Süddeutsche Zeitung - 25.03.2020

(Wang) #1
Die Liste ist lang: Kanzlerin Angela
Merkel, Regierungssprecher Steffen
Seibert, Gesundheitsminister Jens
Spahn, die Ministerpräsidenten, der
Präsident des Robert-Koch-Instituts.
Wenn es ernst wird und sie in der Krise
wieder neue Maßnahmen verkünden
müssen, steht ihnen neuerdings immer
jemand beiseite. Meist eine Frau, heftig
gestikulierend. Manchmal ein wenig
atemlos, so scheint es. Und doch ein
Gewinn. Jedenfalls für die etwa 80 000
Gehörlosen in Deutschland.
Für sie geht in dieser Krisenzeit ein
Versprechen in Erfüllung, das Deutsch-
land ihnen mit Unterzeichnung der
UN-Behindertenrechtskonvention
schon vor mehr als zehn Jahren gege-
ben hatte: Offizielle Verlautbarungen
werden in Gebärdensprache übersetzt.
Lange hatten sie dafür gekämpft. In
anderen Ländern werden Reden und
Pressestatements der obersten politi-
schen Kaste schon längst mittels Gebär-
den auch jenen nahegebracht, die
nichts hören und daher in Krisen von
vielen direkten Informationen zunächst
abgeschnitten sind. Ausgerechnet das
Coronavirus mit seinen Einschränkun-
gen beschert ihnen ein Stück Freiheit.
Barrierefreiheit.
Und auch Hörende merken – wie
schon bei den Emojis – dass ein Bild oft
mehr sagt als tausend Worte. Denn gute
Gebärdensprachdolmetscher sind im-
mer auch ein bisschen wie Schauspie-
ler. Zum Beispiel Irma Sluis. Die Nieder-
länderin übersetzte bei einer Pressekon-
ferenz in Den Haag die Aufforderung
„Nicht hamstern!“ für alle so eindring-
lich, dass die TV-Szene unzählige Male
im Netz geteilt wurde. Wie sie mit ihren
Händen mit Hamstermimik und in
Hamstergeschwindigkeit in ihren un-
sichtbaren Vorräten grabbelt und alles
an sich reißt – so eine Botschaft kommt
eher an als die Ermahnung „Niet hams-
teren“.
Dem Gouverneur des US-Bundesstaa-
tes Maryland, Larry Hogan, hat man bei
seiner live übertragenen Anordnung,
dass alle Shoppingmalls geschlossen
würden, sogar so etwas wie einen Dop-
pelgänger zur Seite gestellt. Allerdings
mit Haaren. Wie er sich als stiller Held
mit geschürzten Lippen bei der Überset-
zung des Wortes „rapid“ mehrmals
ganz schnell auf die Hand schlägt und
dabei in die Knie geht – was könnte die
Dringlichkeit der Schließungen ange-
sichts der rasanten Verbreitung des
Virus deutlicher machen als eine solche
Geste! edeltraud rattenhuber

In jeder Krise passiert auch Gutes, selbst wenn
man es nicht immer auf den ersten Blick erken-
nen kann. In dieser Kolumne schreiben SZ-Re-
dakteure täglich über die schönen, tröstlichen
oder auch kuriosen kleinen Geschichten in
diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten.

