Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.04.2020

(WallPaper) #1

SEITE 6·MONTAG, 6.APRIL 2020·NR.82 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Foto AFP

Menschenrechtsanwaltin


China aus Haftentlassen


Nach fast fünf Jahren Haft istder
chinesischeMenschenrechtsanwalt
Wang Quanzhang aus demGefängnis
entlassenworden.Allerdings wurde
Wang alsVorsi chtsmaßnahmegegen
das neuartigeCoronavirusvore rst
unterQuarantänegestellt, wieseine
Frau LiWenzuamSonntagsagte.Li
sagte, siebefür chte,dassdie Pandemie
nur„einVorwand derBehörden“ sei
unddassihr Mann unter Hausarrestge-
stellt werde. Der 44Jahre alteWang,
derpolitischeAktivis tenund Opfer
vonLandnahme verteidigt hatte,war
im Rahmeneiner 2015 begonnenen
Polizeiaktiongegenrund 200Men-
schenrechtsaktivisten und -anwälte
festgenommen worden.ImJanuar
2019 wurdeerwegen „Untergrabung
derStaatsgewalt“zueinerviereinhalb-
jährigenHaftstrafeverur teilt. AFP


TrumpentlässtInspekteur


Im Schatten derCoron avirus-Krise
hatder amerikanische Präsident Do-
naldTrump denGeneralinspekteur
beimNationalen Geheimdienstdirek-
torentlassen.Erhabe dasVertrauen
in MichaelAtkinsonverlo ren, hieß es
ineinemSchreiben an dieVorsitze n-
dender Geheimdienstauss chüsse bei-
der Kongresskammern.AmSamstag
sagt eTrump im Weißen Haus, erglau-
be, Atkinson habe sehrschlecht eAr-
beitgeleistet. DerGeneralinspekteur
hatt einder Ukraine-Affäre den Be-
richtdes Whistleblowers über dasTele-
fonatTrumpsmit dem ukrainischen
PräsidentenWolodymyrSelenskyjan
denKongress weiter geleitet. sat.


IS-Führer gefasst


DerAnfüh rerder Terrorgruppe „Isla-
mischer Staat“ (IS) inAfghanistanist
festgenommenworden.Der al sAslam
Faruki bekannteMann seivonafghani-
sche nSpezialkräftenzusammen mit
19weiterenKämpfern gefasstworden,
teilte dieNationale Sicherheitsdirekti-
onmit.Der IS is tinAfghanistan An-
fang 2015 aufgetaucht .Lauteinem
UN-SicherheitsberichtleiteteFaru ki,
derauch unterdem NamenMaulawi
Abdull ah in Erscheinung trat,seit
etwa einemJahr denAbleger. dpa


Rafael Callejas gestorben


Der früherehonduranischePräsident
Rafael Callejas istamSamstagimAl-
tervon 76 Jahrengestorben. Callejas,
der Hondurasvon
1990 bis 1994re-
gierte,erlitt nach
AngabenvonAn-
gehörigen einen
Herzinfarkt.Er
lebteinden Verei-
nigtenStaaten,wo
er sichimHausar-
rest befand. Calle-
jas war2015 im
Rahmen desFifa-
Korruptionsskandals festg enommen
worden undwarteteauf seinUrteil.
Die Karrieredes konservativen Öko-
nomen undPolitikers begann wäh-
rend der Militärdiktaturen der sechzi-
gerund siebziger Jahre. SeineRegie-
rung blieb den Honduranernvor al-
lem wegender zahlreichenKorrupti-
onsskandale in Erinnerung. tjb.


Korrektur


Je wenigerPersonen ein Corona-Infi-
zierteransteckt, desto größer wird
der Zeitabstand, in dem sichdie Zahl
der Infiziertenverdoppelt.Durch ein
redaktionellesVersehenwarder Zeit-
abstand in der Samstagsausgabe noch
geschrumpft. F.A.Z.


D


er Eingang zumWan’an-Fried-
hof im OstenPekingsgleicht
der Notaufnahme eines Kran-
kenhauses.Überallstehen Hel-
ferinweißen Schutzanzügen. Sogar ihre
Schuhe und ihreHaarehaben sie abge-
deckt.Esist Qingming, daschinesische
Ahnenfest, einer derwichtigstenFeierta-
ge im traditionellenKalender.Indiesem
Jahrfindetesunter erschwertenBedin-
gungenstatt.Damit es nicht zu Menschen-
aufläufenkommt,haben die Behörden in
vielenStädten denZugang zu denFriedhö-
fenstarkbegrenzt.Hineinkommt nur,wer
sichangemeldethat.Schon Tage im Vor-
aus warendie Plätze ausgebucht.Manche
haben sichdamit beholfen, amStraßen-
rand einen BatzenTotengeld für die Ah-
nen im Jenseits zuverbrennen.
Fürandere, die aus Angstvor dem Coro-
navirus denWegzuden Gräbernscheuen,
haben Bestattungsunternehmen einen On-
line-Service eingerichtet. Helfer inweißer
Schutzkleidung bieten an, imAuftrag von
Angehören ein Grab zufegen, Blumen nie-
derzulegen und einen Livestream davon
ins Internetzustellen. „Für michkam das
nicht inFrage“, sagt eineälter eDame, die
mit Eimer,Besen und Blumenvordem

