Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.04.2020

(Ann) #1
A

uf den meistenInselnvor
derdeutschenKüstesindbis-
lang wenig Coronafälle be-
kannt geword en. Außerdem leben
dortvielerorts ältereMenschen, die
durch das Virusbesondersbedroht
sind. Warumalso sollteman diese
Sondersituation aufgebenund den
WegnachNorderney, Sylt oderRü-
genschrittweis efreimachen,wenn
auchnur dasgeringste Risikoeiner
weiteren Infektionswelle besteht?
Das fragen sichoffenbar viele Insel-
bewohner. Manche sind der Ansicht,
dass dieSperre bestehen bleibensoll-
te,selbstwenn dasFestlanderste Lo-
ckerungen inKraftsetzt.DiesePositi-
on verkennt aber,dassesauf Dauer
nicht möglichsein wird,das Virus
durch Isolationfernzuhalten. Dafür
wärenZeiträume nötig, die jenseits
einer realistischen Planungliegen.
Gleichzeitig sinktfür Unternehmen
aus derTourismuswirtschaf tmit je-
dem Tagdes Stillstands die Chance,
die Krise zu überleben. Da sichauch
die Lageder örtlichen Gesundheits-
versorgung nachder Abreise tausen-
der Touris tenimMärzentspannt
hat, dürfteimSinnedes Gleichheits-
prinzipskein Wegdaran vorbeifüh-
ren, die Regeln auf demFestland und
den Inseln im Einklang zu entwi-
ckeln. Früheroderspäter mussein
Plan her,wie vielTourismusvertret-
bar ist. Die Inseln können dabei
nicht außenvorbleiben.

D


er Hörgeräte-Anbieter Geers
zahltfür seine mehr als 650
LädeninDeutschlandkeine
Miete mehr.Das hat die Muttergesell-
schaf tSonova den Vermieter nge-
schrieben.Sonova erzielt evorder Co-
rona-Krise hoheRenditenund ver-
fügtüber viel Eigenkapital, weswegen
ihm Kritik drohenkönnte. Zudem
sind die meisteLäden weiterhin of-
fen, wenn auchnur für einenNot-
diens tein paar Stunden amTag. Egal,
wie man dazu steht:Was unange-
nehm auffällt, istder Stil. In dem
Schreiben,das derF.A.Z. vorliegt,in-
formiertSonova,der Immobilien-
dienstleisterB&P werdesichmelden,
umdieDetailszu regeln;bisdahinmö-
gendie Vermieter bitte warten.
„Don ́t call us,we`llcall you“ –mit
dieser Devise halten sichUnterneh-
men lästigeKundenfern.Hier aber
geht es nicht umKunden, sondern
den Vermieter, der auf seine Einnah-
men verzichten sollen. Das istdreist.
Der Einzelhandelsberater B&P bietet
seitkurzem „Krisenhilfebei Mietver-
handlungen“ in Sachen Corona an.
OhneZweifel: Viele Einzelhändler
kämpfenwegen derverord neten La-
denschließung umsÜberleben.Aber
danngilt es den Dialog mit demVer-
mieterzusuchen-undzwardirekt.So-
nova/Geers aber überlässt das einem
Mittelsmann. Das iststillos.

E

sist weitaus leichter,per De-
kret eine große Volkswirt-
schaf tzur Vollbremsung zu
zwingen, als sie anschließend wieder
zum Laufen zu bringen.Auch wenn
die Mitarbeiter der nungeschlosse-
nen Werkevon Volkswagen und
BMW in Deutschland nicht wie ihre
Kollegen in China zurRückkehr an
ihreArbeitsplätzetausende Kilome-
terdurchsLand fahren müssen und
dabei vonder Willkür lokaler Behör-
den massiv behindertund festgehal-
tenwerden–die Lektion derfakti-
schen Schließung der chinesischen
Wirtschaf tlautet, dassdas Wiederan-
fahren länger dauernkann als erwar-
tet. Während es in Chinavorallem
der Staat und die ihm unterstellten
Banken sind, die die wirtschaftlichen
Aktivitäten aus Angstund Eigennutz
bremsen,kannmandurchausderMei-
nung sein, dassinDeutschland der
Betriebsarztandersalsin derVolksre-
publik die Mitarbeiter nicht durch-
winkt,wenn daskaputteodervorsätz-
lichmanipulierte Thermometerbei
der Messung amWerkstor nur 32
Grad Körpertemperatur anzeigt.Am
Ende jedochist die Nach frag enach
den Produkten entscheidend, die
eine Volkswirtschaftproduziert. Die-
se aber könntesowohl im Fall
Deutschlands als auchChinas ange-
sichts derVerwerfungen in allerWelt
nochlangeamBoden bleiben.

