Die Welt - 04.04.2020

(Barry) #1

32


04.04.20 Samstag, 4. April 2020DWBE-HP


  • Zeit:----Zeit:Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: ---Zeit:---Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe:
    Belichter: Farbe:Belichter: Farbe:Belichter:


DWBE-HP

DW_DirDW_DirDW_Dir/DW/DW/DW/DW/DWBE-HP/DWBE-HP
04.04.2004.04.2004.04.20/1/1/1/1/LW6/LW6 KFISCHE2 5% 25% 50% 75% 95%

32 DIE LITERARISCHE WELT DIE WELT SAMSTAG,4.APRIL2020


Doch eine Zeit des Nachdenkens im stillen
Kämmerlein verschafft unserem Geist die
Gelegenheit, sich zu sortieren und zu begrei-
fen. Ängste, Ressentiments und Hoffnungen
sind leichter zu benennen; wir verlieren die
Angst vor dem, was sich in unserem eigenen
Geist abspielt – und sind weniger verbittert,
ruhiger und klarer, wenn es darum geht, wo
wir hinwollen. Vielleicht nähern wir uns,
wenn auch auf wackeligen Beinen, einem
besseren Verständnis unserer Selbst.
So können wir uns den Reisen zuwenden,
die wir bereits unternommen haben. Auch
das ist keine populäre Vorstellung. Meistens
finden wir uns ermuntert, neue Reiseerfah-
rungen zu machen. Die Vorstellung, eine be-
reits getane Reise mit großer Geste im Geis-
te neu zu begehen, klingt etwas seltsam – ja,
regelrecht armselig. Und das ist enorm scha-
de. Wir sind schlampige Kuratoren der eige-
nen Vergangenheit. Wir stecken wichtige Er-
lebnisse in die hinterste Ecke des Schrankes,
der unser Geist ist, und gehen davon aus, sie
nie wieder zu sehen.
AAAber was geschähe, wenn wir die Hierar-ber was geschähe, wenn wir die Hierar-
chie des Erstrebenswerten ein wenig verän-
derten und regelmäßiges Abtauchen in die
Erinnerungen an unsere Reisen von nun an
zu einem wesentlichen Bestandteil unseres
Lebens erklärten. Eine solche Gewohnheit
diente der Aufrechterhaltung des Wohlbe-
fffindens, sowie dem Trost – und wäre nichtindens, sowie dem Trost – und wäre nicht
zuletzt die wohl preiswerteste und flexibels-
te Form der Unterhaltung. Wir sollten es als
beinahe ebenso erstrebenswert empfinden,
zu Hause zu sitzen und über eine Reise zu
einer Insel, die wir einmal unternahmen,
nachdenken zu dürfen, wie die tatsächliche
Reise mit all ihrer körperlichen Mühsal auf
uns zu nehmen.
Die Nachlässigkeit, die wir im Zusammen-
hang mit unseren Erinnerungen an den Tag
legen, gleicht jener eines verwöhnten Kindes,
das jeden Moment, jede Erfahrung, bloß an-
beißt, nur einen Bruchteil des Vergnügens
wahrnimmt, das darin steckt, bevor es sie
auch schon beiseite wirft. Das könnte einer
der Gründe sein, warum wir so viele neue Er-
lebnisse brauchen, ja, es könnte sein, dass wir
einfach nicht gut genug darin sind, jene zu
aaabsorbieren, die wir bereits durchlebt haben.bsorbieren, die wir bereits durchlebt haben.
Um uns mehr auf unsere Erinnerungen zu
konzentrieren, brauchen wir keinerlei tech-
nische Geräte. Ganz sicher brauchen wir kei-
ne Kamera. Denn wir haben bereits eine in

