuse Präsenzkultur wäre nicht mehr ganz
so unantastbar und absolut.


Unternehmen plagt die Sorge, dass
Beschäftige im Home-Office der diszipli-
narischen Kommandogewalt entgleiten
könnten. Dabei ist es ein Gerücht, dass
die Heimarbeit zum Schlendrian verfüh-
re. Die Wirklichkeit ist komplizierter,
und vor allem: Es ist keineswegs so, dass
das Home-Office, wie es sich in der Krise
vielleicht nun etabliert, automatisch als
Geländegewinn der Arbeitnehmer zu ver-
buchen wäre. Zahlreiche Studien, etwa
der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-
Stiftung, zeigen: Beschäftigte sind zwar
zufriedener, wenn sie das Gefühl haben,
über Ort und Zeit ihrer Arbeit selbst be-
stimmen zu können. Die gleichen Stu-
dien zeigen mitunter aber auch: Wer zu
Hause arbeitet, dem gelingt die Tren-
nung zwischen Beruflichem und Priva-
tem schlechter, die Arbeit entgrenzt, man
verharrt in einem ständigen Standby-
Modus. Ein Mittel der Entlastung führt
gleichzeitig zu neuen Belastungen.
Die menschliche Psychologie bewirkt
paradoxe Effekte: Im Home-Office arbei-
tet man nicht weniger, sondern oft sogar
mehr – um dem Verdacht vorzubeugen,
man lasse es daheim allzu locker ange-
hen. Oder aus einem diffusen Dankbar-
keitsgefühl heraus, weil die Chefin etwas
ermöglicht, was in diesem Land nicht
selbstverständlich ist. Dass umgekehrt
auch dieser Einsatz gesehen und wertge-
schätzt würde, kann man nicht behaup-
ten: Untersuchungen zeigen, dass die Ar-
beitsleistung von Menschen, die ihr Pen-
sum zu Hause abarbeiten, in den Unter-
nehmen eher schlechter bewertet wird.
Zur Paranoia vieler Unternehmen ge-
hört auch, dass sie ihre Mitarbeiter gar
nicht mehr zu Gesicht bekämen, wenn sie
die Präzedenzfälle schaffen und die Heim-
arbeit coronagetrieben ermöglichen. Ei-
ne der Freuden der Arbeit besteht darin,
unter Menschen zu sein. Dieser Tage sah
man viele Kollegen, die sich vor dem
Gang ins Home-Office voneinander ver-
abschiedeten: Es dauert hoffentlich nicht
allzu lang, bis wir uns wiedersehen. Hier
im Büro.


von wolfgang janisch,
lena kampf, klaus ott,
annette ramelsberger,
jan willmroth
und nils wischmeyer

D


ie Entscheidung fiel dem Richter so
schwer, dass ihm am Dienstag kurz
die Stimme versagte. Denn eine der
Schöffinnen im Cum-Ex-Prozess ist älter
als 65, gehört also zur Risikogruppe für das
Coronavirus. Aber ohne sie geht es nicht.
Deswegen habe man sich zusammen mit
ihr dazu entschieden, den Strafprozess
fortzusetzen, sagte der Richter – aller-
dings in einer Art interner Quarantäne: Die
Frau saß laut Anwesenden mit Mund-
schutz im Gericht, isoliert in einer Ecke des
Saals, weit weg von Anwälten und Prozess-
beobachtern.
Wegen der Coronavirus-Krise sollte der
Dienstag ohnehin einer der letzten Prozess-
tage des Großverfahrens werden. Das Ge-
richt hatte sich entschieden, den Prozess
deutlich abzukürzen: Denn was wäre,
wenn die angeklagten britischen Ex-In-
vestmentbanker nicht mehr aus Großbri-
tannien und Irland einreisen können? Was,
wenn es unter den Prozessbeteiligten ei-
nen Corona-Verdachtsfall gäbe und wo-
chenlang keiner von ihnen mehr sein Haus
verlassen könnte? In der Hoffnung, bis
zum Ende dieser Woche ein Urteil fällen zu
können, einigte man sich darauf, die Plädo-
yers vorzuziehen. Gegen vier der fünf am
Prozess beteiligten Finanzfirmen will das
Gericht später verhandeln.
Die deutsche Justiz ist für ihre Gewissen-
haftigkeit bekannt, aber nicht unbedingt
für ihre Geschwindigkeit. Unter dem
Druck der Corona-Krise zeigt sie aber plötz-
lich, dass sie spurten kann, nicht nur im
Bonner Cum-Ex-Prozess. Überall werden
Plädoyers und Urteile vorgezogen, um