Wan’an-Friedhof steht.„Ich mussdas
Grab meines Brudersmit eigenen Händen
berühren.“ Dicht an dicht parkendie Au-
tosvor demFriedhof.Nach meh rals zwei
MonatenTrübsal und Selbstisolation nut-
zen vielePekinger denFeiertag und das
schöneWetter, um insFreie zukommen.
Die Sehnsucht nachNormalität istallent-
halben zu spüren. Dochdie Behörden lo-
ckerndie Zügel nurganz allmählich und
ziehen sie dannwiederan.
Um Punkt 10 Uhr ertönt eine Sirene,
die Autos bleibenstehen und hupen,Fahr-
radfahrersteigen ab, die Helfer in den
Schutzanzügen senken dieKöpfe. Imgan-
zen Land halten die Menschen drei Minu-
teninne für die OpfervonSars-CoV-2. In
Zhongnanhai, demZentrum der Macht in
Peking, neigt diePolitelite, angeführtvon
Xi Jinping, die Häupter. In Wuhan, der
am schwersten getroffenenStadt, legen
BürgerBlumenvorden Krankenhäusern
nieder,umder Ärzteund Pfleger zuge-
denken, diegestorben sind.Ausgerechnet
dort,wo zwei Drittel derTodesopfer in
China zu beklagen sind, haben die Behör-
den den Besuchvon Friedhöfen zum Ah-
nenfestuntersagt.Begründetwurde das
mit der Ansteckungsgefahr.Kritikerver-
muten, dassdas Verbotauchverhindern
sollte, dassdie öf fentlicheTrauerwomög-
lichinWut umschlägt.
In Peking liegen nachden offiziellen
Zahlen nur noch137 Patienten mit Co-
vid-19 im Krankenhaus. Dennochgilt für
die Hauptstadt, ebenso wie für Wuhan,
nochimmer die höchste Alarmstufe. Die
Einschränkungen sind besondersstreng,
denn bald soll in der Hauptstadt die all-
jährliche Sitzung des Volkskongresses
stattfinden. Es wirderwartet, dassdie
3000 Delegiertenschon in denkommen-
den Tagenanreisenwerden, um dannkol-
lektiv für zweiWochen unter Quarantäne
gestellt zuwerden. Wann und wie der offi-
ziell wichtigste Termin imchinesischen

Politkalendervonstattengehen wird, hat
hohe symbolische Bedeutung für dieFüh-
rung. Die Öffentlichkeit wirdden Mam-
mutkongress als Indikator sehen, wie es
nacheiner Eindämmung der Seuchewei-
tergehen soll. Bis dahin willPekingkein
Risikoeingehen. Selbstfür Diplomaten,
die nun als potentielleVirus-Einschlep-
per gelten, gilt jetzt eine Artinformeller
Einreisestopp bis zum 15. Mai.
Einerseits sind nun vielerorts Anzei-
chenvonNormalitätzusehen.Inman-
chen Barsdrängeln sichdie Gäste.Vor
dem Einkaufsviertel Sanlitun hat sichder
üblicheStau gebildet. Andererseits istdie
gesamte Altstadt immer nochfür Besu-
cher gesperrt.Die Sehenswürdigkeiten
sindgeschlossen, undParkbesuchemüs-
sen einenTagimVoraus angemeldetwer-
den. In den Dörfern rund umPekingste-
henNachbarschaftskomiteesWache, um
zu verhindern,dassdie Hauptstädterwan-
derngehen.Sportveranstaltungen bleiben
verboten. Undnochist völlig offen, wann
die Schulen und Kindergärten wiederöff-
nen, die seit siebenWochengeschlossen
sind. Die zentraleUniversitätszugangsprü-
fung wurdegerade um einen Monat auf
Juli verschoben. Zum ersten Mal, seit sie
1977 nach denWirren derKulturrevoluti-
on wiedereingeführtwurde.
Die Angst vorRückschlägenist nach
wie vorgroß. Einganzer Bezirkinder Pro-
vinz Henan wurdevergangeneWocheab-
geriegelt, nachdemdort36Neuinfektio-
nen gemeldetworden waren. Im Laufeder
Epidemie hat dieRegierung so viele neue
Kontrollsysteme eingeführt,dasssie diese
jetzt je nachBedarfhoch- oderrunte rre-
geln kann. ImVordergrund stehtjetzt das
Wiederanlaufen derWirtschaft. Freizeitan-
gebote stehen in der politischenPrioritä-
tenlistedagegenweit un ten. In Schanghai
wurdengerade zahlreiche Sehenswürdig-
keiten wiedergeschlossen,die zwischen-
zeitlichschon geöffnetwordenwaren.

