Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.04.2020

(Ann) #1
Keine Rahmengeschichte:Walter Proska,
beiKriegsendemindestenszweimalauftra-
gischeWeise schuldig geworden,betritt
zum Auftakt der Siegfried-Lenz-Verfil-
mung„DerÜberläufer“nichtdi eApotheke
des greisen Adomeit, um sich Briefmarken
für einenschwierigen Brief an seine
Schwesterzub esorgenund einkurzes Ge-
spräc hüber den Fluchvon Erinnerungen
zu führen.Stattdessensetzt der Zweiteiler,
der dieReihe mehroder weniger gelunge-
ner Siegfried-Lenz-Verfilmungender letz-
tenJahrewie „Di eSchweigestunde“ und
„Deutschstunde“umeinSoldatendramaer-
gänzt, im letzten Kriegssommer an,um
sichchronologischbis in dieNachkriegs-
zeitvorzuarbeiten. WalterProska–Jannis
Niewöhner imetwaszuglatten Historien-
film-Look, wenn auch mitleerem ,von jah-
relangen Kämpfengebrochenem Blick –
wirftsich1944 aufdem HofseinerSchwes-
terins Feldgrau ,umpflicht getreu vomUr-
laubandie Ostfront zu reisen. Schon hockt
er in jenemZug, mit dembei Lenz die Bin-
nenhandlungbeginnt.Ind enDampfschwa-
den der im DunkelWasser auftankenden
LoktriffteraufdiePolinWanda(Malgorza-
ta Mik olajczak), in die er sichverlieb t.
Auch diese Liebesgeschichte–schon bei
Lenz haa rscharfamKitsch –habenBernd
Lange undFloria nGallenberger(derauch
Regie führt) als Drehbuchautore nfür ihre
Verfilmung des „Überläufers“verändert:
Sie tritt bei ihnenstärkerhervorals im
Buch, undanders als imRoman kann „das
Eichhörnchen“Wanda hier allerliebstsin-
gen,wasdemFilmzueinereffektvollenPa-
rallelmontageimMoment ihres Glücks,
späteraber zu „BabylonBerlin“-artigen
Szenen und einemseifigen Finale verhilft.

DerRoman endetinden vierziger Jah-
renmit Proskas Brief an seine Schwester,
der mit demVermerk „unbekanntverzo-
gen“ zurückkommt.Der Film hingegen
schließt mit tränenreichen Gedanken an
Wanda in einem Wirtschaftswunder-
deutschland,dessenfernsehseligeStuben-
hockerdie Vergangenheit am liebstenauf
sichberuhen lassen. Das istwohl als Hin-
weis auf die Entstehungsbedingungen
des imWinter 1951/52fertigges tellten,
aberdamalsvom Verlag abgelehntenRo-
mansgedacht.
Im Kern bleibt„Der Überläu fer“, der
erstimJahr2016 postumveröf fentlichten,
erfolgreichen Bu chvorlagetreu. Beide er-
zählen vielschichtigvon den Zweifeln am
Sinn des Krieges,die einerkleinen Gruppe
deutscher Soldatenbei Kriegsendekom-
men, sowie vomÜberlau fenzweier Solda-
tenauf die Seite derSowjets. Zumindest-
Walter Proskadämmert, dasssie auch bei
denRussen nichtunbedingt auf derrichti-
genSeitestehen. Am Ende derErzählung
wird Walternochmals zum„Überläufer“
undfliehtinden Westen.
EinGroßteil de sFilmges chehensvoll-
zieht sichfastkammerspielha ft in einem
trostlosen, ausviel t otem Holzbestehen-
denWald.NachdemseinZugRichtungOst-
fron tvon Partisanen zum Entgleisenge-
bracht wurde,stößtProskainden Sümpfen
zueinerverwahrlostenEinheitumdenbru-
talen,überden Krieg zum Ekelgeworde-
nenUnterof fizierWilliStehauf –gespielt
vonRainer Bock, denman mittlerweile lei-
dereinmalzuoftalsFilmof fiziererlebthat.
Ihm untergeben sindMänne rwie „Baffi“

