Süddeutsche Zeitung - 07.04.2020

(やまだぃちぅ) #1

Offener Brief


Auf Stillstand folgt Leerstand.


Sie müssen bitte jetzt handeln!


Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,


sehr geehrte Bundesministerinnen und Bundesminister,


sehr geehrte Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten,


sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages,


die Corona-Pandemie konfrontiert uns alle mit einer nie dagewesenen Situation.


Wie viele mittelständische Unternehmer machen wir uns große Sorgen. Deshalb


wenden wir uns heute direkt an Sie.


Seit dem 18. März sind unsere 12 deutschen Galerien geschlossen – so wie alle


Galerien des Landes. Museen können nicht öffnen, Kunstmessen sind abgesagt.


Bildende Kunst ist in Deutschland bis auf Weiteres nicht mehr zugänglich, die


Existenz vieler Kunstschaffender gefährdet.


Mit gleicher Wucht trifft die Stilllegung unserer Innenstädte einen Buchhändler,


das Restaurant um die Ecke oder ein Schuhgeschäft, das gerade die Ware für


den Sommer erhalten hat. Weder wir als Galerie noch Einzelhändler können diesen


Ausfall kompensieren – auch nicht online oder per Telefon.


Das Gesicht unserer Städte könnte sich für immer verändern. Um diesen kulturellen


Verlust zu verhindern, möchten wir auf vier drängende Aspekte hinweisen.


UNSERE INNENSTÄDTE RETTEN


Unsere Innenstädte sind zentrale Orte des öffentlichen Lebens. Orte, an denen


sich Menschen begegnen, vergnügen und mit Notwendigem und Schönem versorgen.


Doch die Innenstädte, wie wir sie lieben, sind akut gefährdet. Ein Kunde, der im


April vor verschlossener Tür steht, wird im Oktober nicht doppelt kaufen. Auch


der To urismus wird noch lange Zeit als treibende Kraft ausfallen. Kaufkraft wird weiter


in die Online-Sphäre abwandern, durch den Lockdown um Jahre beschleunigt.


Es wird zu einer nie gesehenen Insolvenzwelle unter den 260.000 Non-Food-


Einzelhändlern mit heute noch 2,3 Millionen Arbeitsplätzen kommen. Ganze


Straßenzüge drohen zu veröden, vernagelte Schaufenster mit Plakaten und Graffitis


könnten unser Stadtbild prägen.


Die Politik muss jetzt unsere Innenstädte retten. Dies ist nach der zwangsweisen


Schließung eine hoheitliche Aufgabe von großem allgemeinen Interesse. Deshalb:


PAKT FÜR GEWERBLICHE MIETEN


Das Kernproblem während des Lockdowns sind die Mietzahlungen. Unsere Hoffnung,


der Gesetzgeber würde gleichzeitig auch die so wichtige Handhabung der gewerb-


lichen Mieten wirkungsvoll regeln, hat sich bisher nicht bestätigt.


Gerät ein Mieter aktuell in Verzug, sind die Mieten mit neun Prozentpunkten über dem


Basiszinssatz zu verzinsen und binnen zwei Jahren nachzuzahlen. Das wird gerade nach


einer so schweren Krise nicht zu erwirtschaften sein. Viele Juristen stellen die Fälligkeit


der Mieten grundsätzlich infrage. Die mangelnde Rechtssicherheit entzieht beiden


Seiten die Grundlage zur gütlichen Einigung und weiteren Planung.


Es bedarf daher dringend eines Paktes für gewerbliche Mieten – eines Schutzschirms


für unsere Innenstädte. Klare Regeln, einfache Durchführung: Für die Zeit des


Lockdowns verzichtet der Vermieter auf einen angemessenen Te il, der Mieter bedient


einen leistbaren Te il der Miete, sodann wird ein Großteil aus einem Rettungsinstrument


zugeschossen. So würde die Last auf mehrere Schultern verteilt.


Wir benötigen jetzt die Unterstützung der Politik, damit Hunderttausende gewerblicher


Mietverträge nach einem Lockdown unbekannter Dauer nicht im ungeregelten Raum


verbleiben.


DEM MITTELSTAND BESSER HELFEN


Ein erstes großes Rettungspaket wurde in Rekordzeit geschnürt. Aber wir denken, es


muss noch mehr getan werden. Bis auf das effiziente Instrument der Kurzarbeit wurden


Unternehmen mit 50 bis 250 Beschäftigten nicht ausreichend berücksichtigt.


Es gilt zu vermeiden, dass ein bisher profitabler Mittelständler dieser Größenordnung


erst an den Rand der Insolvenz geraten muss, um effektive Hilfsmittel beanspruchen


zu können.


Das schwächt gesunde Unternehmen unnötig und verhindert Wachstumspotenziale


nach der Krise. Eine Gutschrift auf geleistete Steuerzahlungen könnte einen gerechten,


wirkungsstarken und schnellen Weg der Stabilisierung darstellen.


MEHR NORMALITÄT MIT DER HANDY-APP


Unser bisheriges Leben werden wir erst wieder führen können, wenn jeder schnell und


sicher weiß, dass er Kontakt mit einer infizierten Person hatte und sodann verant-


wortungsvoll handeln kann.


Asiatische Länder setzen erfolgreich Handy-Apps ein. Die Entwicklung datenschutz-


konformer Apps wurde in Europa bereits staatlich gefördert: PEPP-PT – relevante


Bluetooth-Nahkontakte werden für kurze Zeit lokal gespeichert und ggf. zur Warnung


verwendet. Zentral gespeicherte Bewegungsprofile werden überflüssig.


Bitte bringen Sie deshalb schnellstmöglich eine „Corona-App“ auf den Weg.


Der Vorlauf bis zu einer breiten Verfügbarkeit wird nicht unerheblich sein.


Als Land der Hochtechnologie könnten wir auf eine derartige Lösung stolz sein und


sogar eine obligatorische Verwendung diskutieren. Diese App nimmt Angst, sie schafft


Sicherheit und Vertrauen.


So können wir wieder schneller unsere Innenstädte beleben, uns begegnen und uns


miteinander wohlfühlen. Hierzu möchten wir gerne unseren Beitrag leisten und Sie um


Ihre Unterstützung bitten.


Mit freundlichen Grüßen


Ihre LUMAS Galerien


Stefanie Harig Marc Ullrich


Gründerin Gründer


Dieser offene Brief wurde durch befreundete Galerien und Einzelhändler möglich.
V. i.S.d.P.: Marc Ullrich, LUMAS GmbH, Ernst-Reuter-Platz 2, 105 87 Berlin

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