Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.04.2020

(WallPaper) #1

SEITE 4·MONTAG, 6.APRIL 2020·NR.82 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Pressburgerobert


Die slowakische Hauptstadtwird
vonEinheiten der 2. Ukrainischen
Front derRoten Armee erobert.
VorausgegangenwarenlautWehr-
machtbericht „harte Häuserkämp-
fe“. Durchdie Eroberung Pressburgs
(Bratislavas) rückt die sowjetische
Armeeauchindiesem Abschnitt
näheranWien heran.AusUngarn
sind die deutschenTruppen zu die-
semZeitpunkt schonkomplett ver-
trieben.Die Slowak ei hattesich
1939 vonder Tschechoslowakeiabge-
spalten und warVerbündeter
Deutschlands. Slowake nkämpften
auch in der Sowjetunion auf deut-
scher Seite.


Moskaukündigt


Neutralitätspakt


DieSowjetunionerfüllt einVerspre-
chen, das sie ihrenwestlichenVer-
bündeten gegeben hat.Außenminis-
terMolotowempfängt den japani-
schen Botschafterund teilt diesem
mit, dass Moskau das am 13.April
1941 geschlosseneNeutralitätsab-
kommen mitJapankündigt. Er be-
gründet das mitdengrundle gend ver-
änderten Verhältnissen.ZumZeit-
punkt des Abschlusses habe noch
Friedenzwischen der Sowjetunion
undJapansVerbündetemDeutsch-
landgeherrscht .ZudemkämpfeJa-
pan gegenVerb ündete der Sowjetuni-
on, Großbritannien und dieVereinig-
tenStaaten .Damit habe derPakt
„seinen Sinnverloren“.Diese Be-
gründunghätteMolotow allerdings
auch schon im Dezember 1941 als
Kündigungsgrund nennen können,
als Japan dieamerikanische Flotte
in PearlHarborangriff.Aber zu die-
semZeitpunktwarder Paktfür die
Sowjetunion im Wortsinnüberle-
benswichtig.DeutscheTruppen be-
drohten Moskau unmittelbar.Die
Sowjetunion konnte sich keinen
Krieg an zwei Fronten erlauben.
Nach dem Sieg überDeutschland
wird die SowjetunionJapan den
Krieg erklärenund sich in letzter Mi-
nute ohne nennenswerteeigene An-
str engungennocheinenAnteil an
derSiegesbeutesichern. DieKündi-
gung desNeutralitätsabkommens ist
dererste Schrittindiesevonden
Westalliiertenausdrücklichge-
wünschteRichtung


Eisenhowererwartet


Guerrillakrieg


DasWeiße Haus gibt bekannt, dass
der alliierte Oberbefehlshaber nicht
erwartet,dasseszueiner militäri-
sch en GesamtkapitulationDeutsch-
lands kommen werde. Vielmehr
rechne er damit, dassversprengte
Einheitenden Kampfhinterden
Frontlinienfortsetzen würden. Als
Beispielenennt er dieBesatzungen
der Atlantikhäfen, dieTruppen in
Norwegen und Dänemark. Diese
Einheitenhättenzwarvondem Mo-
mentan, da eine deutsche Regie-
rung kapituliere, nicht mehr denSta-
tusoffiziellerKombattanten.Zu ih-
rerBekämpfungwerdeabertrotz-
dem einegroße Zahl alliierterSolda-
tenbenötigt werden.


ÖsterreichischeKämpfer


in Slowenien


In Belgradwirdbekannt, dassin
Slowenien zwei Bataillone öster-
reichischerSoldatenauf jugoslawi-
scher Seitekämpfen. Die Einheiten
trügen jugoslawische Uniformen,
seien aber miteiner österrei-
chischenFahne gekennzeichnet. Ge-
führtwürden sie–imRahmen der
jugoslawischenArmee –von eige-
nen Offizieren. pes.