ALLES GUTE


von moritz geier

S


onntag, kurz nach Mitternacht, Party-
lärm dringt aus einer Wohnung in
München-Schwabing. Drei Paare fei-
ern den Geburtstag einer 26-Jährigen. Die
Polizei geht dazwischen, alle sechs werden
angezeigt. Verstoß gegen das Infektions-
schutzgesetz. Oder der Vorfall in einem Fri-
seurladen am Samstag, auch in München.
Ein Mitarbeiter wusch laut Polizeibericht
gerade die Haare eines Mannes, als die
Beamten an die Tür klopften. Der Kunde
und drei im Laden anwesende Mitarbeiter
wurden angezeigt. Der Mann verließ sei-
nen Friseur ohne neuen Haarschnitt.
Das Erscheinungsbild der Kriminalität
in Deutschland, es wandelt sich gerade, die
Polizei muss sich plötzlich mit ganz neuen
Delikten und Delinquenten herumschla-
gen. Und die Zahlen der Kriminalstatistik
von 2019, die das Bundesinnenministeri-
um am Dienstag vorgestellt hat, dürften an-
gesichts aktueller Entwicklungen vor al-
lem als Vergleichswert interessant wer-
den: für die unmittelbare Zukunft.
Sehr wahrscheinlich wird ja die nächste
Kriminalstatistik radikal anders aussehen
als die Statistiken all die Jahre zuvor – je
nachdem, wie lange die Ausgangsbe-
schränkungen gelten. Denn die Corona-
Krise, so viel ist jetzt schon klar, wird auch
die Kriminalität verändern. Die Frage ist
nur: inwiefern zum Positiven und inwie-
fern zum Negativen?
Die Münchner Polizei erlebte am ersten
Wochenende der Ausgangsbeschränkun-
gen einen Vorgeschmack auf die Verände-
rungen. Klar, noch fehlen Zahlen, Kurven,
Tabellen. Ein erster Eindruck aber ist da,
als „sehr ruhig“ beschreibt ein Sprecher die
Lage. Diebstähle und Einbrüche? Körper-
verletzungsdelikte nach Auseinanderset-
zungen im öffentlichen Raum? „Fast gar
nichts da.“ Auch Verkehrsdelikte, Umwelt-
delikte, Schwarzfahren: alles „marginal“.

Corona wird die Anzahl vieler Straftaten
reduzieren, da ist sich auch der Kriminolo-
ge Christian Pfeiffer sicher. Durch die Aus-
gangsbeschränkungen verändert sich der
Nährboden für Kriminalität. Bei bestimm-
ten Delikten, so der ehemalige Leiter des
Kriminologischen Forschungsinstituts Nie-
dersachsen, werde es nahezu einen Still-
stand geben: bei Wohnungseinbrüchen et-
wa, die meist begangen werden, wenn die
Menschen nicht zu Hause sind. Bei der Stra-
ßenkriminalität, Drogendeals, Kneipen-
schlägereien. Pfeiffer hofft, dass die Poli-
zei jetzt „mal Überstunden abbauen kann“.
Es gibt aber auch die dunkle Seite der ak-
tuellen Entwicklungen. Denn auch in den
Wohnungen, in die sich die Menschen nun
zurückziehen, lauern Gefahren. Seit Jahr-
zehnten ist die häusliche Gewalt in
Deutschland rückläufig. Nun aber rechnet
Pfeiffer mit einem „deutlichen Anstieg“ in-
nerfamiliärer Gewalt. Erste Berichte aus
China, wo Ausgangsbeschränkungen
schon länger und schärfer umgesetzt wer-
den, scheinen diese Vermutung zu bestäti-
gen. Frauenrechtsaktivistinnen beklagen
dort eine steigende Zahl von Vorfällen.
Die Gründe sind offensichtlich: Fami-
lien werden nun viel Zeit miteinander ver-
bringen, in einer Wohnung kann man sich
oft nur schwer aus dem Weg gehen. Dazu
kommen Ängste angesichts der Pandemie
und ihrer Folgen, Jobverlust, Geldsorgen.
Sorgen also, die zusätzlich Stress auslösen
und Aggressionen, die zum Alkoholmiss-
brauch verleiten und die sich in Gewalt ge-
gen Frauen und Kinder entladen können.
Vor allem in solchen Familien und Bezie-
hungen, die durch Probleme und Auseinan-
dersetzungen schon vorbelastet sind.

