Die Welt - 04.04.2020

(Barry) #1

F


ührende Palliativmediziner fordern
angesichts der Corona-Krise von
Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn in einem offenen Brief eine
unverzügliche Stärkung der ambu-
lanten palliativ-medizinischen Ver-
sorgung in Deutschland. Warum das
Sterben von Covid-19-Patienten zuhause humaner
als in der Klinik sein kann, erklärt einer der Unter-
zeichner, der Vizepräsident der Deutschen Gesell-
schaft für Palliativ-Medizin, Oliver Maier.

VON NORBERT LOSSAU

WELT: WWWas bedeutet die Corona-Epidemie für dieas bedeutet die Corona-Epidemie für die
Palliativmedizin?
OLIVER MAIER: Wir müssen uns zum einen darauf
einstellen, dass Krankenhausärzte darüber entschei-
den, ob ein Corona-Patient intensivmedizinisch
versorgt oder palliativ beim Sterben begleitet wird.

Italienische Verhältnisse also?
WWWenn Sie das so nennen wollen, ja. Zum anderenenn Sie das so nennen wollen, ja. Zum anderen
müssen wir Corona-Patienten eine palliative Ver-
sorgung auch zu Hause ermöglichen. Wir müssen
darüber aufklären, dass ein würdevolles Verster-
ben im häuslichen Umfeld und im Beisein nächs-
ter Angehöriger möglich ist. Die ambulante Pallia-
tivmedizin muss vorsorglich so gestärkt werden,
damit dies auch bei einer größeren Zahl von Be-
troffenen gelingen kann.

Bedeutet die ambulante Palliativbetreuung von
Corona-Patienten eine Verlagerung der Triage
von der Klinik auf den Hausarzt?
Der Hausarzt spielt hier eine wichtige Rolle als Mo-
derator. Er kennt seine Patienten besser als jeder
andere Mediziner und kann sie entsprechend gut
beraten. Die Hausärzte werden gemeinsam mit
hochspezialisierten Palliativmedizinern faire Wege
definieren, auf denen es weder zu dogmatischer
Unter- noch zu Übertherapie kommt. Letztlich geht
es darum, den Willen des Patienten zu respektieren.
Daraus folgt adäquates medizinisches Handeln.

Dann soll der Patient letztlich die Triage-Ent-
scheidung über sich selber treffen? Ist das nicht
gleichbedeutend mit der Bitte um Sterbehilfe?
Nein, das ist keine Sterbehilfe. Sterbehilfe bedeutet
ja das aktive, gezielte Herbeiführen des Todes. Hier
geht es aber um angemessene medizinische Unter-
stützung bei einem möglicherweise fatalen Verlauf
einer Covid-19-Erkrankung, also das Zulassen des
Sterbens. Corona-Patienten sind nicht unbedingt
des Lebens überdrüssig. Sie sind vielmehr plötzlich
von einer potenziell tödlichen Krankheit bedroht.
Wer zudem einer Risikogruppe angehört, sollte sich
besser frühzeitig Gedanken machen, wie er mit der
Situation umgehen will. Hausärzte berichten, dass
sie von Hochbetagten angesprochen werden, die im
TV Sterbende auf den Fluren in italienischen oder
spanischen Kliniken gesehen haben und sagen: So
möchte ich das selber bitte nicht erleben.

Ein Betroffener kann nicht wissen, ob er in der
Klinik als behandlungswürdig eingestuft oder
aufgegeben wird, und die Hoffnung stirbt be-
kanntlich zuletzt.
Keiner kann darauf vertrauen, dass genügend in-
tensivmedizinische Ressourcen vorhanden sein
werden. Selbst die Verfügbarkeit eines Beatmungs-
gerätes ist keine Garantie dafür, heil aus der Situati-
on herauszukommen. Wie bei anderen lebensbe-
drohlichen Szenarien ist es im Sinne des Patienten,
sich zu überlegen, wie viel man sich für eine Lebens-
verlängerung zumuten möchte. Genau dies regeln
Patientenverfügungen. Doch bislang wurde in ihnen
eine Situation, wie sie mit Covid-19 droht, meist
nicht ausreichend bedacht. Es wäre klug, das schnell
zu konkretisieren.