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HerrBürgermeister, glaubenSie, dass
Ihre berufliche Vergangenheit als Labor-
medizinerIhren Blickauf die Corona-
Krise verändert?
Ichbin in erster Linie Bürgermeisterund
konzentrieremichauf die Entscheidun-
gen, die ichindiesem Amt für Hamburg
zu treffenhabe. Mein medizinischerHin-
terg rund hilftmir derzeit aber,einigeDin-
ge etwasschneller einzuordnen.

Hat es Ihnen denn geholfen,schneller
den Ernstder Lage zu erfassen?
Ichbin jedenfalls früh davonausgegan-
gen, dassuns dasViruserreicht, und mir
warklar,dassessehr wahrscheinlichein
echtes Problem wird.Aber die Geschwin-
digkeit derAusbreitung und diegroßen
Folgewirkungen hat in Europawohl nie-
mandvorhergesehen.

Anfang März reistenviele Hamburger
in die SkiferiennachÖsterreich, in den
täglichen Berichten IhresSenatszur Co-
rona-Lage stand lange der Hinweis, bei
den meisten Corona-Infizierten handele
es sich umUrlaubsrückkehrer und ihre
Kontaktpersonen.Hätte Ihr Senatfrü-
her warnen müssen?
Wirhaben frühergew arn tals dasRobert-
Koch-Institut, haben aber langeZeit nicht
gewusst,dassÖsterreich zu einem Risiko-
gebietwird. Mit unserenFrühjahrsferien
hatten wir in der ersten Phase der Epide-
mie durch die Reiserückkehrer einen
Nachteil.Andererseits hatten wir denVor-
teil, dassunsereSchulen bereits zweiWo-
chen frühergeschlossenwarenals in den
anderen Ländern.

Jetzt lassen sich die neuen Infektionen
abernicht mehr allein aufUrlaubsrück-
kehrer beschränken?
Nein, jetzt nicht mehr.Was man aber
auchsagen muss: Als klarwar, dassÖster-
reich ein Risikoland seinkönnteund wir
ersteFälle hatten, haben wir nicht mehr
auf die Risikoeinschätzungen desRobert-
Koch-Institutsgewartet und haben ge-
warn t. Wirwaren da insofernschneller
und habenkonsequentgehandelt.Unsere
Maßnahmen wirkengut.Die Dynamik
der Virusausbreitung hat abgenommen,
der Trend bei denVerdoppelungszahlen
der Infiziertenist positiv.Mittlerweile ist
die Zahl der Erkrankten proEinwohner
in Bayern und Baden-Württemberghöher
als in Hamburg.

Trotz anderer Empfehlungen zur Vorsor-
ge hatman es in denLändern verpasst,
ausreichend Schutzmaterialien zu la-
gern, auch in Hamburgsind Masken
Mangelware. Warum?
Wirhatten Anfang Märzbereits Gesichts-
masken bestellt, weil wir früh an diesen
Punktgedacht haben. Es ging dann aber
garnicht mehr darum,rechtzeitigzu be-
stellen, sonderndassesdurch den enorm
gestiegenen Bedarfeinen weltweiten
Mangel gibt, dassLiefer ketten unterbro-
chen werden und viele Länder dieAus-
fuhrvonSchutzausrüstung unterbinden.
DiePandemieplänesindtheoretischent-
standen, wir haben an vielesgedacht.
Aber von100 Problemen in der Praxis er-

kennt man eben nicht alle imVoraus. Bei
der Schutzausrüstung gibt es in Deutsch-
land überall dasselbe Problem, niemand
hat in Europa dieses Szenariovorhergese-
hen. Das wissen wir heute besser.Wenn
die Krise überwunden ist, müssen wir das
fürdie Zukunftbeachten, alsoausreichen-
de Produktionskapazitäten im eigenen
Land sicherstellen oder entsprechende
Vorräteanlegen.