Bei häuslicher Gewalt ist die Dunkelzif-
fer sehr hoch. Die Polizei kann nur eingrei-
fen, wenn sie Hinweise bekommt. Wichtig
sei daher, sagt Pfeiffer, dass Nachbarn sen-
sibel seien und zum Hörer griffen, wenn
sie etwas mitbekommen. In Deutschland
bereiten sich die rund 350 Frauenhäuser
bereits darauf vor, dass bald deutlich mehr
Frauen und Kinder kommen könnten. Die
Plätze allerdings sind ohnehin knapp, soll-
te es Infektionsfälle geben, würden dazu
noch ganze Einrichtungen wegbrechen.
Pfeiffer sorgt sich darüber hinaus vor al-
lem um Menschen, die in finanzielle
Schwierigkeiten geraten werden. Das kön-
ne „ein beachtlicher Teil der Bevölkerung“
sein: all jene, die „von der Hand in den
Mund leben“, die vom Staat schwer zu un-
terstützen sind, weil sie auch illegal arbei-
ten: Schwarzarbeiter, Gelegenheitskellner,
Musiker, Menschen ohne Rücklagen. Pfeif-
fer sieht daher auch die Gefahr steigender
Armutskriminalität, das Klauen von Geld
und Essbarem, was schon in zwei bis drei
Wochen spürbar werden könne.
Die Kriminologin Anna Isenhardt, stell-
vertretende Direktorin des Kriminologi-
schen Forschungsinstituts Niedersachsen,
nennt zwei weitere Bereiche, in denen es zu
einem Anstieg kommen könnte: Betrugsde-

likte, bei denen Trickbetrüger die Unsicher-
heit der Menschen ausnutzen, sich etwa,
wie es bereits vorgekommen ist, als Mitar-
beiter des Gesundheitsamts ausgeben, um
Geld und Wertsachen zu erschleichen; und
die Cyberkriminalität. „Es kann vermutet
werden, dass es in der gegenwärtigen Situa-
tion zu einer Verschiebung von offline zu on-
line begangenen Delikten kommt“, sagt
Isenhardt, und dass das „Tatmittel Internet
an Bedeutung gewinnt“.
Studien, die den Zusammenhang zwi-
schen gesellschaftlichen Ausnahmesituati-
onen wie Naturkatastrophen und Krimina-
lität untersucht haben, untermauern die
Einschätzung der Kriminologen: Beobach-
tet wurden Anstiege vor allem bei häusli-
cher Gewalt, aber Rückgänge bei der allge-
meinen Kriminalitätsrate.
Der Effekt von Ausnahmesituationen
auf die Kriminalität sei überwiegend posi-
tiv, sagt Pfeiffer, weil dann die Solidarität
der Menschen steige. Wenn allerdings alle
Menschen zu Hause sitzen müssen, ist die
Zivilgesellschaft in ihren Möglichkeiten,
Sinnvolles zu tun, stark eingeschränkt.
„Dadurch kann das Gute im Menschen we-
niger zum Tragen kommen“, sagt Pfeiffer.
„Zum Glück“ seien aber „auch die Chancen
des Bösen stark eingeschränkt.“

8 HF2 (^) PANORAMA Mittwoch, 25. März 2020, Nr. 71 DEFGH
Stille
Helden
Die am Dienstag veröffentlichte polizeili-
che Kriminalstatistik 2019 liefert erneut ei-
nen Rekord: Die Kriminalitätsrate in
Deutschland ist in vielen Bereichen weiter
gesunken. Straftaten wie Diebstahl oder
Einbruch scheinen sich immer weniger zu
rentieren. Obwohl die Bevölkerung von
2018 auf 2019 um 226 862 Menschen an-
wuchs, zählte die Polizei 2,3 Prozent weni-
ger Straftaten als im Vorjahr. Beim Dieb-
stahl ist mit einem Minus von 5,9 Prozent
der niedrigste Wert seit 1987 zu verzeich-
nen. Wohnungseinbrüche gingen um 10,
Prozent zurück, Taschendiebstähle um 9,
Prozent, Autodiebstahl um 10,2 Prozent.
Der Rückgang bei der Wirtschaftskrimina-
lität lag bei minus 19,9 Prozent. Die polizei-
liche Aufklärungsquote lag generell bei
56,2 Prozent, also etwas niedriger als



