Neue Zürcher Zeitung - 03.04.2020

(Tina Meador) #1

Freitag, 3. April 2020 ∙ Nr.79 ∙ 241. Jg. AZ 8021Zürich∙ Fr.4.90 ∙ €4.


Corona-Krise: Die Glob alisierung zu stoppen, wäre die falsche MedizinSeite 10


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Kantone preschen


mit Corona-Tests vor


In Bern und Winterthur starten Drive-in-Zentren


Forscher undPolitiker fordern
mehrTests, um das Coronavirus
besser eindämmen zukönnen.
Doch bisher bremste der Bund.
Nun übernehmen die Kantone
selbst das Zepter.

SASCHA BRITSKO, FABIANBAUMGARTNER

In den Kantonenrollt eine Corona-
Test-Welle an. Am Donnerstag hat die
Zürcher Gesundheitsdirektion mit-
geteilt, den Spitälern werde ab sofort
empfohlen, alle neu eintretenden sta-
tionärenPatienten auf das Corona-
virus zu testen. Und zwar unabhängig
davon, ob sieSymptome zeigten oder
zu einer Risikogruppe gehörten. Die
Empfehlung gilt vorerst für alle Zür-
cher Akutspitäler, Rehakliniken und
Psychiatrien.
Bisher hatte der Bund immer ge-
bremst. Getestet werden sollenlaut
dem Bundesamt für Gesundheit (BAG)
nurPersonen mit akutenSymptomen,
Risikopatienten sowie das Gesundheits-
personal.Das BAGbegründete dies da-
mit, dass schlicht nicht genügendTest-
Kits vorhanden seien.
«DieLaboratorien haben uns ge-
meldet,dass sie jetzt das nötige Ma-
terial haben», sagt BettinaBally, die
stellvertretende Zürcher Kantonsärz-
tin,auf Anfrage. Es habedeshalbeinen
Sinn, dieTestkriterien anzupassen. «So
können die vulnerablenPersonen und
das Gesundheitspersonal besser ge-
schütztwerden.» DieLage bleibe aber
volatil, man müsse die Kriterien lau-
fend überprüfen.

Bis zu 500Tests am Unispital
Von der Massnahme erhofft sich der
Kanton Zürich auch neue Erkennt-
nisse zurVerbreitung desVirus. Soll-
ten dieTest- und Laborkapazitäten
ausreichen,will Zürich sogar noch wei-
ter gehen.Dann sollen die erweiterten
Tests auchaufdie Ärzteschaft, Alters-
und Pflegeheime sowie die Spitex aus-
gedehnt werden.
Der Schritt der Gesundheitsdirektion
kommt, nachdem das Zürcher Universi-
tätsspital MitteWoche angekündigt hat,
allePatienten, die ins Spital einträten,
auf das Coronavirus zu testen.«Wir wol-
len einfach eine möglichst hohe Sicher-
heit für unserePatienten und unsere
Mitarbeitenden haben», sagte der CEO
Gregor Zünd gegenüber den Medien.
Das Spital fährt dazu seineTestkapazi-
täten massiv hoch. Bisher wurden rund
50 Tests proTag gemacht, möglich sind
nun täglich 500.
Wie vieleTests im Kanton Zürich
durchgeführt werden, ist noch nicht
klar. KantonsärztinBally sagt, bis heute
gebe eskeine Zahlen dazu. «Der Bund
ist aber nun daran, entsprechendeDaten
zu erheben.Wir hoffen, dass wir dadurch
genauereAngaben erhalten.»
Ausgewertet werden viele derTests
imLabor von AlexandraTr kola und
ihremTeam vom Institut für medizini-
scheVirologie an der Universität Zürich.
Sie haben schon AnfangJanuar damit

begonnen, einen eigenen Coronavirus-
Test zu entwickeln.Damit waren die
Universität Zürich und dasReferenz-
labor in Genf die ersten Zentren, die in
der Schweiz Proben testenkonnten.
Bis zu 1500 Testskönnen im Dia-
gnostik-Labor täglich verarbeitet wer-
den. «Für die nächste grosseTestwelle
sind wir gerüstet»,sagtTr kola gegen-
über der NZZ. Mehr zu testen, sei si-
cher eine gute Sache, aber man müsse
sich bewusst sein, dass ein negatives
Testergebnis nur eine Momentauf-
nahme sei. «DasVirus braucht eine ge-
wisse Zeit, um sich imKörper auszu-
breiten, schon am nächstenTag könnte
ein neuerTest positiv ausfallen.»