Stillos stunden


VonKlaus Max Smolka

Chinas Kaltstart


VonHendrik Ankenbrand

Geschützte Inseln


VonChristian Müßgens

HAMBURG.MitteMärzwurden die deut-
schen Inseln zum Sperrgebiet. Au sAngst
voreiner unkontrolliertenVerbreitung
des Coronavirusriegelten die Behörden
Norderne y, Sylt, Rügenund Co. für Besu-
cher weitgehend ab. Auchfür Ein wohner
gelten seither vielerorts harte Einschrän-
kungen.Unternehmen aus demTouris-
mus oder anderenTeilen der Inselwirt-
schaf ttragen die Schrittemit.Aber inzwi-
schen werd enStimmenlaut,diedavorwar-
nen, zu langedichtzumachen. „Manche
Bewohner sehen die Insel als ihreArche
Noah undwollen möglichstlang alle Leu-
te vomFestlandfernhalten“, sagtetwa
Axel Meynköhn, Geschäftsführer derWy-
kerDampfschiffs-Reederei(WDR),dieun-
teranderem denFährverkehr nachFöhr
und Amrum betreibt.„Aber wirkönnen
uns hier nicht dauerhaftabschotten.“
Grund für die besonderen Eingriffe
rund um die Inseln ist, dassdortdie medi-
zinischeKapazität beiweitem nicht aus-
reicht, um eine Welle an Covid-19-Er-
krankten intensiv zu behandeln. Daher
hatten Landkreise wieNordfriesland oder
Aurichvom15.Mä rzanmitAllgemeinver-
fügungen dafürgesorgt, dassTouris tendie
Inselnverlassen und das öffentliche Le-
ben weitgehend brachliegt.Manche Be-
wohner sind der Ansicht, dassdie Sperren
möglichstlangeaufrecht erhalten bleiben

sollen, selbstdann, wenn auf demFest-
land allesgelocker twird. Schließlichgibt
es auf den Inselnkaum Coronafälle, zu-
dem leben dortviele ältereMenschen, die
besondersgefährdetsind. FürWDR-Chef
Meynköhn istdas ein Horrorszenario.
„Monatelanger Stillstand durcheine fort-
gesetzt eInselsperre werdendieUnte rneh-
men auf den Inseln nichtverkraften“, sagt
er.„Wenn das beschlossen wird,werden
die Konsequenzen für dieUnternehmen
dramatischsein.“
Normalerweise is tdie WDR, deren
größteGesellschafter dieStadt Wykauf
Föhr und dieNorden-Frisia Beteiligungs-
gesellschaftsind, auf derFöhr-Amrum-Li-
nie mit vierFähren unterwegs. Moment
sind es nur zwei, baldkönnteesnur noch
eine sein.Um die Liquiditätzusichern,
willMeynköhndiemeistenseiner160Mit-
arbeiter inKurzarbeitschickenund einen
Überbrückungskredit der KfW bekom-
men. Wiegroßdie Notist,zeigen diePas-
sagierzahlen: „Im Moment befördernwir
zwischen Dagebüll, Föhr und Amrum
etwa 100 FahrgästeamTag“, sagt der Ge-
schäftsführer,der seit 1998 dieReederei
leitet.Normalerweise seien es in guten
Zeiten zwischen 1000 und 2500.Auch die
Betreiber vonAusflugsschiffenbekom-
men den Stillstand zu spüren, ebenso wie
Gasts tätten oder Hotels, die eingroßer

