Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.04.2020

(Ann) #1
pik.FRANKFURT. Es is tein ir riger
Glaube,durchdie Ausgangssperrenhät-
tendie meistenMenschen jetzt mehr
Zeit, sic humLiegengebliebenes zu
kümmern. Längstnicht allen, aber vie-
len Menschen immerhin dürfteesaber
so gehen. Neben derSteuererklärung
gibt es nocheinen weiterenAbtörner,
den die meistenlangeaufschieben: sich
um Versicherungsverträgezuküm-
mern. Viele verlänger nsichautoma-
tischumein Jahr,wennsie nichtgekün-
digt worden sind.
Aber grundsätzlicheÜberlegungen
zum Versicherungsschutz kann man
sichindiesenTagenschonmachen.Von
denviergroßen SpartenAltersvorsorge,
Arbeitskraftabsicherung, Schaden- und
Krankenversicherungkann man zwei
aus diesenÜberlegungen herausneh-
men: Altersvorsorge und Krankenversi-
cherungen sind Entscheidungen, die
man für einganzes Leben fällt.Das soll-
te nicht in einer Krisenphasegesche-
hen, in dergerade viele Gewissheiten in
Fragegestelltwerden. Deshalbkonzen-
trierenwirunshieraufSchadenversiche-
rungen und Arbeitskraftabsicherung.
Wegender hohen Quote an Men-
schen,dieimVerlaufeihres Lebensvor-
übergehend oder dauerhaftberufsunfä-
hig werden, ratenunabhängigeMakler
und Verbraucherschützer zu einemAb-
schluss. Dochegal, ob man den umfas-
sendenSchutzeiner Berufsunfähigkeits-
police oder den eingeschränkten Er-
werbsunfähigkeits-odereinerGrundfä-
higkeitsversicherung hat, auchsolche
Verträgebilden Kapital undkönnen
nur mitNachteilen während der Lauf-
zeit gekündigt werden. Wernochkeine
Police hat,kann darüber nachdenken,
werdagegenversorgt ist, hatkeinen
Grund zu handeln. Ganz anderssieht
es in denkurz laufenden Schadenversi-
cherungen aus. Hierkann es einigen
Nachbesse rungsbedarfgeben.Derzwei-
fellos wichtigste Vertrag is tdie Privat-
haftpflichtversicherung, dievorhohen
Forderungen schützt,wenn man einen
Schaden Dritter zuverantwor tenhat.

Hier könnteman die eigenePolice dar-
auf überprüfen, ob sie auf dem aktuel-
len Stand is t. Die RatingagenturFranke
&BornbergbewertetPolicen mit ei-
nem Deckungsumfangvonmindestens
10 Millionen Euro, mit einer Mitversi-
cherung deliktunfähiger Kinder und
mit dem Einschlussvon Gefälligkeits-
handlungen und des Verlusts berufli-
cher Schlüssel am höchsten.
FürWohnungsinhaber istdie Wohn-
gebäudeversicherung zwingend. Hier
könnteman nachEinschätzung der Pro-
duktbewerter auf die Einbeziehungvon
Aufräum- undAbbruchkosten, Ablei-
tungsrohren auf dem Grundstückoder
Überspannungsschäden achten. Grund-
sätzlicher is tdie Überlegung, ob über
den Grundschutz hinaus auchNaturge-
fahren wieÜberschwemmungen in ei-
ner separaten Elementarschadenpolice

mitversichertwerden sollten. Durch
den Klimawandel können diese Artvon
Schäden zunehmen. Die Hausratversi-
cherung istder anschaulichste Schutz,
den man abschließenkann. Denn die
Beschädigungder liebstenWertgegen-
stände in den eigenen vier Wänden
kann sic hjeder bildhaftvorstellen.
Die Ratingagentur aus Hannoverbe-
wertet Verträgebesondersgut, wenn
die Entschädigungsgrenze für Gegen-
stände mindestens bei 10 000 Euro
liegt.Außerdemsteigt die Bewertung
der Verträge, wenn sievorsehen, dass
die Wohnung mindestens 24Stunden
nacheinem Schadensfall bewachtund
einFahrradzwischen6und22Uhr,wäh-
renddesDiebstahlsinGebrauchoderin
einemgemeinsamenAbstellraumversi-
chertist.AlsletztenPunktkönnenVersi-
cherte überlegen, ob sie nicht eine der
vielen praktischen Apps nutzenwollen,
um ihreVerträg ezudigitalisieren.