Mit und ohne Zuweisung
Die Kantone jedenfalls forcieren ihre
Arbeit in SachenTests. In Bern ist am
Donnerstag ein Pilotprojekt gestartet
worden: In einem Drive-in-Zentrum
auf dem BEA-Expo-Geländekönnen
sich alle testen lassen, die denVerdacht
hegen, angesteckt worden zu sein. Eine
Zuweisung durch einen Arzt ist nicht
mehr nötig. EinzigeVoraussetzung ist,
dassPatienten imVorfeld einen On-
line-Fragebogen ausfüllen. Ist auf-
grund desFragebogens einTest an-
gezeigt, erhält derPatient einTicket
und wird aufgefordert, sich zumTest-
zentrum zu begeben. Täglich sollen auf
dem Messegelände 200 bis 300Tests
durchgeführt werden. Erreicht werden
kann das Areal nur mit demAuto. Das
vom Bund gutgeheissene Pilotprojekt
soll später auch auf weitere Standorte
in der Schweiz ausgeweitet werden.
Bereits in Betrieb ist ein Corona-
Drive-Through auf einemParkdeck am
HauptbahnhofWinterthur. Es wird von
Ärzten derPermanence geleitet.Für
den Besuch desTestzentrums braucht es
dort allerdings eine Überweisung durch
den Hausarzt.
Die am stärksten von der Corona-
Krise betroffenen KantoneWaadt und
Genf machen nach eigenen Angaben in-
zwischenmehrereTausendTests proTag.
Während dieWaadt potenzielle Corona-
Fälle nach wie vor in Arztpraxen oder
im Spital behandelt, haben Genf, das
Tessin und dasWallis externe Anlauf-
stellen eingerichtet, an die sichPatien-
ten mitoder ohneWeisungdes Haus-
arztes wendenkönnen.

JOHN MINCHILLO / AP

Die Pandemie trifft


New York mit Wucht


50000 Infizierte, über 10 00 Tote – die 8-Millionen-Metropole NewYork City ist zu
einem Zentrum der Corona-Pandemie geworden. Im Hafen liegt ein riesigesLazarett-
schiff bereit, die Armee wandelt Hotels und Messegebäude in Spitäler um. Als Krisen-
manager ist der demokratische Gouverneur des Gliedstaats, Andrew Cuomo, Mann der
Stunde. Er gilt jetzt gar alsheimlicher Präsidentschaftskandidat. International, Seite 2

«Unterschätzt die Banken nicht!»


Der ZKB-Chef Martin Scholl will die Kreditgesuche der KMU genau prüfen


imr./ti.· Was wird die Coronavirus-Pan-
demie mit der Psyche der Menschen
anstellen?Das fragt sich nicht etwa ein
Psychologe, sondern Martin Scholl, der
Chef der Zürcher Kantonalbank. Denn
wie sich die Menschen in denkommen-
den Monaten fühlen werden, ist auch
für dieWirtschaft von Bedeutung. Die
Pandemie hat laut Scholl «einen Crash
ohne Sicherheitsgurt und Airbag ausge-
löst». Wenn die Menschen deswegen den
Glauben an die Zukunft verlieren, wer-
den sie möglicherweise auch dann noch
wenigkonsumieren, wenn diePandemie
besiegt ist.«Das würde dieWirtschaft
treffen», sagt derBankmanager.
Gross ist nach wie vor der Liquidi-
tätsbedarf derFirmen. Der vom Bund


ve rbürgte Kreditbetrag von 20 Milliar-
denFranken dürfte bald ausgeschöpft
sein, und der Bundesrat wird ihn er-
höhen.Was dasVergabeprozedere be-
trifft, ist Scholl überrascht, wie viele
Gesuche falsch ausgefüllt waren.«Viele
Formulare machen daher eine Zusatz-
schlaufe», sagt er.
Scholl geht allerdings auch davon
aus, dass die ganz grosse Mehrheit der
Gesuchstellerkorrekt handelt und sich
nichtGeld erschleichen will. Gleichwohl
wird die ZKB die Gesuche genauer auf
ihre Ehrlichkeit prüfen, wenn der Bun-
desrat die Kreditsumme erhöht. «Ich
kann denFirmen nurraten, die IT-Sys-
teme derBanken nicht zu unterschät-
zen», sagt Scholl.

Während der Bund noch prüft, um
wie viel der Gesamtbetrag der Bürg-
schaftskredite erhöht werden soll, haben
Banken bereits gehandelt. Die Luzerner
Kantonalbanketwa hat die Kredithilfe
an bestehendeFirmenkunden soeben
auf 100 MillionenFranken verdoppelt.
Die ersteTr anche des Überbrückungs-
kredits war ausgeschöpft. Gleichzeitig
gibt es offenbar Unternehmen, denen
die Bedingungen der zinslosen und
vom Bund verbürgten Kredite zu ein-
schneidend sind. Sie greifen lieber auf
ein günstigesDarlehen einer Kantonal-
bank zurück und behalten so die unter-
nehmerischeFreiheit, etwa dasRecht,
eine Dividende auszuschütten.
Wirtschaft, Seite 17

Corona-Pandemie
Uno-Sicherheitsrat:Die Gesundheits-
krise steht nicht auf der Agenda.Seite 3
Kommentar:Berlin schwankt zwischen
Moral und Schäbigkeit. Seite 9
SonnigesWochenende:Droht danach
dieAusgangssperre? Seite 11
Online-Handel:DiePost schränkt
übergrosse Lieferungen ein. Seite 13
Kurzarbeit:Das Patentrezept
funktioniert nicht immer. Seite 19
Trainingstipps:Wie Senioren zu Hause
fit und beweglich bleiben. Seite 32

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