Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.04.2020

(Ann) #1
Es warspät am Montagabend, alsPolens
Regierung imParlament mit knapperNot
einen Etappensieg errungen hat:Inner-
halb weniger Stunden hat dieFraktion
der RegierungsparteiPiS in allen drei Le-
sungeneinGesetzdurchgepeitscht, daser-
möglichen soll, die Präsidentenwahl im
Mai vollständig per Briefwahl abzuhal-
ten. Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw
Kaczynski will unbedingt an diesemTer-
min festhalten, obgleichseine eigeneRe-
gierung damitrechnet,dassdie Corona-
EpidemieinPolengerade zumvorgesehe-
nen Wahltermin MitteMai ihren Höhe-
punkt erreicht .Für Kaczynski und die PiS
istdas eine Machtfrage: Sierechnen da-
mit, dassder PiS-nahe Amtsinhaberunter
denderzeitigenBedingungeneinensiche-
renSieg erzielen würde.
Die Parlamentssitzungwarschon rein
äußerlichvon derPandemie beherrscht:
Im Plenarsaal saß JaroslawKaczynskiein-
sam in seiner Abgeordne tenbank und
ohne Maske. Inweitem Abstand jeweils
eine Handvollweiterer Abgeordne tervon
Regierung und Opposition, manche mit
GummihandschuhenundMundschutz,an-
dereParlamentarier saßenverteilt weite-
renSälen des Hauses, derRest nahm aus
dem Homeoffice an der Debatteteil.
Abstimmung und Zählungder Stim-
men dauertennicht nur länger,sie schie-
nenauchunzuverlässig zusein, wieAbge-
ordne te sowohl der PiS wie der Oppositi-
on beklagten. Damit erklärte einzelne
PiS-Politiker auchdie Niederlageihrer
Fraktion in einer ersten Abstimmung am
Mittag, als mit Gleichstand von228 zu
228 Stimmen ihr Antrag abgelehnt wur-
de, das Briefwahlgesetz auf dieTagesord-
nungzusetzen.InWirklichkeitwardas je-
dochein Zeichen dafür,dassesRisse in
der bisher scheinbar monolithischen PiS-
Fraktion gibt.
Den Anstoßdazu hat JaroslawGowin
gegeben, ein groß gewachsener,etwas
aris tokratischwirkender Krakauer Intel-
lektueller.Erwar bis Montag Wissen-
schaftsministerund is taußerdem Chef
der Partei „Verständigung“, die wie ein

kleiner siamesischerZwilling mit der PiS
verwachsen zu sein schien. Zwar lebt sie
in Fraktionsgemeinschaftmit der PiS,
aber Gowin spricht auf derenParteitagen
nur als Gast. Formal wardie in denver-
gangenen fünf Jahrenstetsgeschlossene
Regierungsfraktion eine Koalition na-
mens „VereinigteRechte“, der außer Go-
winskleinerTruppe,mitimmerhin18Ab-
geordne ten, noc heine weiter eKleingrup-
pe angehört.
VonGowinkamenschoninderVergan-
genheit gelegentlichSignale der Mäßi-
gung und der Kritik.Als über ein Schlüs-
selgesetz der wegenihrer autoritären
Zügeumstrittenen Justizreformgestritten
wurde, sagteGowin, er habe dafür „ge-
stimmt, aber michnicht dabeigefreut“.
Diesmalrebellierte er of fen: Schonstellte
sichgegen die offizielle Linie,wonach
wie geplant am 10. Mai,kostees, wases
wolle, die Präsidentenwahlen abzuhalten
seien.Esgehe im KampfgegendiePande-
mie um „Leben undTod“ der Bürger.
Die Opposition fordertseit Wochen
eine Verschiebungder Wahl. Möglich
wäre das lautVerfassung durch dieVer-
hängung desNotstands wegeneiner Na-
turkatastrophe. In derZeit seiner Gültig-
keit und 90Tage danachdarfkeine Wahl
stattfinden. PiSverweiger tdas aber.Die
Linie gabvergangeneWocheParteichef
Kaczynskivor: Für diesen Schrittfehlten
alle Voraussetzungen.
Um den Wahltermin trotzPandemie
durchzusetzen, schlug die PiSvor, alle 30
Millionen Wahlberechtigten per Brief-
wahl abstimmen zu lassen–und verweist
dazu auf das Vorbild der bayerischen
Kommunalwahl.
Allerdings istdie Briefwahl inPolen
bisherkaum praktiziertworden; möglich
warsie nur für Behinderte,die nicht in
der Lagesind, das Haus zuverlassen,ge-
nutzt wurde sie nurvoneinigenTausend
Menschen. Da Gowin und einigeseiner
Leutedanicht mitmachenwollten, schei-
terteder er steVersuchder PiS, dieAb-
stimmungdarüber auf dieTagesordnung
zu setzen. Gowin tratvonseinemRegie-

