Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.04.2020

(Ann) #1

„Das mussein Traum sein",flüstert
James Bond,der berühmteste Geheim-
agent der Kinogeschichte, als er im Pri-
vatjetdes schwerreichen Psychopathen
AuricGoldfinger das ersteMal das Ge-
sicht vonPussy Galore erblickt. Wenig
später wirdernocheinmal denken, er
träume–dateilt Frau Galore ihm beiläu-
figmit, das ssie die Pilotin des Jets sei.
HonorBlackman spieltemit Pussy Ga-
lore1964 in „Goldfinger“ eines der ein-
prägsamstenExemplareder Gattung
„Bondgirl“. DieFigur,die sie verkörper-
te,war die erste Frau, dievomTeam der
Schur kenauf die Seitedes Geheimagen-
tenwechselte,gehörte zu den damalswe-
nigen, später mehreren ihrer Sorte,die
eineeigeneKarriereimBösenoderGu-
tenmit Kampfkünstenzuverteidigenver-
stand, die sie Bond ebenbürtig machten,
aber ihrName war, den Attributen der


Würdezum Trotz, ein schlüpfrigesWort-
spiel (etwas wie: „jede MengeMuschi“).
DassPussy Galoresichvon ihr em un-
glaubli ch alber nenNamen sowenig klein-
halte nließ wievonden charismatischen
Autoritäte ndes Schurken oder desHelden
im Film,war glaubhaftdank HonorBlack-
man:Sie spielt dieRollemit kühler Ele-
ganz un dlässt in sprödenAbsagen bei
Bond sAvancen kurz die literarischeVorla-
ge durchschimmern, in derFrau Galore
an MännernsexuellkeinerleiInteresse
hatte.Die Schauspielerin musstealso das
Beste daraus machen, dassdas Massenpu-
blikum der frühen sechziger Jahrenach
Produzentenmeinung nochnicht reif war
für eine lesbische Gegenspielerin, die
dem erotischüberengagiertenAgenten
Paroli bie tenkonnte. Inszeniertwirddas
erotische Gefälle, bei dem sie angesichts
vonBonds unaufhaltsamer männlicher

Energie schließlichdochzuBoden muss,
als Kampfineiner Scheune. Mal wirft
sie den Gegner ins Heu, mal drückt er sie
nieder,amEnde musssie sic heinem
Kuss ergeben.
Für britischeFeministinnen warHo-
nor Blackman eine Ikone, seit sie 1962
als Dr .Catherine Gale in der Serie „Mit
Schirm, Charme und Melone“ eine
Hauptrolle nebenPatric kMacnee (als
melonetragenderAgent JohnSteed)
spielte. Bond-ProduzentAlbertR.Broc-
coli wardavonsobegeis tert,dasserihr
den Part der Pilotin Galoreanbot, ob-
wohl die Schauspielerin–zujener Zeit
ein Unding –mit achtunddreißig Jahren
älter als der damals dreiunddreißíg Jahre
alteSean Connerywar,der den Bond
gab. Am Sonntagabend istHonor Black-
man im Altervonvierundneunzig Jahren
gestorben. marw.

Gutwie Gold: ZumTod vonHonor Blackman


Karrieremit Kampfkün sten: die Schauspielerin Honor Blackman als Bond-Girlmit Weste FotoGetty


R


at zu geben is tdas dümmste
Handwerk, das einertreiben
kann“, lesen wir bei Johann
WolfgangvonGoethe, abruf-
bar auf „Gut zitiert.“ Gleichwohl wird
derzeit, oftunter Berufung auf allerlei
Vorformuliertes,Rat erteilt, und auch
der Satzvon Friedric hNietzsche, dass
das Leben ohne Musik ein Irrtum sei,
scheintzuden abgesunkenen Spruch-
wahrheiten zugehören.Abergibt esFei-
ern, gibt esTrauerveranstaltungen, bei
denen Musik keine Rolle spielt?„Es
kommt mir allestot vor“, sagteNietz-
sche an andererStelle, „woich nicht
Musik höre.“ Is tdas nur der Satz eines
verstiegenen Außenseiters? Auch der
Regisseur Ingmar Bergman und der
jüngs tverstobene Philosoph George
Steiner bekannten, dassdie Vorstel-
lung, nicht mehr lesen zukönnen, weni-
gergrausam sei als die,keine Musik
mehrhören zukönnen.
Dasswir vonsogenannter Musikum-
geben sind,voneiner alle und alles um-
hüllendenSound-Tapete,gehörtebenso
zu denvernutztenTopoi derKulturkri-
tik wie diead nauseamwiederholtePo-
lemikgegenden „Warencharakter“ al-
ler technischreproduzierten Musik. Als
hätten nichtdie meistenHörer ihremu-
sikalischen Erfahrungen zuvörderst
durch „Konserven“, die Schallplatte,
die CD, dasStreaminggemacht .Essind
Erfahrungen, dieweit, unendlichweit
überdas hinausgehen,wasden Musik-
freundenvorder Er findungder Lang-
spielplattemöglic hwar.Wer hätte,
selbs tind en Musikzentren, nochvor ei-
nem halben Jahrhundertinnerhalbwe-
niger Jahre,geschweigedenn innerhalb
eines Jahres die SymphonienvonMo-
zart, Beethoven, Schumannoder
Brahms hörenkönnen –von de nWer-

