Berliner Zeitung - 18.03.2020

(Axel Boer) #1
Berliner Zeitung·Nummer 66·Mittwoch, 18. März 2020–Seite 20
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P a norama


NACHRICHTEN


Schauspieler Idris Elba mit
Coronavirus infiziert

DerbritischeSchauspielerIdrisElba
istmitdemCoronavirusinfiziert.
DiesgabderHollywoodstaram
MontagineinerVideobotschaftauf
Twitterbekannt.AmMorgenhabeer
dasTestergebniserhalten,sagte
Elba.Erseiokayundhabezuvor
auchkeineKrankheitssymptomege-
habt,erklärtederSchauspieler.Er
ließsichtesten,nachdemerKontakt
miteinerPersonhatte,dieanCovid-
19 erkranktist.Erbefindesichnunin
Selbst-Quarantäne. (dpa)

Supermarktkette öffnet
eine Stunde nur für Senioren

Wegender Corona-Pandemieöffnet
eineSupermarktketteinAustralien
ihreLädenamMorgenvorersteine
Stundepr oTagausschließlichfürSe-
nioren.Täglichzwischen7und8Uhr
morgensdürftennurüber60-Jährige
undMenschenmitBehinderungdie
Woolworths-Märktebesuchen,teilte
dasUnternehmenamDienstagmit.
DieEinzelhandelskettewillMen-
schen,dieinderCorona-Krisezu
denRisikopersonengehören,damit
einentspannteresEinkaufenermög-
lichen.DieRegelungsollzunächst
eineWochegetestetwerden. (AFP)

Berühmtes Mausoleum:
Indien schließtTajMahal

Normalerweisekommen täglich mehrere
Zehntausend Besucher. AFP

UmdieVerbreitungdesneuartigen
Coronaviruseinzudämmen,schließt
IndiendasberühmteMausoleumTaj
MahalsowieandereDenkmälerund
alleMuseenimLand.DieOrte,da-
runtermehrereUnesco-Weltkultu-
rerbestätten,solltenzunächstbis
EndeMär zgeschlossenbleiben,
hießesausdemTourismusministe-
rium.EsgingeumdieSicherheitder
Menschen,sagtederindischeTou-
rismusministerPrahladSinghPatel.
DasMarmordenkmalTajMahalbe-
suchennachAngabendesMinisteri-
umsnormalerweisetäglichmehrere
zehntausendBesucher. (dpa)

Hunderte Bergsteiger
verlassen Mount Everest

AusAngstvordemCoronavirusge-
benmehrereHundertBergsteiger
ihreVersucheauf,denMountEverest
zubesteigen.Nepalhattevergan-
geneWocheentschieden,bereitser-
teilteGenehmigungenzurBestei-
gunginderHauptklettersaisonim
Frühlingzustreichen.DieBergstei-
gerseienabernochinderRegionun-
terwegsgewesen,hießesvonReise-
veranstaltern. (dpa)

112 Pfeilgiftfrösche in
Hotelzimmer sichergestellt

IneinemHotelzimmerinHamm
(NRW)habenPolizeiundZoll
seltenePfeilgiftfröscheausPanama
sichergestellt.Eine35 Jahrealtemut-
maßlicheKurierinhabedieTiere
dorteinemKäuferübergebensollen,
berichtetedasZollfahndungsamtin
EssenamDienstag.DieFrauerwarte
jetztein Strafverfahren. (dpa)

LEUTE


Günther Jauch(63)kennenwirals
Fernsehmoderator,WinzerundPro-
duzent.AberdasservorseinerZeit
beimFernsehenzweiJahrelangals
Hauswartgearbeitethat,daswaruns
neu.Wieerbei„WerwirdMillionär“
berichtete,waresnichtdieglück-
lichsteZeitfürdieHausgemein-
schaft.„ImWinterbittedieTürzu-
machen.Wielangeliegtdenndie
toteTaubedaschon?Dasistdoch
IhreAufgabe,diewegzumachen“,
beschriebJauchdieAnforderungen
derHausbewohneranihn.Alsklassi-
schesProblemmachteerdieHaus-
flureaus:„ImmerSchuhevorderTür
oderSchuhregale.Imo berstenStock
ammeisten.Diedenken,dassdie
anderennichtdranvorbeigehen“,
sagteJauch.Tja,daistesvermutlich
jetztdieblankeErholung,Quizfra-
genvorzulesenundabundzumal
amWeinbergvorbeizuschauen.