rungsamt zurück, aber seine Leuteblei-
ben Teil der Regierungsmehrheit.
Am Abend brachte die PiS das Gesetz
dann leichtverändertnochmal ein–und
konntesichdann knapp durchsetzen.Für
diese Eile gibt es einen Grund: Das neue

WahlgesetzmussnunindenSenat,indem
seit dem Herbstdie Opposition die Mehr-
heit hat;die zweiteParlamentskammer
hat30Tage Zeit,eswiederandenSejmzu-
rückzuverweisen, dieser mussdann wie-
der darüber abstimmen.Unterschreiben

könntePräsident Duda da sGesetz frühes-
tens am 7. Mai–drei Tage vordem ange-
setzten Wahltermin. Theoretischdürfte
bis dahin nicht mit denVorbereitungen
für die Briefwahl begonnenwerden.
So hat die PiS in dem am Montagabend
vomSejm verabschiedetenGesetzent-
wurfnocheine Klausel eingebaut, laut
derdieSejm-Präsidentin dendenWahlter-
min verschieben kann –was laut namhaf-
tenJuris ten, die in polnischen Medienzi-
tiertwurden,klarverfassungswidrigist.
Offenbar denkt die PiS an eineVerschie-
bung auf den 17. Mai.Auch dann wirft
die Organisation derWahl allerdings vie-
le Fragen auf. Sie soll in der Hand der
staatlichenPost liegen, deren bisheriger
Chef amFreitag durch einen PiS-treuen
Politiker ersetztworden is t.
Kritiker sagen, damit sei defactodie
unpar teilicheStaatlicheWahlkommissi-
on durch ein direkt unterKontrolle der
Regierungstehendes Unternehmen er-
setzt word en. Die lokalenWahlkommis-
sionen müssten eigentlichvon den Ge-
meindenund Städtengebildetwerden,
dochauf dieser Ebene hattesichinden
vergangenenTagenmassiverWiderstand
gebildet. Laut einer in polnischen Medien
veröffentlichtenUmfragebei Stadtverwal-
tungen konnten in vieleStädten über-
hauptkeine Freiwilligen für dieseAufga-
be gefundenwerden.
Vonder Opposition undvonder regie-
rungskritischen Presse wird daher inzwi-
schen derVerdacht geäußert, PiSwolle
nicht nur deshalb amWahlterminfesthal-
ten, weil die Herausforderer des in allen
Umfragen führenden Präsidenten Duda
derzeitkeinen Wahlkampf machenwol-
len, sondernauchdeshalb,weil sie sie
Chancesehen,dieWahlzuihrenGunsten
zu manipulieren. DieRechtmäßigkeit der
Wahl mussvom Obersten Gericht bestä-
tigt werden. Unddie Amtszeit seiner Prä-
sidentin MalgorzataGersdorf, die bis
jetzt dieUnabhängigkeit des Gerichtsge-
gendie Regierungverteidigt hat, endet
turnusgemäß am 30. April. Ob die Proze-
dur zur Bestimmung einesNach folgers
überhauptbegonnen hat, istunklar.