Ihr Senat verweist mit Blick auf die Aus-
weitungder Intensivkapazitäten in den
Krankenhäusernstetsauf die Beat-
mungsgeräte, die der Bundesgesundheits-
minister zugesagt habe. Wiesteht es dar-
um?
HerrSpahn hat sehr früh zugesagt, dasser
sichumdie Beschaffungkümmert. Wirha-
ben trotzdem auchmit unseren Kranken-
häusern gesprochen, die sindmit ihren Lie-
feranten inKontakt.Wir haben zum Bei-
spiel erörtert,ob es nochfunktionsfähige
Altgerätegibt, die mankurzfristig wieder
einsetzen kann. Der
Aufbau der Intensivka-
pazitäten hat jeden-
falls begonnen, und
wir haben dafür auch
nocheinigeWochen
Zeit.Unsere Kranken-
häuser konnten die
Zahl der Intensivbet-
teninHamburgbisher
um etwa 60 erhöhen.
Rund 300weiter eBettenkönnen mit Beat-
mungsgeräten ausgestattet werden, die
uns der Bund liefert.

Aber wissen Sie, wann genau wie viel Ge-
räte kommen?
Nein, bisher nochnicht .Esdauertnatür-
lichauch, bis die Produktion hochgefah-
renist.

Sie habennach den ersten Gesprächen
der Länder mit der Bundesregierungkri-
tisch auf das Vorpreschen von Bayern ge-
blickt. Wie haben Sie die Zusammenar-
beit in den vergangenen Tagen erlebt?
Ichhabe kein Vorpreschen kritisiert, son-
dernmangelndeKoordination.Während
der bayrischeKultusministerbei seinen
Kollegen dafür eingetretenist,die Schu-
len nicht zu schließen, hat sein Minister-
präsident am selbenTagdas Gegenteilge-
fordert. So etwasstiftetVerwirrung. Es
geht in einer solchen Epidemie um einge-
meinsamesVorgehen. Andere Bundeslän-
der sollten nicht aus den Medien erfah-
ren, dassein Land neue Maßnahmen er-
greift. Mankann darüberstreiten, ob es
sinnvoll ist, dieRestaurants zu schließen
oder dieFriseure.Aber es nicht sinnvoll,
dassindem einen Bundesland die Maß-
nahmen so und in dem anderen anders
entschiedenwerden. Dann machen sich
nämlichdie Leuteauf denWeg, kaufen
im Nachbarland ein,gehen dortzum Es-
sen oder zumFriseur.Dadurch entstehen
neueWege und Infektionsketten, die wir
ja gerade unterbindenwollen.

Gerade scheintNordrhein-Westfalen et-
was vorzupreschen mitBlick auf die Aus-
arbeitung einer Exit-Strategie.

Wirsind als Länder mit der Bundesregie-
rung einig, dasswir dieKontaktbeschrän-
kungen beibehalten müssen und deshalb
keine falschen Signale senden dürfen.
Derzeit istdie Dynamik des Infektionsge-
schehens insgesamt nochzuhoch.Wir
müssen erst einmal in eine Lagekom-
men, in der wir sicher sind, unser Gesund-
heitssystem nicht mehr zu überlasten. Be-
vorwir das nicht erreicht haben, dürfen
wir keine Maßnahmen lockern und auch
nicht die Disziplinverlieren. Gerade über
Ostern lautet die Botschaft: Die Kontakt-
beschränkungen müssen eingehaltenwer-
den, so schwer daswährend derFeiertage
auchsein mag.

Glauben Sie, dass nach dem 19. April
Lockerungen beschlossen werden kön-
nen?
Es kann derzeit niemand seriösvorhersa-
gen, wie es nachdem 19. Aprilweiter-
geht.Nochist zu vieles ungewiss. Wirwer-
den gleichnachOsternberaten, wie es ab
dem 20. Aprilweiter geht.

In Hamburg starten die Sommerferien
früh, ist es denn realistisch, dass die
Schulen vorher nocheinmalöffnen?
Auch das lässt sichjetzt nochnicht festle-
gen. Wichtig ist, dassdie Abiturprüfun-
generstmal stattfinden.

