Die Welt - 25.03.2020

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25.03.20 Mittwoch,25.März2020DWBE-HP



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DWBE-HP






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12 WIRTSCHAFT *DIE WELT MITTWOCH,25.MÄRZ


G


roße Teile Deutschlands
stehen still – nicht nur im
üüübertragenen Sinn. Werbertragenen Sinn. Wer
zu Hause bleibt oder nur
noch zum Einkaufen hi-
nausgeht, der braucht in der Regel auch
kein Taxi. Die Politik versucht, die weite-
re Ausbreitung des Coronavirus zu
bremsen, indem sie die Mobilität ein-
schränkt. Das trifft jene hart, deren Ge-
schäft eben die Fortbewegung ist.

VON PHILIPP VETTER


„Die meisten sind im Einsatz, stehen
aaaber nur rum“, sagt Michael Opper-ber nur rum“, sagt Michael Opper-
mann. Er ist Geschäftsführer des Bun-
desverbandes Taxi und Mietwagen. „Un-
term Strich ist das Virus tödlich für die
Branche.“ Wie viele andere Verbände be-
mühen sich auch die Taxi-Lobbyisten,
staatliche Unterstützung für ihre Bran-
che zu bekommen. Denn die Einbußen
sind gewaltig: In Berlin und anderen
Großstädten sei der Umsatz um bis zu
8 0 Prozent eingebrochen, schätzt Op-
permann. Auf dem Land sehe es mit ei-
nem Minus von 65 Prozent noch besser
aus, in Existenznöte bringt es die Betrie-
be dennoch. Dass der Umsatz in den Me-
tropolen am stärksten wegbricht, liegt
an der unterschiedlichen Zusammenset-
zung der Kunden: Die typischen Fahrten
in Städten von Messebesuchern und
nächtlichen Klubgängern sind komplett
weggefallen. Auf dem Land gab es diese
Fahrten ohnehin selten, dort machten
die Taxifahrer ihr Geschäft eher mit
Fahrten zu Ärzten, die auch jetzt zumin-
dest teilweise noch stattfinden.
„Der politische Wille zu helfen ist er-
kennbar vorhanden“, sagt Verbandsver-
treter Oppermann. „Es geht jetzt darum,
dass es schnell geht. Wir haben die Sor-

ge, dass uns die Unternehmen unter den
Händen wegbröseln.“ Denn große Reser-
ven, von denen man nun einige Wochen
leben könnte, habe kaum eine Firma auf-
gebaut. „Die ersten Unternehmen wer-
den zum Monatsende kollabieren und
aufgeben“, prognostiziert Oppermann.
Er hofft deshalb, dass es bald bundesweit
auch Direktzahlungen vom Staat für die
betroffenen Firmen gibt, einige Bundes-
länder wie Bayern würden solche Hilfen
bereits auszahlen. Denn Oppermann
glaubt nicht, dass seine Mitgliedsunter-
nehmen so lange durchhalten, dass sie
Förderkredite über ihre Banken beantra-
gen und abwarten könnten, bis sie ge-
nehmigt und ausgezahlt sind.
Die Taxiunternehmer unterscheidet
von anderen Branchen, die von drasti-
schen Umsatzeinbrüchen betroffen sind,
dass sie ihre Dienste weiter anbieten
müssen – auch wenn gerade niemand
mitfahren will. Denn in Deutschland gilt
fffür Taxis eine Betriebspflicht. Wer eineür Taxis eine Betriebspflicht. Wer eine
Lizenz besitzt, muss sie nutzen. Das be-
deutet, dass Unternehmer trotz fehlen-

