Die Welt - 25.03.2020

(ff) #1

M


anchmal klingt Donald Trump
gar so, als läge die Corona-Kri-
se schon hinter den USA. „Die
Beschwernisse werden enden, sie wer-
den bald enden“, kündigt der Präsident
am Montagabend im Presseraum des
Weißen Hauses an.

VON DANIEL FRIEDRICH STURM


AUS WASHINGTON


Trump beschwört die Rückkehr zur
Normalität. Er schwärmt von einer er-
holten US-Wirtschaft. „Unser Land
wurde nicht geschaffen, um stillgelegt
zu werden“, sagt er. War da was?
Deutschland und viele andere Länder,
die Maßnahmen gegen das Virus ver-
schärfen? Trumps „Freund“ Boris John-
son, der nach langem Zögern wenige
Stunden zuvor auch eine Ausgangssper-
re verhängt hat? Und vor allem: steigen-
de Zahlen von Infizierten, von Toten.
„Amerika wird bald wieder offen sein
für Geschäfte“, sagt Donald Trump.
„Sehr bald“, fügt er hinzu: „Viel eher als
in drei oder vier Monaten, wie jemand
vorgeschlagen hat.“ Jemand? Es war
Trump selbst, der an demselben Red-
nerpult just vor einer Woche verkündet
hatte, die Corona-Krise könne bis Juli
oder August dauern – „oder noch län-
ger“. Von seinen eigenen Prognosen will
Trump aber, wie stets, nichts hören.
Er wägt die medizinische Bedrohung
durch das Virus ab mit dem wirtschaft-
lichen Schaden durch die Vorsichtsmaß-
nahmen. Hier handeltder Geschäfts-
mann, nicht ein Präsident: „„„Wir könnenWir können
nicht zulassen, dass die Heilung schlim-
mer ist als das Problem selbst.“ Börsenre-
korde sollten sein Wahlkampfschlager
werden für die Wahl in gut sieben Mona-
ten. Jetzt also hat er die Maßnahmen ge-
gen die Verbreitung des Virus als Problem
identifiziert. Trump spricht von „Ängsten
und Depressionen“ infolge des Wirt-
schaftseinbruchs, von „Selbstmorden“. So
könnten mehr Menschen ums Leben
kommen als durch das Virus. Zahlen dazu
legt er nicht vor.
Auf die Frage, ob die Mediziner des
Weißen Hauses die Lockerung von
Richtlinien unterstützten, bleibt Trump
vage. Man rede darüber, sagt er. Repor-
ter haken nach. „Wenn es nach den Ärz-
ten ginge, würden sie vielleicht sagen:
Lasst es abgeschottet, lasst uns die gan-
ze Welt abschotten.“ Für die USA sei das
aber unmöglich, „das kann ich nicht ma-
chen“. Die nach ihrer Einschätzung ge-
fragte Corona-Koordinatorin Deborah
Brix vermeidet eine Antwort. Sie werte
Daten aus und spekuliere nicht über Da-
ten. Was soll sie auch sagen? Der angese-
hene Direktor des Nationalen Zentrums
für Infektionskrankheiten, Anthony
Fauci, ist nicht zugegen. „Ich lerne viel
von Tony“, sagt Trump. Möglich, dass es
zu einem Machtkampf zwischen Medizi-
nern und Wirtschaftsberatern im Wei-
ßen Haus kommt. Trump mag auf Fauci
hören – im Zweifel aber dürfte er seinen
Wirtschaftsberatern folgen.

Als läge die


Corona-Krise


hinter den USA


Trump erwägt baldige


Lockerung von Maßnahmen


E


s ging dann alles sehr
schnell. Am Freitag schickte
Brigitte Klinkert, Präsiden-
tin des französischen Depar-
tements Haut-Rhin, einen
verzweifelten Hilferuf an Baden-Würt-
tembergs Ministerpräsidenten Winfried
Kretschmann.

