Die Welt - 25.03.2020

(ff) #1
ter in einem Brief: „Vom freien Schauspiel er-
griffen, stand ich wie ein Staunender – ich schaue
zurück: Da lagerten die Wolken zu meinen Füßen.
Schon erschienen mir minder fabelhaft der Athos
und Olympus.“ Von nun an überboten sich Maler,
Dichter und Wanderer darin, ihre persönlichen
Ansichten von Landschaften ästhetisch und kon-
templativ auszuschmücken. Die feindliche Natur
wwwurde naiv umgedeutet. Katastrophen, der jäheurde naiv umgedeutet. Katastrophen, der jähe
Umschwung ins Negative, wurden ausgeblendet.
Nur dort, wo die Erde häufig mit Katastrophen
aaauf ihre Launen aufmerksam machte, integriertenuf ihre Launen aufmerksam machte, integrierten
Menschen die Bedrohung in den Alltag, zum Bei-
spiel an der Nordseeküste: Die Ingenieurkunst des
Deichbaus hält Fluten in Zaum, die alle paar Mona-
te gefährlich schwellen. Es ist meist das lokal er-
worbene Wissen, das im Umgang mit Naturgefah-
ren hilft. Manche Länder pochen auf ihre Katastro-
phenkultur, die zum Beispiel Erdbebenarchitektur
hervorgebracht hat, sodass Gebäude stehen blei-
ben, wenn mal wieder der Boden schwankt. Doch
selbst die „Erdbebennation“ Japan hat ein kurzes
Gedächtnis: 2011 trat ein Beben am Meeresboden
Tsunamis los, die an der Ostküste des Landes etwa
2 0.000 Menschen töteten. Nachdem sich das Was-
ser zurückgezogen hatte, fiel die Aufmerksamkeit
aaauf verwitterte Steine am Wegesrand, die von Grasuf verwitterte Steine am Wegesrand, die von Gras
üüüberwuchert waren.berwuchert waren.
In die Wegsteine gravierte Warnungen ließen
sich entziffern: „Erinnert das Unheil der Tsuna-
mis. Baut nicht unterhalb dieses Punktes“, ist da
zu lesen. Oder: „Hohe Gebiete sind Friede und
Harmonie der Nachgeborenen.“ Oder: „Wenn ein
Erdbeben kommt, nimm dich vor Tsunamis in
Acht.“ Es waren die Mahnungen der Vorfahren,
manche der Wegsteine waren älter als 600 Jahre.
Die Ignoranz der Japaner gegenüber den Erfah-
rungen ihrer Vorfahren ist nichts Besonderes.
Nach drei Generationen haben Menschen Gefah-
ren meist vergessen. Religiöse Textsammlungen
wie die Bibel tradieren zwar solche Geschehnisse
generationsübergreifend. Aber ansonsten ver-
blasst das Wissen, sobald die Großeltern gestor-
ben sind, die emotional aus eigener Anschauung
von einer Katastrophe berichten konnten.
Wie auch sonst wäre es zu erklären, dass Men-
schen ihre Häuser hoch auf den Flanken von Vul-
kanen bauen, auf der versteinerten Lava früherer
AAAusbrüche. Tausende Gebäude stehen auf demusbrüche. Tausende Gebäude stehen auf dem
VVVesuv nahe der Metropole Neapel, neue Bautenesuv nahe der Metropole Neapel, neue Bauten
rücken immer näher an den Krater. Spektakuläre
AAAussicht bietet sich; Francesco Petrarca hätteussicht bietet sich; Francesco Petrarca hätte
gefühlvolle Briefe geschrieben. Selten wenden die
VVVesuv-Bewohner ihren Blick zurück, hinauf auf denesuv-Bewohner ihren Blick zurück, hinauf auf den
Gipfel. Nur deshalb gelingt es ihnen zu vergessen,
dass der Vulkan garantiert wieder ausbrechen und
ihre Häuser am Hang pulverisieren wird.