der Umsätze die Fahrzeuge auf den Stra-
ßen lassen müssen. Die Kosten für Fah-
rer, Benzin und so weiter laufen weiter.
Wie genau die Betriebspflicht gestal-
tet ist, haben die Kommunen unter-
schiedlich geregelt. In Berlin muss bei-
spielsweise mindestens an 180 Tagen pro
Jahr mindestens eine Sechs-Stunden-
Schicht gefahren werden. Das ist in nor-
malen Zeiten keine besonders hohe Hür-
de. Doch niemand weiß, wie lange die
verordnete Bewegungseinschränkung
fffür große Teile der ür große Teile der Bevölkerung fortbe-
stehen wird. In einigen Städten und Ge-
meinden sei die Betriebspflicht wegen
des Corona-Ausbruchs bereits gelockert
oder aufgehoben worden, sagt Opper-
mann. Doch er fordert das keineswegs
fffür alle Kommunen: „Wir befördernür alle Kommunen: „Wir befördern
eben auch Kranke, machen Dialysefahr-
ten“, sagt er. Das soll auch in der aktuel-
len Krise so bleiben. Der Verband rät den
Fahrern, den Abstand zum Fahrgast im
Taxi möglichst groß zu halten. Die Passa-
giere sollten deshalb am besten hinten
rechts sitzen und nach Möglichkeit bar-
geldlos, am besten per App, bezahlen.
AAAußerdem sollten die Fahrer alle Kon-ußerdem sollten die Fahrer alle Kon-
taktflächen, wie zum Beispiel Türgriffe,
nach jeder Fahrt desinfizieren. Die meis-
ten Taxifahrer würden trotz des Virus
und der Ansteckungsgefahr gern weiter-
fffahren. „Wir haben keinen Rückgang inahren. „Wir haben keinen Rückgang in
der Fahrbereitschaft“, sagt Oppermann.
Der Bundesverband will nun zusam-
men mit der Politik nach Möglichkeiten
suchen, wie man die derzeit überwie-
gend ungenutzten Taxis verwenden
könnte. „Wir haben rund 100.000 Autos
in Deutschland auf der Straße, die wür-
den wir gern zur Krisenbewältigung ein-
setzen“, sagt Oppermann. Man könne
die Taxis verstärkt für Einkaufs- oder
AAApothekenfahrten nutzen. Außerdempothekenfahrten nutzen. Außerdem

wwwürde die Branche gern das medizini-ürde die Branche gern das medizini-
sche Personal zur Arbeit transportieren,
damit Ärzte und Pfleger nicht mit U-
Bahnen und Bussen fahren müssen, wo
das Ansteckungsrisiko für sie größer wä-
re. Oppermann kann sich auch vorstel-
len, dass man Besitzer von Monatskar-
ten für den örtlichen Nahverkehr beför-
dern könnte. So leerten sich Busse und
Bahnen und die Ansteckungsgefahr sin-
ke. Das könnte der Staat bezuschussen.
Bislang sind das allerdings nur Vorschlä-
ge, man führe aber Gespräche mit der
Bundesregierung.
Einige halten den Verweis auf die Be-
triebspflicht und die Bereitschaft der Ta-
xis, nun medizinisches Personal zu
transportieren, allerdings nicht für völlig
selbstlos. Die Pflicht zum Betrieb könnte
eben auch heißen, dass die Taxis noch
fffahren dürfen, wenn andere Dienste beiahren dürfen, wenn andere Dienste bei
weiteren Beschränkungen ihren Service
einstellen müssen, heißt es in Branchen-
kreisen. Denn längst sind die Taxis nicht
mehr konkurrenzlos. Der Mobilitäts-
dienst Uber will nicht beantworten, wie
stark die Nachfrage nach der Vermitt-
lung von Mietwagenfahrten durch den
Corona-Ausbruch zurückgegangen ist.
Das Geschäft sei aber auch für Uber
schwierig geworden, sagt ein Sprecher.
Die Mietwagenfirmen, deren Fahrten
der Dienst in Deutschland vermittelt,
könnten ihre angestellten Fahrer in
KKKurzarbeit schicken, wenn sie sonst inurzarbeit schicken, wenn sie sonst in
Probleme kommen, heißt es. Einmann-
betriebe, deren Geschäft es ist, mit dem
eigenen Auto für Uber Fahrten anzubie-
ten, unterstütze der amerikanische Kon-
zern wie überall in der Welt für 14 Tage,
sagt ein Sprecher. Das gelte auch jetzt,
wo die Einnahmen wegen Corona aus-
bleiben. Allerdings sei dieses Geschäfts-
modell in Deutschland sehr selten.

