Der Stern - 08.04.2020

(Brent) #1
Oben: Romy Schneider (Marie Bäumer)
fühlt sich dem Fotografen Robert Lebeck
(Charly Hübner) verbunden. Unten: Schat-
ten und Licht in Quiberon. Ganz unten:
stern-Journalist Michael Jürgs (Robert
Gwisdek) stellt Romy Schneider intime,
teils schmerzliche Fragen

MAGAZIN Highlight


Titelfoto + Fotos S. 2: NDR/Peter Har

twig | Text: Björn Sommersacher

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Intensives Psychogramm einer Ikone: Marie Bäumer brilliert in


Emily Atefs Drama „3 Tage in Quiberon“ als Romy Schneider


Die Zerrissene


„Ich bin nicht Sissi.


Ich bin eine


unglückliche Frau


von 42 Jahren.“


„Ich darf an diesem Ort nicht essen, nicht trin-
ken, nicht rauchen, nicht lachen, nichts“, er-
zählt eine depressive Romy Schneider (Marie
Bäumer) ihrer Jugendfreundin Hilde (Birgit Mi-
nichmayr). Eine halbe Stunde später sitzen die
beiden beim Essen zusammen und machen sich
über die Diätkost und das Mineralwasser lustig,
das ihnen im Restaurant eines luxuriösen Kur-
hotels in Quiberon an der französischen Atlan-
tikküste serviert wird. Romy Schneider hat von
ihrem Produzenten eine Entgiftung verordnet
bekommen, damit sie ihren
nächsten Film durchsteht. Der
Ikone geht es schlecht, ihr
Sohn David will lieber bei sei-
nen Stiefeltern leben, sie ist
pleite, und auch sonst hadert
sie mit ihrem Leben. Trotzdem
hat sie sich entschlossen, dem
stern-Journalisten Michael Jürgs (Robert Gwis-
dek) und dem Fotografen Robert Lebeck (Char-
ly Hübner) während ihres Aufenthalts in der
Bretagne ein Interview zu geben.

VERDICHTETE MOMENTAUFNAHME
Was folgt, hat sich – zumindest was die äuße-
ren Umstände betrifft – so oder sehr ähnlich
1981 in Quiberon abgespielt. Über drei Tage
entstanden legendäre Fotos sowie ein sehr in-
times Interview, das tief in die zerrissene Seele
der Künstlerin Romy Schneider blicken lässt.
Die Regisseurin Emily Atef („Tatort: Falscher

Hase“) hat darüber 2018 ein intensives Kam-
merspiel in stilvollem Schwarz-Weiß gedreht.
Keine klassische Filmbiografie, eher eine stark
verdichtete Momentaufnahme, der es gelingt,
das Wesen und die widersprüchlichen Züge
Romy Schneiders einzufangen: ihre Ausgelas-
senheit, Lebensfreude und Liebenswürdigkeit,
aber auch ihre Zweifel, ihre Melancholie und
ihren Schmerz. Beim Deutschen Filmpreis
2018 gewann das Drama sieben Lolas – unter
anderem als bester Film, für Robert Gwisdek
in der Rolle des 2019 verstor-
benen Journalisten Jürgs und
natürlich für Marie Bäumer.
Die 1969 in Düsseldorf geborene
Schauspielerin („Im Angesicht
des Verbrechens“) sieht der
Schneider manchmal tatsäch-
lich unheimlich ähnlich. Vor
„3 Tage in Quiberon“ aber hatte Bäumer alle
Angebote, Romy Schneider zu spielen, abge-
lehnt. Emily Atef bekam eine Zusage, weil ihr
Film eben keine klassische Biografie ist. Ein
Glücksfall, denn Bäumer nimmt man das Hin-
und Hergerissensein zwischen dem Leben als
Filmstar, den Männern, der Familie und den
inneren Dämonen wirklich ab. Selbst Sätze
wie: „Ich bin nicht Sissi. Ich bin eine unglück-
liche Frau von 42 Jahren. Und ich heiße Romy
Schneider.“ Ein Jahr nach dem Interview ver-
starb Romy Schneider in Paris.

Arte, Mittwoch, 20.15 Uhr
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