Die Welt - 25.03.2020

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25.03.20 Mittwoch,25.März2020DWBE-HP



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4 POLITIK *DIE WELT MITTWOCH,25.MÄRZ


E


s war eine feierliche Zere-
monie im Berliner Abgeord-
netenhaus: die Würdigung
einer 98 Jahre alten Holo-
caust-Überlebenden durch
die Enthüllung ihres Ehrenbürgerin-
Porträts. Der Sänger Max Raabe trat
auf, der Präsident des Abgeordneten-
hauses hielt eine Ansprache, viele Gäste
aus Politik und Kultur applaudierten.
Doch dass die Feststunde für Margot
Friedländer trotz Corona-Krise noch
stattgefunden hat, legte in der Folge
fast das Hauptstadt-Parlament lahm,
zumindest vorübergehend.

VON HANNELORE CROLLY, ULRICH EXNER,


KRISTIAN FRIGELJ, MATTHIAS KAMANN,


GELI TANGERMANN UND THOMAS VITZTHUM


Bei der Gemälde-Enthüllung am 9.
März, einem Montag, waren nämlich
nicht nur viele Abgeordnete im Preußi-
schen Landtag anwesend, unter ihnen
der Regierende Berliner Bürgermeister
Michael Müller (SPD), sondern auch der
israelische Botschafter Jeremy Issacha-
roff. Und der wurde kurz danach positiv
auf das Coronavirus getestet. Deshalb
wurde die für 18. März geplante Plenar-
sitzung Hals über Kopf storniert; die ge-
plante Regierungserklärung Müllers zur
Corona-Krise fiel aus.
Eine Woche später kann die Sitzung
nun zwar nachgeholt werden, weil sich
herausgestellt hat, dass Issacharoff bei
der Gemälde-Enthüllung noch nicht infi-
ziert gewesen war. Doch das Problem
bleibt bestehen: Das Coronavirus bedroht
aaauch die Arbeitsfähigkeit von Parlamen-uch die Arbeitsfähigkeit von Parlamen-
ten – und damit eine Säule der Demokra-
tie. Immer dringlicher stellt sich die Fra-
ge, wie der Deutsche Bundestag und die
Landtage weiter ihre Arbeit machen und
die Exekutive kontrollieren können, ohne
ihre Mitglieder in Gefahr zu bringen.
Bisher ist die Antwort darauf zumin-
dest in Teilen eher technischer Natur.
So beschlossen etwa die Bundestags-
fraktionen Anfang der Woche, die Ge-
schäftsordnung vorübergehend zu än-
dern: Bis Ende September reicht die An-
wesenheit von 25 statt 50 Prozent der
709 Abgeordneten zur Beschlussfähig-
keit. Auch mehrere Landtage, allen vo-
ran Bayern, tagen vorübergehend mit ei-
ner Notbesetzung, wobei die Mehrheits-
verhältnisse unangetastet bleiben. In
München saß zuletzt nur noch gut ein
Fünftel der 205 Abgeordneten im Ple-
num, als der Landtag ein Zehn-Milliar-
den-Euro-Hilfspaket verabschiedete
und die Schuldenbremse für ein Jahr
aussetzte. In Baden-Württemberg wä-
ren nur noch 21 der 143 Abgeordneten
nötig, um die Handlungsfähigkeit zu ga-
rantieren; in Schleswig-Holstein würden
elf der 73 Parlamentarier ausreichen; in
diesen beiden Ländern sind die „Not-
parlamente“ noch nicht im Einsatz.
Überall wird zudem auf größere Sitz-
abstände geachtet; zugleich wird enorm