TTTaxibranche im Überlebenskampfaxibranche im Überlebenskampf


Kaum jemand nutzt in


der Corona-Krise noch


Mobilitätsdienste.


Die beigen Autos


haben dennoch eine


Betriebspflicht. Ihr


Verband will sie nun


zur Krisenbewältigung


einsetzen


WWWarten, wie hier am Flughafen arten, wie hier am Flughafen
KKKöln-Bonn, sind Taxifahrer gewohnt.öln-Bonn, sind Taxifahrer gewohnt.
Das Coronavirus lässt sie nun noch län-
ger am Stand stehen – oft vergeblich

PICTURE ALLIANCE/ DPA

/JAN KNOFF

V


on anderen lernen – dieses Dog-
ma erweist sich immer mehr als
Waffe im Kampf gegen die Coro-
na-Pandemie. Vereinfacht lässt sich mit
Blick auf andere Länder sagen: Massen-
hafte Tests sind zwar keine Medizin ge-
gen das Virus. Sie helfen jedoch, die
Zahl der Neuansteckungen zu reduzie-
ren und Verbreitungswege nachzuvoll-
ziehen.

VON JAN KLAUTH


Das zeigt das Beispiel Südkorea: Hat-
te das Land bis vor kurzem noch mit die
höchste Infiziertenrate im Vergleich zu
anderen Ländern, flacht die Zahl der
Neuerkrankungen in dem asiatischen
Land nun merklich ab. Das liegt unter
anderem daran, dass dort kontakt- und
kostenlose Massentests gemacht wer-
den. An sogenannten Drive-in-Teststel-
lenwird ein Abstrich entnommen, so-
dass potenziell Erkrankte ihr Auto nicht
verlassen und mit Dritten in Kontakt
treten müssen. Noch deutlich effektiver
könnte die Erfassung werden, wenn nun
neue Schnelltests auf den Markt kom-
men.
Auch Deutschland setzt mittlerweile
verstärkt auf Drive-in-Tests. Knapp
29.000 Personen sind hierzulande,
Stand Dienstag, positiv auf das Sars-
CoV-2-Virus getestet worden. Diese
Zahl bildet aber nicht das gesamte In-
fektionsgeschehen ab. Bis zu 14 Tage be-
trägt die Inkubationszeit – wer sich infi-
ziert hat, merkt dies also möglicherwei-
se erst Tage später. „Bei den aktuellen

Zahlen schauen wir in die Vergangen-
heit“, sagt der Virologe Alexander Ke-
kulé. Eigentlich dauert der Nachweis
des Virus nur wenige Stunden. Auf die
große Anzahl der Tests sind aber nur
wenige Labore vorbereitet, die Kapazi-
täten reichen nicht aus. Bis potenziell
Erkrankte Gewissheit haben, vergehen
oft mehrere Tage, und vor den Teststel-
len werden die Schlangen immer länger.
Sandra Ciesek, Virologin an der
Frankfurter Uniklinik, rechnet dennoch
mit einem Durchbruch. „Was die Tests
angeht, wird sich die Lage bald entspan-
nen“, sagte Ciesek. Der Professorin und
ihrem Team ist es gelungen, Sars-
CoV-2-Zellkulturen anzulegen und zu
erforschen. Das Ziel: antivirale Wirk-
stoffe zu finden und Gene auszuschal-
ten, die das Virus zur Infektion braucht.
Verschiedene Firmen, die nun schnelle-
re Tests entwickeln, könnten theore-
tisch beispielsweise in der Notaufnah-
me innerhalb von 90 Minuten ein Er-
gebnis liefern, so Ciesek.