TomHanks(63)istausdemKranken-
hausentlassenworden.DerSchau-
spielerhattesichmitdemneuarti-
genCoronavirusinfiziertundlagin
AustralienaufderIsolierstation.
SeineebenfallsinfizierteFraubefin-
detsich weiterimKrankenhaus.
Derweildar fHanksschonindieLu-
xuswohnunginGoldCoastzurück-
kehren,diedasPaarangemietethat.


Jennifer Lopez(50),umnocheinwe-
nigim Luxussegmentzuverweilen,
siehtesalsChance,wegender
AusbreitungdesCoronavirus
füreine ZeitvonzuH ause
auszuarbeitenundaufso-
zialeKontaktezuverzich-
ten.„Wennihrgesund
undzu Hauseseid,istes
fürsovielevonunsein
echterReset-Knopf“,
sagtedieUS-amerika-
nischeSchauspielerin
undSängerindemMaga-
zinElle.FreilichistderRe-
setmiteinemgutgefüll-
tenBankkontoundinge-
räumigenImmobilien
etwasleichterauszufüh-
ren. (avo.)


Sie postet jetzt mit ihren
Kindern
Videos aufTikTok.
IMAGO IMAGES


TIERE


VomHörnchen lernen:Einfachmal
abhängen,einenGangrunterschal-
ten–manhör tjetztsooftvonent-
schleunigendenRitualenunddoch
habenvielevonunsverlernt,wiedas
eigentlichgeht.EinBlickaufdenKali-
fornischenZiesel ( Otospermophilus
beecheyi
)kannhelfen:Nichtnur
lehrteru nsdieoptimaleHängeposi-
tion(schönfesthalten!)unddenent-
spanntenBlick,sondernauchdas
BegnügenmiteinfachstenMitteln.
EinrostigeralterZaun,derwirdsich
dochimmerirgendwofindenlassen.
UndwiehältesdasErdhörnchenso
mitder Ernährung?Nun,dawir dge-
sammelt,wassichamBodenundauf
Bäumensofindet:Samen,Früchte,
Nüsse,Pilze,Wurzeln,Insekten,
Eier...IndieBackentaschenund
selbstgegrabenenErdlöcherpasst
einigesrein.Hamsteralarm! (avo.)


Unter der Sonne Kaliforniens: Das
Hörnchen beim Abhängen. DPA

„IchbineheinMeermensch“


ZugezogeneGroßstädterarbeitenundlebenaufderNordseeinselWangerooge.DieInselbrauchtsie


VonLindaVogt,Wangerooge

A

bgeschiedener geht es
kaum: AufWangerooge
sinddieBewohnergerade
imWinter unter sich.Von
der Nordseeinsel mit rund 1300
Einwohnernstartet mitunter nur
eine Fährepro Tag, wenn sie bei
Stürmen nicht sogar ausfällt.Jetzt,
in Zeiten vonCorona, wirddie Ab-
geschiedenheit wohl noch größer
ausfallen–auf unbestimmteZeit
(sieheKastenunten).
DieBerlinerinEmily Knothe hat
es eher zufällig auf dieInsel ver-
schlagen.Eine Freundin hatte sie
eingeladen,weil Knothe nach dem
Master„dieDeckeaufdenKopfge-
fallen ist“. Über dieFreundin be-
kommt die 33-Jährige einenJobin
einerStrandbar,BlickaufdieNord-
see.„Ichdachte,ich bleibe zwei,
drei Monate.“ Daraus ist jetzt fast
einJahrgeworden.
Wasdie Berlinerin schätzt: die
kurzenWege und mehr Zeit für
Freunde.Sogar dieruhigen Monate
ohne Touristen hat dieBarkeeperin
genossen:„Esheißtimmer:ImWin-
ter rücken dieInsulaner näher zu-
sammen.“Dann bekomme Knothe
amTresen vieleGeschichten zu hö-
ren: vonvergangenen Stürmen
ebenso wievomProblem mit be-
zahlbaremWohnraum.