D

ie Maßnahmen zur Verlangsa-
mung der Covid-19-Pandemie
werden so wohl Privatpersonen
als auchUnternehmen in denkommen-
den Monaten an ihrefinanzielle Belas-
tungsgrenzebringen. Auchfür dieVermö-
gensver waltungsbranche istdies einTest.
Ein Praxistest,wie wir eigentlichgesun-
den und lebensfähigenUnternehmen hel-
fenkönnen, aber auchein Charaktertest,
ob wir wirklichlangfristig agierende In-
vestoren sind.
Als Hüter privater Ersparnisse haben
Anlageverwalter dieAufgabe,dasKapital
auf Unternehmenmit langfristigen, nach-
haltigen Geschäftsmodellen zuverteilen.
Aber selbstdie vorausschauendstenUn-
ternehmensehensichaktuellmit beispiel-
losen kur zfristigen Schocks konfrontiert.
Für einigewerden sie zurexistenziellen
Bedrohungwerden.
Einesistklar: Esgib tzahlreiche heraus-
ragendeUnte rnehmen,dieihrenAktionä-
renimVorfeld der Krise Mehrwertbieten
konnten.Für denkünftigenWohlstand
der vonuns betreuten Sparer istesunab-
dingbar,dassdieseFirmenauchdieaußer-

gewöhnliche Situation überstehen, in der
wir uns zurzeit befinden.
Fondsmanager können dabei helfen.
Als Branche sollten wir mit den Ge-
schäftsleitungen derUnternehmen offen
und ehrlichüber die Probleme sprechen,
vordenen sie nunstehen. Wirsollten zu-
sammenarbeiten, um neue Lösungsansät-
ze zu finden.
Ichmöcht edie Unte rnehmen dazuer-
mutigen, sich an unsereBran-
chezuwenden. Außerdem
habeich unserePortfolioma-
nager gebeten,diese entschei-
denden Gespräche mit den
Unternehmen zu suchen, um
die dringlichstenProblem ezu
benennen.Wir werden den
persönlichen Dialog aufnehmen,umsie
zu lösen. Mit Sicherheitwerden einige
dieserLösungen äußerst kreativ ausfal-
len,und siewerden nur durch dieseArt
der menschlichen Interaktion zu errei-
chen sein.
Dagegenwerden die Schwächen des
mechanischen Handelsstärkerinden Fo-
kusrücken. Die algorithmische Anlage-

verwaltung nachdem Fremdvergleichs-
grundsatz wirdkeine Antwortenliefern.
Auch Fondsmanagerkönnen diese Her-
ausforderung nicht allein bewältigen.Wir
müssen mit Regierungen, anderen An-
teilseignernundBankenzusammenarbei-
ten. Wirkönnen bei der Eigenkapitalbe-
schaffung für Unternehmen behilflich
sein, aber das funktioniertnur,wenn ne-
ben den Kreditgebernauchdie Behörden

eingebunden sind.Wiewir selbstmüssen
auchsie einengewissen Einfallsreichtum
entwickeln.
Es steht viel auf dem Spiel. Die Exis-
tenzgrundlagevon MillionenvonMen-
schen wirddavon abhängen, wie wir in
den kommenden Monaten agieren. Ich
seheunser eAufgabeda rin,einenkurzfris-
tigen Opportunismus abzulehnen, der

vonPreisturbulenzenprofitierenwill.Un-
ternehmen mit langfristigrobustenAus-
sichten solltegeholfenwerden.
Diese Unterstützung wirdjedochnicht
vorbehaltlosgewährt. Erstens sollten alle
Hilfsmaßnahmen sorgfältig abgestimmt
sein. AlsRepräsentanten der Anleger ha-
ben wir dafür zu sorgen, das sgut gemein-
te Finanzhilfen nichtetwa den Chefeta-
genzugutekommen, sonderndie Zukunft
der Angestellten sichern. Die
unter stütztenUnternehmen
müssen demonstrieren, dass
sie ihregesellschaftlicheVer-
antwortung fürverschiedene
Interessengruppen ernstneh-
men. Wenn die Anleger Flexi-
bilität beweisen, sollte das
auchfürdie Führungskräfte indenUnter-
nehmengelten, wasdie Behandlungvon
Mitarbeitern,Zulieferernund Kundenbe-
trif ft.Wir werden dies aufmerksam beob-
achten und uns im Bedarfsfall aktiv ein-
bringen.
Zweitens sind wir dafür verantwort-
lich, langfristigeErträgefür die Sparer zu
erzielen, die wirvertreten. Dasgelingt