VON MARTINA MEISTER


AUS PARIS


Am Sonntag wurden die ersten Co-
vid-19-Patienten aus den überlasteten
Kliniken in Mülhausen und Colmar in
Hubschraubern in deutsche und auch in
Schweizer Krankenhäuser geflogen. Am
Montag bedankte sich der französische
Präsident persönlich bei den deutschen
Nachbarn. „Die europäische Solidarität
rettet Leben“, schrieb Emmanuel Ma-
cron auf Twitter.
Klinkert, aufgewachsen in Colmar, ei-
ne wache Frau Mitte 60, die Haare kurz
und blond, ist erleichtert. „Die ersten
Tage der Corona-Krisewurde hier in den
regionalen französischen Medien nur
über die einseitige Schließung der deut-
schen Grenze berichtet“, bedauert Klin-
kert im Gespräch mit WELT. „Aber es
gibt jetzt auch gute Dinge zu berichten.
Das hier ist ein wunderbarer Beweis für
grenzüberschreitende Solidarität.“
Die Universitätskliniken und Kran-
kenhäuser in Freiburg, Mannheim,
Karlsruhe, Heilbronn, Ulm und Villin-
gen-Schwenningen haben alle zwei oder
drei Intensivpatienten aus dem benach-
barten Elsass aufgenommen. Inzwischen
folgten Krankenhäuser im Saarland und
in Rheinland-Pfalz. Allein in Baden-
Württemberg werden derzeit 20 Patien-
ten aus dem benachbarten Elsass inten-
sivmedizinisch versorgt. Das mag ange-
sichts der derzeit 3395 Infizierten in der
Region Grand-Est (Stand 22. März) wie
eine symbolische Zahl wirken. Auch weil
man sich in Deutschland natürlich nicht
dem Vorwurf aussetzen will, deutsche
Intensivbetten durch Patienten aus dem
Ausland zu blockieren. Aber wenn es um
ein gerettetes Leben geht, ist die Zahl 20
sehr viel mehr als nur ein Symbol.
Durch ein einwöchiges Seminar einer
evangelischen Freikirche in Mülhausen
Mitte Februar war im Elsass ein früher
Seuchenherd entstanden. Zu der Fasten-
und Gebetswoche der „Porte ouverte
chrétienne“ (Offene christliche Tür), ei-
ne Art „Mega Church“ auf Französischne Art „Mega Church“ auf Französischne Art „Mega Church“ auf Französisch,,
waren rund 2500 Teilnehmer aus allen
Teilen Frankreichs gekommen. Mehrere
Mitglieder der Pastorenfamilie Peter-
schmitt, die die Kirche Mitte der 60er-
Jahre gegründet hatte, sind seit der Ver-
sammlung infiziert.
Es kam nach diesem Kirchentag zu ei-
ner exponentiellen Verbreitung des Virus
in Mülhausen und einer schnellen Über-
lastung der Krankenhäuser. Bereits Mitte
vergangener Woche mussten erste Pa-
tienten nach Bordeaux, Marseille oder
Toulouse geflogen werden. Am Montag
hat die französische Armee ein Feldlaza-
rett mit 30 Intensivbetten fertigstellt, das
jetzt noch durch eine kurze Testphase
muss, bis es Patienten aufnehmen kann.
„Für mich zählt nicht der Pass, son-
dern der Mensch“, sagt Hartmut Bürkle,
Leiter der Intensivmedizin des Universi-
tätsklinikums in Freiburg, wo drei franzö-
sische Patienten aufgenommen wurden.
„Ich bin durch und durch Europäer“, sagt
der Freiburger Intensivmediziner, „des-
wegen werden wir unsere französischen

Freunde nicht alleinlassen und alles tun,
Menschenleben zu retten.“ Bürkle er-
zählt am Telefon, wie man sich auch in
Freiburg auf die große Patientenwelle
vorbereitet. Dort wurde die Bettenkapa-
zität der Intensivstation auf 120 Betten
erhöht. Man habe gegenüber Frankreich
einen kurzen zeitlichen Vorsprung, den
man in diesen Tagen versuche auszunut-
zen. Zu den französischen Kollegen auf
der anderen Seite des Rheins sagt Bür-
kle, auf Französisch, „Hut ab. Sie leisten
Ungeheuerliches“.
Drei französische Ärzte sind bereits
an den Folgen von Covid-19gestorben,
zwei im Elsass. „Ich habe den französi-
schen Kollegen signalisiert, dass ich je-
derzeit kommen kann, damit wir uns
auszutauschen können. Wir zählen zu ei-
nem der besten Zentren für Lungenver-
sagen, vielleicht haben sie Fragen, die sie
an uns richten wollen, zu denen sie im
Augenblick gar nicht kommen, weil sie
mit dem Kopf unter Wasser sind.“
Angesprochen auf die auseinander-
klaffende Sterblichkeitsrate, die in
Frankreich derzeit sechsmal höher ist als
in Deutschland, kann auch Bürkle nur
Vermutungen anstellen. „Ich habe gro-
ßen Respekt vor den französischen Kol-
legen und sehe keinen Kompetenzunter-