  1. Auffällig ist die starke Zunahme der
    Verbreitung pornografischer Schriften –
    plus 51,6 Prozent. Innenminister Horst See-
    hofer (CSU) bezeichnete die Situation bei
    der Verbreitung kinderpornografischer
    Schriften als „dramatisch“. Hier nahmen
    die Fälle im um 64,6 Prozent zu. SZ


Statistik 2019


Wien– Eineinhalb Stunden bevor die öster-
reichische Regierung am 13. März eine Qua-
rantäne über das Tiroler Paznauntal ver-
hängte, brach im Skiort Ischgl Aufregung
aus. Hoteliers und Wirte entließen ihre Sai-
sonarbeiter und legten ihnen nahe, das Tal
zu verlassen, berichtet der ORF. Der Tiro-
ler Tourismusverband hatte sie im Vorhin-
ein über die geplanten Maßnahmen gegen
die Ausbreitung des Coronavirus infor-
miert. Dass manche Hoteliers ihre Arbeiter
daraufhin entlassen und diese womöglich
selbst das Virus in die Welt verteilen könn-
ten, wurde offenbar nicht bedacht.
Ende Februar soll zudem ein erster posi-
tiver Corona-Fall in einer Après-Ski-Bar
vertuscht worden sein. Die Staatsanwalt-
schaft Innsbruck hat deshalb am Dienstag
gegen den Wirt Ermittlungen wegen des
Verdachts der fahrlässigen Gefährdung
von Menschen durch übertragbare Krank-
heiten eingeleitet. Und es sind noch weite-
re ähnliche Strafanzeigen eingegangen.
Das sind nur die neuesten Puzzlesteine
im Fall Ischgl, der Österreich seit Tagen be-
schäftigt. Immer mehr Versäumnisse der
Verantwortlichen wurden zuletzt aufge-
deckt, die wohl dazu führten, dass sich
Sars-CoV-2 vom Tiroler Skiort aus unkon-
trolliert ausbreiten konnte. Hunderte Tou-
risten aus ganz Europa haben sich nach-
weislich in Ischgl mit dem Virus infiziert
und kehrten nichts ahnend in ihre Heimat
zurück. Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn erklärte vergangene Woche, dass
die steigenden Fallzahlen in Deutschland
auch auf die Skiurlaub-Rückkehrer aus Ös-
terreich zurückzuführen seien.
Dabei hatten isländische Behörden be-
reits am 5. März, also acht Tage vor Verhän-
gung der Quarantäne, Ischgl zum Risikoge-
biet erklärt, nachdem bei einer Reisegrup-
pe 15 Covid-19-Fälle aufgetreten waren.
Die Namen der Betroffenen wurden den Ti-
roler Behörden übermittelt, diese unter-

suchten die Kontaktpersonen der Gruppe
in Ischgl. Zu anderen Maßnahmen kam es
offenbar nicht, die Skigaudi ging weiter.
Kurz darauf kam es im Ort selbst zum
ersten offiziellen Fall, ein Mitarbeiter der
Après-Ski-Bar Kitzloch wurde positiv ge-
testet. Dass sich andere angesteckt haben
könnten, wurde von den Behörden damals
als unrealistisch eingestuft – und zwei Ta-
ge später, am 9. März, revidiert: Denn al-
lein dieser Mitarbeiter hatte nachweislich
15 weitere Menschen angesteckt.