D


ie Autoren der Bibel wussten
noch, worauf es ankam. Leser
erfuhren auf prägnante Wei-
se, welche Gefahren drohten:
Die „Plagen“ der Menschheit
wären Meerwasser, Flüsse,
Sonne, Dürre, Erdbeben,
Hagel, Ungeziefer und Seuchen, so lautete eine
berühmte Warnung des Bestsellers. Die Lehre
ging in den folgenden 2000 Jahren mit der auf-
geklärten Gesellschaft fatalerweise verloren.
Paradoxe Aufklärung: Das Wissen der Mensch-
heit über Naturgefahren wuchs, aber die Kenntnis
der einzelnen Menschen über die Umwelt
schwand. Seit es mit Technologie und Wissen-
schaft gelang, die Natur einzuhegen, gilt sie als
paradiesischer Urzustand und nicht mehr als
fffeindliche Bedrohung. Heute reden Leute groß-eindliche Bedrohung. Heute reden Leute groß-
spurig vom Klimawandel, missachten aber die
aaakute Gefahr eines nahenden Gewitters.kute Gefahr eines nahenden Gewitters.
Die Corona-Pandemie beweist, wie sehr sich
die moderne Gesellschaft von der natürlichen
Umwelt entfremdet hat: Wenigstens reiche Län-
der hätten diesmal vorbereitet sein können, Medi-
zin und Technologie standen bereit. Fünf schreck-
liche Grippepandemien überzogen die Welt allein
in den vergangenen hundert Jahren; Zigmillionen
Menschen starben qualvoll. In den Jahrhunderten
zuvor entvölkerten Pest, Cholera und andere
Epidemien die Erde. Der Ablauf verlief immer
ääähnlich: Die Ausbreitung der Krankheit wurdehnlich: Die Ausbreitung der Krankheit wurde
zunächst geleugnet, dann beschwichtigt, dann
hagelte es Schuldzuweisungen, bis endlich die
Katastrophe erkannt wurde. Trotz wissenschaftli-
cher Kenntnisse lief es diesmal ähnlich: Kein Land
ist vorbereitet auf eine Wiederholung der Plage.
Wie konnte die Menschheit verkennen, wie ver-
wwwundbar sie ist?undbar sie ist?
Die Wohlstandsgesellschaft führt ein verkorks-
tes Doppelleben. Einerseits ignoriert sie die Ge-
fffahren der Natur, andererseits ihren Wert: Derahren der Natur, andererseits ihren Wert: Der
Mensch hat mit rücksichtsloser Ausbeutung der
Umwelt ein katastrophales Massensterben aus-
gelöst. Bereits in den 1980er-Jahren entlarvte
Hans Magnus Enzensberger in seinem Essay „Der
WWWald im Kopf“ die Schizophrenie der rohstoff-ald im Kopf“ die Schizophrenie der rohstoff-
zehrenden und naturverbundenen Moderne: Aus-
beutung und Romantisierung, radikale Abholzung
und ausgeschilderte Wanderwege – der Mensch
lebt rücksichtslos von der Natur und verkitscht
sie gleichzeitig.
Die Verklärung der Natur begann im April 1336,
als der Dichter Francesco Petrarca gegen jede
VVVernunft auf den Berg Mont Ventoux in der Pro-ernunft auf den Berg Mont Ventoux in der Pro-
vence kraxelte. Anstatt zu beschreiben, welche
Steine, Pflanzen und Tiere er auf dem Berg sah,
schaute er bräsig in die Weite und schwelgte spä-