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ie Balkone sindmit de npräch-
tigen Fahnender Bruderschaf-
tenund Palmwedeln ge-
schmückt.Dochdurch die
Straßenvon Sevilla huschen nurein paar
Einkäufermit Mundschutz und Hand-
schuhen. Am Dienstagder Karwoche ist
normalerweise in den meisten Städten
Andalusiens kein Durchkommen. Mit-
tags um zwölf Uhr macht traditionellin
Sevilla die Bruderschaftvon „Cerro del
Águila“ den Anfang,gegen Mitternacht
zieht die letzteder acht Prozessionen in
die Kathedrale ein. DiesesMal können
die Mitgliederder Águila-Bruderschaft
nur imInternetverfolgen, wie ihre„Jung-
frau der Schmerzen“mit de rgroßen
Goldkrone in einemMeer vonKerzen
die Kircheverläs st;auf Videos ausden
vergangenen Jahren.
ZumerstenMal seit derZeit des Spani-
schen Bürgerkriegs fällt in Spanien die
„Semana Santa“ (HeiligeWoche) aus.
Seitdem sind mehr als achtzig Jahrever-
gangen. Wolkenbrüchekonnten einzelne
Prozessionen der Büßer mit ihren spitzen
Hüten und farbigenUmhängenverhin-
dern, aber nie dieganze Karwoche stop-
pen: In diesem Jahr marschieren sie nur
virtuell auf historischen Aufnahmen,
aber ganz genau in derReihenfolge, wie
sie auchsonstdurch die andalusische
Stadt ziehen, in der in dieserWoche sonst
kein Zimmer zu bekommen ist. Seit zwei
Wochen sind jetzt schon inganz Spanien
alle Hotels geschlossen.
Nurkurzhallt seitPalmsonntagwäh-
rend der „Heiligen Woche“ zwischen-
durch ein Prozessionsmarschdurch die
Straßen: EinKonv oi vonPolizeiautos pa-
trouilliertzuLautsprecherklängen im
Schritttempo durch das Zentrum der
Stadt.Mehrals 50 Bruderschaftengibtes
alleine in Sevilla. Die Verehrung von
Christus- und Marienfigurengeht in Spa-
nien zumTeil bis ins Mittelalter zurück,
als die Menschen sie um Schutzvorder
Pest baten. So soll es auchimJahr 2020
wieder sein. Kircheund Bruderschaften
appelliertenandie Gläubigen trotz der
Ausgangssperre die„brüderlicheGemein-
schaft“zustärkenund „dieGebete anden
Herrn und seine seligeMutter Maria zu
verdoppeln und die Mittel zu nutzen, die
uns die sozialenNetzwer ke bieten“. Sie
sollten zuhause kleine Altäreeinrichten
und sichzuf estgelegtenZeiten zum Ge-
betzusammenzufinden.

Seit mehr als drei Wochen sind die
meistenspanischen Kirchen geschlossen.
Der ErzbischofvonSevilla zelebrierte am
Sonntag in derKathedrale einsam die
Messe amPalmsonntag, die liveübertra-
genwurde. Auch für praktizierendeKa-
tholikenkenntdiePolizeikeinPardon.
InSevillagriffendi eBeamtenamPalm-
sonntag ein, als zwei Priestermit mehre-
renGemeindemitgliedernauf einerDach-
terrasse die Messefeiernwollten.Kaum
hatten siezurGitarre dieer sten Liederan-
gestimmt, rückten mehrerePolizeistrei-
fenanund beendetenden Gottesdienst.
Selbstdie Nutzung gemeinschaftlicher
Gärtenund Innenhöfeist in Spanienver-
boten. Im Baskenlandkamein einzelner
Pries ternicht vielweiter .ImOrnat mit
Handschuhen undGesichtsmaskemachte
sichderGeistliche zueinereinsamenPro-
zession auf denWeg, um den Ortzuseg-
nen. DiePolizei schickteihn, ohne eine
Geldstrafe, in seine Kirchezurück. Ande-
re Pries terwaren in Spanien zuvor schon
auf die Dächer ihrer Kirchen geklettert.
Mit erhobener Monstranzkonnten sie un-
gehindertvon der höchstenStelle ihres
Ortesihre Gemeinde segnen.
Zu Hause zu bleiben sei in diesem Jahr
die er steBürgerpflicht, mahnt die spani-
sche Polizei. MitStraßenkontrollen, Hub-
schraubernund Drohnenwollen die Be-
amten sicherstellen, dassdie Bür gernicht
rückfälligwer den, dennwährend der Se-
mana Santaist sonstdas ganze Land un-
terwegs, zu den Prozessionen, umVer-
wandtezu besuchen oderumandieSträn-
de zu fahren. Dochdie er steHochsaison