Es vergingen aber noch mal vier Tage,
bis der Ort abgeriegelt wurde, und dann
weitere zwei, bis der Liftbetrieb eingestellt
wurde. Auch danach passierten noch grö-
bere Fehler: So konnten einige Touristen
nach Verhängung der Quarantäne nicht
wie eigentlich vorgesehen ohne Umwege
nach Hause zurückkehren, sondern quar-
tierten sich unterwegs ein, wie die Landes-
regierung der SZ bestätigte. Man habe
aber bestmöglich kontrolliert, dass es zu
keinem Kontakt mit weiteren Personen
komme. Die Spirale war da schon längst in
Gang – in den Folgetagen meldeten Norwe-
gen, Dänemark, Großbritannien und vor al-
lem Deutschland Hunderte Fälle von Men-
schen, die sich in Ischgl angesteckt hatten.
Den Behörden und politisch Verantwort-
lichen wie Tirols Landeshauptmann Gün-
ther Platter wird seither vorgeworfen, zu
spät auf die Entwicklungen reagiert und
allzu sehr auf die Seilbahn- und Touris-
musindustrie Rücksicht genommen zu ha-
ben, die gegen ein vorzeitiges Saisonende
protestierten. Eine unabhängige Experten-
kommission soll nun die Vorwürfe und of-
fenen Fragen klären. leila al-serori

Ischgl ist zu, Südtirol ist dicht, Norwegen
und Finnland haben aus Angst vor dem Co-
ronavirus ihre Skigebiete geschlossen – in
Schweden allerdings ist alles anders: Die
Pisten bleiben offen. Nach einem Treffen
am Dienstag erklärte die staatliche Ge-
sundheitsbehörde, man habe sich gegen
die Schließung der Skigebiete durch den
Staat entschlossen. Der private Betreiber
der größten Skigebiete Schwedens in Åre
und Sälen, das an der Stockholmer Börse
gelistete Unternehmen Skistar, erklärte
umgehend, man werde den Betrieb auf-
rechterhalten. Schließlich folge man „den
Empfehlungen der Gesundheitsbehörde“.
In Ischgl und anderen Skiorten, die als
Brutstätten des Coronavirus identifiziert
worden sind, hatten sich viele Leute wohl
vor allem beim Après-Ski angesteckt. Seit
dem Wochenende haben die Clubs und Ho-
tels auch in Schweden ihre Après-Ski-Par-
tys abgesagt, auf denen sich noch bis Frei-
tag bis zu 499 Menschen getummelt hat-
ten (Veranstaltungen von mehr als 500
Menschen waren da schon verboten).
Vor allem örtliche Mediziner sprachen
zuletzt eindringliche Warnungen aus. Die
leitende Ärztin der kleinen Krankenstati-
on in Åre, Sofia Leje verlangte mehrfach
die sofortige Schließung der Skigebiete
und warnte vor italienischen Verhältnis-
sen. Die Gesundheitsbehörde erklärte sich
jedoch nun vorerst zufrieden mit dem En-
de des Après-Ski und anderen Maßnah-
men der Betreiber (ausgedünnte Warte-
schlangen vor den Liften, mehr Platz in der
Gondel). Viel wichtiger sei es, sagte Anders
Tegnell, der oberste Epidemiologe Schwe-
dens, in den Osterferien von Reisen zu den
Großeltern Abstand zu nehmen, damit
man diese nicht infiziere.
Ministerpräsident Stefan Löfven setzt
bislang auf Appelle, nicht auf Restriktio-
nen. Am Sonntag hatte er sich erstmals in
einer TV-Ansprache an die Nation ge-

wandt: „Es gibt nur wenige entscheidende
Momente im Leben, in denen man Opfer
bringen muss nicht nur für sich selbst, son-
dern für die um einen herum, für die Mit-
menschen und für unser Land“, sagte Löf-
ven. „Dieser Moment ist jetzt.“
Oder auch nicht. Das BoulevardblattEx-
pressenmachte eine Umfrage unter Skitou-
risten in Sälen. Man könne sich ja eh überall
anstecken, sagt eine 27-Jährige aus Linkö-
ping. „Also haben wir gleich in Flucht und
Entspannung investiert.“ Ein Ehepaar er-
zählte, sein Skiurlaub in Norditalien sei lei-
der abgesagt worden, kurz darauf auch der
Ersatzurlaub in Frankreich. „Dann musste
es halt Schweden werden.“ Und eine Stock-
holmer Familie schlägt mehrere Fliegen
mit einer Klappe: Sie seien ins Home-Office

