Der Standard - 18.03.2020

(Dana P.) #1

12 |MITTWOCH,18. MÄRZ 2020 THEMA:ThemaCoronavirus-Krise DERSTANDARD


Mit der Anzahl der durchgeführtenTestssteigt auch die Infiziertenzahl.Weil sich Sars-CoV-2 anscheinend auch
ohne Symptomeverbreitet,könnte die Dunkelziffer hoch sein.Welche RolleTestsindieserPandemiespielen.
FRAGE&ANTWORT:Gudrun Springer, Karin Pollack

Frage:Wie viele Tests auf das Coro-
navirus werden in Österreich aktuell
durchgeführt?
Antwort:Bis Dienstagfrüh lagen
insgesamt 10.278 Tests vor (
positiv). Das waren um 1788 mehr
als 24 Stunden davor. So viele
neue Testergebnisse lagen inner-
halb eines Tages in Österreich
noch nie vor. Zum Vergleich: Ver-
gangene Woche gab es an den drei
TagenmitdenmeistenNeutestun-
gen 700 bis 885 neue Ergebnisse.
Seit 7. März stieg die Zahl der täg-
lich durchgeführten Tests im
Land an, außer Montagfrüh (nur
plus 328 Tests seit Sonntagfrüh;
an Wochenenden fiel die Testzahl
bisher auch geringer aus).


Frage:Wie wird das Virus nachge-
wiesen?
Antwort:Durch einen Nasen- oder
Rachenabstrich.Der Schleimwird
in gekennzeichneten Röhrchen
in virologischeSpeziallabors ge-
schickt. Dortwirdunter hohen
Sicherheitsvorkehrungen mit der
Pipette das Material extrahiert und
in einerPufferlösung inaktiviert.
Ausdiesen aufgearbeitetenProben
wird dasErbgut des Virus, dieRNA
extrahiert, dann in der PCR-Mes-
sung (PolymeraseChainReaction)
vermehrt und fluoreszierend mar-
kiert.Wennes grünleuchtet,isteine
Probe positiv, wennrot,negativ.


Frage:Warum dauert das?
Antwort:Weil dieser Test in zwei


Schritten durchgeführt wird: zu-
nächst auf Coronaviren generell,
wenn positiv, dann speziell dar-
auf, ob Sars-CoV-2 vorliegt.

Frage:Kann der PCR-Test optimiert
werden?
Antwort:Ja, es gibt ein Schnelltest-
verfahren, das die Zeit im Labor
abkürzt. Es automatisiert das
mehrstufige Prozedere und liefert
schneller Ergebnisse. Dieses Ver-
fahren war in Asien im Einsatz.

Frage:PCR-Test und Antikörpertest:
Was ist der Unterschied?
Antwort: PCR-Tests messen die
Viruslast. Ist eine Infektion vor-
bei, haben sich Antikörper im Blut
gebildet. Es gibt weltweit noch
KEINE Antikörpertests für Sars-
CoV-2, aber erste Ansätze dafür.
Damit könnten dann auch Men-
schen, die keine Symptome hat-
ten, feststellen, ob sie das Virus
durchgemacht haben.

Frage:Was ist von Antikörperschnell-
tests am Markt zu halten?
Antwort:Sie sind nicht zuverläs-
sig, weil sie Coronaviren allge-
mein detektieren, nicht spezifisch
Sars-CoV-2. Ein positives Ergeb-
nis kann jemanden in falscher Si-
cherheit wiegen.

Frage:Warum werden nicht alle Ver-
dachtsfälle getestet?
Antwort:Als die Infektionszahlen
noch sehr gering waren, wurde

das gemacht. Da immer mehr
Menschen positiv getestet wer-
den, gibt es auch immer mehr Ver-
dachtsfälle. Das übersteigt die La-
borkapazitäten. Getestet wird der-
zeit, wer von einem Arzt als Ver-
dachtsfall eingestuft wird (laut
Gesundheitsministerium Men-
schen mitSymptomen, diezusätz-
lich entweder Kontakt zu einem
bestätigten Infizierten hatten oder
in einer der Risikoregionen wa-
ren). Man sollte bei Symptomen
(Fieber und Husten) immer 1450
anrufen und nicht den Hausarzt
aufsuchen. Die strengen und ge-
nerellen Quarantänemaßnahmen
der Regierung sollen dazu führen,
dass die Menschen zu Hause blei-
ben und das Virus nicht weiterge-
ben. In 80 Prozent aller Fälle, das
zeigen Daten aus China, verläuft

die Infektion unproblematisch.
Die Menschen werden zu Hause
wieder gesund. In der Krisensitu-
ation und mit den bedingten Res-
sourcen wird nach Dringlichkeit
entschieden.

Frage: Warum wird in anderen
Ländern mehr getestet, etwa in Süd-
korea?
Antwort: Weil dort sehr schnell
mehr Ressourcen dafür bereitge-
stelltwurden.Zudemwerdeneine
ReihevonReagenzien,dieimRah-
men eines PCR-Tests notwendig
sind, in Asien hergestellt.