Sie sind Unterzeichner eines offenen Briefes an
Gesundheitsminister Jens Spahn. Was soll dieser
Brief bewirken?
Im Moment wird die Intensivmedizin und die Co-
vid-19-Forschung materiell und personell in großem
Umfang unterstützt. Das ist gut so. Wir wollen aber
darauf hinweisen, dass auch die palliative Versorgung
von Covid-19-Patienten in der Fläche sichergestellt
werden muss. Wenn die befürchtete Welle mit hohen
Fallzahlen kommt, wird die Betreuung vor Ort nicht
überall reibungslos funktionieren. Es fehlen geeig-
nete Organisationsstrukturen. Im Moment steht den
Hausärzten, die Corona-Patienten betreuen, nicht
einmal geeignete Schutzkleidung zur Verfügung. Mit
dem Brief wollen wir deutlich machen, dass es nicht
reicht, die Hochleistungsmedizin zu stärken.

Was erhoffen Sie sich konkret?
Wir benötigen dringend finanzielle Unterstützung,
um handlungsfähige Netzwerke von Palliativ-Medi-
zinern und Hausärzten aufzubauen. Nehmen Sie als
Beispiel die Pflegeheime in Niedersachsen mit vie-
len Corona-Sterbefällen. Ich bin mir nicht sicher, ob
das Leiden dieser Menschen bestmöglich gelindert
werden konnte. Wir haben jetzt nur noch wenig
Zeit, um uns da bundesweit besser aufzustellen.

Sie fordern also finanzielle Hilfe?
Nicht nur. Zunächst einmal fehlt uns ein klares politi-
sches Signal, dass man in Covid-19-Zeiten die Bedeu-
tung einer guten ambulanten Palliativmedizin erkannt
hat. Es ist doch nicht mehr die Frage, ob gestorben
wird, sondern nur noch wie. Der Bundespolitik müss-
te die kommunalen Partner dazu anhalten, sich um
diese Dinge in den Städten, Kreisen und Gemeinden
zu kümmern. Wir brauchen nicht nur funktionierende
rettungsmedizinische Ketten, sondern auch akut

palliativmedizinische. Hilfreich wäre eine Palliativ-
Notrufnummer. Heute wählen Hilfesuchende die
Nummer 116117, die aber oft überlastet ist.

Ist palliative Betreuung ambulant würdevoller als
in einer Klinik?
Davon bin ich bei Covid-19 überzeugt. In der Klinik
befindet sich ein Covid-19-Patient im Isolations-
bereich und kann nicht besucht werden. Angehörige
können sich also nicht mehr vom Sterbenden ver-
abschieden. Die ambulante Palliativ-Medizin hat
weniger Beschränkungen. Wenn etwa bei einem
älteren Ehepaar der eine in die letzte Phase seines
Lebens kommt, muss der andere nicht fortgehen,
sondern kann beim Sterbenden bleiben. In solchen
Fällen sind ohnehin wahrscheinlich beide infiziert.

Ist sichergestellt, dass ein daheim an Covid-
Sterbender keine großen Qualen leiden muss? Ist
die Versorgung in der Klinik nicht besser?
Das wird häufig gefragt, denn es geht ja um ein Ster-
ben unter Atemnot. Das Leiden lässt sich zu Hause
und im Krankenhaus im gleichen Umfang lindern. Das
ist nicht eine Frage des Orts, sondern der Expertise,
der Schnelligkeit und der richtigen Medikamente.
Jeder Hausarzt beherrscht das kleine Einmaleins der
Palliativmedizin. Und wenn die Lage komplexer wird,
muss er notfalls auf spezialisierte Kollegen zurück-
greifen, die alle notwendigen Maßnahmen innerhalb
weniger Stunden ergreifen können. Je mehr Patienten
in eine schwierige Situation kommen, umso besser
müssen die organisatorischen Strukturen der ambu-
lanten Versorgung sein. Sie gilt es jetzt zu stärken.