Gemeinschaftsleben
Die26-jährigeAnnabelThomas
istausHannoverindieAbge-
schiedenheitgezogen.DieLeh-
rerinunterrichtetseiteinigen
Wochen an derInselschule.
„IchbineinmalaufdieInsel
gekommen, ummichzube-
werben.DaszweiteMaldann
zurWohnungssuche,dawurde
ichschonerkannt:,Ah,Siesind
dieneueLehrerin.‘“
FürWangeroogeistAnna-
belThomas ein Glücksgriff,
dennjungeMenschenzieht
eseigentlicheheraufsFest-
land: WerAbi machen will,
muss aufs Internat und
auch für die Ausbildung
gehen viele –vielleicht
auchfüreinbisschenAb-
wechslung. Denn ohne
Touristen geht es be-
schaulichzu.ImWinteristetwa
das Kino die meiste Zeit dicht.
„Meine Schüler haben mir gleich
am Anfang gesagt, dass ichNetflix
brauche“,erzähltThomas.
Warumsie sich ausgerechnet
hierhin beworben hat, darüber
kommt die Lehrerin aber nur kurz
ins Grübeln: „Ich bin eh einMeer-
mensch.Geprägt durchHerbstur-
laube in Dänemark, wo nur kaltes,
nassesWetterundSteilküstewaren.
Da haben wir uns immer wohlge-
fühlt, wir hattenZeit als Familie.“
DieInselkinder findet Thomas er-
staunlich offen. „Die sagen: ,Heute
ist nicht meinTag. DieStunde war

Bürgermeister MarcelFangohr sucht Menschen, die bleiben wollen. DPA/PATRIK STOLLARZ

Emily Knothe aus
Berlin arbeitet in einer
Strandbar.

Anja Höneise aus Ham-
burg betreibt aufWange-
rooge eine Bäckerei.

überhaupt nichts,ich hab nichts
verstanden.‘ Daswürde auf dem
Festland kaum jemand ehrlich zu-
rückmelden.“Außerdemarbeiteten
die Schüler miteinander statt ge-
geneinander–„und das jahrgangs-
übergreifend.InderGroßstadthat
manjaeherGrüppchenbildung.“
Bürgermeister Marcel Fangohr
(parteilos) sorgt sich etwas um die
Inselgemeinschaft.Auch wenn die
Einwohnerzahl über dieJahrerela-
tivkonstantbleibe,würdendieBe-
wohnerimSchnittälter.„Wirbrau-
chenjungeLeute“,sagter.Solche,
dieFamiliengründen.„Wichtigist,
dassdasdörflicheGemeinschafts-
gefühl erhaltenbleibt, dassman
miteinanderwasmacht,sichMen-
schenimVereinengagieren.“Erst
recht,dadieBewohnernichtein-
fachinsNachbardorffahrenkön-
nen.AufderInselistmangezwun-
gen, miteinander auszukommen.
SonachdemMotto:Wirmachen
stetsdasBesteausderSituation.

Fachkräftemangel
„WenndieUrlauberwegsind,gibt
es keinenZumba-Kurs.Jeder muss
sich selbst einbringen“, sagt Anja
Höneise.VonHamburghatesdie36-
Jährige nachWangeroogeverschla-
genunddortbringtsiesichein:Hö-
neisebietetMutter-Kind-Turnenan.
IhrMannundsieübernahmen
eine Bäckerei.Aufeiner Insel ohne
Autos beliefernsie Hotels mit dem
Rad. „Wir arbeiten hier mitUrlau-
bern. Dasistentspannt.InderStadt
heißt es eher:,Wielange dauertdas
mitdemKaffeenoch?‘“
Fachkräftemangel herrscht auf
denInselndennoch.Norderneywill
diesen Frühling ein eigenesJobpor-
talstarten.Dortbrauchtmaneinem
SprecherzufolgenichtnurRettungs-
schwimmer undZimmermädchen,
sondernauch Verwaltungskräfte
und Ordnungsbeamte.Spiekeroogs
Bürgermeister Matthias Piszczan
(CDU) erzählt: „Das Problem ist
nicht,dassdieLeutenichtkommen
wollen,sondernwos iewohnenkön-
nen.“ DerBürgermeister einer der
kleinsten selbstständigenKommu-
nenin Niedersachsensagt:„Wirha-
benGroßstadtpreise.“
Hotelier Detlev Rickmers auf
Helgoland(Schleswig-Holstein)hat
kürzlichbeklagt,dieInselwerdezu
einerMischungausZufluchtsortfür
die Reichen, Ferienressort,Muse-
umsinsel undNaturschutzreservat.
Damitan NiedersachsensKüstedas
Inselleben nicht stirbt, plane man
vonBorkum bisWangerooge ein
Projekt mit derJade-Hochschule in
Wilhelmshaven, so Bürgermeister
Fangohr:Auf dieseWeise „wollen
wir herausfinden, wie sich die sie-
ben Inseln besservermarkten kön-
nen“.Nichtals Urlaubsziel,sondern
als Lebensmittelpunkt. Er sucht
Menschen, diezehn, 20 Jahreblei-
ben wollen,„die wissen, worauf sie
sicheinlassen“.