des Jahresfällt komplett aus. Das hat be-
sondersinAndalusien schlimme wirt-
schaftlicheFolgen. Sevilla entgehen nach
Schätzungen derStadtverwaltung in nur
einer WocheEinnahmenvonbis zu 400
Millionen Euro. Das istnochnicht alles,
denn auchdie „Feria“ Ende Aprilfindet
zum ersten Mal seit 1847 nichtstatt.
Das größteVolksfestAndalusiens soll
im Herbstnachgeholtwerden. Andern-
falls mussdie lokaleWirtschaf tweitere
Verluste vonmehr als 800 Millionen Euro
verkraften. DasFrühjahr istfür Sevilla
die wichtigste Saison. Ähnlichharttrifft
das VirusauchandereStädteinSpanien,
zuderenProzessionenwährendder Sema-
na Santaimmer Hunderttausende Besu-
cherströmen.EinheimischeTouristenwa-
renbisher immer die letzteRettung für
Hoteliersund Gastronomen,wenn ein-
mal weniger ausländische Besucher ins
Land kamen als sonst. Bis zu 15 Prozent
der spanischen Wirtschaftsleistung
macht derTourismus aus, der in diesem
Frühjahrvollständigzum Erliegengekom-
men ist. Dennochwächs tdie vorsichtige
Hoffnung auf bessereZeiten nachdem
Auferstehungssonntag.
In Spanienverlangsamt sichdie Aus-
breitung desVirus. DieZahl der nachge-
wiesenenNeuinfektionen und derTodes-
fälle nimmt nicht mehr so schnell zu, nur
nochmitein- stattwiebishermitzweistel-
ligen Wachstumsraten, auchwenn am
Dienstagwieder mehr Corona-Tote ge-
meldetwurden, als in den vierTagenzu-
vor: 739 Menschenstarben binnen 24
Stunden. Insgesamtkamen bisherfast

13.800 Menschen ums Leben und mehr
als 140.000 wurden positiv getestet.
Gleichzeitig hat sichder Druckauf die
überfüllten Krankenhäuser und Intensiv-
stationenverringer t.
AusSicht derRegierung zeigen die
Maßnahmen, wie sie jetzt auchdie Sema-
na Santatreffen, Wirkung. „Wir müssen
weiterhin sehen,waspassiert, und die
Entscheidungen entsprechend treffen“,
sagt dieNotfallkoordinatorin derRegie-
rung María José Sierra.Sohat das spani-
sche Kabinett am Dienstagbeschlossen,
das Parl ament zu bitten, die Einschrän-
kungen der Bewegungsfreiheit erst ein-
mal bis zum 25. April zuverlängern.
Schonvorher könnteeserste Lockerun-
gengeben.
Dafür will man bald so viele Menschen
wie möglichtesten, um schneller undge-
zielter auf neue Infektionsherdereagie-
renzukönnen. Infizierte,die keine oder
nur leichteSymptome zeigen, sollen frei-
willig in Hotelzimmernisoliertwerden.
Sobald mehr Gesichtsmasken zurVerfü-
gung stehen, könnten wieder mehr Men-
schen aufdieStraßen undanihreArbeits-
plätze zurückkehren. ErsteErleichterun-
gengelten möglicherweise Eltern, die
dann wieder mit ihren Kindernvor die
Türe dürfen. Docheine Maskenpflicht ist
momentangarnicht durchsetzbar.Schutz
fehltselbstfür das medizinischePersonal.
Einig ereligiöse Bruderschaften st ehen
ihnen mittlerweilebei. IhreMitglieder
schneidernausdemStoffihrerlangenfarbi-
genUmhänge, die sie in diesemJahr nicht
brau chen,Stoffmasken fürdie Helfer.