Wie lange kann Ihre Stadtdas wirt-
schaftlich aushalten?
Wirsind wirtschaftlichstark,deswegen
wirdauchder Einbruchstark sein.Aber
wir haben eine breitePalett eanHilfenbe-
schlossen,vomKurzarbeitergeld über die
Liquiditätshilfen bis hin zukur zfristigen
Krediten undZuschüssen. Ichhoffe,dass
wir damit einenstrukturellen Schaden in
den unterschiedlichen Branchenverhin-
dernund es zu einer schnellen Erholung
kommt.

In dieserKrise gibt es auch zwischen-
menschlich Spannungen.Wenn die Ham-
burgergerade die Stadt verlassenwol-
len, kommen sie auf den meistenStraßen
nicht weit, Polizisten aus Schleswig-Hol-
stein kontrollieren fremde Kennzeichen,
und Hamburgermit Zweitwohnsitz im
Nachbarland fühlten sich zuletzt gerade-
zu vertrieben.Drohtdaauch ein struktu-
reller Schaden?
Das isteine eigenständigeDimension, die-
se Psychologie, dassinder Krise plötzlich
Kleinstaaterei beginnt.Die Bundesländer
im Norden arbeiten sehr partnerschaft-
lichzusammen. Das musssobleiben. Ich
habe mit Schleswig-Holsteins Minister-
präsident Daniel Günther über dieVorfäl-
le in einigen Landkreisen gesprochen,
und wirwarenuns einig, dassdas nicht
sein soll.Aber Psychologie istkomplex
und natürlichfinden Hamburgeresnicht
gut, wenn es plötzlichheißt:Ihr überlauft
unsereKuror te,ihr seid ein Problem. Des-
halb isteswichtig, auf denrationalen
Grund zuverweisen:Wirmüssen unnöti-
ge Reisenverhindern, um dieAusbrei-
tung desViruszustoppen.

Die Fragenstellte Matthias Wyssuwa.

„Keine falschen Signale senden“


Hamburgs BürgermeisterTschentscher über Intensivbetten und die Exit-Strategie


Foto dpa

holl./tist. FRANKFURT.Der plötzli-
cheTod deshessischenFinanzminis-
ters ThomasSchäfer hat aucheine gro-
ßeLücke in di eschwarz-grüne Landes-
regierunggerissen. SeinTodwirft die
Frageneu auf,wer nuninder CDU
dergeeigneteNachfolgerdes seit 2010
amtierenden MinisterpräsidentenVol-
kerBouffierwerde nkönnte. Schäfer
galt innerhalb der CDU,aber auch
beim grünen Koalitionspartnerals
aussichtsreichsterNach folger .Mit
seinem sachlichenPoliti kstil und ei-
ner flexibel-pragmatischen Haushalts-
politik,die etwa die hessischenKom-
munenmit einem Entschuldungsmo-
dell nachder Finanzkriseentla stete,
warSchäfer in dieFavoritenrollefür
das ErbeBouffiershineingewachsen.
Hinzukamen seine politische Durch-
setzungsstärkeund eine tiefeVeranke-
rung in der Hessen-CDU.
Die Spekulationen über Bouffiers
Nachfolgewaren im Herbst2019 durch
dessen Krebserkrankung neu entfacht
worden. Bouffier selbsthattedurcheine
Interviewäußerung zu Beginn seiner
Therapie den Eindruckerweckt, dasser
deutlichvorAblaufseinerbis 2023 dau-
erndenregulären Amtszeit zurücktreten
werde. In der CDUwarfür diesenFall er-
wartet worden, dassSchäfer zum neuen
Ministerpräsidenten berufen würde.
Auch Schäfer hattedurchPressereisen
mit vielen Chefterminen signalisiert,
dassersichdiesesFührungsamt zutrau-
te.Dochder GenesungsprozessBouf-
fiersverlief so erfolgreich, dassdie
Nachfolgefragezumindestindiesem
Jahrwahrscheinlichweiter offenbleibt,
sofernessein Gesundheitszustand er-
laubt, wie es in der CDU heißt.Auchei-
nenWechs el im Landesvorsitz soll es
danachindiesem Jahr nichtgeben. Als
stellvertretender CDU-Bundesvorsit-
zender,Regierungschef mit langer Er-
fahrung und gewachsenen persönli-
chen Beziehungen zu wichtigen Akteu-
renimBund spielt der 68 Jahrealte
Bouffier immer nocheine gewichtige
Rolle –etwainder Frage, werdie CDU
künftig führtund alsKanzlerkandidat
2021 antritt.Bouffier wirdinder CDU
zugetraut, für seinePartei durch seine
Erfahrung in Hessen bei möglichenKo-
alitionsgesprächen mit den Grünen
nachder Bundestagswahl mit amVer-
handlungstischzusitzen.
Undjetzt in derCorona-Kriseund ih-
renschwerwiegenden Folgen für das
wirtschaftsstarke Hessen könne sich
Bouffier er st recht nichtverabschieden,
heißt es in Regierungskreisen. Erst
müssten nachEnde derPandemie die
Folgen für dieWirtschaftüberwunden
werden, bevorüber eine möglicheNach-
folgenachgedacht und beratenwerde.
Wieinder Bundes-CDUkommt es auch
in Hessen darauf an,welche Minister
sichinden nächstenWochen als Krisen-
managerbewähren und profilieren. In
der CDUwirderwartet, dassdabei nur
der neueFinanzministerMichael Bod-
denbergund InnenministerPeter Beuth
realistische Chancen auf dieNachfolge
Bouffiershaben.„Wer geht gestärkt aus
der Krise hervor?“,lautedie entschei-
dendeFrage.Dem in seinemAmt nicht