Frage:Gibt es unterschiedliche Me-
thoden, das Virus mit PCR nachzu-
weisen?
Antwort: Ja, die gibt es. Es gibt
unterschiedliche Testkits und
unterschiedliche Methoden. An
der Virologie der Med-Uni Wien
werden laufend Alternativen eva-
luiert. Entscheidend ist, dass sol-
che Testungen verlässliche Ergeb-
nisse liefern. Falsch-positive oder
falsch-negative Ergebnisse müs-
sen unbedingt vermieden werden.

Frage:Warum dieser Engpass?
Antwort:Vor dem Ausbruch der
Krise waren die Kapazitäten der
virologischen Labors ausrei-
chend. Es wäre unmöglich gewe-
sen, für so eine Situation vorzu-
sorgen. Man hätte brachliegende
Infrastruktur geschaffen. Die La-
borkapazitäten können deshalb

... jeden drittenTag

... jeede WWochhe

... jedden MMonaat

VerdoppelungjedenTag ... jedenzweitenTag

100

Tag1 Tag4 Tag7 Tag10 Tag13Tag 16 Tag19Tag 22 Tag25Tag 28 Tag31Tag 35

1.

10.

100.

In Euro paverdoppelnsich Covid-19-Fälle allezwei bisvier Tage


China

Japan

HongKong

Südkorea

Österreich

Tag1 0 |1.






2227777 .99 988880000


1444 .99 9 91


8888 ... 3332222000


852


155


Italien

E Iran

D
F

USA

CH

GB

Covid-19-F älle in ausgewählten Staaten


Quellen: Johns Hopkins CSSE,BMSGPK|

Der Corona-Testund dieWirklichkeit


nur parallel zur Krise ausgebaut
werden.

Frage:Können private Labors solche
virologischen Tests durchführen?
Antwort:Nicht jedesLabor erfüllt
die Anforderung. Es müssen hohe
Sicherheitsstandards eingehalten
werden, man braucht auch eine
spezielle Ausrüstung. Derzeit
laufen Aktivitäten, solche priva-
ten Labors nachzurüsten, um die
Testkapazitäten zu erhöhen.

Frage:Sind Tests bei der Eindäm-
mung hilfreich?
Antwort:Zu Beginn einerEpide-
mie schon, weil die Verdachtsfäl-
le besser isoliert werden und man
die Chance hat, die Erkrankung
zu stoppen. Aktuell sind die Tests
wichtig, um Risikopersonen zu
identifizieren und eine Covid-19-
Erkrankung besser zu erkennen.
An der Ausbreitung an sich ändert
sich nichts mehr.

Frage:Wie bestimmen die Tests die
Statistik?
Antwort: Wenn nur sehr kranke
Menschen getestet werden und
die Gesamtbevölkerung nicht, er-
gibt sich ein falsches Bild zur Mor-
talität der Erkrankung. Die hohe
Mortalität in Italien könnte an den
vielen Testungen der schweren
Fälle liegen. Zum jetzigen Zeit-
punkt ist eine realistische Ein-
schätzung hinsichtlich der Morta-
lität der Infektion noch zu früh.

Wie sich die Zahl der bestätigten
Covid-19-Erkrankungen in Österreich
bisher entwickelt hat, haben Sie viel-
leicht schon in dem einen oder anderen
Diagramm gesehen. Die Grafik links
geht auf eine Idee von Datawrapper,
einem deutschen Anbieter für Daten-
visualisierungssoftware, zurück und
zeigt die Erkrankungsfälle ausgewählter
Staaten auf einer logarithmischen
Skala.
Das bedeutet, dass sich die Werte auf
der Höhenachse nicht in den immer
gleichen Abständen erhöhen, sondern
jeweils eine Null angehängt wird. Die
Längsachse beginnt für jeden Staat mit
dem Tag, an dem dort der hundertste
Krankheitsfall registriert wurde. Da-
durch lassen sich die Verdopplungs-
kurven dieser Nationen gut verglei-
chen: Je steiler eine Linie ansteigt, des-
to schneller verdoppeln sich die An-
steckungszahlen.
Wie links unten zu erkennen ist, sind
die positiven Testergebnisse inChina
undSüdkoreaanfangs jeden Tag auf das
Zweifache des Vortages angestiegen.
Die drastischen Maßnahmen haben in
der Folge für ein Abflachen der Kurven
gesorgt, und die Fallzahlen verdoppel-
ten sich nur noch jeden zweiten, dann
jeden dritten Tag und noch seltener.
JapanundHongkongistdas noch früher
gelungen, dort verdoppeln sich die
Zahlen nur noch jede Woche oder noch
langsamer.
In Europa hingegen bewegen sich die
meisten Staaten derzeit in einem Zeit-
fenster von zwei bis drei Tagen, dafür
stehen die Linien in den rötlichen Farb-
nuancen. AuchÖsterreichfolgte bislang
diesem Muster, wenngleich die Kurve
nicht so steil anstieg wie jeneItaliens.
Die Befürchtungen der vergangenen
Woche, wonach die Österreich mit
acht- bis zehntägiger Verzögerung un-
weigerlich das Schicksal des südlichen
Nachbarn ereilen wird, waren aus heu-
tiger Sicht also voreilig. (mcmt)
pLaufende Aktualisierungen finden Sie auf
derStandard.at/Panorama

VERDOPPELUNGEN


Der österreichische


PfadimVergleich


Tests werden in einem aufwen-
digenVerfahren ausgewertet.
Foto: Imago

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