geschickt worden, aber da gebe es nieman-
den, der auf die Kinder aufpasse. Prakti-
scherweise war die Oma schon vorgereist
nach Sälen. Jetzt gibt’s die Großmutter, das
Home-Office und den Skispaß an einem
Ort. „Zu Hause regnet es“, zitiertExpressen
die Mutter. „Und hier ist Bombenwetter.“
Vor allem viele Einheimische sind fas-
sungslos ob so viel Unbedarftheit. „Bleibt
bitte zu Hause!“, flehte ein Leserbriefschrei-
ber aus Åre in der ZeitungDagens Nyheter
die Urlauber an. Ein anderer Kommentator
sprach vom „Tanz auf dem Deck der Tita-
nic“. Und weiter: „Zu Zeiten Thomas Manns
stieg die lungenkranke Mittelschicht in die
Alpen, um ihre Lungenkrankheit zu heilen.
Heute gehen sie in die Berge, um sie zu ver-
breiten.“ kai strittmatter

Aus Rücksicht auf
die Liftbetreiber
und Hoteliers

Fehler über Fehler


Nach und nach wird klar, wie die Behörden in Ischgl versagten


Die Skigaudi in Åre geht weiter


Die schwedische Gesundheitsbehörde entscheidet, den Liftbetrieb laufen zu lassen


Thomas und Mathias Sühring, 42,
Zwillingsköche mit Zwei-Sterne-Restau-
rant in Bangkok, haben sich mit einem
Resteessen in die Corona-Zwangspause
verabschiedet. Nachdem die Behörden
ihnen mitgeteilt hätten, dass sie ihr
Restaurant „Sühring“ vorerst schließen
müssten, hätten sie „für die Mitarbeiter
aufgetischt, was die Küche noch her-
gab“, sagte Thomas Sühring der Deut-
schen Presse-Agentur. „Schweinshaxe
und Kartoffelsalat, danach Omas Eierli-
kör für alle“, nach dem Rezept der Groß-
mutter aus Brandenburg.


Kim Kardashian, 39, US-Realitydarstel-
lerin, hält ihre Mutter auf Abstand. Sie
twitterte ein Video, auf dem sie und ihre
Mutter Kris Jenner zu sehen sind, wie
sie an den gegenüberliegenden Enden
eines Tisches sitzen und gemeinsam
einsam ein Getränk
zu sich nehmen.
„Heute ist Mom zu
Besuch – und wir
halten sechs Fuß
Abstand“, sagt Kar-
dashian in dem Clip.
Auch beim vorausge-
henden Spaziergang
habe man die Dis-
tanz gewahrt. Sechs
Fuß entsprechen
1,83 Metern.FOTO: AP


Chrissy Teigen, 34, US-Model, schlägt
ein Tauschgeschäft vor. „Ich biete haus-
gemachtes Bananenbrot für jeden, der
mir im Gegenzug Romanasalat gibt“,
schrieb sie auf Twitter. Die Übergabe
erfolge selbstverständlich unter Einhal-
tung der Sechs-Fuß-Abstandsregel.


Judith Rakers, 44, „Tagesschau“-Mode-
ratorin, hat bald Eier. Auf Instagram
teilte sie mit, dass sie neuerdings Feder-
vieh halte. „Traum erfüllt. Die Hühner
sind eingezogen“, schrieb sie. Sie freue
sich sehr auf die ersten Eier. „Ich werde
das so feiern!!!!“


Elon Musk, 48, US-Unternehmer, hat
einen Großeinkauf gemacht. „Ich habe
in China 1255 Beatmungsgeräte erwor-
ben“, twitterte der Tesla-Gründer.
„Wenn Sie ein kostenloses Beatmungs-
gerät installiert bekommen möchten,
lassen Sie es mich wissen.“