aufs Tempo gedrückt. Nordrhein-West-
falen hat die zwei notwendigen Lesun-
gen zur Schaffung eines Milliarden-Ret-
tungsschirms und eines Nachtragshaus-
halts an einem einzigen Tag über die
Bühne gebracht. Ohnehin laufen viele
Parlamente wie jenes in Düsseldorf auf
Sparflamme: Anträge auf namentliche
Abstimmungen werden bis auf Weiteres
nicht gestellt; mehrere Untersuchungs-
ausschüsse haben ihre Arbeit unterbro-
chen, auf Anhörungen mit persönlicher
Anwesenheit von Sachverständigen
wird verzichtet.
Doch die Frage ist, wie lange das alles
gut geht – auch aus rechtlicher Sicht.
Ein Gemeinsamer Ausschuss aus Ver-
tretern von Bundestag und Bundesrat,
wie er im Grundgesetz für den Verteidi-
gungsfall vorgesehen ist, existiert für
das Pandemie-Szenario noch nicht. Und
so schnell wird er wohl auch nicht kom-
men, auch wenn Bundestagspräsident
Wolfgang Schäuble (CDU) eine Grund-
gesetzänderung vorgeschlagen hat. Da-
gegen gibt es aber Widerstand. „Das
könnten wir nicht im Schnellverfahren
durchziehen“, sagt der CSU-Parlamen-
tarier Stefan Müller.
An diesem Mittwoch werden im
Reichstag Hunderte Bundestagsabge-
ordnete zusammenkommen, weil un-
aufschiebbare Entscheidungen anste-
hen. Unter anderem soll ein Milliarden-
paket zum Schutz von Wirtschaft und
Bevölkerung beschlossen werden. Die
letzte Sitzungswoche vor Ostern wurde
auf zwei Präsenztage verkürzt. Für die
Plenarsitzung am Mittwoch haben sich
die Fraktionen nach WELT-Informatio-
nen darauf geeinigt, nicht in voller Stär-
ke anzutreten. Das soll den Sicherheits-
abstand zwischen den Abgeordneten
garantieren. Auch die Zuschauertribü-
nen können als Ausweichflächen ge-
nutzt werden. Ein Bereich bleibt für Zu-
schauer offen, die in kleiner Zahl zuge-
lassen werden, um die Öffentlichkeit zu
garantieren. Wer nicht im Plenarsaal
sitzt, so die Idee, soll die Sitzung per
Stream aus seinem Abgeordnetenbüro
verfolgen und erst zur Abstimmung
kommen. Die Wahlurnen wurden in Ab-
ständen von drei Metern zueinander

aufgebaut und das Zeitfenster für Ab-
stimmungen erweitert, um Gedränge zu
vermeiden.
Die Sitzung ist aus Sicht vieler Abge-
ordneter überhaupt nur zustande ge-
kommen, um den gewaltigen Maßnah-
men zur Krisenbewältigung die notwen-
dige Legitimation durch den Gesetzge-
ber zu verschaffen. Deshalb hat man an
einer „normalen“ Sitzung festgehalten.
Die Idee eines „Notparlaments“ auf
Bundesebene wird verworfen: Die Ge-
fahr, dass das Parlament später – wie bei
der Flüchtlingskrise – wieder nur als
Vollstrecker von Plänen der Regierung
wahrgenommen würde, ist den Abge-
ordneten viel zu groß.
Gleichwohl haben viele noch immer
erhebliche Bauchschmerzen bei dem
ganzen Verfahren. Die Tatsache, dass et-
wa die Unionsfraktion keine Sitzung da-
vor abhielt und man seine Einwände nur
schriftlich bis Dienstagabend stellen
konnte, wird stark kritisiert. Viele kön-
nen nicht fassen, dass mit Milliarden
hantiert wird, wo noch vor wenigen Wo-
chen schon Programme mit einem klei-
nen Millionenvolumen kaum durchzu-
setzen waren. Das wird sicherlich in Zu-
kunft Begehrlichkeiten wecken.
Die Kanzlerin kann auf diese Beden-
ken derzeit nicht eingehen. Angela Mer-
kel (CDU), die in häuslicher Quarantä-
ne ist, wird fehlen; stattdessen geht Vi-
zeregierungschef Olaf Scholz (SPD) ans
Rednerpult. Merkels Sprecher Steffen
Seibert betonte zwar, die Kanzlerin
könne auch in Quarantäne ihre Dienst-
geschäfte „in vollem Umfang ausfüh-
ren“. Eine Sondersitzung des Kabinetts
leitete Merkel von zu Hause per Audio-
konferenz. „Wir kennen uns schließlich
an der Stimme“, sagte Scholz. Doch
wenn das vom Kabinett beschlossene
Milliarden-Maßnahmenpaket jetzt im
Parlament beraten wird, ist eine solche
Zuschaltung nicht möglich. Daher muss
ihr Stellvertreter ran. Nach WELT-In-
formationen gibt es sogar Überlegun-
gen, Bundestagssitzungen künftig kom-
plett digital abzuhalten. „Da sind wir
aber erst ganz am Anfang“, sagt ein
Bundestagssprecher. „Denn wie wollen
Sie einen Zuruf organisieren? Und wie
eine Videokonferenz mit 709 Personen?
Das sind alles Fragen, die sich stellen.“
Auch die Bundestagsfraktionen ha-
ben eine Gratwanderung zu bewältigen,
wenn sie den Politikbetrieb am Laufen
halten und zugleich ihre Mitglieder
schützen wollen. Die Unionsfraktion
sagte die übliche Sitzung vor dem Ple-
num ganz ab – weil der Raum nicht ge-
nügend Platz lasse für den nötigen Si-
cherheitsabstand. Die Abgeordneten
von FDP, Linkspartei und Grünen wol-
len ihre Sitzungen digital abhalten; SPD
und AfD wollen jeweils zusammenkom-
men, entweder in größeren Räumen
oder kleinerer Besetzung.
Glück im Unglück hat auf Landesebe-
ne Hamburg: Dort fällt die Corona-Kri-