ausgelastete nLandtagspräsidentenund
früheren InnenministerBoris Rheinwer-
den in der CDUwenig Chancen zuge-
standen, da er in der aktivenPolitik zur
Bewältigung der Krisekeine Rolle spie-
le. Zudem hatteder 48 JahrealteRhein
einen sicher geglaubten Sieg bei der
Frankfurter Oberbürgermeisterwahl
2012 auchdurch eigene Fehlerverspielt.
Der frühereCDU-Fraktionsvorsitzen-
de Boddenbergkönnteinden nächsten
Wochen als Finanzministerdie Nase
vornehaben in diesemRennen. Ent-
scheidend dürftesein, dasserdie jetzt
schon eingetretenen großenKollateral-
schäden für die vielenUnternehmen,
Handwerksbetriebe und Selbständigen
durch kluge, kreativeund unbürokrati-
sche Hilfen in Grenzen haltenkann.
Für den 60 Jahrealten Boddenberg
spricht auch, dasssein Verhältnis zum
grünen Koalitionspartner ausgespro-
chen gut ist. Dem acht Jahre jüngeren In-
nenministerBeuth hingegenstehen in
den nächstenWochen neben dem Coro-
na-Krisenmanagement fürPolizei und
Verwaltung unangenehmeFragen in ei-
nem parlamentarischenUntersuchungs-
ausschussbevor.DasGremiumsollun-
teranderem aufklären, ob die Sicher-
heitsbehörden unter Führung Beuths
den Mordandem Kasseler Regierungs-
präsidenten Walter Lübcke (CDU)
durch den rechtsextremen mutmaßli-
chen TäterStephan Ernsthättenverhin-
dernkönnen. Seine vielfachkritisierte
Informationspolitik imFall rechtsextre-
merUmtriebe in der hessischenPolizei
wirdnicht nur bei den Grünen, sondern
auchvon Parteifreunden als unglück-
lichbewertet. Der ebenfalls aus Hessen
stammendeKanzleramtsministerHelge
Braun sollkeine Ambitionen auf Bouf-
fiersNachfolgehaben.
DenWechsel Boddenbergs ins Fi-
nanzministerium nutzteBouffier für ei-
nen Generationswechsel an der Spitze
der Landtagsfraktion. Mittevergange-
ner Woche schlug er der 43 Jahrealten
Ines Claus aus dem südhessischen
Groß-Gerauvor, für das Amt zukandi-
dieren. Die Mutter dreier Kinder,die
erst seit 2018 im Landtag sitzt, wurde
am Freitag mit 72,5 Prozentgewählt.
Die acht Gegenstimmen, die sie bekam,
dürften vonjenenkommen, die sich
übergangen fühlen. EineFrau aus der
„viertenReihe derFraktion“ seiVorsit-
zendegeworden, sagteClaus selbstund
erkanntedarin einen Ansporn, die
Zweifler zu überzeugen. DerParl amen-
tarische Geschäftsführer derFraktion,
Holger Bellino, den viele als natürli-
chen Nachfolger sahen, sagte, er hätte
sichdas Amt auchvorstellenkönnen,
habe die Entscheidung für Claus aber
„mitgeboren“. Die neueFraktionsvorsit-
zende, die besondersimFeld derFamili-
enpolitik punkten will, hat sichbislang
in derFraktion oder im Plenumkein be-
sonderes Profil erworben. Auchfür den
grünenKoalitionspartner istsie eineUn-
bekannte. Clausverfügt über vielfältige
Verwaltungserfahrung als Mitarbeiterin
im Landtag und als Ministerialrätin. In
der Corona-Krise dürfteihr das helfen,
bei derNachfolgeBouffiersdürftesie
hingegenkeine Rolle spielen.