In den USA ist bereits ein solcher
Schnelltest auf dem Markt. Der Mediz-
indiagnostikhersteller Cepheid ver-
spricht den Nachweis einer möglichen
Infektion in weniger als 60 Minuten.
Cepheid will die Tests noch diese Wo-
che an Kliniken ausliefern, die das Ana-
lysegerät namens Genexpert verwen-
den – welches ebenfalls von Cepheid
hergestellt wird. Das Unternehmen gibt
die Zahl der in den USA verfügbaren
Genexpert-Analysegeräte mit knapp
5000 an, weltweit sollen es rund 23.
sein. Ob jedoch eine Marktzulassung
außerhalb der USA folgt, ist noch offen.
Wahrscheinlicher ist, dass hierzulan-
de bald das Biotechunternehmen Qia-
gendie Erfassung schneller macht. De-
ren Forscher haben die Erkennung des
Coronavirus automatisiert. Nun kommt
dank Sonderzulassung ein Schnelltest
auf den Markt. Zu dem Schnelltest ge-
hört ein Analysegerät, das bereits für
andere Verfahren verfügbar ist und ei-
nen „fünfstelligen Betrag“ kosten soll.
Für die zugehörige Testkartusche wer-
den rund 90 Euro fällig. Mehr als 1000
seiner Analysemaschinen hat das Un-
ternehmen nach eigenen Angaben bis
Ende 2019 verkauft. Qiagen sitzt in den
Niederlanden, der größte Produktions-
standort ist aber Deutschland. Der Di-
agnosespezialist steht vor der Übernah-
me durch das amerikanische Technolo-
gieunternehmen Thermo Fisher, das
rund zehn Milliarden Euro geboten ha-
ben soll. Der Verkauf gilt als größte
Übernahme aller Zeiten in der Biotech-
branche.
Die Testgeräte haben aber einen ent-
scheidenden Nachteil, sagt Virologe Ulf
Dittmer vom Uniklinikum Essen: Sie
können innerhalb einer Stunde nur ei-
nen Test durchführen und nicht mehre-
re parallel. Rüstet man die Maschinen
nach, erhöht sich diese Anzahl auf vier.
„Die Testgeräte sind zwar effektiv,
wenn es um den schnellen Nachweis ei-
nes Einzelfalls geht, weil sie sofort Er-
gebnisse liefern. Für Massentests sind
sie aber keine Lösung“, meint Dittmer.
Ein weiterer Nachteil: Von den Kosten
eines einzelnen Tests, etwa 90 Euro,
tragen die Krankenkassen nur 59.
Vergangene Woche machte zudem
die Nachricht die Runde, dass auch Apo-
theken bald Schnelltests anbieten wer-
den. Sie sollen ähnlich wie ein Schwan-
gerschaftstest funktionieren – aller-
dings mittels Blutserum, anstelle einer
Urinprobe. Virologe Dittmer ist auch
hier skeptisch. Einerseits hätten diese
Tests hohe Fehlerquoten. Andererseits
werden lediglich Antikörper nachgewie-
sen und nicht das Virus selbst. Diese
seien jedoch erst nach ungefähr einer
Woche erkennbar.
Ähnlich äußerte sich zuletzt auch
Deutschlands führender Virologe
Christian Drosten von der Berliner
Charité: Die Antikörpertests auf das
neuartige Coronavirus könnten negativ
ausfallen – obwohl man infiziert sei. Ulf
Dittmer warnt: „Es scheint einzelne
Unternehmen zu geben, die mit teils
fragwürdigen Methoden nun Profit aus
der Ausnahmesituation schlagen wol-
len.“ Weder Patienten noch Ärzten wä-
re damit am Ende geholfen.

