Berliner Zeitung - 18.03.2020

(Axel Boer) #1

DerHerrderViren:Corona-ErklärerChristianDrosten– Seite


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Mittwoch, 18. März 2020 Nr.66HA-76. Jahrgang
Auswärts/D*: 1.70€–Berlin/Brandenburg: 1.60 €

Wolken und Sonne
Wetter Seite 2

6°/16°


DieUefaverschiebt


dieFußball-EM


Sport Seite


DiePlänederBVGfürden


AusbauderU-Bahn


BerlinSeite


Lebenundarbeitenauf


derInselWangerooge


Panorama Seite


30Tage


Einreiseverbot


indieEU


DeutschlandwillRegelung
sofortumsetzen

B


undesinnenministerHorst See-
hofer (CSU) hat zur Eindäm-
mung der Infektionsgefahr durch
das Coronavirus ein faktischesEin-
reiseverbotfürNicht-EU-Bürgeran-
geordnet.Essollzunächstfür30Tage
gelten. Wiedas Innenministerium
am Dienstagabendmitteilte,betrifft
dasVerbotalleFlügeundSchiffsrei-
sen,dieihrenAusgangspunktaußer-
halbder EuropäischenUnionhaben.
Zuvo rhattensichdieStaats-und
Regierungschefs der 27 EU-Staaten
auf zusätzliche Einreisebeschrän-
kungen für den Schengenraumver-
ständigt.Kanzlerin Angela Merkel
sagteamAbend,bisaufganzwenige
AusnahmenwürdendasalleLänder
nunsoinKraftsetzen.„Deutschland
wirddassofor tumsetzen.“
Ausnahme ngibt es lautBundes-
innenministerium fürDrittstaatan-
gehörigemitlängerfristigemAufent-
haltsrechtineinemEU-Staat.Werei-
nen dringendenEinreisegrund hat,
wieeineBeerdigungodereinenGe-
richtste rmin, muss dafür die ent-
sprechendenNachweisemitführen.
StaatsangehörigenvonEU-Staa-
tenundihrenAngehörigenwirddie
Durchreise durchDeutsc hland ge-
stattet. Dasgilt auch für Bürger aus
Großbritannien, Island, Liechten-
stein,NorwegenundderSchweiz.
Deutsc hlandunddieanderenEU-
Staatenreagierendamitauchaufeine
am Montag vonEU-Kommissions-
präsidentinUrsulavonderLeyenge-
gebene Empfehlung. Seit Montag-
früh geltenEinreisesperren an den
Grenzen zu fünf Nachbarländern
Deutschlands: Österreich, Luxem-
burg, Frankreich,Dänemarkunddie
Schweiz.SeehoferhatteschonEnde
Februardaraufgedrungen,denRei-
severkehr nachDeutsc hland einzu-
schränken, um dieAusbreitung des
Coronaviruseinzudämmen.
DieStaats- undRegierungschefs
sprachenamDienstagauchüberden
gemeinsamenKampfgegendiewirt-
schaftlichenFolgen derPandemie.
Wichtig sei es,den Fluss vonWaren
aufrechtzuerhalten, sagteMerkel. Es
müssemit„sehrernstenKonsequen-
zen“fürdieWirtschaftgerechnetwer-
den,denensichdieEU„entschieden“
entgegenstellen wolle.Dazu gehöre
entscheidend dieBewe gungsfreiheit
für Güter undWarenimB innen-
markt,unterstrichMerkel. (dpa)

