Die Welt - 04.04.2020

(Barry) #1

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04.04.20 Samstag, 4. April 2020DWBE-HP


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DWBE-HP

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26 DIE LITERARISCHE WELT DIE WELT SAMSTAG, 4. APRIL 2020


Geflügelte Dichterworte: Früher standen
sie belegt und nachgewiesen im „Büch-
mann“. Heute kursieren Fake Quotes
überall im Internet. Besonders fehlzitiert
werden Karl Krausund Kurt Tucholsky.
Zu beiden existieren Sisyphos-Dienste
wie https://falschzitate.blogspot.com, die
unechte, unbelegte Zitate aufspüren. Fra-
gen an den Journalisten Friedhelm Greis,
der @Tucholsky_Kurt betreibt, einen
Twitter-Bot,der Fake-Zitate anzeigt.

Wie spürt der Botdie Tucholsky-Zitate
auf? Woher weiß er, ob sie falsch sind?
Der Bot, ein kleines Computerprogramm,
sieht in allen auf Twitter veröffentlichten
Tweets nach, ob Tucholsky darin erwähnt
wird. Dann überprüft er, ob in dem Tweet
ein unbelegtes Zitat aus einer Liste ent-
halten ist und informiert die Nutzer. Ich
gehe davon aus, dass ein Zitat mit sehr
großer Wahrscheinlichkeit nicht von Tu-
cholsky stammt, wenn es sich nicht in der
22-bändigen Gesamtausgabe findet. Die
darin enthaltenen Texte und Briefe liegen
uns digital vor, sodass eine Recherche
einfach möglich ist.

Welche Zitate werden Tucholsky am
häufigsten falsch zugeschrieben?
„Der Vorteil der Klugheit liegt darin, dass
man sich dumm stellen kann. Das Gegen-
teil ist schon schwieriger.“ (Wird oft auch
auf Spanisch falsch zitiert.) / „Toleranz
ist der Verdacht, der andere könnte Recht
haben.“ / „Wenn Wahlen etwas änderten,
wären sie längst verboten.“ / „Das Gegen-
teil von gut ist gut gemeint.“

Wie viele falsche Tucholsky-Zitate ha-
ben Sie bereits aufgespürt?
Unter zwei verschiedenen Accounts wur-
den bislang mehr als 2700 Mal falsche Zi-
tate in Tweets und Re-Tweets korrigiert.
Um von Twitter nicht gesperrt zu wer-
den, habe ich die Zahl der Hinweise auf
drei pro Stunde begrenzt.

„Falsch zitiert!“ Reagieren Fake-Zitat-
Verwender auf Ihre Richtigstellungen?
Die meisten bedanken sich für den Hin-
weis, nur wenige fühlen sich auf den
Schlips getreten. Schön war eine Reakti-
on des Hochstaplers Gert Postel: „Das ist
mir völlig gleichgültig, ich habe im Ver-
laufe meines Lebens so ziemlich alles ge-
lesen, was er geschrieben hat. Sie müssen
mich also gar nicht so blöde von der Seite
anmachen.“ Darauf antwortete ein ande-
rer Nutzer: „Ich habe so viel von ihm ge-
lesen, ich kenne sogar das, was er gar
nicht geschrieben hat!“

Wo und wie kann man checken, ob ein
geflügeltes Wort stimmt?
Es gibt frei verfügbare Sammlungen wie
http://www.textlog.de oder http://www.zeno.org. Die
Sammlungen sind aber unvollständig. Im
Zweifel bei mir nachfragen unter oberad-
[email protected]

Die Fragen stellte Marc Reichwein

FORSCHUNGSFRAGE


Ein surreales Covermotiv wie von Magritte, die Körperlosigkeit macht neugierig.
Der Heiligenschein um die schwebende Melone deutet einen verstorbenen Helden
an, und tatsächlich verspricht der Klappentext ein kühnes Duo: Komiker Stan Laurel
trifft (nein, nicht Oliver Hardy!) den Mittelaltermönch Thomas von Aquin. Der soll
dick wie Hardy gewesen sein. Dass zwei historische Figuren, die 700 Jahre trennen,
im Limbus auf Buchlänge miteinander ins Gespräch kommen, klingt wie ein Roman
von Sibylle Lewitscharoff. Ist hier aber von Markus Orths. MARC REICHWEIN

Markus Orths: Picknick im Dunkeln.Hanser, 236 S., 22 €.