Neue Corona-Schnelltests


teils wohl nicht zuverlässig


US-Hersteller verspricht Nachweis unter einer Stunde


FÜR MASSENTESTS


SIND DIE GERÄTE


KEINE LÖSUNG


ULF DITTMER,Virologe am


Uniklinikum Essen


,,


D


ie sogenannten Wirt-
schaftsweisen verbreiten
in der Corona-Krise vor-
sichtigen Optimismus.
Die Ökonomen glauben
nicht, dass es durch die massiven Ein-
schränkungen des öffentlichen Lebens,
dem sogenannten Shutdown, zu einem
dauerhaften Einbruch der Wirtschafts-
leistung kommen wird.

VON PHILIPP VETTER


„Für das wahrscheinlichste Szenario
halten wir derzeit ein tiefes V, bei dem
die Wirtschaftsleistung durch den Shut-
down zunächst stark einbricht, dann
aber auch relativ bald eine starke Wie-
derbelebung erfährt“, sagte der Vorsit-
zende des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftli-
chen Entwicklung, Lars Feld, WELT.
Die Ökonomen hatten zuvor mit Bun-
deswirtschaftsminister Peter Altmaier
(CDU) über die Folgen der Corona-Pan-
demie gesprochen.
Feld sagte nach der Beratung, dass die
Wirtschaftsweisen keine konkreten
Zahlen nennen wollen, wie stark die

Wirtschaft in diesem Jahr durch die
Pandemie einbrechen wird. Die Sach-
verständigen würden aber andere
Schätzungen, wie die des Münchner Ifo-
Instituts, wonach die deutsche Wirt-
schaft in diesem Jahr um 5 bis 20 Pro-
zent einbrechen könnte, für zu pessi-
mistisch halten. „Wir sind vonseiten des
Sachverständigenrats optimistischer,
dass es beim Wachstumseinbruch auf
das ganze Jahr gerechnet, wenn wir ein
V-Szenario realisieren können, nicht
ganz so schlimm kommt“, sagte Feld.
Gewissheiten gebe es derzeit nicht, man
könne nur Szenarien durchkalkulieren.
Der Ökonom nannte zwei Beispiel-
rechnungen: Dauere der Shutdown nun
fünf Wochen, auf den dann eine dreiwö-
chige Erholungsphase folge, werde die
Wirtschaftsleistung im Gesamtjahr um
weniger als fünf Prozent zurückgehen.
Dauere er etwas länger, sodass das öf-
fentliche Leben für sieben Wochen still-
steht und sich eine fünf Wochen lange
Erholung anschließt, müsse man mit ei-
nem Minus in der Größenordnung der
Finanzkrise von 2009 rechnen. Damals
war die deutsche Wirtschaft um 5,9 Pro-
zent eingebrochen. Das Ifo-Institut hat-

te hingegen vorgerechnet, dass die
Wirtschaft um mindestens 7,2 Prozent
schrumpfen werde, im schlimmsten Fall
sei aber auch ein Rückgang um 20,6 Pro-
zent möglich. Die Gesamtkosten der
Corona-Pandemie für Deutschland
würden sich laut den Münchner For-
schern dann auf 255 bis 729 Milliarden
Euro belaufen.
Ein solches Extrem-Szenario halten
die Sachverständigen derzeit nicht für