DerTeenager,


derdieWelt


informiert


VonSebastian Moll

A


viSchiffmannsgroßesVorbildist
SteveJobs,und wie derApple-
GründermöchtederTeenager,wieer
sagt,einmaldieWeltverändern.
Dasistnichtungewöhnlichfürei-
nen17-Jährigen,derineinemVorort
vonSeattle aufgewachsen ist, wo
eine ungewöhnlich großeDichte an
Managernaus der Technologie-
Branche herrscht. Doch anders als
die meisten sei-
ner Altersgenos-
sen ist der be-
kennende Nerd
inden verg ange-
nenWochen sei-
nem großenZiel
deutlich näher
gekommen.
Schon imDe-
zember hat
Schiffmann da-
mit angefangen,
aneiner Websitemitaktuellen,zuver-
lässigenDaten zur Verbreitungvon
Covid-19zubasteln.Jetzt,dasichdas
Coronavirus zu einerPandemie mit
AuswirkungenaufdasLebenvonMil-
liarden vonMenschenentwickelthat,
ist SchiffmannsSeite ncov2019.live
zu einer der beliebtestenInformati-
onsquellenüberhauptgeworden.
Vergangene Woche hat Schiff-
mannsSeitedie Markevonzwei Mil-
lionen Besuchernüberschritten,
mehr als 300000Menschen nutzen
siejedenTag.Dor tfindensiedieaktu-
ellen Zahlen der bestätigtenCovid-
19-Fälle nach Land, Region und
Stadt,die Zahlder Geheilten,Verstor-
benen und der schweren Fälle.Eine
interaktiveKarte bietet einen Über-
blicküberdieVerbreitungsowieaktu-
elleDaten,esgibtInformationenzur
Prävention,zuReisebeschränkungen
und wichtigeKontakte.Der Erfolg
der Seite beruht darauf, dass Schiff-
mann die aktuellsten und zuverläs-
sigsten Daten bietet und sie über-
sichtlich aufbereitet. Als bisher ein-
zigeWebsite führterinE chtzeit die
Informationen globaler,nationaler
undlokalerBehördenzusammen.
DieSeite ist nicht die ersteIdee
vonSchiffmann, der neben seiner
Programmier-Leidenschaft Skiren-
nen fährt.Er programmiert, seit er
siebenJahrealtist,zuseinenvoran-
gegangenenProjektengehörteneine
WebsitemitanimiertenStrichmänn-
chen-Cartoons und eineSeite mit
derWettervorhersagefürdenMars.
DasVirus hat ihm nun zum
Durchbruch alsInternet-Unterneh-
mer verholfen. Schiffmann hatte
das,wasallegroßenNamenindieser
Branche einmal hatten: dierichtige
Idee zur richtigen Zeit. DieQuaran-
täne nutzt er dazu, beständig sein
Produktzuverbessern–vonmittags
um zwei bis morgens um fünf, sagt
er,sitzeero ftaufseinemBett,lerne
per YouTube neueBetriebssysteme
undoptimieredieDatenströme.
WasdasVirusangeht,habeerda-
bei vorallem eines gelernt: „Es ist
wirklich schwer,anz uverlässigeIn-
formationen zu kommen.“ Durch
SchiffmannsArbeitistesnunzumin-
destein wenigeinfachergeworden.


Corona-Tracker


AviSchiffmann,
17 Jahre alter Internet-
Unternehmer


(^4194050501603)
31012
BerlinerVerlag GmbH, 11509 Berlin
Redaktion: (030) 63 33 11-
(Mo-Fr13-14 Uhr),Fax-499;
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Leser-Service: (030)23 27-77,Fax-76;
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Postvertriebsstück A
Entgelt bezahlt
Geschäfte,dienichtfürdieVersorgungnötigsind,schließen.EinneuesKrankenhauswirdeingerichtet
BerlinschaltetaufStillstand
Leere am Alexanderplatz. Auch auf dem einst belebtesten Platz in der östlichen Innenstadt ist kaum noch etwas los. DPA
VonAnnika Leister,Peter Neumann
und Elmar Schütze


I

mKampf gegen dasCoronavi-
rustrifft Berlin weitereMaß-
nahmen:Dienicht zur Versor-
gung derBevölkerung nötigen
Geschäfte desEinzelhandels schlie-
ßenandiesemMittwoch,Busseund
Straßenbahnen fahren nur noch im
Zehn-Minuten-Takt,Senatund Parla-
mentrüstensichfürdieKrise.DerSe-
nat will ein Krankenhaus fürCovid-
19-ErkranktemiteinerKapazitätvon
biszu 1000Patienteneinrichten.Und
der Ältestenrat des Abgeordneten-
hauses hat bis in den spätenAbend
über eineVerfassungsänderung dis-
kutiert, umeinNotparlamenteinzu-
richten. Es soll, so dieIdee,mit viel
kleinererBesetzungarbeitsfähigsein.
Bisind enAbendwurdeüberden
Antrag debattiert, der anfangs eine
breite Mehrheitzuhabenschien.Am
Ende wurde er nachInformationen
der Berliner Zeitung verworfen. Da-
nielWesener,ParlamentarischerGe-
schäftsführerderGrünen,sprachvon
„Gedankenspielen für einenWorst
Case“.Dochsoweitseiesnochnicht.
Weiter fortgeschritten sind die
Pläne zur Einrichtung einerCorona-
KlinikaufdemGeländederMessein
Kooperation mit der Bundeswehr.
Außerdemwerden die Notfallkran-
kenhäuser aufgefordert, planbare
Operationen und „elektiveVersor-
gungen“,dienichtzwangsweisenot-
wendig sind, zuverschieben.Beides
seien vorbeugendeMaßnahmen, so
GesundheitssenatorinDilek Kalayci
(SPD). Angesichts derrasch steigen-
denFallzahlenwolleman„frühschon
Kapazitätenfreimachenundfreihal-
ten“. DasteilteKalayci nach derSit-
zungdesS enatsam Dienstag mit.
DasgeplanteKrankenhausistlaut
KalaycieineVorsichtsmaßnahmefür

möglicheEngpässe in derZukunft.
DieKliniklandschaft sei gut aufge-
stelltundzurzeitnichtinNot.Bisher
gibtesinBerlinder Gesundheitsver-
waltung zufolge mit Stand vom
Dienstagnachmittag 383 bestätigte
Corona-Fälle.Vier Personen werden
intensivmedizinischbehandelt.