AAAuch die Schweiz leidet an Verdrängung. Vonuch die Schweiz leidet an Verdrängung. Von
1 882 bis 1976 war das Land von Naturkatastro-
phen weitgehend verschont geblieben; der Klima-
historiker Christian Pfister spricht von der „Ka-
tastrophenlücke“. Als sich in den 1980er-Jahren
der eigentliche Normalzustand mit gewaltigen
Überschwemmungen wiedereinstellte, saß der
Schock tief. Die Fluten wurden als neues Phäno-
men empfunden, waren jedoch Alltag gewesen in
fffrüheren Jahrhunderten. Die Schweiz hatte ihrrüheren Jahrhunderten. Die Schweiz hatte ihr
Risikobewusstsein verloren, sagt Pfister.
Deutschland, wo der museale Blick auf die
Umwelt und Sorglosigkeit vor Naturkatastrophen
gepflegt werden, hat den Umgang nie gelernt.
VVVerschont von Extremen und im Glauben, dieerschont von Extremen und im Glauben, die
Natur wäre ein Freizeitpark, überrascht hier-
zulande jeder Sturm, als ob er der erste wäre.
Und treten Flüsse ihrem Wesen folgend mal über
die Ufer, können sie nicht mehr ihre eigenen
AAAuen fluten. Ihr Auslauf wurde von Siedlungenuen fluten. Ihr Auslauf wurde von Siedlungen
geklaut, in die das Wasser schwemmt. Das ist
lange bekannt und kommt doch stets: überra-
schend. Selbst jahrhundertelang tradiertes lokales
Wissen geriet über die Expertenkultur der Moder-
ne in Vergessenheit, etwa der Umgang mit Hang-
rutschungen in der Schwäbischen Alb. Was früher
AAAllgemeinbildung war, wird nun an Gelehrte dele-llgemeinbildung war, wird nun an Gelehrte dele-
giert.
AAAber nur gemeinsame Erinnerung ermöglichtber nur gemeinsame Erinnerung ermöglicht
Bewältigungsstrategien. Der Niklas-Luhmann-
Satz zum Thema lautet, dass „eine Katastrophe
nur dann als Impuls wahrgenommen wird, wenn
sie in die interne Kommunikation des Systems
eingebaut werden kann und dort eine Resonanz
verursacht“. So kommt es, dass moderne Gesell-
schaften mit ihren geschlossenen Milieus Risiken
oft schlechter annehmen als Naturvölker. Für den
Schutz vor Naturgefahren müssen sich alle zu-
sammenschließen, um ihre Ressourcen zu in-
vestieren. Aber wer zahlt schon gerne, ohne an
monetären Gewinn zu glauben? Welche Politiker
setzen unpopuläre Vorkehrungen durch? Dass
solche Investitionen vor Verlusten bewahren
können, haben immerhin Küstenbewohner ver-
standen, die Deiche bauen.
Die Wissenschaft hilft auf die Sprünge: Erdbe-
benkataloge, Wettertagebücher, Hochwasser-
marken oder Pandemieaufzeichnungen offen-
baren, dass sich Katastrophen wiederholen. Aber
Naturwissenschaft wird ignoriert, sie spielt im
öffentlichen Diskurs keine Rolle, an ihre Stelle
tritt auch in angeblich aufgeklärten Gesellschaf-
ten der Aberglaube. Im Mittelalter verließen sich
die Leute bei der Vorbereitung auf Katastrophen
aaauf die Konstellation von Planeten und Sternen.uf die Konstellation von Planeten und Sternen.
Heute gelten Zuckerkügelchen als Medizin. Und
Menschen meinen, Fenster schließen zu müssen,
um angeblich krank machenden „Durchzug“ zu
verhindern. Oder sie glauben, Kälte würde Infek-
tionen auslösen („Erkältung“).
Ob Sturm, Gewitter oder Hitze – im Gegensatz
zu gebildeten Naturvölkern wissen Westeuropäer
nichts von Extremen und latschen stets blasiert
ins Freie. Selbst als die Corona-Epidemie ihren
Lauf nahm, feierten Deutsche Karneval, und in
Spanien gingen Millionen gemeinsam zum In-
ternationalen Frauentag auf die Straße. Vor 500
Jahren waren manche weiter, trotz mangelnder
wissenschaftlicher Kenntnisse: Als der Straß-
burger Rat Anfang des 16. Jahrhunderts wegen
einer Seuche eine Fürbittprozession abhalten
wollten, warnten Geistliche vor der Ansteckungs-
gefahr.
Dass nun ausgerechnet die globale Erwärmung,
eine menschengemachte potenzielle Naturkata-
strophe, als größtes Problem diskutiert wird, ist
kein Widerspruch zur Naturferne der Indus-
triegesellschaft – im Gegenteil: Die monströsen
und pauschalen Warnungen vor dem Klimawandel
bestätigen vielmehr die latente Ignoranz: Sie
beschwören das Zerstören eines „natürlichen
Gleichgewichts“, das es nie gab. Anstatt präzise
die unstrittig erheblichen Risiken der Erwärmung
zu verhandeln, gilt der Klimawandel per se als
menschengemachter Gegensatz zu einem pa-
radiesisch verklärten Urzustand. Die Debatte
verrät damit ihre unaufgeklärte, mythische Grun-
dierung. Sie gleicht der anthropologisch früh
gefestigten Erzählung vom verlorenen Garten
Eden und erstickt mit ihrer Irrationalität den
dringend notwendigen Diskurs über tatsächliche
Gefahren der globalen Erwärmung.
Die Leidenschaft der Klimawandeldebatte ver-
rät ihre irrationale Komponente auch dadurch,
dass andere Naturgefahren von ähnlicher Dimen-
sion ignoriert werden. Jederzeit mögliche Super-
vvvulkanausbrüche, Pandemien oder Meteoriten-ulkanausbrüche, Pandemien oder Meteoriten-
einschläge entbehren der Schuldfrage, was sie
weniger attraktiv macht für politische Profilie-
rung als der Klimawandel mit seinen vielen Sün-
dern. Dabei könnte ein Supervulkanausbruch mit
einem Knall ähnliche Verheerungen auslösen, wie
sie dramatische Klimawandelszenarien in Aus-
sicht stellen.
Supervulkane aber gelten bestenfalls als Unter-
haltungsstoff – wie bislang auch Pandemien. Vor
fffünf Jahren warnte Microsoft-Chef und Wissen-ünf Jahren warnte Microsoft-Chef und Wissen-
schaftsmäzen Bill Gates, dass Viren das größte
Risiko für die Welt darstellen würden; eine Pan-
demie könnte Abermillionen Tote fordern. Er
wwwurde ignoriert.urde ignoriert.