Wirtschaftsfaktorsind.Schätzungenzufol-
ge stehen Unterkünfte auf den nordfriesi-
schen Inseln, zu denen nebenFöhr und
Amrum auchSyltund Pellwor mgehören,
für etwa 25 Prozent allerÜbernachtungen
in Schleswig-Holstein.
Dassdie Lockerungen viel Konflikt-
stoffbergen, zeigt sichderzeit auf der ost-
friesischen Insel Juist. Dorthatteder zu-
ständigeLandkreisAurich ebenso wie für
Norderne yund Baltrum besonders harte
Auflagen verhängt, die aucheine Aus-
gangssperre fürBe wohnerumfasste.Wäh-
rend derTourismus wie imganzen Land
weiter stillsteht, is tdie Sperre für Arbeits-
kräf te vomFestland jetztgelocker twor-
den, damit unter anderem Bauarbeiter zu
denBaustellen zurückkehrenkönnen. Der
Deutsche Hotel- und Gaststätten verband
(Dehoga) auf Juistsieht darin ein unnöti-
gesRisikound fordert, die Sperre weiter
aufrechtzuerhalten. Obwohl dieFallzah-
lenimLandkreisweiterstiegen undesvie-
le Fragen gebe, werde„die Türfür Fremde
auf Juistwieder geöffnet“, heißt es in ei-
nem Schreiben derVerbandsvertreter an
Politiker in der Region. Das sei „falsch
und verfrüht“. Der Bürgermeister der In-
sel, TjarkGoerges(parteilos),verteidigt
dagegen den Beschlussdes Landkreises.
Allen müsse klar sein, dassesauf Dauer
nicht gelingenwerde, Corona durchIsola-
tion vonder Inselfernzuhalten.
Dassfür denTourismus viel auf dem
Spiel steht, zeigen die Besucherzahlen. So
hat Juistzuletzt fast132000Übernach-
tungsgäste im Jahr empfangen und in sei-
nen Hotels, Pensionen undFerienhäusern
mehr als1Million Übernachtungenver-
zeichnet. Sylt zähltenachjüngstenZahlen
etwa 624000Gäste imJahr,Rügen,dieflä-
chengrößtedeutscheInsel,etwa1,4Millio-
nen. Damit der Stillstand nicht zu lange
dauert, fordertWDR-Geschäftsführer
Meynköhn, dassauchauf den Inseln wie-
der Touris tenzugelassenwerden, sobald
auf demFestland entsprechende Locke-
rungen in Krafttrete nund Urlaubsreisen
an Nord-und Ostsee wieder möglichsind.
„Wir brauchen eine Gesamtbewertung,
wie vielTourismus in denKüstenländern
in den nächsten Monatenvertretbar ist“,
sagt er.„Diese Gesamtschau mussauch
dieInselnumfassen,sodasswirschrittwei-
se wieder zurNormalität zurückkehren
können.“

A


ls die Mitarbeiter des Süßigkei-
tenherstellersHsu Fu Chi im
südchinesischen Dongguan
am 10.Februar aus dervom
Staat verordnetenZwangspause zur Ar-
beit zurückkehrten, fühlteessichan, als
säßen sie wieder auf der Schulbank.In
der Kantine desVerwaltungstrakts,wo
die Angestellten ihr Mittagessen einnah-
men, baumelten noch dierotenLaternen
vomFrühlingsfestvon der Decke.Wäh-
renddessenwardie Fallzahl derVirusin-
fektionen immer schneller gewachsen.
An diesem Montag, MitteFebruar,lag sie
nachoffizieller Darstellung bei 42 638,
Tendenzrasant steigend.
Dafürwarjedochinder Mitteeines je-
den Vierertischs eingefalteter Umzugs-
karton dazugekommen, der dem Sicht-
schutz auf denTischen in den Hallen äh-
nelte, in denen die jungen Chinesen zum
Ende ihrer Schulzeit ihr Abschlussexa-
men schreiben.Undwie damals beugte
sichanjedemTischinder Hsu-Fu-Chi-
Kantine jeweils nur ein einzelner Mitar-
beiter über seinTablett mitNudeln und
Senfkohl, mit zwei MeterAbstand zum
Nebenmann.
In derKantine, in dervorder Krise
mittags 140Kollegengleichzeitiggege s-
sen hatten, saßennun gerade einmal ein
Dutzend Leute.Die Unternehmenslei-
tung hatte die Essenszeitvon11.30bis
13.50Uhr in sieben Blöcke unter teilt,
den jeweils maximal20Mitarbeitern
wurden Standardgerichte serviert. Im
ganzen Betriebwaren zudiesem Zeit-
punkt1400 Angestelltezurückzur Ar-
beit erschienen, davon900 inder Produk-
tion.Dasmacht eetwa40ProzentderBe-
legschaftaus. Vorihrer Rück kehr hatten
die Mitarbeitervonihrem Unternehmen
über dieKurznachrichtenappWechat er-
fahren ,was sie erwartete: Temperatur-
messen am Werksto r, Maskenzwang,
Händewasche nmit Desinfektionsmittel
vorjedem Eintritt ins Bürozimmer,ein