noch schnell langwierige Prozesse abzu-
schließen. In Hamburg hat sich das Ober-
landesgericht (OLG) in einem Verfahren ge-
gen einen IS-Anhänger mit Anklage und
Verteidigung darauf geeinigt, statt nächste
Woche schon am Donnerstag das Urteil zu
sprechen. „Man will dem Virus zuvorkom-
men“, sagt OLG-Sprecher Kai Wantzen.
In anderen Verfahren war das Virus
schon schneller: Im Prozess wegen der Rat-
hausaffäre in Hannover zum Beispiel, wo
sich der Verteidiger des wegen schwerer
Untreue angeklagten Ex-Oberbürgermeis-
ters Stefan Schostok in Quarantäne bege-
ben hat. Er hatte sich in einem Risikogebiet
aufgehalten.
So etwas könnte zu weitreichenden Pro-
blemen führen, bis hin zum Platzen des Ver-
fahrens. Denn wird ein Strafprozess für
mehr als drei Wochen unterbrochen, muss
er erneut beginnen, die gesamte Beweis-
aufnahme muss wiederholt werden – ein
unglaublicher Aufwand. Das Bundesjustiz-
ministerium bereitet deshalb gerade eine
gesetzliche Regelung vor, um das zu verhin-
dern. Die Regelung würde es den Gerich-
ten erlauben, eine Hauptverhandlung für
drei Monate und zehn Tage zu unterbre-
chen. Voraussetzung wäre, dass die Haupt-
verhandlung aufgrund von Infektions-
schutzmaßnahmen nicht ordnungsgemäß
durchgeführt werden kann.

Dennoch beeilt sich die Justiz gerade
überall in Deutschland: In Regensburg war
das Urteil gegen den Geschäftsführer der
Firma Bayern-Ei, der wissentlich mit Sal-
monellen verseuchte Eier verkauft hatte,
eigentlich für den 26. März geplant. Nun

drängten sich am Dienstag nicht nur die
Plädoyers von Anklage und Verteidigung,
sondern auch noch das letzte Wort des An-
geklagten und kurz darauf das Urteil: eine
Bewährungsstrafe. Wo man keine Chance
mehr hat, noch schnell Verfahren abzu-
schließen, wird vertagt – bis weit in den
April hinein. Das OLG Celle hat die Termi-
ne für die mündliche Verhandlung im Kapi-
talanleger-Musterverfahren gegen Por-
sche und VW diese Woche „in Anbetracht
der allgemein empfohlenen Maßnahmen
zur Vermeidung einer weiteren Ausbrei-
tung des Coronavirus“ aufgehoben. Weiter-
gehen soll es erst am 29. April.
Sogar das Bundesverfassungsgericht
verschob die für kommende Woche ange-
kündigte Urteilsverkündung zu den Anlei-
hekäufen der Europäischen Zentralbank
auf Anfang Mai, auch der Europäische Ge-
richtshof in Luxemburg wird in den nächs-
ten Wochen nur noch wenige Termine ab-
halten. In Straßburg hat der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte sein Ge-
bäude für die Öffentlichkeit geschlossen.
Und in Bayern rief der Verwaltungsge-
richtshof dazu auf, den Sitzungsbetrieb an
allen Verwaltungsgerichten bis zum


  1. März komplett einzustellen.
    Die Justiz fährt den Betrieb herunter –
    aber sie stellt ihn nicht ein. Termine bei Ge-
    richten und Staatsanwaltschaften soll es
    zwar nur noch in dringenden Fällen geben,
    Prozesse nach Möglichkeit verschoben
    werden, heißt es. Was immer sich schrift-
    lich oder telefonisch klären lässt, soll so ge-
    klärt werden. Es wird aber weiterhin ent-
    schieden, gerade auch, wen jemand unter
    Betreuung gestellt werden oder ein Kind
    aus einer Familie geholt werden muss.
    Auch Haftsachen dulden keinen Aufschub.
    Die Gerichte gehen in den Krisenmo-
    dus. Das zeigen Antworten aus Baden-
    Württemberg, Hessen, dem Saarland, Sach-


sen-Anhalt, Niedersachsen und Bremen
auf eine Umfrage bei den Justizministeri-
en. Wobei die Ministerien zweierlei beto-
nen: Die Unabhängigkeit der Justiz – die
Gerichte entscheiden selbst. Und: Was
wichtig ist, wird erledigt. Werde ein Täter
auf frischer Tat ertappt, dann könne er
auch weiterhin dem Haftrichter vorge-
führt werden, sagt Baden-Württembergs
Justizminister Guido Wolf. „Der Rechts-
staat funktioniert auch in der Krise.“