Wenn BerlinerPolizistenindiesenTa-
genAnzeigen aufnehmen,steht ihnen
ein zusätzlichesKästchen zurVerfü-
gung: Covid-19. Hängt ein Delikt mit
der Corona-Krise zusammen –sind
Desinfektionsmittelgestohlen oder ist
gegendas Infektionsschutzgesetzver-
stoßenworden –machen die Beamten
dortein Kreuz. Längstnicht alles,was
die Polizei in diesenTagenaufnimmt,
istvon Ausgangsbeschränkungen be-
stimmt, aber eine Krise, die das Leben
so grundlegend beeinflusst,verändert
auchdie Kriminalität.
Wenn viele Menschen zu Hause blei-
ben,gehen zunächstmal die„Tatgele-
genheiten“ zurück, wie es inPolizeispra-
cheheißt.Die Straßenkriminalität
sinkt massiv.Taschendiebstähle sind in
Berlin nachder Kontaktsperre etwaauf
ein Drittel derVorwochenzurückgegan-
gen. InNordrhein-Westfalen sank die
Zahl im Märzauf 1702; imVorjahr wa-
renes2912 gewesen. In NRWgab es
auchdeutlichwenigerRaubüberfälle –
Geschäfte,die sonstwomöglichdavon
betroffenwären, haben geschlossen.
Viele Menschen arbeitenvonzuHause
aus,wodurch auchdie Zahl derWoh-
nungseinbrüche in den Bundesländern
gesunken ist. Kein Einbrecher willriskie-
ren, in eineVideokonferenz zu platzen.
Das Bundeskriminalamtgeht voneinem
bundesweitenRückgang aus. Gleichzei-
tig nehmen Einbrüche imgewerblichen
Bereichzu, wie die hessischen Behörden
feststellen.Aufgrund gestiegener Preise
für Medizinproduktehat der Diebstahl
hier ingroßemStilzugenommen.
In Berlin istauchdie Zahl der Kfz-
Diebstähle deutlichgesunken. Ermitt-
ler gehen davonaus, dassdie Routen,
auf denen diegestohlenenAutossonst
nachOsteuropa geschafft würden,
durch die Grenzschließung nicht mehr
funktionierten. Hinzukommt, dasses
aufgrund der vielenKontrollen inner-
halb Deutschlands auchKriminellen
schwererfällt, sichunentdeckt zu bewe-
gen. WeretwainSchleswig-Holstein
mit HamburgerKennzeichen unter-
wegs ist,kanndamitrechnen, angehal-
tenzuwerden. Generell sind, wie Hes-
sen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen
und Bayern berichten, mehr Beamteauf
den Straßen unterwegs. Das soll Sicher-
heit signalisieren, aber auchdie Einhal-
tung desKontaktverbotessicherstellen,
das auf Basis des Infektionsschutzgeset-
zes erlassen wurde. In der Kriminalsta-
tistik spielteder Infektionsschutzvor-
her eigentlichkeineRolle, jetzt sind die
Deliktehier in die Höhegeschnellt.

Weniger häusliche Gewalt?
Das Bundeskriminalamterwarte tauch
einen Anstieg der häuslichen Gewalt,
der bereitsinder chinesischen Provinz
Wuhanwährend derAusgangssperre
zu beobachten war. Die vorläufigen
Zahlen derPolizeibehördenspiegeln
dasjedochnicht wider.InBerli nist
das Niveau häuslicher Gewalt seit Janu-
ar insgesamt deutlichhöher als imVor-
jahr, aber sie istseit der zusätzlichen
Einschränkungnicht weiter gestiegen.
In Nordrhein-Westfalen zeigtsichim
Vergleichzum Vorjahr sogar ein leich-
tesAbsinkender häuslichen Gewalt
um ein knappes Drittel. DieZahlen
könnten sich jedoch nochverändern,
wenn sie für diePolizeilicheKriminal-
statistik vervollständigtwerden.In
denLändernvermutet man, dass
durchein gestiegenesBewusstsein für
häusliche Gewalt womöglich auchdie
soziale Kontrolle zugenommen hat.
Insgesamt scheint die Allgemeinkrimi-
nalität abzunehmen. Das ergabeine
Umfrag edieserZeitung beiverschiede-
nenLänderbehörden. In Hessen istdie
Zahl derPolizeieinsätze zurückgegan-
gen, wie das Innenministerium inWies-
baden mitteilt.
Um sichdieserTage über dasVirus
und seineAuswirkungen zu informie-
ren, gehen viele Menschen ins Netz. Mit