unserem Kopf, die permanent läuft und alles
aufnimmt, was wir je gesehen haben. Riesige
Brocken von Erfahrungen sind noch in unse-
ren Köpfen, intakt und lebendig, sie warten
bloß darauf, dass wir Fragen stellen wie: „Wo
sind wir hingegangen, nachdem wir gelandet
waren?“ oder „Wie war das erste Frühstück?“
Unsere Erfahrungen sind nicht verschwun-
den, bloß weil sie sich nicht mehr direkt vor
unseren Augen abspielen. Wir können einen
so großen Teil dessen, was sie vergnüglich
gemacht hat, durch die Kunst des Evozierens
am Leben erhalten.
Wir reden ständig von virtueller Realität.
Und doch brauchen wir gar keine Geräte.
Die virtuellen Realitätsmaschinen, die wir
im eigenen Kopf mit uns herumtragen, sind
vom Feinsten. Wir können – hier und jetzt –
die Augen schließen und zu den besten,
tröstlichsten und lebensbejahendsten Mo-
menten unserer Vergangenheit reisen und
dort nach Wunsch verweilen. Wenn wir rei-
sen, folgen wir in der Regel der Grundan-
nahme, dass die Realität eines Ortes schöner
sein muss, als das mentale Bild, was wir uns
zu Hause davon machen. Doch, während wir
noch bedauern, dass wir nirgendwo hinge-
hen dürfen, sollten wir uns die Zeit nehmen,
uns ein Bild von der Funktionsweise unseres
Geistes zu machen.
Denn an all diesen Orten wird es immer
etwas geben, was die wunderbaren Szenerie
ruiniert, etwas so Raffiniertes und Bedrü-
ckendes, dass es den Zweck unserer Reise
wenigstens teilweise unterminiert: wir
selbst. Wir haben keine Wahl – uns selbst
müssen wir auf jede einzelne unserer Reisen
mitnehmen. Und so haben wir auch eine
Menge des geistigen Ballastes im Gepäck, der
unsere Existenz im täglichen Leben so uner-
träglich schwierig macht: all die Angst, die
Reue, Verwirrung, Schuld, Reizbarkeit und
Verzweiflung.
Keine Spur hingegen von diesem Spielver-
derber-Selbst, wenn wir ein paar Minuten
von zu Hause aus reisen. In der Vorstellung
genießen wir unverstellte Ausblicke. Doch
dort am Fuß des goldenen Tempels oder
hoch oben im pinienbedeckten Gebirge, wer-
den wir schnell feststellen, dass wir selbst
uns die Sicht verstellen.

Hier ist eine tragisch komische Ironie am
Werke: der große physische Aufwand, den
wir betreiben, um zu einem bestimmten Ort
zu gelangen, wird uns der Essenz dessen, was
wir suchen, nicht notwendigerweise näher-
bringen. Wir sollten uns daran erinnern, dass
wir möglicherweise bereits das Beste aus-
schöpfen, was all diese Orte zu bieten haben,
einfach indem wir an sie denken.
Wenden wir uns einem anderen Franzosen
zu, der nach einer ähnlichen Philosophie leb-
te. Im Frühjahr des Jahres 1790 sperrte sich
ein 27-jähriger Schriftsteller namens Xavier
de Maistre zu Hause ein, um die Faszination
und Schönheit dessen, was ihm am nächsten
lag, zu studieren. Seinen Bericht über das,
was er gesehen hatte, versah er mit dem Titel
„Eine Reise durch mein Zimmer“.
Das Buch ist ein charmanter surrealisti-
scher Witz. De Maistre schließt seine Tür
und zieht sich um. Nunmehr mit einem rosa-
blauen Pyjama bekleidet und ohne dafür ei-
nen Koffer zu benötigen, „reist“ er zum Sofa,
das er mit neuen Augen betrachtet und ganz
neu zu schätzen weiß. Er bewundert die Ele-
ganz des Möbels und erinnert sich an die ver-
gnüglichen Stunden, die er mit Träumen von
beruflichem Erfolg und Liebe zwischen sei-
nen Kissen verbracht hat.
AAAls nächstes fasst de Maistre sein Bett insls nächstes fasst de Maistre sein Bett ins
AAAuge. Mit dem Blick des Reisenden lernt er,uge. Mit dem Blick des Reisenden lernt er,
auch dieses Möbelstück zu schätzen. Er emp-
fffindet Dankbarkeit für die angenehmen Näch-indet Dankbarkeit für die angenehmen Näch-
te, die er darin verbracht hat und ist stolz da-
rauf, dass die Bettwäsche fast genau zu seinem
Schlafanzug passt. „Ich rate jedem, der kann,
sich rosa-weiße Betttücher zu besorgen,“
schreibt er, „denn hierbei handelt es sich um
Farben, die ruhige und erfreuliche Träumerei-
en im leichten Schläfer begünstigen.“
So verspielt sie auch sein mag, de Maistres
Arbeit ist von einer tiefgreifenden Einsicht in-
spiriert: dass das Vergnügen, das wir an neuen
Orten finden, wohl mehr von unserer Einstel-
lung, die wir mit auf diese Reise nehmen, ab-
hängt, als von der Destination selbst. Wenn
wir nur eine ähnliche Einstellung zu unseren
Zimmern und unserer unmittelbaren Nach-
barschaft entwickelten, würden wir mögli-
cherweise feststellen, dass diese Orte nicht
weniger faszinierend wären als ferne Länder.