wahrscheinlich. Dafür müsste die Wirt-
schaft nicht nur kurzfristig stark ein-
brechen, sondern auch über einen län-
geren Zeitraum auf niedrigem Niveau
verharren. Nur bei diesem „L-Szenario“
wäre ein Einbruch im zweistelligen Pro-
zentbereich vorstellbar. Dafür gebe es
keine Anhaltspunkte, sagte Feld. Die
Bundesregierung habe mit ihren Hilfs-
programmen die Voraussetzungen ge-
schaffen, dass es nicht kurzfristig zu ei-
ner massiven Insolvenzwelle kommen
werde. Somit könnten die Unterneh-
men ihre Arbeit nach dem Shutdown
wieder aufnehmen und die Verluste zu-
mindest teilweise wieder aufholen.
Man müsse zudem bedenken, dass
die ersten Monate von 2020 vor der Vi-
rus-Krise sehr gut gelaufen seien.
„Wenn es uns gelingt, ab dem dritten
Quartal wieder mit kräftiger Erholung
voranzugehen, dann sind wir bei Wei-
tem nicht so pessimistisch wie das Ifo-
Institut in seinen Extrem-Szenarien“,
sagte Feld.
Aber wie begründen die Sachverstän-
digen ihren Optimismus, dass der Shut-
down nur wenige Wochen anhalten
wird? „Dafür sprechen insbesondere

Studien, die für den Ausbruch von Epi-
demien anderer Viren in der Regel ei-
nen 60 bis 90 Tage dauernden Verlauf
zeigen“, sagte Feld WELT. „Die Erfah-
rung in China deutet darauf hin, dass
sich auch das Coronavirus ähnlich ver-
halten könnte.“ Das würde bedeuten,
dass die massiven Einschränkungen
maximal für diesen Zeitraum aufrecht-
erhalten bleiben müssten. Da der Be-
ginn des Ausbruchs in Deutschland spä-
testens Anfang März liegt, würde das
bedeuten, dass die Maßnahmen Ende
April, spätestens Ende Mai aufgehoben
oder deutlich gelockert werden könn-
ten. Das entspräche dann dem Szenario
mit einem sieben Wochen langen Shut-
down.
Um zu gewährleisten, dass es nach
dem Ende der Beschränkungen tatsäch-
lich wieder steil aufwärts gehen kann,
sprechen sich auch die Sachverständi-
gen für staatliche Anreize aus, die über
die bereits beschlossenen Hilfspakete
hinausgehen. „Viel hängt davon ab, dass
wir schnell wieder aus der Krise heraus-
kommen und dass wir ab 2021 einen
schnellen Aufstieg hinlegen, wie wir ihn
nach der Finanzkrise erlebt haben“, sag-

te Feld. „Wir werden für die Zeit nach
Abklingen der Phase der gesundheits-
politischen Maßnahmen überlegen
müssen, welche Initialzündungen von-
seiten des Staates in Form von expansi-
ven fiskalpolitischen Maßnahmen ange-
zeigt sind.“
Wirtschaftsminister Altmaier sagte
solche Hilfen grundsätzlich zu: „Wir
müssen alles dafür tun, dass die Wachs-
tumskräfte dann, wenn die Zahl der In-
fektionen zurückgeht, wenn das öffent-
liche Leben wieder hochgefahren wer-
den kann, wenn die Unternehmen wie-
der normal produzieren können, die
Auftriebskräfte die Oberhand bekom-
men, dass investiert werden kann, dass
produziert werden kann“, sagte er. Er
wolle entsprechende Maßnahmen in en-
ger Abstimmung mit den Experten des
Sachverständigenrates entwickeln. Die
beschlossenen Hilfsmaßnahmen, um
den Unternehmen in der Krise kurzfris-
tig Geld zur Verfügung zu stellen, seien
„nur ein erster Schritt“. „Die Auswir-
kungen auf die Konjunktur werden be-
trächtlich sein, werden aber auch davon
abhängen, welche Maßnahmen wir
kurzfristig ergreifen werden.“

WWWirtschaftsweise glauben an optimistisches V-Szenarioirtschaftsweise glauben an optimistisches V-Szenario


Führende Ökonomen erwarten, dass es für die Wirtschaft nach der Pandemie relativ schnell wieder aufwärts gehen kann. Und widersprechen damit dem Ifo-Institut


Lars Feld hält die Einschätzung des
IIIfo-Instituts für zu pessimistischfo-Instituts für zu pessimistisch

PA

/ BERND VON JUTRCZENKA

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