(BjarneMädel) ,dereinHuhnwieein Strei-
cheltier hält, der Oberschlesier
Zwiczowsbirski (AdamVenhaus), der in
der stärksten Szene desFilms in ein Dorf
rennenundJesusamKreuzanbrüllenwird.
OderWolfgan g(SebastianUrzendo wsky),
genannt„Milchbrötchen“,deralsersteraus-
spricht,sich für dieses Deutschland nicht
mehropfernzuwollen,unddadurchalsmo-
ralischintegerstePerso nerscheint.
Der zu haltendeBunker–im Roman ein
„aus Bohlenerrichtetes Haus,gegendes-
sen Wand so viele Grasfladengehäuf twur-
den,daßeinedraußenexplodierendeHand-
granate dasSkatspiel der Bewohnernicht
sonderlichgefährdete“ (derleiAugenzwin-
kern geht demFilm ab)–steht imNichts.
Die Frontist nahe ,alle sin dhalb irre vor
Angst. Alle um sie herum,bis hin zu dem
Greis, der plötzlichauftaucht und sichals
Pfar rerausgibt ,könntenPartisanen sein.
Prosk aversuchtzuüberlebenwiedieAn-
deren auch.Erist abges toßenvom Kriegs-
verbrecherStehauf, wirdaber tr otzdem
nochnicht zumÜberläufer wiedas „Milch-
brötchen“.Ersieht Wanda wieder, die zu
den Partisanengehörtund ihn imKornfeld
liebt. Trotzdem feuert er aufPartisanen.
An derUnmöglichkeit,imKrieg ohne
Schuld zu bleiben,wirderzugrundegehen.
AlsHeldentaugenhierallenfallsdie Par-
tisanen. Bei diesemFilm,der vomPolish
Film Instituteunterstütztwurde ,dürftees
keine Pr otest egegen das gezeichn eteBild
der Partisane ngeben wienachdem ZDF-
Dreiteiler„UnsereMütter ,unsereVäter“,
der den polnischen Antisemitismus in die
Handlungeinzuflechtenversuchte:„ImBe-
wusstseindieserGräben“, sagtStefan Rai-

ser im Begleitmaterial, „habe ichvon An-
fang an versucht ,Brückenzubauen.“
Abgebild et wurde all dasvonder Kame-
radesPolenArthurReinha rtinFormeiner
unaufdringlichenLiteraturfilmoptik,
durchdie Plo tund komplexe,erinnerungs-
würdige Figuren im Mittelpunktstünden –
hätt esichder FilmmusikerAnton iLazar-
kiewicz beim Einsatz seinerStreicher et-
waszurüc kgehalten.
DasDrama, das demVerlag Hoffmann
undCampe1952durchdieÜberläufer-The-
matikderartheikelerschien,dassdieVeröf-
fentlichungindieser Form damals abge-
lehntwurde, nimmt erst in der zweiten
Hälf tedesFilmsFahrtauf.DennProskaer-
greiftimKriegsgefangenenlager1945prag-
matisc hdieChance,insowjetis cheDienste
zu tr eten –und lädt auch hiernocheinmal
Schul daufsic h–inderSowjetischenBesat-
zungszoneals Bürokrateines neuenRe-
gimes ,das Menschenverschwinden lässt.
Es is tdie Geburtsstunde der zweiten deut-
schenDiktatur,dieder Filmdu rcheineSze-
ne im Lager Berlin-Hohenschönhausen
undUlric hTukur alssozialistischem Funk-
tionä rkräftiger ausmaltals de rRoman.
Das is tvielleichtder einzigePunkt, an dem
„Der Überläu fer“ no ch heut eprovoziert,
wenndi eDDR-Geschichtezuweilenschön-
geredetwird. WirseheneingelungenesHis-
torienstüc k, produziert für einFrühjah r,
dasunter anderenUmständen imZeichen
desKriegsendesvor75Jahrenstehen wür-
de. MATTHIASHANNEMANN

DerÜberläufer,heute, 20.15 Uhr,ARD.
Teil zwei amFreitag. In der ARD-Mediathek
findetman die Produktion alsVierteilervor.