JUDGE A BOOK BY ITS COVER


Ich finde es richtig, dass wir hier so die Feste
fffeiern, wie sie fallen, und auf die übliche Arteiern, wie sie fallen, und auf die übliche Art
die Etappen markieren, die Einschnitte also,
damit es kein ungegliedertes Einerlei gibt,
das wäre zu sonderbar. Da haben wir Weih-
nachten gehabt und wussten, dass Neujahr
war ... Dann rückt Palmsonntag heran (gibt
es hier Kringel?), die Karwoche, Ostern und
Pfingsten, was sechs Wochen später ist, und
dann ist ja schon bald der längste Tag, Som-
mersonnenwende ... „Halt! halt! halt!“, rief
Settembrini. „Schweigen Sie!“

DAS RÄTSEL


In dieser Woche suchen wir einen Roman
über die Zeit – oder Auszeit? Wie heißt
er? Und wer hat ihn verfasst? Lösungs-
vorschläge bitte an die Redaktionsadres-
se oder [email protected].
In der vergangenen Woche suchten wir
„Die Reise um mein Zimmer“ von Xavier
de Maistre. Gewonnen hat Anette
Heyden aus Bünde.

Vergangene Woche haben wir an dieser
Stelle gemeldet, dass wegen Corona auch
„Klagenfurt“im Juni abgesagt sei, also
das Wettlesen um den Ingeborg-Bach-
mann-Preis, auch bekannt als „Tage der
deutschsprachigen Literatur“. Kurzfristig
galt die Absage auch, doch dann folgte ein
Protestbrief der Juroren und allgemei-
nes Murren bei Twitter, warum man den
Bewerb nicht digital durchführen könne.
Was ja, eine(r) liest vor, sieben Juroren
debattieren, gut möglich ist per Video-
konferenz. Es folgte ein Statement des
ORF, dass man gewillt sei, den Bewerb
doch durchzuführen, und zwar nur digi-
tal. Nun wird gebangt, dass das virtuelle
Alternativszenario auch wie gewohnt
vom Fernsehsender 3sat übertragen wird.
Ach, Bachmannpreis. Was waren das für
selige Zeiten, als Karen Köhler 2014 we-
gen Windpockenfehlte.

DER BETRIEB


Seit zwei, drei Wochen „gehen“ die meisten Deutschen „ins Homeoffice“, „machen Homeoffice“ oder sind „gerade im Homeoffice“. Und seit eben diesen zwei, drei Wochen kratzen wir
Anglophilen uns in selbigem am Kopf – natürlich sagt auf Englisch niemand Homeoffice, warum auch, in Großbritannien würde das schlicht bedeuten, man befinde sich im Innenministeri-
um. Aber gut, vielleicht sind wir auch gerade im Innenministerium des Geistes unterwegs? Wer weiß das schon, nicht mal die deutsche Metaphysik. Fürs Erste können wir uns freuen, dass
wir mit dem deutschen Homeoffice ein neues Public Viewing geschaffen haben, immerhin, und das ohne Fußball und trotz Krise. Very deutsch!

UNWORT DER WOCHE


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PROLEGOMENA


*

*PROLEGOMENA: „EINLEITUNG, WELCHE GEMEINGLICH VORGÄNGIG NÖTHIG IST, DER VÖLLIGEN UNTERWEISUNG EINER WISSENSCHAFT VORHERGESETZT ZU WERDEN, DAMIT DER LESER DIESELBE BESSER FASSEN MÖGE“ (ZEDLERS UNIVERSAL-LEXICON, 1754).

UVerantwortlich: Mara Delius Redaktion:Wieland Freund, Marc Reichwein Gestaltung: Katja FischerU 1 0888 Berlin, Axel-Springer-Straße 65, [email protected]

Amazon liefert nur noch E-Books zügig
aus? Physische Bücher müssen hinter der
Toilettenpapieredition zurückstehen?
Man kann auch ohne Amazon Bücher on-
line einkaufen. Initiativen wie der Buch-
handelsfindervon Carlsen (carlsen.de/
buchhandlungen) oder die Aktion shop-
daheim.de von Thalia und Osiander zei-
gen, wo und wie einen lokale Buchhand-
lungen weiter bedienen, selbst wenn die
Ladenlokale geschlossen sind. Auch die
Großhändler beliefern die Buchhandlun-
gen weiter mit allen lieferbaren Büchern


  • über Nacht. Weitersagen!


DIE EMPFEHLUNG


Erfreuliches aus Großbritannien! Von Brexit-Wehen und Corona-Krise keine Spur
beim Booker International Prize, der im Mai verliehen werden soll und sechs Wo-
chen vorab seine Nominierungen bekanntgegeben hat, so als stünde die Welt nicht
gerade still. Sechs Titel stehen auf der Shortlist, sie kommen aus Mexiko, Japan und
sogar aus dem Iran, wir aber freuen uns besonders über die Nominierung von Daniel
Kehlmanns Eulenspiegel-Roman, der auch auf Englisch einfach „Tyll“ heißt.