sat.WASHI NGTON. Womöglichwer-
den beide Männer bis zum 3.November
nicht mehr miteinandertelefonieren.
Dann freilichmussder eine dem ande-
renzumWahlsieggratulieren.Vorausge-
setzt, allesläuftnach PlanunddasWahl-
ergebnis wirdnicht angezweifelt. Am
Montag führten DonaldTrump und Joe
Biden jedenfalls ein Telefongespräch.
„Wir hatten eine wunderbare, herzliche
Unterhaltung“,sagteder Präsident spä-
terüber dieUnterredung mit seinem
mutmaßlichen Herausforderer.Essei
ein „sehr nettes Gespräch“gewesen. Er
kenneBidenja eigentlichgarnicht, vom
Hallo-Sagen einmal abgesehen.
Der Präsident istbekannt für solche
Wendungen. Die Szene erinnerte an
Trumps Kommentar zu Barack Obama.
Kurz nach seinemWahlsieg 2016 hatte
dergewähltePräsidentdenscheidenden
PräsidentenimWeißen Hausgetroffen.
Später äußerteTrumpüber den Mann,
dem er über Jahreunter stellt hatte, im
Grunde illegitimer Weise ins Weiße
Haus gekommen zu sein, da er dochgar
nicht beweisen könne, wirklich in Ame-
rika geborenworden zu sein: „Er istein
sehrguterMensch.IchempfindevielRe-
spektfür ihn.“
Auch über Biden hatteTrump noch
am Sonntag die üblichen Gehässigkei-
tenausgeschüttet.Während seinestägli-
chen Corona-Briefings hatteernahege-
legt, Biden, der sichinseinem Bunker
inWilmingtonverschanzthabe, bekom-
me dochgar nicht mehr mit,wasinder
Welt passiere. Er tragenur vor, wassei-
ne Berater ihm aufgeschrieben hätten.
Das bezog sichauf die Kritik des frühe-
renVizepräsidenten, er habeTrump
überMonateaufgefordert, das Landauf
die Pandemievorzubereiten, dochhabe
dieser die Sache nur kleingeredet.
Dem Telefonatvorausgegangenwar
einHinund HerzwischenBidensMitar-
beiter nund demWeißen Haus. Präsi-
dentenberaterinKellyanneConwayhat-
te gesagt, statt in dieser nationalen Kri-
se den Präsidenten anzugreifen, wäre
es docheigentlichanständiger ,Trump
darüberinsBildzu setzen,wasdie Oba-
ma-Biden-Regierungetwa in der Ebo-
la-Krise unternommen habe. Dasssie
es nicht ernstmeinte, machtesie dur ch
den Zusatz deutlich:„Aber waswürde
dies schon bringen?“ Biden freilich
nahm das Angebotan. SeinTeam kon-


taktierte Conway, die nun nicht mehr
zurückrudernkonnte. Alsokameszu
dem Gespräch.
Trumpsagte später noch, man habe
Stillschweigen vereinbart.Mit Blick
auf diePandemie fügteerindes hinzu:
Man habe überdas gesprochen, über
das derzeit alleredeten .Biden habe
ihm seine Sicht der Dingedargelegt,
wofür er vollstes Verständnis habe.
Freilichbedeutedies nicht, dass er den
Vorschlägen zustimme. Biden wieder-
um ließüber seineWahlkampfleitung
mitteilen:Essei ein „gutes Gespräch“
gewesen. Man habesichüber die Maß-
nahmen zur Bekämpfung derPande-
mie ausgetauscht.Zudemhabe Biden
seine Dankbarkeit darüberzum Aus-
druc kgebracht, mitwelchem Mut das
amerikanischeVolk sic hder Herausfor-
derungstelle.
Der mildeTonder beidenMänner
könnte nahelegen, das ssie nicht aus-
schließlichüber diegegenwärtig eKri-
se gesprochen haben, sondernauch
darüber,welcheAuswirkungen diese
auf denWahlkampf habe.Die freundli-
chen Worte, die beide hernachüber
einander äußerten, sind womöglich
Ausdruc kder Er kenntnis,dassden
Amerikaner derzeit nicht der Sinn
nacheiner parteipolitischen Schlamm-
schlachtsteht.Dassman sic htrotz der
Pandemie nichts schenkt, waram
DienstaginWisconsinzubeobachten,
wo Demokraten undRepublikaner al-
len Warnungen zumTrotzaufgerufen
waren, an den parteiinternenVorwah-
len teilzunehmen. Ein letzterVersuch
des demokratischen Gouverneurs
Tony Evers, dieAbstimmung zuver-
schieben,waramMontagvomVerfas-
sungsgerichtdesBundesstaatesverhin-
dertworden .Und der ObersteGerichts-
hofderVereinigtenStaaten erklärtezu-
dem einUrteil einerunteren Instanz
für nichtig,das denWählernsechs zu-
sätzlicheTage Zeit gegeben hätte, um
per Briefwahl abzustimmen.
Die Demokraten wiesen freilichdar-
auf hin, dassessichumUrteile zweier
Gerichtemit konservativer Richter-
mehrheit handle. DieFolgesei, dass
sichweniger Wähler beteiligen würden.
Bei denRepublikanernist die Abstim-
mung Formsache. Bei den Demokraten
istder abgeschlagene Bernie Sanders
weiterhin imRennen.