Als der habsburgischeKaiser Karl VI. im
Jahr 1740 ohne männlichenNach kom-
men bei einem Jagdunfallstirbt, halten
sichinder Wiener Hofburghartnäckig
Gerüchte,erseivompreußischenGesand-
tenvergif tetworden.Karlseinziger Sohn,
Kronprinz Leopold,hattenicht einmal
das Windelalter überlebt.Trotz tätigem
Bemühen und vielen Gebetenwar Karl
VI. (F ritz Karl)kein weiterer Sohnge-
schenktworden. Kein Wunder,wie ihm
die Leibärzteinder vierteiligen Spiel-
film-Großproduktion „Maria Theresia“
schonend beizubringenversucht hatten:
Kaiserin Elisabeth Ch ristine (ZuzanaSti-
vinova), der mit ärztlichverschriebenem
Hochprozentigen die Duldung beim aller-
höchs tenStaatsakt ermöglichtwerden
sollte,warwohl schonin derMenopause.
Derkümmerlichen Pflichterfüllung
desKaisersund Mannesverhalfendie fri-
volen Gemälde ausFrankreich, die ihm
die Kaiserin seufzendins Gemachbrin-
genließ, auchnicht immerweiter .Sow ar
esbeidenfreilic hzärtlic hgelieb tenTöch-
tern,den ErzherzoginnenMaria There-
sia(Marie-Luis eStockinger) und Anna
Maria (AnnaPosch) geblieben. Es hatte
gegolten, die Älteste möglichs tvorteil-
haftunter die Haubezubringen. Dennre-
gieren, so bedeuteteesPrinz Eu genvon
Savoyen(Karl Markovics), der„edle Rit-
ter“ un deinflussreichsterBerater ,der
jungenFrau,würde selbstverständlich
einmal ihr Mann.Weswegen sichdie wil-
lensstarke Maria Theresia die Grundla-
gender Staatskunstund der militäri-
schen Strategiein der Bibliothek nur
heimlichhattebeibringenkönnen. Ihr
Lehrerwurde der Hofchronist Gottfried

Philipp Spannagel (Cornelius Obonya).
Einen Gatten hattesie sic himÜbrig en
mitzwölf Jahren selbst ausgesucht.
Preußen hat, wie die anderen europäi-
schenMächte,derösterreichischenweibli-
chen Erbfolgeind er sogenannten „Prag-
matischen Sanktion“ zugestimmt, aber
ihreDurchführung ist1740 alles andere
alssicher.AllewollendenZerfalldesViel-
völker staats Österreich. Zwarsteht die
Macht der Erzherzogin Maria Theresia als
künftigerKaiserin fest –aber ebennur auf
dem Papier.Die Nachbarstaaten–Frank-
reich, Bayern,Preußen –halten dasReich
für leichteBeute. Im Osten drohen die Os-
manen. InUnga rn istder Adel wie immer
unbotmäßig. Bald wirdFriedric hinSchle-
sien einfallen, dieFranzosenwerden vor
Pragstehen und derWiener Hochadel der
jungenRegentinjedenerdenklichenKnüp-
pel zwischen die Beinewerfen.
Die er sten Jah re dieser Regentscha ft er-
lebtMaria Theresia als Dauerkrise. Sie
wirdsienichtnurüber stehen, sondernihre
Machtfesti genund bedeutendeReformen
durchführen.Durch ihreAgrar-
reform steigt derallgemein eWohlstand.
Sie führt kostenlos eVolksschulen ein.Mit
ihremGatten, demAufklärerFranzSte-
phan vonLothringen (Vojtech Kotek),
wird die Macht derJesuiten zurückge-
drängt.Franz Stephan, derlange mit sei-
nerRollehadert, wird demMerkantilis-
musImpulsegeben,späteralsFörde rerdes
grenzüberschreitendenHandelsundManu-
fakturenbetreiberreichwerden. Inmitten
vonhöfis chenIntrigen, pe rsönli chen Lei-
denschaftskonfliktenundpolitischemDau-
erbeschusswirdMariaTheresiavierzigJah-
re lang als Mutter derNationenregieren
undnebenbei sechzehn Kindergebären.