DIE AUSZEICHNUNG


Deutsche sind in aller Welt gestrandet,
werden aus den hintersten Winkeln der
Erde mit Chartermaschinen des Auswär-
tigen Amtes heimgeholt. Wie vergleichs-
weise gut sie dran sind, zeigt das Leben
der deutschen Lyrikerin Hilde Domin. Ih-
re Emigration, Flucht und Heimkehr – al-
les auf eigene Kosten – gehört zu den nor-
malen Lebensläufen des 20. Jahrhun-
derts. 1909 als Hilde Löwenstein in Köln
geboren, studiert sie ab 1929 in Heidel-
berg. Dort lernt sie Erwin Walter Palm
kennen, ihren späteren Mann, den Altphi-
lologen und Archäologen. Schon vor Hit-
lers Machtergreifung ist beiden klar, dass
sie – wegen ihrer jüdischen Herkunft –
keine Zukunft in Nazideutschland haben.
Sie ziehen 1932 nach Italien, ausgerechnet
bei Hitlers Vorbild Mussolini sind sie zu-
nächst sicher, studieren in Florenz, heira-
ten in Rom. Hilde Palm bringt Italienern
Deutsch bei. 1939 fliehen sie nach Eng-
land. Doch dort erwartet man den Angriff
Hitlerdeutschlands. Hilde und Walter ha-
ben zu lange gezögert, alle Ausreiseschif-
fe nach Amerika sind voll. Es gibt nur
noch ein Land, das Flüchtlinge aufnimmt.
Und gibt es überhaupt noch ein Schiff,
das ablegt? Schiffe werden jetzt für Trup-
pen beschlagnahmt. Am 26. Juni 1940 be-
steigen Hilde und Walter die „Skythia“ in
Liverpool, und sie haben Glück, das
Schiff legt tatsächlich noch ab. Am 4. Au-
gust erreicht es Santo Domingo, die
Hauptstadt der Dominikanischen Repu-
blik. In dem Karibikstaat regiert Rafael
Trujillo. Der Diktator verehrt Hitler und
Mussolini, zieht zum Privatvergnügen
SS-Uniformen an. Aber – so paradox ist
das 20. Jahrhundert – er nimmt deutsche
Juden auf. Er gewährt ihnen Asyl, weil sie
seinem Inselrassismus zupasskommen.
Alles, was die Bevölkerung aufhellt, die
auf der Insel Hispaniola zu großen Teilen
aus ehemaligen Sklaven besteht, Schwar-
zen, die seit Jahrhunderten aus Afrika
nach „Saint-Domingue“verschleppt wur-
den, dem heutigen Haiti, ist willkommen.
Trujillo pudert sich gern weiß.
Beinahe hätten ihm Hilde und Walter
ein weißes karibisches Kind geschenkt,
denn Hilde ist während der Überfahrt
schwanger geworden. Aber wer will auf
der eigenen Flucht ein Kind zur Welt
bringen? Hilde treibt ab. 22 Jahre leben
Hilde und Walter prekär im Exil. Ihre Ehe
kommt in die Krise, als Walter beschei-
den Karriere macht und auf Vortragsrei-
sen nach Kuba, Paraguay und Mexiko
kommt, während Hilde seine ewige Se-
kretärin bleibt. Je öfter ihr die Decke auf
den Kopf fällt, desto energischer schreibt
sie, für sich selbst, Gedichte. Schreiben
wird ihr zweites Leben. Bis 1951 leben sie
in Santo Domingo, 1954 kehren sie nach
Deutschland zurück, 1961 ziehen sie nach
Heidelberg, wo Erwin Walter Palm 1988
stirbt und Hilde ihn um 18 Jahre überlebt.
Zurückgekehrt aus der Karibik war sie als
Dichterin. Exilerfahrungen thematisiert
sie, neben der Liebe, in vielen Versen.
1954 veröffentlicht sie – in der Zeitschrift
„Hochland“ – erstmals unter dem Künst-
lernamen Domin. In ihrem Gedicht „Lan-
den dürfen“ heißt es: „Ich nannte mich/
ich selber rief mich/ mit dem Namen ei-
ner Insel/ Es ist der Name eines Sonn-
tags/ einer geträumten Insel./ Kolumbus
erfand die Insel/ an einem Weihnachts-
sonntag./ Sie war eine Küste/ etwas zum
Landen/ man kann sie betreten/ die
Nachtigallen singen an Weihnachten
dort./ Nennen Sie sich, sagte einer/ als ich
in Europa an Land ging/ mit dem Namen
Ihrer Insel.“
Hilde Domin wurde einer der bekann-
testen Lyrikerinnen der alten Bundesre-
publik, Walter Jens stellte sie in eine Rei-
he mit Nelly Sachs, Marie-Luise Ka-
schnitz und Ingeborg Bachmann. Meine
Kinder, hat Domin einmal gesagt, sind die
Gedichte. MARC REICHWEIN

Alles Schriftstellerleben sei Papier, heißt
es. In dieser Reihe treten wir den Gegen-
beweis an.

ACTIONSZENEN DER
WELTLITERATUR

Hilde Domin


in der Karibik


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