ESSAY


Warum keiner auf


Corona vorbereitet war


AXEL BOJANOWSKI


Lange haben Forscher


vor einer Pandemie


gewarnt – und doch


kam sie überraschend.


Dieses Prinzip


gilt bei allen


Umweltkatastrophen:


Die moderne


Gesellschaft verklärt


die Natur. So ist


es auch in der


Klimadebatte


Lieber mit Mundschutz: Ein Mann steht allein auf der Prager Karlsbrücke


AFP

/MICHAL CIZEK

2


25.03.20 Mittwoch,25.März2020DWBE-HP



  • Belichterfreigabe: ----Zeit:Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: ---Zeit:---Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe:
    Belichter: Farbe:Belichter: Farbe:Belichter:






DW_DirDW_DirDW_Dir/DW/DW/DW/DW/DWBE-HP/DWBE-HP


25.03.2025.03.2025.03.20/1/1/1/1/For1/For1 PPLATE 5% 25% 50% 75% 95%


2 FORUM *DIE WELT MITTWOCH,25.MÄRZ


Geschäftsführender Redakteur:Thomas Exner


Chefkommentator:Torsten Krauel


Redaktionsleiter Digital: Stefan Frommann


Leitung Editionsteam: Christian Gaertner,


Stv. Philip Jürgens, Lars Winckler


Creative Director: Cornelius Tittel


AAArtdirektion: rtdirektion: Juliane Schwarzenberg,


Stv. Katja Fischer


Politik: Marcus Heithecker, Claudia Kade, Lars


Schroeder, Dr. Jacques Schuster Forum:Eva Marie Ko-


gel, Stv. Rainer Haubrich Investigation/Reportage:


Wolfgang Büscher, Manuel Bewarder AAAußenpolitik:ußenpolitik:


Klaus Geiger, Silke Mülherr WWWirtschaft/Finanzen:irtschaft/Finanzen:Jan


Dams, Olaf Gersemann, Stv. Dietmar Deffner, Thomas


Exner (Senior Editor) Feuilleton:Dr. Mara Delius, An-


dreas Rosenfelder, Stv. Hannah Lühmann Literarische


Welt:Dr. Mara Delius Literarischer Korrespondent:Ri-


chard Kämmerlings Stil/Reise:Adriano Sack, Stv.


Sönke Krüger, Inga Griese (Senior Editor) Sport:


Matthias Brügelmann WWWissen:issen:Dr.Pia Heinemann,


Stv. Wiebke HollersenRegionalredaktion Hamburg:


Jörn Lauterbach, Stv. Claudia Sewig Nachrichten/


Unterhaltung: Falk Schneider Community/Social:


Thore Barfuss WWWELTplus: ELTplus: Sebastian Lange VVVideo:ideo:


Martin Heller CvD Produktion: Patricia Plate Foto:


Michael Dilger, Stv. Stefan A. Runne Infografik: Sandra


Hechtenberg, Karin Sturm


Chefkorrespondent Außenpolitik: Dr.Sascha Lehn-


artz, Clemens Wergin Chefökonomin: Dr.Dorothea


Siems Korrespondenten Politik/Gesellschaft: Ulrich


Exner, Dr.Richard Herzinger Chefkorrespondent


Feuilleton:Dr. Jan KüvelerChefkorrespondent Wis-


senschaft: Dr. Norbert Lossau Chefreporter: Stefan


Frommann, Heike Vowinkel Leitender Redakteur


Zeitgeschichte:Sven Felix Kellerhoff Ständige Mitar-


beit: Prof.Michael Stürmer AAAutoren: utoren: Henryk M. Bro-


der, Dr. Susanne Gaschke, Peter Huth, Alan Posener,


Dr. Kathrin Spoerr, Benjamin von Stuckrad-Barre,


Hans Zippert


AAAuslandskorrespondenten: Brüssel:uslandskorrespondenten: Brüssel:Dr. Tobias Kaiser,


Dr. Christoph Schiltz Budapest:Boris KalnokyIstanbul:


Deniz Yücel Kapstadt:Christian Putsch London:


Stefanie Bolzen, Thomas Kielinger Marrakesch: Alfred


HackensbergerMoskau:Pavel Lokshin New York:


Hannes Stein Paris: Martina Meister WWWarschau: Philiparschau: Philip


Fritz Washington:Steffen Schwarzkopf, Dr. Daniel


Friedrich Sturm


Verleger AXEL SPRINGER (1985 †)


Herausgeber: Stefan Aust


Chefredakteur: Dr. Ulf Poschardt


Stellvertreter des Chefredakteurs:


Oliver Michalsky, Arne Teetz


Chefredakteure in der Welt-Gruppe:


Johannes Boie, Dagmar Rosenfeld


Stv. Chefredakteur: Robin Alexander


IMPRESSUM


„Mattias


Zustand war


sehr ernst“


Für Mojolis Team von Kranken-
schwestern und Ärzten waren die ers-

ür Mojolis Team von Kranken-
chwestern und Ärzten waren die ers-

ür Mojolis Team von Kranken-


ten beiden Wochen die kritischste
Zeit. „Mattias Zustand war sehr
ernst, obwohl er jung, stark und
sportlich war“, sagt Mojoli. Je stärker
die Antikörperreaktion ausfällt, desto
ernster verläuft die Krankheit. „In
diesem Stadium helfen keine Medika-
mente. Die Rettung ist allein eine in-
vasive künstliche Beatmungmit bis
zu 100 Prozent Sauerstoff bei positi-
vem Druck, um auch die peripheren
Lungenbläschen offen zu halten.“
Unter normalen Bedingungen atmet
eine Person 21 Prozent Sauerstoff.
An Mattia leisteten die Ärzte Pio-
nierarbeit. „Sie drehten mich auf die
Seite und dann auf den Bauch, um
meine Lungen wieder zu öffnen. Zu
sehen, mit welcher Kraft und Freund-
lichkeit so viele Menschen Tag und
Nacht zu mir standen wie zu einem
Kind, erschöpft und ungeschützt, das
bewegt mich“, sagt Mattia.
Als er wieder auf dem Weg der Bes-
serung war, erfuhr Mattia, dass sein
VVVater Moreno, der wie seine Frau ater Moreno, der wie seine Frau an
Covid-19 erkranktwar, es nicht ge-
schafft hatte. „Er weinte vor Freude
über seine ungeborene Tochter und
vor Verzweiflung um seinen Vater“,
sagt Mediziner Mojoli. „Er verstand
aber sofort, dass es ein Glück für ihn
war, mit künstlicher Beatmung auf ei-
ner Intensivstation bleiben zu kön-
nen. Das ist und bleibt der Weg zur
Heilung. So bekommt der Körper
Zeit, das akute Atemversagen zu
überwinden.“
Mattia will seine Erfahrung weiter-
geben, will warnen. „Das Symbol ei-
ner epochalen Tragödie zu sein belas-
tet mich“, sagt er. „Ab jetzt kann ich
immerhin auch zur Inspiration für
den Kampf gegen die Epidemie wer-
den, zum Beweis dafür, dass man mit-
hilfe der Ärzte genesen kann. Aber ich
habe Glück gehabt. Ich war unter den
Ersten, die vom Virus befallen wur-
den, bekam sofort die Behandlung,
die mir die Rückkehr ins Leben er-
möglichte“, sagt Mattia.
„Ich denke deshalb an die Tausen-
den Menschen, die sich jetzt darum
bemühen, ein Bett in einem Kranken-
haus zu finden, um behandelt zu wer-
den, an diejenigen, die ohne Sauer-
stoff bleiben, an diejenigen, die war-
ten und Angst haben zu sterben. Auf
den Stationen wird ein Krieg ge-
ffführt“, sagt Mattia. Und fügt hinzu:ührt“, sagt Mattia. Und fügt hinzu:
„Ich bitte alle auf den Knien, zu Hau-
se zu bleiben, weg von ihren Lieben
und Freunden. Niemand kann wis-
sen, ob er sich infiziert hat, ohne die-
se Präventiongeht es nicht: Wenn
der nötige Abstand nicht eingehalten
wird, können uns Ärzte und Kran-
kenschwestern bald nicht mehr hel-
fffen.“en.“
Mattia denkt jetzt darüber nach,
wie es weitergehen soll. „Von vielem
weiß ich nur, was mir erzählt wurde.
Ich möchte mich auch nur an die
schönste Sache erinnern, die auch die
einfachste Sache ist: den Moment, in
dem ich wieder zu atmen begann. Ich
habe verstanden: Leben heißt atmen.
WWWenn ich daran denke, dass vielenenn ich daran denke, dass vielen
Menschen gerade in diesem Moment
nicht geholfen werden kann zu at-
men, wird mir übel.“
Als wir uns verabschieden, hat
Mattia noch eine letzte inständige
Bitte. „Ich muss mich noch erholen“,
sagt er. „Ich bitte darum, in Ruhe ge-
lassen zu werden und die Privatsphä-
re meiner Familie zu respektieren.
Ich muss eine tragische Erfahrung
vergessen und zur Normalität zu-
rückkehren. Auch wenn ich weiß, dass
dieses Wort noch lange Zeit eine an-
dere Bedeutung haben wird.“

In Kooperation
mit „Repubblica“.
Übersetzt aus dem Italie-
nischen von Klaus Geiger.

FORTSETZUNG VON SEITE 1


© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung DIE WELT-2020-03-25-ip-5 3b62356251bc7143de405fb

https://myldl.biz

UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws

Free download pdf