„Maria Theresia“ istdie opulent aus-
gestattete,süf fisant-plastischeundmitma-
jestätischerGeste erzählteösterreichisch-
tschechisch-slowakische Antwortauf die
Serien„The Cr own“ (N etflix) und „Cathe-
rine, the Great“ (Sky/HBO). Bezaubernd
durchsetzungsstarkaufspielend: Marie-
Luise Stockinger .Beide Folgen wurden
2017 schon einmal ausgestrahlt.Neu sind
die Folgen drei und vier mitveränderter
Besetzung.Die baroc ke Musi kgestaltung
vonRomanKarioloukommentiertdasGe-
schehenweiterhin wie in einer frühen
Oper.Die ältereMaria Theresia wirdnun

vonStefanie Reinsper gerals feministisch-
mütterliche Ikone zwischen liebevoller
Ehefrau und politischer Dampfmaschine
verkörpert.Reinspergers Maria Theresia
istdabei das Spiegelbild der freigeistigen,
intellektuell brillanten und skrupellosen
Katharina der Großen, wie sie Dame He-
len Mirreninder „HBO“-Serievorkur-
zem entworfenhat.Sokapriziös Mirren
ist, die in ihrerRolle attraktiveMänner
zum Frühstückverspeist, dabei aber nur
den Feldherrn Potemki nwirklich liebt, so
treu zeigtReinspergerMaria Theresia als
mächtigste Ehefrau Europas–und als Ide-
albild der empfindsam bürgerlichen Haus-
frau auf dem Thron. „Maria Theresia“
schaut dabei zwar unter die seidenen
Staatsprunkgewänder,aber mehr nochin
die Köpfeunter dengepudertenPerücken.
DieFilmreihevereint barockesSitten-
gemälde, Geschichtsstundeundfeministi-
sche Leidenschaftmit großemGewebe-
faltenwurf. Nicht alles isthistorisch kor-
rekt, abermanche sinseinerErfindung
historisc hsogar sprechender alsdie stau-
bigeFaktenna chzeichnung.Wenn im
Gartendes Belvedere sich derHof in
Lustbarkeiten ergeht,erkennt manin der
Anordnung derFiguren undihren Bewe-
gungenohneweitere sdiskursivesBemü-
hen daschoreographischexakt entworfe-
ne Staatsballett.Maskenbälle sindpoli-
tisch komplexe Vergnügungsentwürfe.
Allevier Folgen ergeben insgesamt mehr
als sechsStunden üppigeGeschichtsan-
schauung–nebst Nachhilfeinhistori-
scher Diskriminierung des weiblichen
Geschlechts. HEIKE HUPERTZ

Maria Theresia,Teil1und 2, heute;Teil 3und
4morgen,jeweils ab 20.15Uhrbei Arte.