kenBruckners, MahlersoderSchostako-
witschganz zuschweigen? Nicht anders
steht es um diegroßen Zyklen der Kla-
vier-und derKammermusik?Werhät-
te,ohne Aufnahmen, die Leiderfahrun-
genvon Schuberts„Winterreise“ oder
vonGust av Mahlers „Liederneines fah-
renden Gesellen“teilen können? Die
Schallplatteermöglichte, mit einem
nurscheinbarpathetischenWortdesPu-
blizistenWalter Dirks,die Beheima-
tung der Musik im Menschen.
Es is teine persönliche, abervon vie-
len geteilte Erfahrung, dasswir die
schönsten Konzerte,die spannendsten
Opernaufführungen auf der „Klangbüh-
ne“ erleben. Gewiss, icherinneremich
vieler Aufführungen der „Zauberflöte“,
des „Rigoletto“, des„Trova tore“, die ich
mit jugendlicher Begeisterung an der
Rheinoper in Düsseldorf und Duisburg
erlebte; und nicht missen möchteich
die vielentiefen Eindrücke,die etwa
SalzburgerFestspielaufführungenvon
Enescus „Œdipe“, Strauss’ „Salome“
oder Händels„Alcina“ hinterließen –
diesaber auchdeshalb,weil ic hdie Wer-
ke zuvor durch die S challplattekennen-
gelernt hatte.Wasund wie Oper sein
kann, habe ichinder Tatwenigeroft im
Theatererlebt als auf der „Klangbüh-
ne“ –vor demvonRichar dWagner ent-
deckten„Augedes Ohrs“.
DieSchallplattekann für dieKonzen-
tration auf die Musik alswahreSache
der Oper sorgen. Füreine Wahrneh-
mung, die, wie TheodorW. Adorno
schrieb, dem Lesenvergleichbar ist, der
Versenkung in einenText ohne jeden
aktualisierenden szenischen Mummen-
schanzvonrelectures.Mozarts„Nozze
di Figaro“habe ic hdurch die Aufnah-
me unter ErichKleiberentdeckt; die
von„Cosìfan tut te“durch die unterHer-
bertvon Karajan; RichardWagners
„Tristan und Isolde“ durch die Einspie-
lung unterWilhelmFurtwängler .Dass
„Il tr ovatore“ oder„Tosca“ das sind,
wasdie Angelsachsenals „an opera ope-
ra“bezeichnen, haben mir dieAufnah-
menmit Zin ka Milanovund Jussi Björ-
ling (Verdi) und mit Maria Callas (Puc-
cini)deutlichgemacht .Was wüssten
wir vonder romantischen Belcanto-
Oper,was vomLeid derMedea, derNor-
ma oder der Lucia di Lammermoor

ohne diegroße Griechin?Wieoft habe
ichdenrewind buttondes CD-Spielers
gedrückt, um wiederund wieder zu hö-
ren, wie sie alsTosca dieFrageanScar-
piarichtet–„Quanto? Il prezzo!“ -,wel-
chen Preissiezu zahlenhat.Siesingtda
das Frage-Zeichen,wie sie dasAusrufe-
zeichen singt.
Kult einesStars? Nein, die Sänger
sind nicht nur,wie selbsternannteStell-
vertreterMozarts,Verdis undWagners
auf Erden behaupten, „Diener“ des
Komponis ten,derenSchaffen, wieWag-
ner schrieb, nurWollen istund nicht
Können –die Darstellung istdas Kön-
nen, dieKunst. Hie rliegtauchdie be-
wahrende Kraftder technischenRepro-
duktion. „Im wunderlichen Dialog mit
den einsamen und aufmerksamen Hö-
rern erwachen dieWerkezuunbekann-
temZweck“(Adorno).
Da wareswieder,das aktuelleWort:
das vomeinsamen Hörer.Gemeint ist
nicht der passiveHörer ,der sichnolens
volensmit dem Surroga teinerLivestre-
am-Aufführungen zufrieden gibt.Ge-
meint istder Hörer,der in der Musik
sichselbstoderzusichselbstfindet. Für
den Musik dieNachrichtvom Glück be-
deutet,auchinden schönsteMelodien,
die imme r, wie AndréGide sagt, unbe-
zwinglichtraurig sind.Derkultu rjour-
nalistischeRat, an 150Tagenfremdbe-
stimmterPassivität die im Jahr des 250.
Geburtstages vonLudwigvanBeetho-
venveröf fentlichteEdition mit 118
CDs, drei Blu-Ray Audio Discs und 2
DVDs zu hören, würdegewissals abge-
hoben oder überheblic hverworfen wer-
den. Zulese nwar er jüngstimBrief ei-
nes Lesersandiese Zeitung, einesLe-
sers, der die Diktatur der Selbstbe-
schränkung auchals Chance sah.
Trösteri nMusica:Solauteteder Ti tel
einer Sammlung vonBetrachtungen
desMünchnerKritikers AlexanderBerr-
sche, dessen Beziehung zu den Gegen-
ständen seiner Arbeitdie einer Passion
war. Unterdem Stichwort„Ein Erzie-
hung skapitel“schreibt erüberdasWelt-
rätsel vonBeetho vens Musik:„Was die-
ser Welt derTöne solche Macht über
uns gegeben hat, wir wissen es nicht.
Nurdas ein ewissen wir,dasswir see-
lischverkümmernund verdorren müss-
ten, wenn es möglichwäre, uns daraus
zu vertreiben.“ JÜRGENKESTING