nicht durch die Kapital vergabe anUnter-
nehmen, die esversäumt haben,grundle-
gende Mängel in ihren Geschäftsmodel-
len anzugehen. Dieser Grundsatz muss
stetsgelten. Alle Beteiligten werden
zwangsläufig in Mitleidenschaftgezogen.
Anleger mussten inzwischenWertverlus-
te ihrer Aktieninvestitionen hinnehmen.
Unvermeidbar ist, dassviele Unterneh-
men auchdie AusschüttungvonDividen-
den werden aussetzen müssen-eventuell
sogar diejenigen, die bereitsfestgesetzt
wurden.
Trotzder Intensität dergegenwärtigen
Ereignisse istjetzt derrichtigeZeitpunkt
für einen langfristigen Anlagehorizont.
Heuteliegt es in unsererVerantwortung,
fürdieUnterstützungganzerBranchenzu
sorgen, damit sie in denkurzfristigenTur-
bulenzen nicht untergehen. Langfristig-
keit mus ssichdurchsetzen.

DerAutor istVorstandsvorsitzender des
britischenVermögensverwaltersSchroders.

Wiedie Anlagebranche in der Covid-Krise helfenkann


VonPeter Harrison

STANDPUNKT


dpa. LONDON/NEW YORK. Die
Ölpreisehaben am Dienstagetwas
zugelegt.Ein Barrel(159 Liter) der
Nordseesorte Bren tzur Lieferung im
Juni kostetezuletzt 33,18 Dollar und
damit13Centmehr als amVortag.
Der Preis für ein Barrel der amerika-
nischenSorte WTImit Lie ferung im
Mai stieg um 14 Cent auf 26,22 Dol-
lar.Der ÖlpreiswarnochamMon-
tag im Zuge derstockenden Entwick-
lung im Preiskrieg zwischen Saudi-
Arabien undRusslanddeutlich abge-
rutscht .Der Ölmarktwirdzur Zeit
durch einen Doppelschockbelastet.
Neben dem massivenNachfrageaus-
fall in folgeder Co rona-Pandemielie-
fern sichführendeÖlnationen seit
MärzeinenPreiskrieg. Einzum Wo-
chenstartgeplantesTreffenvon Öl-
förderländern, die sichinder soge-
nannten„Opec+“ zusammenge-
schlo ssen haben,warauf diesenDon-
nerstagverschoben word en.Ein Tref-
fender Energie-Ministerder
G20-Gruppeunter Vorsitzvon Sau-
di-Arabien wird am Freitag stattfin-
den. Derweil gehen die informellen
Gespräche auf diplomatischer Ebene
zwischen den Ländernweiter.

W


eil auchinItalien die Börse-
nindizes aussehen wie eine
Achterbahn, sind die Fi-
nanzseitenvoll mitÜber-
schrif tenüberAnlagestrategienfürde nsi-
cheren Geldgewinn. Schließlichhat die
Börse nachdem Höchststand vom19. Fe-
bruar ,mit einem FTSE-All-Share-Index
von27679 Punkten inweniger als einem
Monat gut 44 Prozent anWert verloren.
Der vorläufig eTiefststand des Indexfür
alle Aktienwaren15498 Punkte,regis-
trier tam16.März. Seitherhatdieitalieni-
sche Börse schon wieder ein Drittel der
Verluste aufgeholt, mit dem umfassenden
All-Share-Indexbei Werten über 19000.
So verlockend dieAussicht auf eine Er-
holung der Börsenkurse wirkt, sowenig
ergiebigistbisher dieLektürederitalieni-
schenFinanzblätter auf der Suche nach
den sicherenTipps. Die jüngstenKursge-
winne sind aus SichtvonAlessandroFu-
gnoli, Anlagestrategebeim MailänderFi-
nanzhausKairos, nicht unbedingt Ergeb-
nis einer fundamentalenNeubewertung
vonItaliens Aktien. Da schlügen sichein-
fachauchEinkauf stouren etwaamerikani-
scher Fondsnieder,dieim StilevonGroß-
händlerneinen Schwung europäischer
Aktien einer bestimmten Sparte kauften,
ohne besondersklar zu differenzieren.
Bei derFragenachden De tails der Be-
wertung italienischer Branchen undTitel
tun sichauchItaliens Analystenund Stra-
tegenschwer. In der Bankenbranche