se genau zwischen zwei Legislaturperi-
oden. Die verschiedenen Bürgerschafts-
ausschüsse würden ihre Arbeit nach der
Wahl vom 23. Februar ohnehin erst nach
einer Regierungsbildung wieder aufneh-
men. Bei der konstituierenden Sitzung
des Parlaments Mitte März hatten sich
die Fraktionen bereits darauf geeinigt,
jeweils nur jeden zweiten der 123 Abge-
ordneten persönlich teilnehmen zu las-
sen. Die anderen konnten das Gesche-
hen im Livestream verfolgen. Dass die
Corona-Krise allerdings der Demokra-
tie und dem Parlamentarismus schadet,
diesen Eindruck hat Hamburgs Bürger-
schaftspräsidentin Carola Veit (SPD)
nicht, eher im Gegenteil. Die Menschen
würden gerade in dieser unsicheren, irr-
tumsanfälligen Lage spüren, wie gut es
sei, dass in einer parlamentarischen De-
mokratie nicht einer alleine entscheide,
sondern sich Parteien und Politiker
auch gegenseitig kontrollierten. „Wenn
jemand eine solche Krise bewältigen
kann, dann doch wir, wenn wir alle wei-
terhin an einem Strang ziehen“, findet
Veit. „Ich habe nicht den Eindruck, dass
die Demokratie Schaden nimmt. Sie
wird eher gestärkt.“
In Schleswig-Holstein ist Landtags-
präsident Klaus Schlie (CDU) ebenfalls
zuversichtlich: Ein „Notparlament“
könnte in diesen Krisen-Zeiten alle not-
wendigen Entscheidungen treffen. Dies
gelte zum Beispiel, wenn besonders vie-
le Abgeordnete krank würden oder pro-
phylaktisch unter Corona-Quarantäne
gestellt werden müssten. Die Regelung
gilt vorerst bis Mitte des Jahres.
In Niedersachsen, wo der Landtag an
diesem Mittwoch zusammenkommt,
wurde die Sitzung von drei Tagen auf ei-
nen verkürzt. Debattiert werden fast
ausschließlich Themen, die im Zusam-
menhang mit der Corona-Krise stehen.
Für die Zukunft will Landtagspräsiden-
tin Gabriele Andretta (SPD) prüfen las-
sen, ob und wie es möglich ist, Plenums-
sitzungen auch im Internet abzuhalten.
Derzeit fehle es noch an der entspre-
chenden technischen Infrastruktur,
„zum Beispiel, um rechtssicher Abstim-
mungen durchzuführen“, so Andretta.
Auch die verfassungsrechtlichen Vo-
raussetzungen seien aktuell nicht gege-
ben. Für die Dauer der Corona-Krise
werden Niedersachsens 137 Abgeordne-
te also absehbar persönlich in Hannover
erscheinen müssen.
Eine Atempause verschafft die Corona-
Krise dem wohl umstrittensten Minister
der Bundesregierung, Andreas Scheuer
(CSU). Denn der Skandal um die geschei-
terte Pkw-Maut kann vorerst nicht weiter
aaaufgearbeitet werden: Der Untersu-ufgearbeitet werden: Der Untersu-
chungsausschuss des Bundestags hat die
fffür diese Woche geplante Sitzung abge-ür diese Woche geplante Sitzung abge-
sagt; eine Fortsetzung der Zeugenbefra-
gggungen ist frühestens nach Ostern mög-ungen ist frühestens nach Ostern mög-
lich. Der Verkehrsminister muss also vor-
erst keine weiteren belastenden Aussagen
im Ausschuss befürchten.