MeterAbstand in Gesprächen mitKolle-
gen. Werwährend derFeiertage undder
anschließendenWoche, in der dieRegie-
rung die 13 Billionen Euro große Wirt-
schaf tfasst zum Stillstand gebracht hat-
te,inder vomVirus versuchten Provinz
Hubeigewesen war, densteckte derzum
Schweizer Nestlé-Konzerngehörende
Kuch enfabrikantfür 14Tage in die be-
triebseigene Isolation.
Zwei Monatespäter sind die meisten
Mitarbeiter im Dongguaner Betrieb wie-
der zurückgekehr t. Während nun inNew
York der Ausnahmezustand herrscht,
Großbritanniens Premierminister m it der
Viruserkrankung auf der Intensivstation
liegt und BMW den Produktionsstopp in
seinenWerken in Europagerade bis zum
Monatsendeverlängerthat, hat sichdie
KurvederInfektionszahleninChina abge-
flacht. Nach ihrer Vollbremsung soll die
zweitgrößte Wirtschaf tder Welt wieder
voll dur chstarten, hatStaatspräsident Xi
Jinping befohlen–dochkann derKalt-
starttatsächlichklappen beirund 35 Mil-
lionenUnternehmen und 775 Millionen
Beschäftigten,während die Gefahr einer
„zweitenWelle“ an Viruserkrankungen
wie ein Damoklesschwertüber dem Land
hängt?
Die Frage, ob die Gesundheit wichtiger
istoder dieWirtschaft, habeParteichef

XiEndeFebruar ineiner Megatelefonkon-
ferenz mit 170 000Kadernaus allenWin-
keln des Landes mit der für die KP typi-
schen Zweideutigkeit beantwortet, kriti-
sierte ImmobilientycoonRenZhiqiang da-
nachineinem Essay, seit dessen Erschei-
nen der bekannteUnternehmer ver-
schwunden ist: sowohl als auch. Immer
nochmüssen überall im Land Betriebe
darumkämpfen, vondenBehördendieLi-
zenz zurAufnahme der Arbeit zu erhal-
ten, am Jahresendewerden wohl nur jene
Kader befördert, in deren Verantwor-
tungsbereichdie Zahl derVirusinfektio-
nen auf nullgesunken ist.
Das hält nicht jedesGeschäftaus.
460 000Unternehmen im Land haben
im er sten Quartal ihren Betrieb dauer-
hafteinges tellt, die meistendavon waren
vornicht mehrals drei Jahren erst ge-
gründetworden. Obwohl seine beiden
WerkeinChina wieder liefen, seien ihm
dochseit de rKrise reihenweise kleinere
chinesischeZulieferer abhandengekom-
men,sagt Nokia-China-Chef Hao Jun-
tao. Unternehmenseignerin Zhu Zhen
darfsichalso glücklich schätzen.Sie
kann mit 45Mi tarbeiterninder Handels-
stadt Yixing, gelegen in der Provinz Ji-
angsu 200 Autobahnkilometervon
Schanghai entfernt, wiederKabelspulen
aus Holz herstellen.

