Stand: jetzt – mangels Finanzierung
noch nicht umgesetzt wurden.
Dabei ähnelt das Modell tatsächlich
ein bisschen Dubai, der boomenden
Ölstadt, ist aber dennoch nur so
groß wie ein Spielzeug. Und Öl gibt
es auch nicht in diesem Mini atur-
Wunderland.
*
Aber selbst wo das Öl fließt, sieht
Kasachstan nicht gerade wie Du-
bai aus. In Schanaosen, einem
100 000-Einwohner-Städtchen un-
weit des Kaspischen Meeres, rei-
hen sich schäbige Häuserblocks
an Staubpisten. Angeblich wurde
vor ein paar Jahren viel Geld für die
Sanierung der Stadt ausgegeben,
doch zu sehen ist davon nichts.
Nicht einmal Asphaltwege gibt es
überall. Wer jung ist, sucht Arbeit
oder zieht weg.
Kasachstan ist ein Rohstoffland:
Es verfügt nicht nur über die
elftgrößten Ölreserven der Welt,
unter der Steppe lagern auch Uran,
Gas, Gold, Kupfer und Blei. „Das
Öl fließt aus unserer Erde“, sagt
Nurlybek Nurgalijew, ein großer,
wütender Arbeiter aus Schanaosen.
„Aber wir kriegen nichts von diesem
Reichtum ab.“ Schon beim blutigen
Aufstand der Ölarbeiter 2011 war er
dabei, damals traf ihn die Kugel
eines Polizisten am Hals. Heute geht
er zu Demonstrationen gegen die
Chinesen. „Das Volk will sie hier
nicht“, sagt er.
Niemand machte je einen Hehl
daraus, dass es in der Freundschaft
zwischen China und Kasachstan
immer auch um diese Bodenschätze
ging. China kontrolliert inzwischen
mehr als 40 Prozent des kasa-
chi schen Öl- und Gassektors, alle
chi ne sischen Ölfirmen sind in Ka-
sach s tan aktiv. Um die Energiever-
sorgung sicherzustellen, kaufen sie
sich gleich in die lokalen Ölfirmen
ein. Etwa ein Dutzend gehört ihnen
vollständig. Im Ölgebiet von Aqtau,
in dem auch Schanaosen liegt,
kontrollieren sie nach Schätzungen
etwa 70 Prozent des Öl-Geldes.
Beliebte Arbeitgeber sind sie nicht,
bekannt für niedrige Löhne und
schlechte Arbeitsbedingungen. „Es
gibt Techniker“, erzählt der Arbeits-
rechtler Muchtar Umbetow, „die
verdienen 150 Dollar für eine Zwei-
Wochen-Schicht in der Steppe.“ Ge-
werkschaften sind nicht erlaubt.
Chinesische Investitionen
machen den Kasachen schon lange
Angst, vielleicht, weil die historische
Feindschaft zwischen China und
der Sowjetunion noch nicht ver-
gessen ist. Vielleicht aber auch,
weil die Kasachen in der Sowjet-
union zur Minderheit im eigenen
Land wurden und nun fürchten, das
könne mit China wieder passieren.
Und dann vielleicht auch, weil sie
China so unterlegen sind.
2016 musste Nasarbajew nach
Massenprotesten ein Gesetz zu-
rück nehmen, das ausländischen
Investoren eine Pacht von 25 Jahren
einräumte – China wollte sich
damals auch in die Landwirtschaft
einkaufen. Der Organisator dieses
Aufstands sitzt noch heute im
Gefängnis. „Es gibt keine Trans-
parenz“, sagt der Aktivist Umbetow.
„Wir wissen nicht, zu welchen Be-
dingungen die Chinesen sich an
kasachischen Ölfirmen beteiligten.“
Manche dieser Deals folgten auf
einen günstigen Kredit aus China.
Vor zehn Jahren ließ sich Nasar-
bajews Schwiegersohn angeblich
mit 160 Millionen Dollar bestechen.
Die Wut auf China richtet sich
deshalb in Wirklichkeit auch auf
den mächtigen Nasarbajew, der
sich in der fernen Hauptstadt ein-
richtete wie auf einem anderen
Planeten.
Samruk-Kazyna, zeitweise geleitet
von seinem Schwiegersohn, ließ
neben dem Dry-Port auch ein
Industriegebiet, sogar eine neue
Stadt entstehen, die, so glaubt
Nasarbajew, einmal die schönste des
Landes werde.
In Erwartung des Booms zahlte
die Regierung 250 Millionen Dollar
allein für den Dry-Port. Doch wer
ihn besucht, erlebt vor allem: Stille.
Vor drei Jahren kaufte China 49 Pro-
zent der Aktien des Logistikunter-
nehmens, was bis heute alle für ein
gutes Zeichen halten. Weil China nie
in etwas investiere, was wirtschaft-
lich keinen Sinn ergebe, erklärt
Rustam Sabitow, Manager im
Logistikzentrum von Chorgos.
Sabitow lädt zu einer Fahrt durch
das Industriegebiet. Außer Steppe
und Zäunen ist nicht viel zu sehen.
„Das täuscht“, behauptet Sabitow. In
einem Hangar wird Marmelade her-
gestellt. Ein Silo dient der Lagerung
von Getreide. Nurkent, die Stadt für
die Arbeiter, sieht eher wie eine
Siedlung aus Plattenbauten aus,
die im Wüstenwind langsam ver-
wittern. 2022 sollen hier 50 000
Menschen wohnen. Heute sind es
etwas mehr als 3000.
Die Freihandelszone selbst, der-
zeit wegen des Virus geschlossen,
wirkt wie eine gigantische Baustelle.
Auf der chinesischen Seite ragen
Kräne aus einem Häusermeer, auf
der kasachischen wächst auf dem
Schutt der Baustellen das Gras.
Sollte der Transitverkehr viel Geld
einbringen, dann ist es jedenfalls
nicht hier zu sehen.
Im Verwaltungsgebäude erklären
zwei Mitarbeiter, wie die kasachi-
sche Seite eigentlich aussehen sollte.
Die Pläne zeigen: einen Aquapark,
Hotels, Museen, eine Pferderenn-
bahn, ein deutsches Dorf, archi-
tektonische Meisterwerke, die alle – 4
IN KASACHSTAN GEHT ES
VOR ALLEM UM ROHSTOFFE
Im Ölgebiet
bei Aqtau
laufen Kamele
in der Steppe.
Die Förderanlage
gehört einem
kasachisch-
chinesischen
Konsortium
Kasachstan ist
reich an Boden-
schätzen – auch
an Goldadern
98 8.4.2020