schied. Es gibt wahrscheinlich nur einen
Unterschied in der Infrastruktur und
Ausstattung.“ Der Spezialist weist bei-
spielsweise darauf hin, dass Beatmungs-
geräte aus chirurgischen und anästhesis-
tischen Abteilungen nicht geeignet sind
für eine langfristige Beatmung von Pa-
tienten über viele Tage, weil sie einzelne
Fälle langfristig noch verschlimmern
können. „Aber wenn sie als Mediziner
nichts anderes mehr haben, müssen sie
die nehmen“, so Bürkle.
Nur wenige Stunden bevor es zur
Überführung des ersten Patienten am
vergangenen Wochenende kam, hatte der
fffranzösische Rechtspopulist Jean Messi-ranzösische Rechtspopulist Jean Messi-
ha, der in der Parteiführung von Marine
Le Pens Partei Rassemblement National
(ehemals Front National) sitzt, das Feh-
len grenzüberschreitender Solidarität kri-
tisiert und sich über das vermeintliche
Hirngespinst „europäischer Solidarität“
lustig gemacht: „Wenn’s hart auf hart
kommt, zählen nur noch die nationalen
Grenzen“, schrieb Messiha auf Twitter.
Jean Rottner, Präsident der Region
Grand-Est, kommentierte die Hilfsakti-
on auf Twitter mit den Worten „Europa
wird bei uns erfunden!“ Brigitte Klinkert
ruft ihren deutschen Freunden ein herz-
liches „Merci“ herüber. Dass die Hilfe so

schnell und unbürokratisch möglich war,
erklärt sie sich mit der engen Freund-
schaft, die Politiker durch die jahrelange
Zusammenarbeit auf beiden Seiten des
Rheins verbindet. Der Freiburger Bür-
germeister Martin Horn habe ihr ver-
sprochen, gemeinsam anzustoßen und
zu feiern, sobald die Krise vorüber ist.
Derweil bleibt die Lage in Frankreich
angespannt. Die strengen Ausgangsbe-
schränkungen im Kampf gegen das Coro-
navirus werden weiter verstärkt. So wür-
den etwa Straßenmärkte weitgehend ge-
schlossen sowie Sport und Spaziergänge
mit Kindern weiter eingeschränkt, kün-
digte Premier Édouard Philippe am Mon-

it Kindern weiter eingeschränkt, kün-
igte Premier Édouard Philippe am Mon-

it Kindern weiter eingeschränkt, kün-


tagabend im französischen Fernsehen an.
Die Ausgangsbeschränkungen könnten
aaaußerdem noch einige Wochen anhalten.ußerdem noch einige Wochen anhalten.
Die Regeln gelten in ganz Frankreich seit
vergangenem Dienstag und waren ur-
sprünglich für 15 Tage angesetzt.
„Ich ziehe meinen Hut vor den Franzo-
sen, die die Anweisungen respektieren.
AAAber wir haben Menschen beobachtet, dieber wir haben Menschen beobachtet, die
das nicht tun“, sagte Philippe. Künftig
wwwürden daher Spaziergänge mit Kindernürden daher Spaziergänge mit Kindern
und Sport vor der Tür auf maximal eine
Stunde und einen Radius von einem Kilo-
meter um das Wohnhaus begrenzt – und
zzzwar einmal pro Tag.war einmal pro Tag. mit dpa

„„„Wir werden unsere französischenWir werden unsere französischen


Freunde nicht alleinlassen“


In Frankreich ist


die Corona-


Sterblichkeitsrate


sechsmal höher als


in Deutschland,


Krankenhäuser im


Elsass sind am Limit.


Nun nehmen deutsche


Kliniken Patienten aus


dem Nachbarland auf


TTTransparent an einer Brücke in Karlsruhe, Baden-Württemberg: „Solidarität ist unsere Waffe!! Gemeinsam gegen den Virus!!“ransparent an einer Brücke in Karlsruhe, Baden-Württemberg: „Solidarität ist unsere Waffe!! Gemeinsam gegen den Virus!!“


DPA

/ULI DECK

7


25.03.20 Mittwoch,25.März2020DWBE-HP



  • Belichterfreigabe: ----Zeit:Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: ---Zeit:---Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe:
    Belichter: Farbe:Belichter: Farbe:Belichter:


DW_DirDW_DirDW_Dir/DW/DW/DW/DW/DWBE-HP/DWBE-HP


25.03.2025.03.2025.03.20/1/1/1/1/Pol4/Pol4 AHEIDRIC 5% 25% 50% 75% 95%


DIE WELT MITTWOCH,25.MÄRZ2020 POLITIK 7


D


as Sterben in Spanien, es hört
auch zu Beginn der neuen Wo-
che nicht auf. Nachdem am
Montag 462 Covid-19-Tote innerhalb von
24 Stunden vermeldet worden war, gab
es am Tag darauf einen weiteren Anstieg:
512 Menschen kamen ums Leben. Damit
summiert sich die Anzahl der Opfer auf
knapp 2700, die Marke von 40.000 posi-
tiv Getesteten wurde im Verlauf des
Dienstages überschritten.