Parlamente im Krisenmodus


Wie können


Abgeordnete auf


Bundes- und


Landesebene künftig


noch arbeiten und


die Regierungen


kontrollieren, ohne


ihre Gesundheit zu


gefährden?


JJJe weniger Abgeordnete anwesend sind, desto geringer das Corona-Risiko: Der Bundestag reagiert auf die Pandemiee weniger Abgeordnete anwesend sind, desto geringer das Corona-Risiko: Der Bundestag reagiert auf die Pandemie


PICTURE ALLIANCE / SVENSIMON

/ANNEGRET HILSE / SVEN SIMON

N


ach dem Hilferuf von Verteidi-
gungsministerin Annegret
Kramp-Karrenbauer (CDU) ha-
ben sich Tausende Freiwillige zum
Dienst in der Bundeswehr gemeldet.
Der Vorsitzende des Reservistenver-
bandes und CDU-Bundestagsabgeord-
nete Patrick Sensburg kennt ihre Moti-
vation – und sagt, wo er noch Nachhol-
bedarf sieht. Zum Beispiel bei der Ver-
fassung.

VON THORSTEN JUNGHOLT


WELT:Ob Oderflut, Flüchtlingskrise
oder jetzt die Corona-Pandemie: In
zivilen Notlagen wird nach der Unter-
stützung der Bundeswehr gerufen.
Sind die Streitkräfte trotz Personal-
mangels, Materialknappheit und eige-
ner Krankheitsfälle zur Hilfe in der
Lage, Herr Sensburg?
PATRICK SENSBURG:Trotz all der von
Ihnen beispielhaft aufgezeigten Schwie-
rigkeiten sind die Streitkräfte in der La-
ge, diesem Land zu helfen und es zu
stützen, wenn es Hilfe benötigt. Neben
den oben aufgeführten Problemen gibt
es innerhalb der Truppe einen wichtigen
Faktor, den man nicht außen vor lassen
darf: Die Motivation der Soldatinnen
und Soldaten, die sie im alltäglichen
Dienst für dieses Land antreibt. Sie
möchten einfach ganz konkret etwas für
ihr Land, für ihre Gesellschaft tun. Da-
rüber hinaus haben wir in der Bundes-
wehr Strukturen, die wir gerade in Kri-
senzeiten hochfahren können – und das
hilft unserem Land in vielen Bereichen.