glänztenzuletztIntesaSanpaoloundUni-
credit mit hohen Gewinnen und der An-
kündigung hoherAusschüttungen. Doch
die Dividenden müssen nunwegender
Krise zurückgestellt werden. Wegender
Ausweitung der Unternehmenskredite,
wenn auchmit Staatsgarantien, gibt es
wieder Zweifel, ob in Italien wieder das
Problem der faulen Kreditezurück-
kommt, vorallem bei kleineren Banken,
die nicht so gut aufgestellt sind. Anderer-
seits heißt es: „In dieser Krisewerden die
Banken sicher besonderen Schutz der In-
stitutionengenießen“.
Versorgungsunternehmen wie der in-
ternationalaktiveStromkonzernEnelgel-
tenals sicherer Hafen, dochder is tschon
länger so sehrgesucht, dassdie Wertstei-
gerungen nicht mehr sogroß ausfallen
könnten. Der Öl- und GaskonzernEni
(Benzinmarke Agip) schien zwar immer
eine sichereBurg, leidetaber nun unter
Ölpreisenvonweniger als 30 Dollar je
Barrel(159 Liter). Das istoffenbar unter
den durchschnittlichenFörderkosten von
Eniundkönnte vorüber gehendfürVerlus-
te sorgen. BeidenUnternehmen istge-
mein, dassdie relativeMehrheit der An-
teile beim italienischenStaat liegt und in
der RegierungskoalitionvonFünf-Ster-
ne-Bewegung und Demokraten um die

Besetzung der Spitzenpositionengestrit-
tenwird. Besonderen Glanz hat in Italien
immer die Branche derLuxusartikel, die
in früheren Jahren immer wieder Erfolgs-
geschichten hervorgebracht hat. Etwa
auchimmittels tändischen Börsenseg-
ment „Star“, wo man sicheher strengen
Regeln unterwerfen mussund mit zusätz-
lichemVertrauen belohnt wird. Dochin
den Zeiten derAufruf ezuhause zu blei-
ben sind Mode undLuxus weit entfernt.
„Die Luxusbranche wirdsichspäter erho-

len“, heißt es einerseits.Zumanderen:
„Viele Italiener sind ohnehin in einer Ni-
sche und haben dortErfolg“. DieNamen
früherer Lieblingeder Anleger wieTod’s
oder Monclerkommen jedenfalls nicht
mehr über die Lippen.Stattdessen wird
daran erinnert, dassviele Unternehmen
wie Armani oder Diesel eben nicht bör-
sennotiertseien, andereitalienische Er-
folgsmarkenvon Bulgaribis Gucci längst
in der Hand der französischenKonzerne
LVMH undKering.
Es bleiben nochein paar kleinereNi-
schen,die in Italien derzeit in allerMunde
sind. DennItalienhatinzwischeneinevor-
zeigbare Pharmabranche, auchmit ein
paar börsennotiertenUnternehmen wie
Diasorin,wo auchTestmaterialentwickelt
und hergest ellt wird. Oder der Anlagen-
baue rIma, indessenMaschinenaufderei-
nen Seite ein Eimer Impfstoffangeschlos-
senwird,aufderanderenSeitefertigeAm-
pullen in Schachteln herauskommen.
MancheStrategen wie Mario Semine-
riohegen dennoch langfristigeZweifel:
In dergegenwärtigenStimmung derPoli-
tik gehe es um Geldausgeben,Auswei-
tung desstaatlichen Einflusses in der
Wirtschaf t. „Da bleibtwomöglichfür die
Genialität italienischerUnternehmer nur
nochwenig Platz“.

Die leerenStraßen inRommachen sichauchander Börse bemerkbar. FotoReuters

ENDLICH


MALZEITFÜR...


Hoffen auf


die Opec


Versiche rungen gehören


auf den Prüfstand


So manches entpuppt sichals entbehrlich


Eine Ach terbahn in Ita lien


Ana lysten tun sich


derzeit schwer inder


Bewertungder


italienischen Aktien.


Versorgergelten


allerdingsdurchausals


sichere rHafen.


VonTobias Piller,Rom


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Ein langfristiger Ansatz istwichtiger denn je.
Die Unterstützung sollteaber
an Bedingungengeknüpftwerden.

FTSE MIB Index


Quelle: Bloomberg F.A.Z.-G rafikheu.

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5.4.2019 7.4.3.1.2020

FRANKFURTER ALLGEMEINEZEITUNG Finanzen MITTWOCH, 8.APRIL 2020·NR.84·SEITE29

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