VON TIM RÖHN


Längst sind die Zustände in einigen
Regionen des Landes so schlimm wie in
Italien, die Gesundheitssysteme sind zu-
sammengebrochen. So wie in Madrid,
dem Epizentrum der Corona-Krise, wo
mit 1700 Menschen bislang mehr als die
Hälfte der Opfer zu beklagen sind. Da die
Bestattungsinstitute überfordert und die
Leichenhallen überfüllt sind, werden die
Leichen mittlerweile in einer städti-
schen Eishalle aufgebahrt.
Ana Castellano-García, die eigentlich
anders heißt, arbeitet als Kranken-
schwester in einem staatlichen Universi-
tätskrankenhaus im Nordwesten der
spanischen Hauptstadt. Am Telefon
schildert sie WELT die Zustände in der

Klinik. „Eine Station nach der anderen
wird in diesen Tagen in eine Station für
Corona-Patienten umfunktioniert“, sagt
die 30-Jährige: „Mittlerweile sind es
sechs mit jeweils etwa 50 Betten. Der
Ansturm ist gewaltig. Dazu kommen die
Notaufnahme sowie die Intensivstati-
on.“ Castellano-García bestätigt Mel-
dungen, wonach längst nicht alle Kran-
ken an ein Beatmungsgerät angeschlos-
sen werden können.
„„„Wer über 75 ist, hat keine Chance, aufWer über 75 ist, hat keine Chance, auf
die Intensivstation zu kommen. Die älte-
ren Patienten werden auf der normalen
Station behandelt, und dort gibt es keine
Beatmungsgeräte“, sagt die Pflegerin:
„Es ist unglaublich hart, einfach schreck-
lich. Wir sind so traurig.“ Sie erzählt von
einem 76 Jahre alten Mann, der am Wo-
chenende in die Klinik kam, mit schwe-
ren Atemproblemen. Auch er bekam kei-
nen Platz an den Beatmungsgeräten. „Ob
er noch lebt, wenn ich morgen wieder zur
Arbeit komme? Ich weiß es nicht.“
Einer der Gründe für die Selektion sei
die Tatsache, dass immer mehr junge
Menschen eingeliefert würden. „Das
sind Leute, die 30, vielleicht 40 Jahre alt
sind. Die waren vorher gesund“, sagt
Castellano-García, die sich wie ihre Kol-
legen längst auch Sorgen um die eigene

Gesundheit macht. „Es ist unvorstellbar,
wie wir hier arbeiten müssen. Bis zur
vergangenen Woche hatten wir einen
einzigen Kittel für eine Station. Es gab
keine ausreichende Schutzkleidung. Wir
mussten unsere Gesichtsmasken eine
ganze Woche lang benutzen. Das ist
Wahnsinn“, schimpft die Pflegerin, die
sich der Gefahr bewusst ist: „Wir sind
dem Virus den ganzen Tag über mehr
oder weniger schutzlos ausgeliefert.Die
Zahlen bestätigen ihre Aussagen. Am
Dienstag wurde bekannt, dass 13,6 Pro-
zent aller positiv Getesten in Spanien
medizinische Kräfte sind; am Vortag wa-
ren es noch zwölf Prozent. „Mittlerweile
bekommen wir eine Gesichtsmaske pro
Schicht, sie wird uns zum Dienstbeginn
in einem Umschlag übergeben. Das
reicht immer noch nicht aus. Wenn die
Maske reißt, dann kannst du nichts ma-
chen. Dann arbeitest du komplett ohne
Schutz“, erzählt Castellano-García.
Eine Entspannung der Lage sei bislang
nicht wahrnehmbar, aktuell werde in Er-
wägung gezogen, eine weitere Corona-
Station in ihrem Krankenhaus zu öffnen.
Der einzige Lichtblick an diesen dunklen
Tagen: die Menschen, die jeden Abend
um 20 Uhr im ganzen Land die Fenster
ihrer Wohnungen öffnen oder auf die Bal-

kone gehen, um dem medizinischen Per-
sonal mit Applaus für ihre Arbeit zu dan-
ken. Dazu lassen in vielen Städten und
Gemeinde Polizeibeamte die Sirenen ih-
rer Einsatzfahrzeuge aufheulen. „Das ist
fffür uns wirklich schön. Es gibt uns die nö-ür uns wirklich schön. Es gibt uns die nö-
tige Kraft, weiterzumachen“, sagt Castel-
lano-García und fügt hinzu: „Wenn das
hier vorbei ist, ist es mit Applaus aber
nicht mehr getan. Dann muss über unsere
Arbeitsbedingungen gesprochen werden,
üüüber unsere Gehälter und die Verträge.“ber unsere Gehälter und die Verträge.“
Darüber herrscht im Land weitgehend
Einigkeit. Vor allem in Madrid rächen
sich in diesen Tagen und Wochen die po-
litischen Entscheidungen der jüngeren
Vergangenheit. Seit 2008 fielen 4000