VVVerteidigungsministerin Annegreterteidigungsministerin Annegret
Kramp-Karrenbauer (CDU) hat die Re-
servisten aufgerufen, sich zum Dienst
zu melden. Ist sie gehört worden?
Die Ministerin ist gehört worden! Nach
ihrem Aufruf, dem Aufruf des Sanitäts-
dienstes und mittlerweile auch dem
Aufruf des Bundeamtes für Personalma-
nagement der Bundeswehr standen die
Hörer in den jeweiligen Kontaktstellen
nicht mehr still. Die Resonanz war
überwältigend! Viele wollen helfen.
Stand Montag hatten sich beim Bundes-
amt für Personalmanagement rund
4600 Freiwillige gemeldet. Beim Sani-
tätsdienst gingen 3800 Freiwilligenmel-
dungen ein. Nun kommt es vorerst da-
rauf an, fachkundiges Personal effizient
einzusetzen. Der Verband der Reservis-
ten der Bundeswehr nimmt hier eine
zentrale Rolle ein. Eigentlich sollte jede
Reservistin und jeder Reservist bei uns
Mitglied sein. Das würde die Vernet-
zung und damit einen hohen Grad an
Ausbildung und Können sicherstellen.

Wie viele Reservisten gibt es eigent-
lich – und wie viele werden nach Ihrer
Einschätzung absehbar gebraucht?
Jeder, der in der Bundeswehr gedient
hat und seinen militärischen Dienstgrad
behalten hat, ist Reservist. Nur so viel:
Seit 1955 haben circa zehn Millionen
Menschen in der Bundeswehr Dienst
geleistet. Folglich lässt sich von einer
Million Reservistinnen und Reservisten
ausgehen, die aufgrund ihres Alters ak-
tuell zu einem Reservistendienst heran-
gezogen werden können. Der Verband
der Reservisten hat die Aufgabe, sie le-
benslang zu betreuen, in Ausbildung
und Fähigkeiten fit zu halten.

Welche Fähigkeiten sind derzeit ge-
fragt: nur Ärzte und Sanitäter oder

Welche Fähigkeiten sind derzeit ge-
fragt: nur Ärzte und Sanitäter oder

Welche Fähigkeiten sind derzeit ge-


auch andere Kräfte?
Aktuell brauchen wir insbesondere Re-
servistinnen und Reservisten mit medi-
zinischer Vorausbildung. Zusätzlich da-
zu hat das Bundesamt für Personalma-
nagement einen Aufruf veröffentlicht,
bei dem Reservisten mit Qualifikatio-
nen im militärischen Personalwesen ge-
sucht werden. Vorstellbar wären weiter-
hin Logistiker, die Waren ausliefern und
Krankenhäuer beliefern könnten.

Reservisten tun ihren Dienst auf frei-
wwwilliger Basis, die Corona-Pandemie istilliger Basis, die Corona-Pandemie ist
kein Verteidigungsfall. Also brauchen
sie das Einverständnis ihres Arbeitge-
bers. Spielen die Unternehmen mit?

Sagen wir so: Es gibt Arbeitgeber, die Ver-
ständnis dafür haben – und es gibt solche,
die kein Verständnis haben. Hier leisten
wir Aufklärungsarbeit. Gerade in Krisen-
zeiten erkennen auch viele Arbeitgeber,
dass Reservisten Dienst für das ganze
Land tun und wir sie dringend brauchen.

Könnte der Reservedienst für Kurzar-
beiter nicht sogar lukrativ sein?
Sicher kann es Arbeitnehmern und Ar-
beitgebern in der jetzigen Situation ent-
gegenkommen, wenn ein Reservist für
einige Tage oder Wochen in der Bundes-
wehr dient und damit von der „Payroll“
des Unternehmens verschwindet. Ent-
scheidend ist aber letztendlich, ob der
Mann und die Frau der Bundeswehr bei
der Erfüllung ihrer Aufgabe unterstüt-
zen und in der Krise helfen kann.

Ist ein Szenario denkbar, in dem die
Regierung ein Recht auf Einberufung
von Reservisten hat?
Wenn das Wehrpflichtgesetz wieder in
Kraft tritt, also im Spannungs- oder
Verteidigungsfall, dann ja. Derzeit mel-
den sich Reservistinnen und Reservis-
ten freiwillig – und es melden sich be-
eindruckend viele.