MitgroßerBetroffenheitund Anteilnahmenehmenwir AbschiedvomlangjährigenPräsidenten
derAlexander vonHumboldt-Stiftung

Prof.Dr. Drs. hc.mult. Reimar Lüst

deram31.03.2020 imAltervon 97 JahrennacheinemerfülltenLebenentschlafenist.

Herr Prof.Dr. Reimar Lüst warvon 1989 bis1 999 Präsidentder Humboldt-Stiftung.

DerAstrophysikerübernahmdas Amt1989 in politischbewegtenZeiten. AlsPräsidentder
Humboldt-StiftungsetztesichReimarLüstentschlossenfürden Wissenschaftsaustauschmit
Mittel-undOsteuropaein undschuf Möglichkeitenfür AnnäherungunddauerhafteVerbindungen.
AuchdieheutewichtigenBeiträgederHumboldt-Stiftungfürdie KooperationmitSchwellen- und
EntwicklungsländernfußenaufseinerFähigkeit,Brückenzubauen.

DieAlexandervonHumboldt-Stiftungist Prof.Dr. ReimarLüst zutiefstdankbarfürseinlang-
jährigesWirken,das auchnachseinerPräsidentschaftnochanhielt.

Wirwerdenihmstets einehrendes Gedenkenbewahren.

Alexandervon Humboldt-Stiftung

Prof.Dr. Hans-Christian Pape Dr.Enno Aufderheide
PräsidentGeneralsekretär

In Liebe undDankbarkeit nehmen wir Abschiedvon
meinem Mannund meinemVater

Dipl. Ing.Dieter Seeliger


*15. 2. 1933 †3.4.2 020

In stiller Trauer

Lieselotte und Volker Seeliger
sowi ealleV erwandten,Freundeund Kolle gen

Aus gege benemAnlass findetdie Beerdigung im engsten
Kreis statt.

Floris Neusüss





    1. 1937 1.4. 2020




In Dankbarkeit für das gemeinsameLeben

Renate Heyne

FreifrauKarenElisabethvon Oeynhausen-Leffers
geb.Münchmeyer

Freihe rrFalk-AlexandervonOeynhausen
FreifrauChristinavon Oeynhausen,geb.Freiin vonGersdorff
Larissa,Tatjana undNatalia

Karenina Schröder,geb.Freiinvon Oeynhausen
Dr. Christoph Schröder
Kathinka,Moritz,Henryund Lilly

Nadia Lange,geb.Fr eiinvon Oeynhausen-Leffers
Dr.GeorgLange
Hannah, Oskarund Gustav

Freihe rrBörriesvon Oeynhausen-Leffers
FreifrauRosi vonOeynhausen-Leffers,geb.Ghebregziab her
Julius undConstantin

Dr.Ernst W. Leffers
*9.J uni 1932
Delmenhorst

†4.A pril 2020
Gut Böckel

...ichbittemein en Schöpfer
um dasLicht desGlaubens.

In großerLiebeund Dankbarkeit

Die Trauerfeier findetamSamstag,dem 17.Oktober 2020
um 12:00 Uhr in derKirche zu Bieren-Rödinghausenstatt.
Anstelle eventuellzugedachter Blumen bittenwir um eine Spende
zugunstender SOSKinderdörfer.
Donner&Reuschel,IBAN:DE22 2003 0300 0122 5777 00
Gut Böckel,Rilkestraße18,32289Rödinghausen

Hörend zu sichselbstkommen


Die Beheimatung des


Klangs im Menschen:


Eine Verteidigungder
Musikkonserve gegen

ihrekulturkritischen


Verächter.


SEITE 14·MITTWOCH,8.APRIL 2020·NR.84 Feuilleton FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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