Wer weiterverhandelt, der tut das in Er-
wartung des Virus. Im Prozess wegen eines
Auftragsmords in Freiburg müssen die Be-
sucher jeweils einen Platz zwischen sich
freihalten, im Prozess gegen den früheren
OB von Hannover mussten zwischen den
Besuchern sogar je zwei Sitze freibleiben.
Statt einer gemeinsamen Anklagebank für
die drei Angeklagten gab es Einzeltische.
Bayerns Justizministerium hat den
Staatsanwälten empfohlen, bereits vorlie-
gende Anklagen in Strafbefehle umzuwan-
deln, um so Prozesse zu vermeiden – so
weit das eben geht. In Zivilsachen sollen
bis zu einem Streitwert von 600 Euro keine
mündlichen Verhandlungen mehr geführt
werden. Man soll sich am Telefon oder per
Mail einigen. In Hamburg sollen Haftprü-
fungen als audiovisuelle Anhörung per
Tablet durchgeführt werden, also quasi
live aus der Haft. Die Vollstreckung von Er-
satzfreiheitsstrafen, zum Beispiel wegen
Schwarzfahrens, soll aufgeschoben wer-
den, auch der Jugendarrest wird nicht voll-
zogen. Und Verurteilte, die nun ihre Haft
antreten wollen, kommen nicht rein: Die
Gefängnisse schützen sich nun auch gegen

Eindringlinge von außen – in diesem Fall
gegen das Coronavirus. Die hessische Jus-
tiz will Personen den Zutritt sogar zu den
Gerichtsgebäuden untersagen, wenn sie in
den vergangenen zwei Wochen in Öster-
reich, der Schweiz oder den französischen
Alpen waren.
Doch all das wird wohl nicht genügen.
Vor dem Landgericht München wurden
am Dienstag bereits Prozesstermine abge-
sagt, weil ein Sachverständiger und weite-
re Verfahrensbeteiligte sich in „freiwillige
Quarantäne“ begeben haben: Sie waren im
Urlaub in den Alpen oder hatten Kontakt
zu jemandem, der unter Corona-Verdacht
steht. Und auch der schon vier Jahre wäh-
rende TKP/ML-Staatsschutz-Prozess ge-
gen neun Angeklagte vor dem OLG Mün-
chen kann nicht in die Schlussphase ge-
hen. Drei Angeklagte müssten aus der
Schweiz, Frankreich und Österreich anrei-
sen. Für diese Woche wurden die Termine
erst mal abgesetzt. Am Montag soll es wei-
tergehen – allerdings weiß niemand, ob
man dann überhaupt noch nach Deutsch-
land einreisen darf, selbst wenn man eine
Ladung des Gerichts vorweisen kann.
Immer mehr Anwälte appellieren nun
an die Gerichte, die Verhandlungen zu ver-
legen. Sie befürchten Ansteckungsgefahr
auf den Zugreisen und im Gericht. Die Ver-
teidiger im TKP/ML-Prozess schreiben:
„Regelmäßig sind in dem Großverfahren
inklusive Dolmetscher und Wachpersonal
mehr als 56 Personen auf engstem Raum
anwesend.“ Außerdem gehörten einige der
Angeklagten zur Hochrisikogruppe für
den Fall einer Ansteckung mit dem Corona-
virus. Der Vorsitzende Richter hat nun an-
gekündigt, Vorsicht walten zu lassen: Die
körperlichen Untersuchungen sollen bis
auf Stichproben reduziert werden. Außer-
dem gebe es im Gerichtssaal ja Desinfekti-
onsmittel.