Können Hausärzte die palliative Versorgung von
Corona-Patienten bei den Kassen abrechnen?
Ich kennen keinen Kollegen, der sich angesichts
ungeklärter Abrechnungsfragen jetzt nicht trotzdem
engagieren würde. Diese Frage ist nachrangig. Man
wird später darüber reden, wie man das honorieren
kann. Jetzt geht es darum, schnell zu handeln.

Kommt der Brief an den Bundesgesundheits-
minister nicht zu spät? Lassen sich die Verbes-
serungen überhaupt noch vor der Welle erzielen?
Wir können mehr erreichen, als es auf den ersten
Blick plausibel erscheinen mag. Vielerorts gibt es ja
bereits gute Ansätze von Palliativ-Netzwerken, etwa
hier in Wiesbaden. Diese Netze könnten aufgerüstet
und verstärkt werden. Dafür ist es nicht zu spät.
Eine zentrale Verteilstelle von Schutzausrüstung,
eine Telefonhotline und ein regionaler Palliativ-
Krisenstab – das alles könnte man ganz schnell ein-
richten. Eine relativ überschaubare Anschubfinan-
zierung könnte da viel bewirken. Es geht aber auch
um politische Rückendeckung für die Hausärzte. Sie
würden gerne eine Leitlinie haben, die ihr palliatives
Handeln als ethisch korrekt würdigt. Wir brauchen
ohnehin eine neue Wertediskussion, die über die
akute Situation hinaus reicht. Die Sache wird nicht
in ein paar Wochen vorbei sein.

Solange es keinen Impfstoff gegen das Corona-
Virus gibt, wird es immer wieder tödlich ver-
laufende Covid-19-Erkrankungen geben?
So ist es. Die Corona-Epidemie zwingt uns zur Dis-
kussion der Frage, worauf es wirklich ankommt – in
der medizinischen Versorgung und in der Gesell-
schaft insgesamt. Ich bin optimistisch, dass dies
letztlich zu mehr Solidarität führen wird. Und ich
hoffe, dass uns hierzulande jene schweren Traumati-
sierungen erspart bleiben, wie sie im Moment viele
Menschen in Italien und Spanien erleiden. Sie kön-
nen sich von ihren Liebsten, die unter unwürdigen
Bedingungen versterben, nicht einmal mehr ver-
abschieden. Wir müssen alles in unserer Macht Ste-
hende tun, um dies in Deutschland zu verhindern.

INTERVIEW


Weil Krankenhäuser


überlastet sind, sollen


Corona-Patienten


auch zu Hause


Sterbebegleitung


bekommen – das


fordern führende


Palliativmediziner.


Doch dafür brauchen sie


mehr Unterstützung


Dr. Bernd Oliver Maier, Jahrgang 1971, ist
amtierender Vizepräsident der Deutschen Ge-
sellschaft für Palliativmedizin (DGP) und seit
2 013 Chefarzt am St. Josefs-Hospital in Wiesba-
den. Den Master of Science in Palliative Medi-
cine erhielt Maier 2008 an der Universität
Bristol. Zuvor hatte er eine Ausbildung zum
Internisten mit den Schwerpunkten Hämatolo-
gggie und Onkologie absolviert. Maier ist Mitgliedie und Onkologie absolviert. Maier ist Mitglied
der Leitlinienkommission der DGP.