E


shörtsichwie ein Antagonis-
mus an und istdochdie Reali-
tät: DieNachfrage nach Infor-
mationen istdieser Tage –über
alle Medien hinweg–starkgewachsen,
zugleich hat sich für viele Medienhäuser
derwirtschaftlicheSpielraumverschlech-
tert.ImMärzhabennachAngaben des
Bundesverbandes Digitalpublisher und
Zeitungs verleger mehr als zwei Drittel
derBevölkerunginDeutschlandimAlter
ab se chzehn Jahren die Informationsan-
gebote derZeitungenimInternetge-
nutzt .Ende Januarlag diewöchentliche
Reichweitenochbei fünfzigProzent. Die
überregionalenZeitungenkonnten ihre
Reichweiteseit Ende Januar sogar um
fast zwei Drittelsteigern. Zudemwerden
mehr Digitalabosabgeschlossen als in
denMonaten zuvor. Auch die Zeitschrif-
tenschließen mehr Abonnements fr
Print- als auchOnline-Angebo te ab.
Aufder anderen Seitesind dieWerbe-
einnahmenstarkrückläufig. Allein für
denApril geht der Spitzenverband der
deutschenWerbewirtschaft(ZAW) über
alleMedienhinwegvoneinemRückgang
derWerbeinvestitionenvonmindestens
vierzig Prozent aus.Imvergangenen Mo-
natlagen dieWerbeausfälle vom10.
März an zwischen dreißig undachtzig
Prozent.ImErgebnis haben viele Me-
dienhäuser, etwa „Die Zeit“, dieFunke-
Gruppe und die Südwestdeutsche Me-
dienholdingKurzarbeit beschlossen, die
Umfänge der Zeitungenreduzier toder
wiebei de r„Neuen RottweilerZeitung“
die Druckausgab eganz eingestellt.Die
„Spiegel“-Gruppe plantein Sparpro-
gramm vonzehn Millionen Euro.Beson-
ders starkbetroffen Lokalzeitungen, An-
zeigenblätterundlokaleRundfunkanbie-
ter. So hoffenkleinereVerlage, dassdie
Zustellkos tenfür die nächste Zeit kom-
plettvom Bund übernommen, bezie-
hungsweise die imvergangenen Novem-
ber zugesagteZustell förderung vonvier-
zigMillionen Euroendlic hausgezahlt
wird.InBrandbriefen an ihreLandesre-
gierungen haben Medienanstalten finan-
zielle Hilfe für die privaten Hörfunkan-
bieter angemahnt.
Ob der Anstieg bei denAbonnements
dieAusfällebeidenWerbeumsätzenaus-
gleicht, istmehr als fraglichund bei den
privatenRundfunkveranstalternbesteht
nochnichteinmaleinesolcheKompensa-
tionsmöglichkeit.Die Gefahr,dassdie
Corona-Krise zu einemAbbau vonMe-
dienvielfalt führt,ist also groß. EineVer-
triebsförderung des Bundes,die zudem
zeitlic hbefristet erfolgen soll,kann hier
nurein Trostpflastersein und zudem
sindhierverfassungsrechtlichdieLänder
in der Verantwortung.

Sicherung lokaler Vielfalt
DieSiche rung der lokalen und regiona-
len Medienvielfalt stehtseit einigerZeit
weit oben auf der medienpolitischen
Agendader Staatskanzleien, ohne dass
bisher substantiell eBeschlü ssegefasst
worden sind.Um Fördermaßnahmenfür
regionale und lokaleMedienzuprüfen,
haben die Bundesländer 2019eine Ar-
beitsgruppe „Regionale Vielfalt“gegrün-
det. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe,
derChef der sächsischenStaatskanzlei
Oliver Schenk,sagte, manwerde„das
Thema umfassend betrachten. Deshalb
werden wi rauch die Situationder regio-
nalen und lokalenZeitungen in denFo-
kusnehmen.“ Die Einrichtungder Ar-
beitsgruppe warnotwendig, so Schenk,
da gerade lokale undregionale Medien-
anbieter zunehmendunterDruck gerie-
ten. Folgedieses Drucks seien Monopol-
tendenzen, aberauch einWegfallender
Berichterstattung ausverschiedenenRe-
gionen,waswiederum Desinformatio-
nen, Filterblasen und das Erstarkender
politis chenRänderjenseitsdesdemokra-
tischen SpektrumsVorschub lei ste.
In neuen Medienstaatsvertragsollte
de shalberstmals „dieFörderung journa-
listischer Angebote/Projekt evon Rund-
funkveranstaltern, Telemedienanbie-
tern,einschließlichAnbieter- oderVeran-
staltergemeinschaften zur Sicherung der
lokalenund regionalen Medienvielfalt“
ermöglichtwerden. Damit würde es den
Landesmedienanstaltengestat tetsein,
nicht nur wie bisher die Infrastrukturzu
fördern, sondernauchjournalistische In-
halte. DieserPassus au sdem Entwurfist
inder beschlossenenFassung nichtmehr
enthalten.VoneinigenLändern,unter
anderem Hessen, hatteesverfassungs-
rechtliche Bedenkengegeben.
Ergänzend zum Medienstaatsvertrag
haben sichdie Länderdeshalb aufden
Entwurfeiner sogenannten Protokoller-
klärun gverständigt, die ebenfallsvon al-
len Regierungschefsunterzeichnetwer-
denmuss. Darin wirdauf Entscheidun-