1945


Am weitestensind offenbardie Techni-
schen Hochschulen, deren Semester teil-
weise schon im Märzbegonnen hätte.Sie
konnten ihrenStudienbetriebvorallem
in den informatikaffinenFächernganz
auf den digitalenRaum verlegen, auch
wenn sie das Seminargesprächnicht er-
setzenkönnen.Anderesind nochlängst
nicht soflexibel oder brauchen Labore
oder Bibliotheken, umStudienleistungen
zu erbringen. Die einzigen Labore, die
derzeit nicht aufNotbetrieb herunterge-
fahren sind, beteiligensich an derFerti-
gung vonmedizinischen Ersatzteilen
(auchmit 3D-Rechnern) oder sind an der
EntwicklungvonImpfstoffen gegenCo-
vid-19 beteiligt.
Eini ge Hochschullehrer undStudenten
habenwegender Corona-Pandemieein
Nichtsemester gefordert, weil der Lehrbe-
trieb nichtregulär zum Sommersemester
beginnenkann. Dochdazu wirdesnach
dem Beschlussder Kultusministervom
Wochenendenichtkommen. Das Som-

mersemester soll trotzder Corona-Krise
und der Aussetzung des Präsenzbetriebs
an den Hochschulenstatt finden und am


  1. April beginnen.Studenten sollen al-
    lerdingskeine Schwierigkeiten mit der
    Berechnung derRegelstudienzeit bekom-
    men,wenn sie nicht alle für das Sommer-
    semestervorgesehenen Studienleistun-
    generbringenkönnen. Bei Bafög, Kinder-
    geld oder Krankenversicherung sollen
    flexibleRegelungengefunden werden.
    Dafürwollensich dieWissenschaftsmi-
    nisterder Ländereinsetzen. Die Bewer-
    bungsportale für die Hochschulzulas-
    sungwerden frühestens am 1. Juli öff-
    nen. Die Bewerbungsfrist für dasWinter-
    semesterist bis zum 15. Augustverlän-
    gert worden (sie endetnormalerweise
    am 15. Juli). Das Wintersemester soll
    überall in Deutschland erst am 1.Novem-
    ber beginnen,bisherwardas nur in Bay-
    ernso. Denn nur durch den späterenBe-
    ginnkönnen Zulassungs- undNachrück-
    verfahren regulär beendetwerden.