VieleTeilnehmer:Eine Prozession der „Semana Santa“ in dieserStraße in Südspanien im Aprilvergangenen Jahres FotoReuters

MORGEN


IMREISEBLATT


Abstimmung auf dem Höhepunkt der Epidemie


In Polen soll nun die derRegierung unterstehendePost die Wahl or ganisieren /VonGerhar dGnauck,Warschau


Spanien ohne „Semana Santa“


Mong La wirddas LasVegasvon Bur-
ma genannt.Touris tenund Händlerrei-
senin dieStadt nahederGrenzezu Chi-
na, um insKasino zugehen, sichmit
Prostituiertendie Zeit zuvertreiben
oder exotischeTierezukaufen. Die
StadtimGoldenenDreieck-derGrenz-
region vonBurma, Thailand, Laos und
China-ist der bedeutendste Umschlag-
platzfürbedrohteWildtiereinderRegi-
on. Aufden Märkten gibt es Elefanten-
stoßzähne, Tigerhaut, Schuppentiere,
Zibetkatzen oder Grüntauben zukau-
fen.EinDrittelaller weltweit geschosse-
nen Tigerwirdlaut derTierschutzorga-
nisation WWF in Mong Lagehandelt.
Die gegenwärtig ePandemie rückt
die asiatischen Wildtiermärkteins
Licht .Durch den intensivenKontakt
vonMenschen mit wildenTieren und
durch mangelnde Hygiene istesdort
leichter als anderswomöglich, dass
sichViren auf Menschen übertragen.
Im Fall des Coronavirusgehen For-
scher davonaus, dasssichdie Seuche in
Wuhan durch ein Schuppentier oder
eineFledermausauf"Patientnull"über-
tragenhabe;eineRekonstruktionsei je-
dochnicht mehr möglich.Auch deut-
sche Politiker wieRenateKünastvon
den Grünen oder der frühereCSU-Er-
nährungsministerChristian Schmidt
warnen, dassweiter eEpidemien auf
Wildtiermärkten ihren Ausgang neh-
men. Tierschützerfordernseit Jahren
deren Schließung.
Auch SarshatteseinenUrsprung
2002 auf einemWildtiermarkt in Chi-
na.InderFolgeverfüg te Pekingdietem-
porär eSchließung, nun hat diechinesi-
sche Regierung sogar ein permanentes
Verbotausgesprochen.Ausgenommen
davonist jedochweiterhin derVerzehr
vonTieren für medizinische Zwecke.
Der Direktor des WWF für Asien-Pazi-
fik, ChristyWilliams, spricht davon,
dasseslängstnicht mehr nur einWild-
tierproblem sei. "Es istein Problem der
globalen Sicherheit, menschlichen Ge-
sundheit undWirtschaft", sagteWil-
liamsauf einerPressekonferenzamver-
gangenenFreitag.
Burma spielt in diesem Handel eine
wichtigeRolle. Offiziell sindTierwild-
märkt everboten, dochinden Pr ovin-
zen duldenPolizei und Milizen sie. Das
südostasiatische Land mitetwasmehr
als 50 Millionen Einwohner,das eine
reiche Tierwelt beherbergt, hat innen-
politischeKonflikt ezubewältigen. In
den peripheren Bundesstaaten herr-
schenseitJahrzehnten bewaffneteKon-
fliktezwischenethnischen Minderhei-
tenund derZentralregierung,wasille-
gale Geschäfte begünstigt.Unter ande-