WWWorin besteht also des Reisenden Einstel-orin besteht also des Reisenden Einstel-
lung? Aufnahmebereitschaft, Wertschätzung
und Dankbarkeit werden die Hauptmerkma-
le sein. Weiterhin ist entscheidend, dass die-
se Einstellung, nicht an eine weite Reise ge-
bunden ist.
Ein Spaziergang ist die kleinste Reise, die
wir unternehmen können. Sein Verhältnis zu
einer regulären Reise gleicht dem des Bon-
saibaumes zum Wald. Und selbst wenn es
nur ein achtminütiges Zwischenspiel um den
Block ist oder ein paar Minuten im nahegele-
genen Park, ist ein Spaziergang doch bereits
eine Reise, die viele der größeren Motive des
Reisens bedient.
Möglicherweise fällt unser Blick bei so ei-
nem Spaziergang auf eine Blume. Nur selten
erfreuen wir uns ausgiebig an Blumen, wenn
wir im nächsten Moment einen anderen
Kontinent bereisen könnten. Normalerweise
gibt es so viele größere, großartigere Dinge,
die einen beschäftigen können, als diese klei-
nen zart geformten Manifestationen der Na-
tur. Allerdings wäre es ungewöhnlich, wenn
einen der Anblick einer Blume in der gegebe-
nen Situation nicht zumindest ein wenig be-
rührte. Wir leben in einer Welt, die sich dra-
matisch verkleinert hat, und es liegt weltweit
Trauer in der Luft. Blumen scheinen keine
belanglose Ablenkung von einem gewaltigen
Schicksal mehr darzustellen, sie sind viel-
mehr eine echte Freude inmitten einer lan-
gen Liste von Problemen, ein Ort der Rast,
eine kleine Insel der Hoffnung in einem
Meer aus Schwierigkeiten.
Uns könnte auf einem solchen Spazier-
gang in der Nachbarschaft auch ein kleines
Tier begegnen: eine Ente oder ein Igel. Sein
Leben geht ganz selbstvergessen weiter, un-
ser Dasein für ihn vollkommen irrelevant.
Das Tier widmet sich ganz allein seinen Be-
langen. Die Gewohnheiten seiner Spezies ha-
ben sich seit Jahrhunderten nicht verändert.
Wir mögen es interessiert betrachten, das
Tier wiederum empfindet nicht das kleinste
Bisschen Neugierde in Bezug auf uns – in sei-
ner Wahrnehmung verschwimmen wir alle in
der Unendlichkeit der unbegreiflichen Din-
ge. Eine Ente wird einem Kriminellen das
Stück Brot ebenso gern abnehmen, wie ei-
nem Bundesrichter, einem Milliardär ebenso

wie einem bankrotten Schwerverbrecher –
unsere Individualität ruht für den Augen-
blick und an manchen Tagen mag das eine
enorme Erleichterung darstellen.
Während unseres Spazierganges um den
Block kommen Themen an die Oberfläche,
die wir schon lange nicht mehr bedacht ha-
ben – unsere Kindheit, ein seltsamer Traum,
den wir hatten, einen Freund, den wir seit
Jahren nicht mehr gesehen haben, eine große
Aufgabe, die wir immer in Angriff zu nehmen
gedacht hatten – all das bricht sich jetzt
Bahn. Rein physisch betrachtet bewegen wir
uns kaum vorwärts, doch wir durchqueren
hektarweise mentales Terrain.
Ein kleines bisschen später sind wir wie-
der zu Hause. Niemand hat uns vermisst,
oder auch nur bemerkt, dass wir ausgegan-
gen sind. Und doch haben wir uns ein wenig
verändert: sind eine neue Version unseres
Selbst, irgendwie vollständiger, mit mehr
Einblick, mehr Mut und mehr Fantasie, als
jene Version, die sich zuvor auf diese be-
scheidene Reise begab.
Wir werden unsere Freiheiten – eines Ta-
ges – zurückerlangen. Die Welt wird wieder
uns gehören, wir werden sie frei bereisen
können. Doch während dieser kollektiven
Zwangsbeschränkung, werden wir, abgese-
hen von den offensichtlichen Unbequem-
lichkeiten einiges von dem zu schätzen wis-
sen, was wir gewinnen, wenn wir unsere ge-
wohnten Freiheiten verlieren. Es kann kein
Zufall sein, dass viele der größten Denker der
Welt ungewöhnlich viel Zeit allein in ihren
Zimmern verbracht haben. Stille gibt uns die
Möglichkeit, Dinge wertzuschätzen, die wir
sonst zwar sehen, aber nicht wirklich bemer-
ken und zu verstehen, was wir empfunden,
aber noch nicht wirklich verarbeitet haben.
Wir sind zurzeit nicht nur eingesperrt,
wir haben außerdem das Privileg, eine Reihe
fffremder, hin und wieder beängstigender,remder, hin und wieder beängstigender,
aber doch faszinierender innerer Kontinen-
te zu bereisen.