New York– Ein Scheck vom Staat? Was
vor kurzem noch als spinnerte Idee einiger
Ökonomen galt, könnte in Zeiten des Coro-
navirus tatsächlich Realität werden: US-Fi-
nanzminister Steven Mnuchin kündigte
am Dienstag bei einer gemeinsamen Pres-
sekonferenz mit Präsident Donald Trump
an, die Regierung wolle Millionen Bürgern
so schnell wie möglich Bar-Schecks zusen-
den, um den Menschen dabei zu helfen, die
wirtschaftlichen Folgen der Krise zu meis-
tern. „Die Amerikaner brauchen jetzt Bar-
geld. Und mit jetzt meine ich: in den nächs-
ten zwei Wochen“, erklärte er.
Mnuchin verwies darauf, dass in den
vergangenen Tagen zahllose Betriebe im
Land hätten schließen müssen, darunter
Restaurants und Bars. Viele Arbeitnehmer
erhalten deshalb keinen Lohn mehr. Wie
hoch die Geldüberweisungen ausfallen sol-
len und ob tatsächlich alle Amerikaner be-
dacht werden, blieb allerdings zunächst un-
klar. Politiker von Republikanern und De-
mokraten hatten einen Betrag von mindes-
tens 1000 Dollar pro Erwachsenem vorge-
schlagen, manche fordern sogar, den Bür-
gern über Monate Schecks zu schicken.
Zahlungen per Scheck sind in den USA
immer noch üblich, viele Menschen beglei-
chen etwa ihre Steuern, indem sie per Post
einen Scheck ans Finanzamt schicken. Da
es in den USA aber kein Meldewesen euro-
päische Prägung gibt, ist unklar, ob und

wie tatsächlich alle Bürger an ihr Geld kom-
men würden. Der Finanzminister betonte,
dass besonders reiche Amerikaner keinen
Scheck erhalten sollten. Er verwies zudem
auf Trumps wiederholte Forderung, Fir-
men und Beschäftigten die Zahlung von So-
zialabgaben bis Jahresende zu erlassen. Ar-
beitslose, Selbständige und Gelegenheits-
jobber hätten davon jedoch nichts, zudem
erreichten die Steuererleichterungen die

Menschen nur monatsweise und in klei-
nen Portionen. Mnuchin betonte deshalb,
man brauche eine Methode, mit der das
Geld „schnell und zielgenau ankommt“.
Die Zahlungen sind Teil eines geplanten
Konjunkturpakets, mit dem sich Trump ei-
ner Rezession entgegenstemmen will, und
das den Staat mehr als eine Billion Dollar
kosten könnte. 50 Milliarden Dollar sollen
allein an die großen Fluggesellschaften
des Landes gehen, die nach den von der Re-
gierung verhängten Reiseverboten beson-
ders zu kämpfen haben. Einige Airlines ha-
ben angekündigt, ihren Flugplan um bis zu
90 Prozent zusammenzustreichen.
Das Repräsentantenhaus hatte in den
vergangenen Tagen bereits zwei sehr viel
kleinere Konjunkturpakete verabschiedet,
die nach jüngsten Schätzungen von Exper-
ten aber bei Weitem nicht ausreichen wer-
den, um eine Wirtschaftskrise abzuwen-
den. Wie das neue, dritte Paket im Detail
aussehen soll, war am Dienstagnachmit-
tag noch nicht bekannt. Neben den Repu-
blikanern arbeiten auch die Demokraten
im Senat an einem Konjunkturprogramm.
Es soll ein Volumen von mindesten 750 Mil-
liarden Dollar haben. Allerdings hat der Se-
nat bisher noch nicht einmal das zweite
Konjunkturprogramm verabschiedet, auf
das sich Republikaner und Demokraten im
Repräsentantenhaus vor Tagen verstän-
digt hatten. claus hulverscheidt

Im Namen des Virus


Das Coronavirus bringt die Abläufe im Rechtsstaat durcheinander. Prozesse werden beschleunigt oder verschoben.
Trotzdem drohen viele Verfahren wegen der Epidemie zu platzen. Das will die Regierung nun mit einem neuen Gesetz verhindern