gengedrängt,die„auchkünftigein ediffe-
renzierte,professionelle undrelevante
Berichterstattun gaus allenTeilender
Bundesrepublik“fürdieregionaleundlo-
kaleMeinungsbildungsichernsollen. Ne-
bentradiertenMedienhäusernsollenMe-
dienplattformen und „Intermediäre“in
denProzesseinbezogen werden. Das
heißt, die Länderwollennicht nur wie
bisher über die Landesmedienanstalten
BürgermedienimFernseh-undHörfunk-
bereic hfördern, sondern„tradierte Me-
dienhäuser“, also auchVerlag eund jour-
nalistische Online-Medienwie Blogs
oder regionale Plattformen. Eine solche
RegelungwürdeesdenLändernermögli-
chen, finanzielleUnterstützung für jour-
nalistische Angebote zu geben.

Presseförderung in Europa
Worüber in Deutschland nochdiskutiert
wird,ist in vielen europäischenStaaten
eher dieRegelals dieAusnahme: Die
wirtschaftlicheFörderungvonMedien.
In einerStudie hatte im Aprilverg ange-
nenJahres das Institut für Europäisches
Medienrecht verfassungsrechtliche Be-
denken ausgeräumt.„Die Förderung
auchjournalistisch-redaktionellerAspek-
te auf der SeiteprivaterMedienangebo-
te“, so das Gutachten, sei„verfassungs-
rechtlichnicht ausgeschlossen undkann
auch aninhaltlichePunktewieNachrich-
ten-Informations-undBeratungsangebo-
te für die jeweilige lokale undregionale
Ebene anknüpfen,solang ediese Förde-
rungtendenzneutralausgestaltetist.“Bei
einer solchenFörderung sei das Gebot
derStaatsfernezubeachten. Dieserver-
fassungsrechtlichenVorgabeließe sich
organisatorischnachkommen,denplural
zusammengesetzten Gremien derLan-
desmedienanstalten fielehiereinebeson-
dere Rolle zu.ZurFinanzierungkomme
neben Mitteln au sdem Landeshaushalt
oder aus speziellenAbgaben ein das bis-
herige Rundfunkbeitrags-System er gän-
zendes System in Betracht.
Auch der Medien- undKommunikati-
onsbe richtderBundesregierungvomDe-
zember 2018 hält eineFörderung publi-
zistischerInhaltefürmöglichundschlägt
zumBeispiel einen Medieninnovations-
fonds vor, um die Medienvielfalt zu si-
chern. Wörtlichheißt es in dem Bericht:
„Der öffentlich-rechtlicheFunktionsauf-
trag mussschließlich nicht zwingend al-
lein durch herkömmlicheRundf unk-An-
gebot eund nicht zwingend vonden
Rundfunkanstaltenselbs teingelöstwer-
den: Alsweiteres Elementeinerkonver-
genten Medienordnungkönnteman bei-
spielsweiseeinen Medieninnovations-
fonds schaffen, dur ch denein Teil des
RundfunkbeitragesauchfürdieFinanzie-
rung unabhängigerprivaterMedienpro-
duktionen eingesetzt wird. Sokönntees
auchAnbieternundProduzentenjourna-
listisch- redaktioneller Inhalteaußerhalb
desjetzigenöffentlich-rechtlichenRund-
funksystemsermöglichtwerden, an der
öffentlich-rechtlichenFinanzierungvon
Public-Value-Inhalten teilzuhabenund
sons tnichtfinanzierbarekreati ve oderin-
vestigati ve Beiträgezur Meinungsbil-
dung bereitzustellen.“