CORONA: ALLES ANDERS AUCH IM NORDEN

GesperrteInseln:Ob Sylt,Amrum, Föhr,Nord-
strand, ob Fehmarnoder Rügen, Usedom, Hid-
densee undPoel oderWangerooge, Spiekeroog
und Baltrum: Urlaub auf den norddeutschen
Inseln ist seit Montag für unbestimmte Zeit
nicht mehr möglich. Alle norddeutschen Küs-
tenländer habenwege nder Ausbreitung des
Coronavirus ihre Inseln in der Nord- und Ostsee
für Touristengesperrt.InMecklenburg-Vorpom-
mernwerden die Maßnahmen auf Rügen, Use-
dom, Hiddensee undPoel schrittweise einge-
führt;wege nder Größe der Inseln und der zahl-
reichen direktenVerbindungen aufs Festland.

Belastung für denTourismus:Der Kampfge-
gendie Ausbreitung des Coronavirus dürfte
den Tourismus auf den Inseln der Nord- und
Ostsee massiv belasten. Die Ministerpräsiden-
ten der Bundesländer Niedersachsen, Meck-
lenburg-Vorpommernund Schleswig-Holstein
hatten sich daraufverständigt, die Inseln für
Gäste zu sperren. „Ausgesundheitlicher Sicht
ist das die richtigeEntscheidung,aus touristi-
scher der Super-Gau“, sagteWangerooges Bür-
germeister MarcelFangohr (parteilos) am
Montag der Deutschen Presse-Agentur.„Mit
dem Ostergeschäft rechnetkeiner mehr.“

Nur zwei Ärzte:Dennoch riefFangohr dazu auf,
das Beste aus der Lagezumachen, die Ge-
sundheitgehe vor. AufWangeroogegebe es nur
einen beziehungsweise vomkommenden Mo-
nat an zwei Ärzte. „Für 10 000 Gäste ist das zu
wenig.“ ImFalle gehäufter Infektionen „werden
wir das nicht stemmen können“. Als Grund für
die Abriegelung wurde zuvorgenannt, dass die
Gesundheitssysteme der Inseln nicht auf eine
größere Zahlvonmit dem Coronavirus infizier-
ten Menschenvorbereitet sind. Die Maßnahme
dient damit sowohl dem Schutz der Inselbevöl-
kerung als auch dem Schutz der Gäste.

Doppeltgebeutelt:Wangeroogehat nicht nur
mit der Corona-Krise zu kämpfen. Nach einer
SerievonSturmfluten in Folgevon Sturmtief
„Sabine“ war der Badestrand auf der Insel
größtenteilsverschwunden. 80000 Kubikme-
ter Sand seienweg, mussteFangohr im Fe-
bruarverkünden. Ob der Sand für dasge-
wohnte Bildvomrund einen Kilometer langen
Traumstrand bis zum Sommer wieder aufgefüllt
werden kann, ist ungewiss. Normalerweise wird
das, was in der Sturmflutsaison abgetragen
wird, mit Sand aus dem Osten der Insel aufge-
füllt. Doch dieVorräte gehen zur Neige.

Annabel Thomas aus
Hannover ist die Lehrerin
der Insel. DPA/P.K.-HANKEN (3)
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