R. BERG

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04.04.20 Samstag, 4. April 2020DWBE-HP


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2 FORUM DIE WELT SAMSTAG,4.APRIL


Corona, ein Weckruf


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JOSEF BRUNNER

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arfman in menschlich so
herausfordernden Zeiten
über Wirtschaft, Geschäft
und Unternehmertum reden? In
Zeiten, in denen die Welt berech-
tigterweise geschockt ist ob unse-
rer Verwundbarkeit und Fragilität,
und in Momenten, in denen unser
Herz bricht, wenn wir uns die vie-
len menschlichen Schicksale vor
AAAugen führen?ugen führen?
Als jemand, der versucht, ein mün-
diger Bürger und Unternehmer zu
sein, möchte ich nicht, dass dieser
Kommentar die menschliche Ka-
tastrophe, die wir gerade erleben,
herunterspielt. Ich möchte, dass wir
die Herausforderung so gut es geht
bewältigen. Aber ich möchte auch
meinen Beitrag leisten, dass wir an
die Zeit nach der Bewältigung der
Krise denken. Das tue ich, weil ich als
Unternehmer eine Verantwortung für
unsere Kunden und Mitarbeiter habe.
Als Investor bin ich meinen Gründe-
rinnen und Gründern verpflichtet.
Alle gemeinsam haben wir als mündi-
ge Bürger die Verantwortung, das,
was uns möglich ist, zu tun, um so
stark wie möglich aus der Krise zu
kommen – dies beziehe ich ausdrück-
lich nicht nur auf wirtschaftliche,
sondern auch auf gesellschaftliche
Themengebiete.
Die Unternehmen, die unser wirt-
schaftliches Rückgrat bilden und für
gute Einkommen und einen stabilen
Cashflow gesorgt haben, waren zum
Teil „Weltmarktführer auf Abruf“.
Wir haben uns auf unseren Erfolgen
ausgeruht, haben schmerzhafte Än-
derungen nicht durchgeführt und so
wie bisher weitergemacht. Sehenden

Auges sind wir in sich transformie-
renden Märkten abgehängt worden
und haben teilweise an Relevanz
verloren. Wir gingen geschwächt und
vereinzelt taumelnd in die Corona-
Krise. Die dadurch hervorgerufene
Rezession wird uns also hart treffen.
Da der Mensch am liebsten durch
Schmerz lernt, ergibt sich daraus eine
wunderbare Chance für einen Neu-
start. Einen Neustart, der unsere
Tugenden, unseren Ruf in der Welt,
unsere Ingenieurskunst und unseren
Fleiß mit neuen Komplementäreigen-
schaften verbindet. Die zu erwarten-
de Rezession sollte als finaler Weck-
ruf verstanden werden, unsere Kern-
industrien zu transformieren und das
Digitale als Werkzeug dazu zu nut-
zen. „Immer schon so gemacht“ soll-
te durch „Jetzt packen wir’s an“ sub-
stituiert werden.
In Krisenzeiten werden Investitio-
nen stark zurückgefahren. Flexible,
auslastungsbezogene Nutzungs-
modelle sind hier klassischen Capex-
Transaktionsgeschäften enorm über-
legen. Der zu erwartende Rückgang
an Auftragseingängen für unsere
Maschinen wird das in einigen Be-
reich nochmals untermauern und
hoffentlich die Erkenntnis zemen-
tieren, dass Subscription-Modelle
(Opex) hier einen schönen Lösungs-
weg beschreiben, der auch weitere
unschlagbare Vorteile bringt. Die
Konjunkturpakete, die jetzt und
nach der Corona-Pandemie auf-
gelegt werden, werden weiterhin viel
Liquidität in die Märkte pumpen,
sodass die bereits sehr guten Rah-