Am 17.Februar liefen imWerk die Ma-
schinen wieder,dochesdauerte noch
über eineWoche, bis alle Arbeiter wieder
ausihrenHeimatprovinzenzurückanden
Arbeitsplatz hatten zurückkehren kön-
nen. Nach Yixing zurückließ diePolizei
ohnehin nur jene, deren „Gesundheitsco-
de“ auf ihrem Smartphone die Farbe
Grünzeigte.BeiGelb(abindie Heimqua-
rantäne) odergarRot (sofortigeEinwei-
sung ins Krankenhaus)waranArbeit
nicht zu denken.
DassChinas Exporte im April und Mai
um bis zur Hälfte einbrechenkönnten an-
gesichts der desolaten Lageder Weltwirt-
schaft, istZhus kleinereSorge.Macht die
lokaleRegierung ihren Betrieb als poten-
tiellenVirenherdaus, stehen die Maschi-
nen schnell wiederstill. Die Chefin lässt
ihreMitarbeiterjetzt zwei MalamTagauf
Temperatur messen, morgens und nach
dem Mittagessen, das die Arbeiter wie
beim Süßigkeitenproduzenten aus Dong-
guan in mehreren Schichten allein an ei-
nem Tischeinnehmen. Die Arbeiter,bei
denen das Thermometermehr als 37,2
Gradanzeigt,schicktZhudirekt insKran-
kenhaus. „Zum Glückkam das bisher
nochnicht vor.“Dassauchina nderenUn-
ternehmen in Chinakaum ein Mitarbei-
terins Krankenhaus muss,könntenatür-
lichauchmit den Messgeräten zu tun ha-

ben, deren Qualität jeder einsehenkann,
der inFestlandchina und Hongkong ein
Restaurant oder ein Hotelbetritt:Unge-
rührtnotieren dortdie Wächter am Ein-
gang Körpertemperaturen der Gäste in
Höhe von33oder auchmal 32 Grad, die
ansonstennur bei Obdachlosenkurz vor
dem Kältetod festgestellt werden.
Die Rechnung isteinfach: Die Gefahr,
dassden Unternehmen trotzkleinererLi-
quiditätshilfen derRegierung das Geld
ausgeht, istgewaltig –dadarfdie Ge-
sundheit der Belegschaft den Betrieb
erst re chtnicht behindern.Nachdemdas
Land denSieg über dasVirusausgerufen
hatte, habeer gedacht, nu nwerde alles
gut, sagteALong in derchinesischen
Presse,Vorstandschefvon ShangdaoAu-
tomoti ve Products, einemZulieferer,der
Scheinwerfer baut. Doch dann habesich
die PandemienachEurop aund Amerika
ausgebreitet. Um 50 bi s80Prozent seien
dieAufträge derAutozulieferer eingebro-
chen. MancheUnternehmer hätten bis
auf dieForschungs-undEntwicklungsab-
teilungallenachHause geschickt, man-
cheließen an zweiTagenarbeiten und
an drei Tagendas Werk geschlo ssen.
Dochbei den meisten, sagt der Branche-
ninsider,sei es wiederwie vorzweiMo-
naten zu Beginnder Viruskrise:„Alles
auf Stopp.“

Aufdem Steg am Seebad Binz herrschtnochtoteHose. Fotodpa

Zurückzur Normalität?Labormitarbeiter inWuhan FotoAFP

Inseln streiten um Lockerungen


LangerStillstandtrif ftFähren und Hotels/Von Christian Müßgens, Hamburg


WieChina seine Wirtschaft wieder hochfährt


smo./ash.FRANKFURT.DerHör geräte-
anbieterGeerszahlt wegender Corona-
Krise auf unbestimmteZeit keine Miete
mehr für seine mehr als 650Fachge-
schäf te in Deutschland–wiewohl die
meistenfür einenNotdienstweiter ge-
öffne tsind. Die MuttergesellschaftSo-
novakündigtedasineinemBriefanVer-
mieter an,welcher derF.A.Z. vorliegt.
Vermieter Holger Linden mit einer Im-
mobilie inTrier sagte, schon die Miete
für April sei nicht eingegangen, obwohl
das Geers-Geschäftinseinem Haus
nichtgeschlossen sei. Normalerweise
komme dieZahlung am zweiten oder
dritten Bankarbeitstag.
Geersgehörtzuden führenden An-
bieter ninDeutschland neben Kind und
Amplifon. Den Gewinn hierzulande
weistdiebörsennotierte SchweizerMut-
tergesellschaftSonova nicht aus. Global
fiel zuletzt eine Netto-Umsatzrendite
vonmehr als 16 Prozent an und eine Ei-
genkapitalquotevongut 55 Prozent.So-
novasEntscheidungreihtsic hindie An-
kündigungenvonUnternehmen, Miet-
zahlungenwegender Corona-Krise aus-
zusetzen, ein. Der Sportartikelhersteller
Adidas geriet in die Kritik,dasserfür
seine geschlossenen Läden die April-
Miete stunden lassenwollte. Nach öf-
fentlicher Empörung darüber machte er
die Entscheidung rückgängig.
EinzelhändlerverzeichnenstarkeEin-
bußen, auchAnbietervon Hörgeräten.
Die öffentliche Diskussion dreht sich
darum, ob ertragsstarke Un ternehmen
und solche mit solider Eigenkapitalde-
ckedie jetzigeLageausnutzen. „Die
Gruppeverfügt über eine guteLiquidi-
tätslage“, meldete Sonova am 25. März.
Im Geschäftsjahr 2018/19 (zu Ende
März) betrug die Eigenkapitalquote die
besagten55Prozent,derUmsatz2,8Mil-
liardenFranken. Der operativeGewinn
(Ebita) lag bei 594 MillionenFranken,
woraus sic h21Prozent operativeRendi-
te errech nen, der Gewinn nachSteuern
bei 460 MillionenFranken. 2019/20 soll
das bereinigteEbitazugelegt haben, der
UmsatzinOrtswährungensollum8Pro-
zent steigen.