rendie Shan im Ostenund Kachin im
Nord en fordernmehr Autonomie.
Die Regionen besitzen militärische
Einheiten,dienichtnur fürmehrEigen-
ständigkeitkämpfen,sondernauchum
Ressourcen. Der Opium-Handelistda-
vonbetroffen -Burma istnachAfgha-
nistander größteProduzent -, ebenso
der Abbau vonJade. Nicht selten istdie
korrupte ArmeederRegierungselbstin
den Handel eingebunden oderkoope-
riertmit Milizen. Das milliardenschwe-
re Geschäftmit Jade beispielsweise
führtder frühereStaatschef Than Shwe
an. Auch die LageimGoldenen Drei-
eckbegünstigtden Handel mit illegalen
Produkten. China als Burmas direkter
Nach bar is tHauptabnehmer:vonJade,
Opiumundexotischen Tieren. Nach
Schätzungendes Weltwirtschaftsfo-
rums beträgt derWert des Handels mit
wildenTieren zwischen sieben und 23
Milliarden Dollar jedes Jahr.Nur der il-
legale Handel mit Drogen, Menschen
und Waffen bringt mehrUmsatz.
Schuppentieresind besondersbe-
droht .Das Säugetier is tnachAngaben
der Weltnaturschutzunion (IUCN) das
meistgehandeltebedrohteWildtier der
Welt.Mehr als eine Million Exemplare
wurden demnach in denvergangenen
zehn Jahren inWälderninAsien und
Afrik agejagt.Inder traditionellenchi-
nesischen Medizin wird den Schuppen
eine heilendeWirkung zugeschrieben.
Patienten mit Malaria-Fieber,Taubheit
oder Nervenkrankheitensollengetrock-
nete,inÖlu ndmitverschiedenenZuta-
tengemischteSchuppen zu sichneh-
men. Vonwissenschaftlicher Seitewird
die Wirksamkeitstarkbezweifelt;die
Schuppen bestehen ausschließlichaus
Keratin, wie auchdie Fingernägel von
Menschen. Das Fleischdes Tiersgilt in
Chinaund Vietnam als Delikatesse.
Einer neuenrepräsentativenStudie
des WWF zufolgegibt es in Burma,
Thailand, Hongkong,Vietnam und Ja-
pan große Mehrheiten für eine Schlie-
ßungvonWildtiermärkten.DieOrgani-
sation hat in den fünf Ländernjetau-
sendMenschenbefragt.Die stärkste Ab-
lehnung des illegalen Handels mit wil-
den Tieren gibt es demnachinBurma.
Dennochhat derStudie zufolgefastje-
der zehnteBurmese imvergangenen
Jahr einWildtierproduktgekauftoder
kennt jemanden, der eines erworben
hat.InThailand undVietnam istder
Anteil nochhöher.Ineinigen Ländern
Asiens sind mehreren Berichten zufol-
ge die Wildtiermärkteweiterhingeöff-
net. A uchinder burmesischen Dschun-
gelstadtMongLabliebendieUmschlag-
plätzefür f rischesWildfleischbis zu-
letzt offen. marf.

Betont herzlich


Trumptelefoniertmit Herausforderer Biden


DieProzessione ninder


„HeiligenWoche“


findenindiesem Jahr


nurvirtuel lstatt.Das ist


auch für die Wirtschaft


desLandes fatal.


VonHans-Christian


Rößler,Madrid


Die Seucheaus dem


GoldenenDreieck?


Illegaler Handel mitWildtieren blühttrotzCorona


SEITE 6·MITTWOCH, 8.APRIL 2020·NR.84 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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