Ihr CDU-Fraktionskollege Roderich
Kiesewetter sieht rechtlichen Anpas-
sungsbedarf im Grundgesetz. Er
meint, der Artikel 35, nach dem die
Bundeswehr bei Naturkatastrophen
oder schweren Unglücksfällen Amts-
hilfe leisten kann, müsse um den Ein-
satz bei Pandemien erweitert werden.
Was sagen Sie als Jurist?
Eine Klarstellung wäre hier sicher sinn-
voll. Ebenso brauchen wir in Deutsch-
land eine Debatte, wann die Bundes-
wehr und damit auch Reservisten im In-
land eingesetzt werden sollen. Hier hat
sich die Welt verändert, und damit müs-
sen wir offen über diese Frage und auch
eine Anpassung des Grundgesetzes dis-
kutieren. Was fällt zum Beispiel unter
die Sicherung kritischer Infrastruktur
durch die Streitkräfte? Bislang war da-
mit das Wasserwerk oder Elektrizitäts-
werk gemeint. Jetzt sehen wir, dass es
auch um die Versorgung des Super-
markts um die Ecke oder von Lkw-Fah-
rern auf der Autobahn gehen kann.

Ist das Reservistenwesen nach Aus-
setzung der Wehrpflicht noch wirk-
lich leistungsfähig? Wo sehen Sie An-
passungsbedarf?
Ja, die Reserve ist leistungsfähig. Das
sieht man anhand der in den letzten Jah-
ren stetig gewachsenen Zahl an Übungs-
tagen unserer Reservistinnen und Re-
servisten. Mit der neuen Grundbeorde-
rung bleiben künftig Soldatinnen und
Soldaten sechs Jahre nach ihrem Aus-
scheiden aus dem aktiven Dienst ver-
pflichtend in der Reserve. Dies wird die
Reserve auch in Zukunft stark halten.

Der Reservistenverband fordert seit
Langem eine allgemeine Dienst-
pflicht. Sie sind erst im November
2019 zum Präsidenten gewählt wor-
den. Halten Sie daran fest?
AAAbsolut. Ich habe damals gegen die Aus-bsolut. Ich habe damals gegen die Aus-
setzung der Wehrpflicht gestimmt. Unse-
rem Land täte ein solcher Gesellschafts-
dienst auf so vielen Ebenen gut. Wir ent-
decken jetzt in der Krise, wie wertvoll So-
lidarität, Gemeinsinn und die viel zitier-
ten systemrelevanten Berufe sind. Es sind
genau diese Werte und exakt diese Be-
rufsgruppen, die von einem Gesell-
schaftsdienst profitieren würden.

Herr Sensburg, als Abgeordneter sind
Sie auch Vorsitzender des Ausschus-
ses für Geschäftsordnung im Bundes-
tag. Was wird das Parlament in dieser
und den nächsten Wochen anders ma-
chen als sonst?
Wir werden die Geschäftsordnung des
Bundestages so anpassen, dass wir auch
in der Krise handlungsfähig bleiben,
aber nicht alle Abgeordneten immer zu-
sammenkommen müssen. Viele Sitzun-
gen erfolgen als Telefon- oder Video-
konferenzen.

Für die vom Kabinett gewünschte
zeitweise Aussetzung der Schulden-
bremse ist zwingend die Kanzler-
mehrheit von 355 Abgeordneten, also
die Mehrheit aller Mitglieder des
Bundestages, erforderlich. Ist die Be-
schlussfähigkeit gewährleistet?
Ja, hier werden wir selbst für die Kanz-
lermehrheit oder für namentliche Ab-
stimmungen alles so organisieren, dass
Abstand zwischen den Abgeordneten
bleibt und man nicht gleichzeitig an ei-
ner Abstimmungsurne steht. Der Bun-
destag ist handlungs- und beschlussfä-
hig und wird dies auch bleiben.

WWWann sollen Soldaten imann sollen Soldaten im


Inland eingesetzt werden?


Chef der Bundeswehr-Reservisten fordert Klarheit


JANINE KLOSE

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