Sonovabetreibt in Deutschland über
die HauptmarkenGeersund Vitakustik
mehr als 800 Läden undgehörtneben
KindundAmplifonzudenfüh rendenHör-
akustikunternehmen. Mehrals 650 Läden
sindGeers-Geschäfte.Der Kundenstrom
sei eingebrochen, schreibtdie Geschäfts-
führungder SonovaRetail Deutschland
GmbHindem Briefvom30. März.„Aus
diesem Grund mussten wir bereitsviele
unserer Fachgeschäf te schließen oder
mussten unsereÖffnungszeiten massiv
einschränken,sodasswirnurnochNotfäl-
le nac hvorhe rigerTerminabsprachever-
sorgen.“ Fürdie gesamteOrganisationsei
Kurzarbeitangemeldet.Wegen derUm-
satzeinbrüche oder Schließungvon Fach-
geschäf ten„werden wir die Mietenbis auf
weiteres nicht mehr zahlenkönnen“.Ein
Sonova-SprecherbestätigtedieAuthentizi-
tätdes Schreibens: Es sei an alleVermie-
tergeschicktworden.
Vermieter am Castelnauplatz inTrier
istdie GesellschaftLinden&Linden,
über welche Holger Linden und sein
Bruder das dortigeGeers-Geschäftbe-
herbergen. Linden berichtet, dortsei je-
den Tagjemand am Ort. Sonova bestä-
tigtedas auf Anfrage. Insgesamt habe
man etwa 125 Fachgeschäftekomplett
geschlossen, alle anderen seien in ei-
nem NotfallbetriebvonetwadreiStun-
den amTaggeöffnet. Lindenund sein
Bruder betreibeneine Bäckerei, die
zehn Filialenbeliefert. Sie seien durch
die Corona-Maßnahmen selbststarkfi-
nanziell belastetund hättenschon über
100 000 EuroanprivatemVermögen
nachschießen müssen, sagt er.
Sonovahabe die B&P GmbH&Co.
KG „als unserenPartner für alle mietver-
trags relevanten Themen mitdieser The-
matik beauftragt“, schreibt die deutsche
Geschäftsführung in ihrem Briefweiter.
Dieser Dienstleisterhat au fseiner Inter-
netsei te eine eigene Sektion „Coronavi-
rus–Krisenhilfebei Mietverhandlungen“
eingerichtet. Sonovaforde rt im Briefdie
Vermieterauf,sichnicht selbstzumel-
den.„B&Pwirdsichinden nä chsten Ta-
genmit IhneninVerbindungsetzen.Bitte
warten Si edie Kontaktaufnahmeab.“

Die Temperatu rwird


zweimalamTag


gemessen,inder


Kantine gibt es


Einzeltische–so


schützen sichBetriebein


China. Doch diegrößte


Gefahr lauert woanders.


VonHendrik


Ankenbrand,Schanghai


Geers zahlt


keineMiete mehr


Hörgeräteanbieterschreibt Vermietern


SEITE 26·MITTWOCH,8.APRIL 2020 ·NR.84 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

Free download pdf