Stellen im Gesundheitsektor weg, die
Anzahl der Betten sank, Kliniken wurden
trotz der Proteste privatisiert, um die
Ausgaben zu reduzieren. Das Ergebnis
ist in vielen Fällen eine deutlich schlech-
tere Versorgung der Patienten. Ob sich
daran konkret etwas ändern wird, ist
derzeit nur schwer vorhersehbar, für den
Moment gilt die ganze Konzentration
der Bewältigung der Corona-Krise.
Seit dem 14. März herrscht in Spanien
der Alarmzustand und eine damit einher-
gehende Ausgangssperre, und anders als
in anderen europäischen Ländern ist es
nicht einmal erlaubt, das Zuhause alleine
fffür einen Spaziergang oder sportliche Be-ür einen Spaziergang oder sportliche Be-
tätigung zu verlassen. Genehmigt sind
aaausschließlich Arztbesuche, Arbeiten,usschließlich Arztbesuche, Arbeiten,
Einkaufen und Gassigehen, sofern man
sich mit seinem Hund nicht weiter als 50
Meter von seinem Wohnort entfernt. Die
Maßnahme, die eigentlich nur zwei Wo-
chen dauern sollte, wird am Mittwoch al-
ler Voraussicht nach vom Kongress um
weitere 15 Tage verlängert werden. Im
Blick auf die immer weiter steigenden
Zahlen wäre es unvorstellbar, die Be-
schränkungen schon am Ende dieser Wo-
che zurückzufahren – auch weil völlig un-
klar ist, wie sich die Lage entwickelt. Erst
in dieser Woche beginnen die Behörden,

massenweise Covid-19-Tests durchzufüh-
ren. Die Ergebnisse, daran gibt es keinen
ZZZweifel, werden zeigen, dass es in Wahr-weifel, werden zeigen, dass es in Wahr-
heit eine Vielzahl der bislang gemeldeten
4 0.000 Fälle gibt. Die Mortalitätsrate, ak-
tuell mit knapp sieben Prozent angege-
ben, dürfte dann deutlich niedriger aus-
fffallen. An der Überforderung der Kran-allen. An der Überforderung der Kran-
kenhäuser ändert das indes nichts.
Die Regierung hofft, dass die Opfer-
zahlen Ende dieser Woche endlich zu-
rückgehen. Dass die Anzahl der Neuin-
fektion etwas langsamer steigt, gibt vor-
sichtigen Anlass zur Hoffnung. „Wir sind
in der harten Woche“, sagte Fernando
Simón, Notfallkoordinator der Regie-
rung am Dienstag: „Wir hoffen, dass wir
den Höhepunkt der Epidemie in den
kommenden Tagen erreichen. In Kürze
werden wir sehen, ob die starken Maß-
nahmen Erfolg haben." Angesichts der
prekären Lage spekulieren die Spanier
am Anfang dieser Woche schon darüber,
auch noch den ganzen April über daheim
in den eigenen vier Wänden zu hocken.
Aufstände sind für den Fall, dass es so
kommt, jedenfalls nicht zu erwarten. Die
große Mehrheit der Spanier hält die
Maßnahmen für alternativlos. Die einzi-
ge zur Verfügung stehende Impfung, sa-
gen sie, sei die Solidarität.

„„„Wer über 75 ist, hat keine Chance, auf die Intensivstation zu kommen“Wer über 75 ist, hat keine Chance, auf die Intensivstation zu kommen“


Die Corona-Krise hat in Spanien Ausmaße wie in Italien angenommen. In Madrid sterben täglich Hunderte. Eine Krankenschwester berichtet


WWWeil immer mehr Junge erkranken, man-eil immer mehr Junge erkranken, man-
gelt es an Beatmungsgeräten

GETTY IMAGES

/DENIS DOYLE

© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung DIE WELT-2020-03-25-ip-5 3b62356251bc7143de405fb

https://myldl.biz

UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws

Free download pdf