KlareArbeitsteilung
Notfal lkra nkenhäuser sollen sich die
Lastin Zukunftnacheinem„dreistu-
figen System“ teilen. „Es soll eine
klareArbeitsteilung geben:Welches
Krankenhaus behandelt Covid-19-
Patienten welchen Schweregrads?“,
so Kalayci. DieKrankenhäuser seien
aufgefordert,Beatmungsmöglichkei-
tenaufzustocken.„DassindMaßnah-
men,dieschonlängerlaufen.“
Diebundesweiten Leitlinien, die
Bundesregierung und Länder am
Montagbekanntgaben,sindinBerlin
mit Veröffentlichung der Krisenver-
ordnung amSonnabend zu großen
Teilenumgesetzt.VomSenatneube-
schlosseneMaßnahmen amDiens-
tag: Geschäfte,die nicht derVersor-

gung dienen, wie Kleider-und Elek-
tro- Läden, sollen abMittwoch ge-
schlosse nbleiben,teiltenKalayciund
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop
(Grüne)mit.Offenbleibenunteran-
derem Geschäfte des Lebensmittel-
und Getränkehandels,Apotheken,
Tankstellen, Drogerien und Bau-
märkte .Siesollensogarlängeröffnen
dürfen.„KeinePanik“,sagtePop. Die
Versorgung mit Lebensmitteln und
Getränkenseigesichert.EinigeBesit-
zerhatte nLäden bereitsfreiwilligge-
schlossen.Nils Busch-Petersen,Ge-
schäftsführer des Handelsverbands
Berlin-Brandenburg,sagteamDiens-
tag,dieV erordnungtreffedieHändler
„brachialundmitgroßerGewalt“.
Umdenzur zeitnicht quantifizier-
barenSchlagfürdieWirtscha ftzulin-
dern, plane derSenateinen Liquidi-
tätsfondsvon300 Millionen Euro,
sagtePop.„Wiröffnen diesenFonds
füralle Branchen.“ DerBerliner Ret-
tungsschirmsollauchkleine Unter-
nehmer,Selbstständige,Freieunddie
Kreativwirtschaftschützen.DieBun-
desreg ierunghatHilfenund Erleich-

terungen fürUnternehmen inAus-
sichtgestellt –mehr Flexibilität bei
Steuervorauszahlungen undErleich-
terungenbeimKurzarbeitergeld.
Auch die Berliner Verkehrsbe-
triebe (BVG)schränken in derCoro-
nakrise wegen sinkenderFahrgast-
zahlen ihrFahrtenangebot deutlich
ein. VonMittwochmorgen an wird
der Bus- un dStraßenbahnverkehr
ausgedünnt. Verstärkerfahrten, die
für den Schülerverk ehr geplant wor-
denwaren,fallenaus.Darüberhinaus
giltals Grundsatz,dassaufkeinerLi-
nieöfteralsallezehnMinutengefah-
renwerden soll, sagteBVG-Spreche-
rinPetraNelken. Ebenfalls vonMitt-
woch anwerden die Straßenbahnli-
nien 16, 18, 37 und 67 eingestellt.
DieseRoute nverlau fen parallel zu
anderen Linien. „Weiterhinwerden
alleHaltestellenbedient“,hießes.

Zwei Corona-Fälle bei derBVG
DieU-Bahn-Linie U55 zwischen
Hauptbahnhof und Brandenburger
Torwirdebenfallsnichtmehrbefah-
ren.WeilTouristen ausbleiben, ist es
auf der Strecke leer geworden.Zu
Montag werden auch aufden an de-
renU-Bah n-LinienEinschränkungen
spürbar.Auch dortgilt dann ein
Zehn-Minuten-Takt. „Ein solcher
Taktistleichtzumerken“,soNelken.
In dem Landesunternehmen wird
nichtausgeschlossen,dasseszuwei-
terenEinschränkungenkommt.
BeiderBVGistdie Zahlder Fahr-
gästeum40bis50Proz entgesunken.
Deswege nwerden Doppeldecker
durcheinstöckigeBusseersetzt,hieß
es.AuchbeiderS-Bahn wirddasA n-
gebotreduziert–geringfügig.In Ab-
sprachemit demVerkehrsverbund
Berlin-Brandenburgentfallen von
Donnerstag an dieVerstärkerfahrten
in den Hauptverkehrszeiten auf der
S1,S3undS5.

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