Alain de Botton, 1969 geboren, lebt in Lon-
don. Zuletzt erschien „Der Lauf der Liebe“
(Fischer). Der voranstehende Text wurde
aus dem Englischen übersetzt von Sabine
Kray. © Alain de Botton

Reisen auf meinem Sofa


Über das unwahrscheinliche Glück, zu Hause zu bleiben. Von Alain de Botton


I


rgendwann in den Fünfzigerjahren des


  1. Jahrhunderts notierte der Philosoph
    und Mathematiker Blaise Pascal einen
    der zunächst befremdlichsten Aphoris-
    men überhaupt: „Der einzige Grund für
    das Unglück des Menschen besteht darin,
    dass es ihm nicht gelingen will, in aller Ruhe
    in seinem Zimmer zu verweilen.“
    Wirklich? Beginnt nicht vielmehr mit ei-
    nem solchen stillen Raum bereits eine be-
    sonders gemeine Art der psychologischen
    Folter? Was könnte dem menschlichen Geist
    mehr widerstreben als vier Wände zu bewoh-
    nen, während einem draußen ein ganzer Pla-
    net zu Füßen liegt?
    Und doch stellt Pascals Idee auf eine sehr
    produktive Art und Weise eine unserer selbst-
    verständlichsten Überzeugungen infrage,
    nämlich jene, dass wir uns stets an neue Orte
    begeben müssen, um neue und lohnende Din-
    ge zu entdecken. Was, wenn wir die Schatz-
    kammer tatsächlich bereits in uns trügen?
    WWWas, wenn wir in unseren Gehirnen be-as, wenn wir in unseren Gehirnen be-
    reits eine ausreichende Anzahl an Erfahrun-
    gen angesammelt hätten? Faszinierende, in-
    spirierende, beruhigende und interessante
    Erfahrungen, von denen wir zehn Lebzeiten
    lang zehren könnten. Was, wenn unser wah-
    res Problem nicht darin bestünde, dass wir
    nirgendwo hingehen dürfen, sondern, dass
    wir nicht das Beste daraus zu machen wissen?
    Ans Haus gebunden zu sein, bringt eine
    Reihe erstaunlicher Vorteile mit sich. Zu-
    nächst gibt es uns einen Anlass nachzuden-
    ken. Egal, was wir uns in dieser Hinsicht ein-
    reden möchten, wenige von uns gehen regel-
    mäßig, allein und in aller Ruhe, jener Art des
    originellen und kühnen Denkens nach, das
    unsere Stimmung verbessern und unser Le-
    ben voranzubringen vermag. All die neuen
    Ideen, über die wir stolpern könnten, unter-
    nähmen wir in unserem Geiste ein wenig
    ehrgeizigere Reisen, während wir auf dem
    Sofa herumliegen, könnten eine ernsthafte
    Herausforderung für unseren mentalen Sta-
    tus quo darstellen.
    Ein origineller Gedanke könnte uns von
    dem entfremden, was die Menschen um uns
    herum für normal halten. Oder die Erkennt-
    nis mit sich bringen, dass wir im Zusammen-
    hang mit einem wichtigen Thema in unse-
    rem Leben möglicherweise schon lange
    falsch liegen. Wenn wir die eine oder andere
    neue Idee ernst nähmen, müssten wir mögli-
    cherweise eine Beziehung beenden, einen
    Job verlassen, uns von einem Freund tren-
    nen, uns bei jemandem entschuldigen, einen
    neuen Blick auf unsere Sexualität werfen,
    oder eine Gewohnheit ablegen. ILLUSTRATION: KATJA FISCHER FÜR DIE LITERARISCHE WELT


© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung DIE WELT -2020-04-04-ab-22 462c47513220aa19bf38d77bdad2ca0a

https://myldl.biz

UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws
Free download pdf