AufNachfragebei allensechzehn
Staatskanzleien der Länderhabenacht
Länder die Sicherung lokaler undregio-
naler Medienvielfalt zu einem Schwer-
punktderMedienpolitikfür2020erklärt.
Einig ewie Baden-Württemberg,Bayern,
Brandenburg,SachsenundThüringenbe-
schreiten deshalb schon eigeneWege,
um regionale Angebotezufördern. In
Brandenburgstehen jährlich1,5 Millio-
nenEurozur Verfügung. Das Geld, so
Benjamin Grimm, Beauftragter für Me-
dien und Digitalisierung Brandenburgs,
solle in lokaljournalistische Angebote
vonRundfunkveranstaltern,Telemedien-
anbieternoder Anbietergemeinschaften
fließen. „Esgeht um Inhalteförderung
undnicht um dieFörderung vonProjek-
tenoder –mitBlickauf dasdualeSystem
–Institutionen. Dassdas geht, ohne die
Unabhängigkeit undStaatsferne zuge-
fährden, zeigendie Schweiz und auch
Schweden.“.
Baden-Württembergwill nachAus-
kunftvon Staatsministerin Theresa
Schopper mitjährlich4,2 MillionenEuro
überdieLandesmedienanstaltprivateRe-
gionalfernsehveranstalter mit der Erstel-
lung einesvielfältigenNachrichten- und
Informationsprogramms mit engemRe-
gionalbezug betrauen.Thüringenstellt
diesesJahr150 00 0Eurofür Bür germe-
dien bereit und Sachsen will diePerspek-
tivenfür lokalen Journalismusverbes-
sernunddenAuftragderLandesmedien-
anstalt anpassen.
Angesichts der tiefen Spuren, die die
Corona-Krise in der privaten Medien-
landschafthinterlässt,reichen dieseers-
tenSchrittesichernicht aus, um langfris-
tigregionale Medienhäuser zustabilisie-
renund sie in die Lagezuv ersetzen,den
Wandel zu beschleunigen. GuteErfah-
rungen, die in diesenTagen mit vielfälti-
gendigitalenAngeb otengesammeltwor-
densind, müssen schnellredaktioneller
Alltagwerden. Dazu sinddie finanzielle
Mittelerforderlich.DieMinisterpräsiden-
tensolltendeshalbdiegestrichenePassa-
ge ausdemEntwurfdesMedienstaatsver-
trageswiederindenVertragstextaufneh-
men, umregionalen und lokalen Medien
denCorona-Restartzuerleichtern.

DerAutoristChefredakteur des Blogs
medienpolitik.net.

DasEichhörnchen kann jetzt auch singen


Schuldverhältnisse: Die ARDhat denRoman „DerÜberläufer“vonSiegfried Lenzsehenswertverfilmt


Schuldig macht er sichmehrfach,imZweiten Weltkrieg und in der Zeit danach: Jannis Niewöhner spieltWalter Proska. FotoARD

Die Län der sind


in der Pflicht


Sieist derStaat


Sittengemälde, Geschichtsstunde, feministische Leidenschaft:AufArteist „MariaTheresia“ in Hochform


Energisch: StefanieRein sperger spielt Ma-
riaTheresia. FotoArte

Anzeigenrückgänge


gefährdenregionale


Medie nvielfalt.Die


Pressezu fördern, ist


derPoliti kmögli ch.


Wenn sie es will.


VonHelmut Hartung


FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Medien MITTWOCH,8.APRIL 2020·NR.84·SEITE 15

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