Das entspricht auch einerForderung
des Präsidentender Hochschulrektoren-
konferenz,Peter-AndréAlt, der sich für
eineVerschiebung ausgesprochen hatte.
Durch den späteren Beginn desWinterse-
mesters könntedafürgesorgtwerden,
dassimSommersemester2021 „wieder
in den Normalmodus“ zurückgekehrt
werden könne. Alt hatteandie Länder
appelliert, sichabgestimmt mit denHoch-
schulen auf eingemeinsamesVorgehen
zu verständigen. Es dürfe nicht passie-
ren, dasshier jedes Land seineigenesRe-
glement durchziehe.
Genau das istbei derTerminierung des
zweiten medizinischenStaatsexamens
(M2)geschehen. Das Bundesgesundheits-
ministerium, das die Medizinstudenten in
einemverfrüht beginnenden Praktischen
Jahr in der Krankenversorgungeinsetzen
will,hatteden Ländernempfohlen, das
zweiteStaatsexamen auf April 2021 zuver-
schieben, die endgültigeEntscheidung
aber den Ländernüberlassen.Während

Sachsen, Sachsen-Anhaltund Berlin es ih-
renMedizinstudenten freistellen, ob sie
ihr Examen trotzder widrigenUmstände
jetzt oderindichter Aufeinanderfolge
zum drittenStaatsexamen imkommen-
den Jahrablegen, wurde es in Bayern und
anderen Ländernverschoben. In Baden-
Württembergfindetesstatt.
Falls der Lockdownweiter aufrechter-
haltenwerden muss, könnenVorlesun-
gen, Seminareund Praktikades Sommer-
semestersbis in denSpätsommer nachge-
holt werden. Lehramtsanwärter,die in die-
sem Jahr ihreStaatsprüfung ablegen, sol-
len wegendes Infektionsschutzeskeine
Nachteile haben, auchwenn sie Schulklas-
sen für ihrePrüfungen brauchen.Falls die
unterrichtspraktischen Prüfungen nicht
möglichsein sollten,weil die Schulen im
schlechtestenFall bis zum Beginn der
Sommerferien geschlossenbleiben soll-
ten, wärenanderePrüfungsformate denk-
bar,versicherndie Ministerden angehen-
den Lehrern.

Der DeutscheHochschulverband
(DHV), der sichebenfalls dagegen ausge-
sprochen hatte, das Sommersemesterals
Nichtsemesterzuwerten, appellierte an die
Hochschullehrer,ihren Beitrag dazu zu leis-
ten, dassLehrveranstaltungen so gut wie
möglichgehaltenwerden könnten. Eine
Promotionsprüfungkönne auchmit Hilfeei-
nes Bildschirms abgenommenwerden, die
Öffentlichkeit durch einen Livestream da-
bei sein.„Qualität istauchinCorona-Zei-
tennicht verhandelbar“, sagteDHV-Präsi-
dent BernhardKempen.Wiebei den Schu-
len auch,kommt es auf die Kreativität der
einzelnen Hochschullehrer und ihredigita-
len Lehrformateund Aufgaben an. Damit
Wissenschaftlernauf befristete nStellen kei-
ne Nachteile entstehen, hattedie Deutsche
Forschungsgemeinschaftdie Vertragslauf-
zeite nund Fristenfür vonihr geförderte Per-
sonen und Projekte schonverlängert.Auch
der Deutsche Akademische Austausch-
dienstwill mitStipendien entsprechend
großzügigverfahren.

Werfolgt auf Bouffier?


HessensRegierung nachdem TodThomas Schäfers

Das Sommersemesterfindetstatt


Die Bundesländerfinden einegemeinsameRegelung–die Fristenfür dasWintersemesterwerdenverlängert/ VonHeikeSchmoll,Berlin


DIE LETZTEN
KRIEGSWOCHEN

5./6. APRIL


PeterTschentscher

Für die Herstellung derFrankfurterAllgemeinen Zeitung wirdausschließlichRecycling-Papierverwendet.
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