Michelle Obama, 56, ehemalige First
Lady der USA, ist Opfer einer ungeplan-
ten Familienzusammenführung. In
einem Telefonat mit Moderatorin Ellen
DeGeneres, dessen Mitschnitt Obama
auf Instagram postete, erzählte sie, dass
die Unis ihrer Töchter Malia, 21, und
Sasha, 18, wegen des
Coronavirus ge-
schlossen seien. Sie
hätte nicht so laut
herumposaunen
sollen, wie sehr sie
sich freue, dass die
Mädchen endlich
aus dem Haus seien,
denn: „Die Götter
schlagen zurück. Die
beiden sind wieder
hier!“FOTO: DPA


San Francisco– Eineinhalb Jahre nach
verheerenden Waldbränden in Kaliforni-
en mit 86 Toten hat der Energieversor-
ger Pacific Gas & Electric (PG&E) den
Vorwurf der fahrlässigen Tötung einge-
räumt. Das Unternehmen werde eine
Strafe in Höhe von rund vier Millionen
Dollar zahlen, gab der Konzern be-
kannt. „Unsere Ausrüstung hat das
Feuer entfacht. Das sind die Fakten,
und wir übernehmen die Verantwor-
tung für unsere Rolle im Feuer “, sagte
Unternehmenspräsident Bill Johnson.
Der Bezirk Butte County hatte das Un-
ternehmen nach tödlichen Bränden in
der Ortschaft Paradise verklagt. Kalifor-
niens größter Energieversorger hatte
Anfang 2019 mit geschätzten Schulden
in Höhe von mehr als 50 Milliarden
Dollar Insolvenz angemeldet. dpa


Haltern– Mit einer Schweigeminute zur
Absturzzeit um 10.41 Uhr ist am Diens-
tag in Haltern der Opfer der German-
wings-Katastrophe vor fünf Jahren in
Südfrankreich gedacht worden. Gleich-
zeitig läuteten in der Stadt die Kirchen-
glocken. Alle 150 Insassen der Maschine
waren damals ums Leben gekommen.
Die Opfer stammen aus 17 Nationen, die
meisten aus Deutschland und Spanien.
Unter den Toten waren 16 Schüler und
zwei Lehrerinnen aus Haltern, die von
einem Schüleraustausch in Spanien
kamen. Die französischen Ermittler sind
überzeugt, dass der psychisch kranke
Copilot die Maschine absichtlich zum
Absturz brachte. Gedenkfeiern in Süd-
frankreich in der Nähe der Absturzstelle
sowie in Haltern waren wegen der Coro-
na-Krise abgesagt worden. dpa


Marne– Sieben Tauben hat ein Einbre-
cher in Marne im Kreis Dithmarschen
erbeutet. Der Täter hat vermutlich in
der Nacht zu Montag einen Tauben-
schlag aufgebrochen und die Strasser-
tauben mitgenommen, teilte die Polizei
mit. Die Vögel seien zusammen 500
Euro wert; der Schaden am Tauben-
schlag betrage 150 Euro. dpa


Ein bisschen


Licht in


dunkler Zeit


Die Corona-Krise wird auch die


Kriminalität im Land verändern:


Die Zahl der Straftaten dürfte nach


Ansicht von Experten stark zurückgehen.


Doch es lauern auch Gefahren


Einbrüche, Drogendeals,
Kneipenschlägereien – all das
dürfte es kaum noch geben

Mehr Abstand in den Warteschlangen, weniger Skifahrer pro Gondel und kein Après-
Ski mehr – ob das wohl reicht im Kampf gegen Corona? FOTO: FABRICE COFFRINI/AFP

Wenn die Menschen ihre Zeit drinnen verbringen, verlagert sich auch der Raum für Kriminalität. FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAND/DPA

LEUTE


Schuld an Waldbränden


Schweigeminute in Haltern


Einbruch in Taubenschlag


KURZ GEMELDET

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