Der Stern - 08.04.2020

(Brent) #1
FOTOS: KNORR-BREMSE AG; GENE GLOVER

A


ls Kind mochte ich diese Bilder in Rätselheften
und Zeitschriften, unter denen stand: „Finden
Sie den Fehler.“ Entweder musste man zwei Bil-
der vergleichen oder in einem Bild suchen, ob
da eine Linie fehlte oder die Perspektive falsch
war. Nun kann ich hier nichts für Sie zeichnen,
deswegen versuche ich es mal mit drei Sätzen:


  1. Tausende Unternehmen kämpfen gerade in Deutsch-
    land ums Überleben.

  2. 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind in
    Familienhand.

  3. SPD-Chefin Saskia Esken fordert zur Bewältigung der
    Krise eine Vermögensabgabe.
    Und jetzt also: Finden Sie den Fehler. Wir können ihn
    auch gemeinsam suchen.
    Fangen wir mit dem Naheliegenden an, das auch schon
    vor der Krise galt: Ja, die Vermögen sind ungleich ver-
    teilt in Deutschland. Es gibt dazu verschiedene Erhebun-


gen: Der Wohlstandsbericht der Schweizer Bank Credit
Suisse etwa kommt auf Gesamtvermögen der Deutschen
von umgerechnet 15 Billionen Dollar, ein Drittel davon
gehört dem obersten Prozent. Vier von zehn Deutschen
haben weniger als umgerechnet 10 000 Dollar. Andere
Studien, etwa die des Deutschen Instituts für Wirt-
schaftsforschung (DIW), kommen zu dem Ergebnis, dass
die obersten zehn Prozent rund 56 Prozent des Vermö-
gens besitzen, die untere Hälfte nur 1,3 Prozent.
Die Gründe dafür sind kompliziert, einer ist, dass vie-
le Deutsche keine Immobilien haben und zur Miete
wohnen. (58 Prozent des Vermögens sind laut Credit
Suisse Sachwerte.) Bei einem Vermögen, das in Unter-
nehmen steckt, wird es noch komplizierter. Denn man
kann es eigentlich nur grob überschlagen. Das zeigt auch
die Liste der reichsten Deutschen, in der vor allem
geschätzt wird. In dieser Liste vertreten sind etwa die
Hamburger Kaufmannsfamilie Otto (13,5 Milliarden),
Heinz Hermann Thiele, der Inhaber des Bremsenherstel-
lers Knorr-Bremse (16 Milliarden), und Maria-Elisabeth
Schaeffler mit ihrem Sohn Georg, denen der gleichna-
mige Autozulieferer gehört (13,4 Milliarden Euro).
Nun wäre es aber falsch anzunehmen, dass diese as-
tronomischen Summen allesamt gerade auf Sparkonten
herumliegen, wo man leicht mal zehn Prozent abzwa-
cken könnte. Sie stecken zum guten Teil in Unterneh-
men, in all den Fabriken, Hallen, Anlagen und Maschi-
nen. Ja, das sind die Fabriken, die gerade stillstehen und
in denen nichts produziert wird.
Die Rettungsaktionen in dieser Krise laufen derzeit
in einem atemlosen Zeitraffer. Innerhalb weniger Tage
haben wir dreistellige Milliardensummen mobilisiert,
470 000 Betriebe haben schon Kurzarbeit angemeldet.
Diese Eile und Panik führen aber auch dazu, dass wir
viele Debatten durcheinanderwerfen. Und so war es
zu erwarten, dass auch die Forderung nach einer Ver-
mögensabgabe nicht einmal zwei Wochen in Selbstqua-
rantäne bleibt. Die einen nennen es „Corona-Soli“, die
anderen „Lastenausgleich“.
Jetzt mal ehrlich, egal, wie man sonst zu solchen Ideen
steht: Ist es dafür nicht viel zu früh? Wir wissen noch
nicht einmal, wie schlimm diese Krise tatsächlich wird.
Vermutlich wird es der tiefste Einbruch seit dem Zwei-
ten Weltkrieg. Ein Großteil der Wirtschaft liegt auf der
Intensivstation, zahlreiche Unternehmen sind schon an
Beatmungsgeräte angeschlossen.
In einer solchen Phase die Inhaber zusätzlich mit
einer Vermögensabgabe zu schwächen wäre abenteu-
erlich. Alles, was jetzt zusätzlich Unruhe in das System
bringt, wäre töricht. Aus der letzten großen Finanzkri-
se wissen wir zudem, dass gerade Familienunterneh-
men sehr verantwortungsvoll reagieren. Sie versuchen,
ihre Belegschaft so gut wie möglich zu schützen. Es gibt
aber noch ein letztes gutes Argument gegen die Pläne,
die Saskia Esken im Homeoffice schmiedet: Auch 2009
musste sich der deutsche Staat stark verschulden. Da-
mals gab es keine Sonderabgabe. Was sich offenbar be-
währt hat. Schon ab 2010 wuchs die Wirtschaft wieder,
und zwar ein Jahrzehnt lang. Die Kassen des Staates füll-
ten sich in einem Maße, wie es kein Finanzminister
erwartet hätte. Vielleicht könnte uns das noch mal ge-
lingen? Ich hoffe, wir haben den Fehler gefunden. 2

FINDE DEN FEHLER!


SPD und Linkspartei fordern eine Vermögensabgabe


der Reichen. Ist das in dieser Krise eine gute Idee?


Viel Reichtum steckt in Familienunternehmen wie Knorr-Bremse

34 8.4.2020

KOLUMNE


UNSERE WIRTSCHAFT
IN ZEITEN VON CORONA

Von Horst von Buttlar,
Chefredakteur „Capital“

Den neuen Podcast „Die Stunde Null“ von Horst von Buttlar finden Sie auf stern.de/diestundenull

DIE STUNDE NULL

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