Frankfurt– Die Bundesbank hält es für
ausgeschlossen, dass es aufgrund der Coro-
na-Epidemie zu Engpässen bei der Bar-
geldversorgung in Deutschland kommen
wird. „Wir haben mehr Geld gedruckt, als
wir brauchen. Die Tresore sind voll bis
oben hin“, sagte der zuständige Bundes-
bankvorstand Johannes Beermann am
Dienstag in Frankfurt. Die Geldautomaten
würden regelmäßig bestückt, nun auch an
Samstagen. Am Montag hätten die Bargeld-
auszahlungen der Bundesbank zwar über
dem Durchschnitt gelegen. „Die Banken
haben ihre Eigenbestände aufgestockt,
um die Nachfage der Kunden zu befriedi-
gen“, sagte Beermann. „Viele Menschen
haben jetzt den Wunsch, mehr Bargeld zu
Hause zu haben.“ Beermann teilte mit, die
Nachfrage nach großen Geldscheinen wie
100 und 200 Euro habe etwas zugenom-
men. „Wir sehen da eine Tendenzverstär-
kung.“ Die Bundesbank sorge aber dafür,
dass die Bargeldversorgung im Land funk-
tioniere. „Das Bargeld wird nicht ausge-
hen, die Logistik stimmt.“
In der Finanzkrise 2008 kam es in ganz
Europa zu einem Bankenansturm. Bürger
wollten ihr Geld abheben, aus Furcht, es
könne im Zuge einer Bankenpleite verlo-
ren gehen. Diese plötzliche Nachfrage
brachte einige Banken in Schwierigkeiten.
Beispielsweise in Griechenland wurde die
Bargeldauszahlung daraufhin zeitweise be-

schränkt. In Deutschland ist die Bargeld-
nutzung etwa im Vergleich zu skandinavi-
schen Ländern noch weit verbreitet. Drei
von vier Vorgängen an der Ladenkasse
würden in bar abgewickelt, so die Bundes-
bank. „Im Schnitt bezahlt jeder 1,2-mal
pro Tag mit Bargeld“, so Beermann. Viele
Menschen fragen sich in der aktuellen Si-
tuation, ob sie sich durch Bargeldnutzung
dem Risiko einer Corona-Ansteckung aus-
setzen. In China haben die Behörden Geld-
scheine desinfiziert. In den USA werden
Dollar-Banknoten, die in Asien gebraucht
wurden, weggeschlossen.
Ist diese Vorsicht auch für die Euro-No-
ten und -Münzen notwendig? „Ich halte die-
se Maßnahmen für überzogen und unsin-
nig“, sagte der Leiter des Gesundheitsam-
tes der Stadt Frankfurt, René Gottschalk,
im Rahmen der Bundesbank-Pressekonfe-
renz. Das Coronavirus werde durch Tröpf-
cheninfektion übertragen, also besonders,
wenn Menschen husten oder niesen. „Die
Infektion braucht eine große Anzahl von
Viren“, so Gottschalk. Diese notwendige
Keimzahl dürfte weder auf Geldscheinen,
noch auf Münzen erreichbar sein, genauso
wenig wie auf Tischen oder Koffern, sagte
Gottschalk weiter, der dennoch zu regelmä-
ßigem Händewaschen rät. Doch wenn das
Virus tatsächlich über Geldscheine übertra-
gen würde, so der Experte, wären die Fall-
zahlen höher. markus zydra

Mittwochsporträt


Dietmar Hopp, von Fußballfans


geschmäht, könnte in der Krise


zum Retter werden 16


Und plötzlich alle online


Ist das deutsche Netz


bereit dafür,


dass alle zu Hause sind? 22


Aktien, Devisen und Rohstoffe 20,


 http://www.sz.de/wirtschaft


DEFGH Nr. 65, Mittwoch, 18. März 2020 HF2 15


US-Präsident Donald Trump und sein Fi-
nanzminister Steven Mnuchin kündigen
umfangreich Hilfen an. FOTO: REUTERS

HOME-OFFICE

Firmen, stellt


euch um


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Trump will US-Bürgern im Rahmen eines Billionen-Konjunkturpakets Schecks schicken


Immer mehr Anwälte
appellieren an die Gerichte,
die Verhandlungen zu verlegen

„Tresore sind voll“


Bundesbank beruhigt: Es gebe genug Bargeld für Deutschland


HEUTE


WIRTSCHAFT


Bald auch unter Quarantäne? Das zwischen 1902 und 1906 erbaute Kriminalgericht Moabit an der Turmstraße in Berlin. FOTO: REGINA SCHMEKEN

Die Justiz fährt den
Betrieb herunter – aber
sie stellt ihn nicht ein

Heimarbeit verführt nicht


automatisch zum Schlendrian.


Die Realität ist komplizierter

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