menbedingungen zur Einführung
von Opex-Service-Modellen noch
einmal verbessert werden.
Als Investor und Unternehmer
bricht es mir mein Herz, wenn ich
sehe, wie sich Venture-Capitalists
und Risikokapitalgeber teilweise in
dieser Situation verhalten. Schockiert
von der Unsicherheit, die wir alle
derzeit erleben, werden teilweise
zugesagte Finanzierungen gestutzt,
und Gründerinnen und Gründer müs-
sen in bereits erschwerten Markt-
bedingungen nun noch mehr ums
Überleben kämpfen. Auch wenn ich
glaube, dass das Normalisieren von
zu hohen Bewertungen, die wir in
letzter Zeit gesehen haben, ein gesun-
dendes Element ist, möchte ich un-
terstreichen, dass wir als Investoren
eine Verpflichtung haben. Eine Ver-
pflichtung, die mit unserem Werte-
system und mit Vertrauen zu tun hat.
Wir sollten uns speziell in diesen
Situationen daran erinnern, dass
jeder den Ozean besegeln kann, wenn
das Wetter schön ist. Im Sturm zeigt
sich nicht nur unser wahres cha-
rakterliches Wesen – nein, auch unser
Wertekompass wird sichtbar.
Aber auch in dieser frustrierenden
Erkenntnis steckt großes Potenzial.
Die Investoren, die in Unternehmen
mit Substanz investiert und deren
Gründerinnen und Gründer ein wert-
stiftendes Geschäftsmodell etabliert
haben, sollten nun in einer „double
down“-Strategie weiter, eventuell
sogar stärker als vorher, in ihre Port-
folio-Unternehmen investieren. Nach
der Krise werden diese Unternehmen
weniger Wettbewerb und als starkes
und finanziell gestärktes, innovatives
Unternehmen eine noch bessere
Zukunft haben.
Allerdings werden es nicht alle
Unternehmen schaffen. Das ist tra-
gisch und aus persönlicher Sicht der
Gründer unfair und niederschmet-
ternd. Als Unternehmer verstehe ich
diese Frustration. Nichtsdestotrotz
ergeben sich daraus auch Chancen
und eine Zukunft. Diese sollte al-
lerdings nicht in den USA oder in
Asien liegen. Wir in Deutschland
sollten nun verstärkt über Zukäufe
und anorganisches, strategisches
Wachstum nachdenken. Nicht um
kapitalistische Profiteure der Krise
zu sein. Nein, wir sollten unsere
Technologieposition in der Welt
stärken. Wir sollten heimische, aber
auch asiatische und amerikanische
Start-ups unter unserem Dach will-
kommen heißen. Wir sollten M&A-
Möglichkeiten nutzen, um uns end-
lich zu transformieren, unseren
Standort zu stärken und unsere Ab-
hängigkeit zu reduzieren. Ferner, und
nun spricht mein Start-up- und
Gründerherz, halten wir somit den
Traum unserer jungen Unternehmer-
generation am Leben und helfen ihr
dabei, die gesetzten Ziele mit unserer
Hilfe und unter unserem Dach zu
verwirklichen.
Die Situation, die wir gerade erle-
ben, ist einschneidend, tragisch und
menschlich berührend. Wenn wir es
allerdings verpassen, unsere Wirt-
schaft, die bereits geschwächt in
diese Krise gegangen ist, grundlegend
zu transformieren, werden wir durch
die Rezession, die uns dann noch
umso mehr treffen wird, nicht nur
wirtschaftliche Umbrüche sehen. Wir
werden eine Beschleunigung der
politischen Verschiebungen sehen,
und es wird zu gesellschaftlichen
Spaltungen kommen, die unser Zu-
sammenleben nachhaltig zum Negati-
ven verändern können. Als Unter-
nehmenslenker ist es unsere Pflicht,
die Krise als Chance zu sehen. Als
mündige Unternehmer haben wir
eine Verantwortung, unseren Beitrag
zu leisten, und dieser Verantwortung
müssen wir, auch aus dem Homeof-
fice heraus, nachkommen.

TDer Autor ist Vorstandsvorsitzen-
der von Relayr, einem Berliner Unter-
nehmen, das Technologien für die
Digitalisierung von Industrieunterneh-
men anbietet.

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