dieser verstärktenNutzung des Inter-
nets würden auchneue Tatgelegenhei-
teneinhergehen, meinen die Ermittler
des Bundeskriminalamts. International
stellten sie eineverstärkteVerbreitung
vonPhishing-Mails mit Bezug zur Pande-
mie fest.Außerdem würden mit betrüge-
rischerAbsicht Spendenaufrufegestar-
tetund Fake-Shops eröffnet,wo Ware an-
gebotenwerde, die esgarnichtgebe.
Auch Europol istalarmiert. „Während
viele Menschen sich bemühen, die Krise
zu bekämpfen und Opfernzuhelfen, ha-
ben manche Kriminelle sehr schnell die
Chancen ergriffen, die Krise auszunut-
zen“, sagteCatherine De Bolle, die Di-
rektorin der EU-Polizeibehörde. Des-
halb sei es wichtiger als je zuvor,den
Kampfgegen Kriminalität zuverstärken.

Kriminelle in der „Findungsphase“
Die Polizeiwarntauchvor Trickbetrü-
gern,die die Krise für sichnutzen. Im-
mer häufigertauchen anTüren angebli-
cheGesundheitsamtsmitarbeiter auf,
die vorgeben, dasWasser auf Corona-
Befall oder dieVorrätevon Desinfek-
tionsmitteln prüfen zu müssen. Sind die
Betrüger in derWohnung,rauben sie
die Opfer aus. Anderebietengefälschte
Corona-Testszum Verkauf an. In der
PandemiewirdauchderEnkeltrickvari-
iert: Betrügerriefen schon bei alten
Menschen an undgaben vor, ein verges-
sen geglaubterVerwandter zu sein, mit
Covid-19 im Krankenhaus zu liegen
oder in einer entlegenenWeltregion
festzusitzen, und dringend mehreretau-
send Eurozubrauchen. In Berlin istes
Kriminellen in nur dreiFällengelun-
gen, die Opfer um ihr Geld zu bringen –
der Schaden belief sichallerdings auf
über 100 000 Euro.
Durch die Krise musssichauchdas
organisierte Verbrechen umstellen. Es
befinde sichderzeit in einer „Findungs-
phase“, sagt die BerlinerPolizei. Die
wahrnehmbaren AktivitätenvonClans
und Mafia, also Glücksspiel, Drogen-
handel, Schutzgelderpressung und Pros-
titution seien nicht mehr oder nur sehr
eingeschränkt möglich. Bordelle und
Spielhallen mussten aufgrund des Infek-
tionsschutzgesetzes schließen.Auch Se-
curity-Dienste in Clubs, dieteilweise
vonRockergruppen durchgeführtwer-
den, fallen als Einnahmequelle aus.
Der Drogenhandel auf denStraßenfin-
det vielerortsnicht mehrstatt;mehr Po-
lizeistreifen erhöhen die Entdeckungs-
gefahr,durch die Ausgangsbeschrän-
kungen sei außerdem dieNachfrag ege-
sunken, berichten Ermittler.InBerlin
geht man davonaus, dassder Drogen-
verkauf über Messenger-Dienste flo-
riert, das heißt,Kunden bestellen über
verschlüsselteKommunikation und be-
kommen dieWare frei Hausgeliefert.
Unterdessen beobachten die Ermittler,
dassdie Zahl der Drogentransporte
und die Qualität dergehandelten Dro-
genabnimmt.„Es is tdeutlichschwerer,
Drogen nachEuropa zu schaffen“, sagt
Oliver HuthvomBund der Kriminal-
beamten dieserZeitung.Erleitetdie Er-
mittlungsgruppe Organisierte Krimina-
lität beim Landeskriminalamt Nord-
rhein-Westf alen. Das hängt auchmit
demRückgang im internationalenWa-
renverkehr zusammen: Kokain wird
sonsthäufig in Containernversteckt,
etwain Holzladungen aus Guyana oder
Ecuador.SolcheTransporte finden heu-
te deutlichseltenerstatt.Trotzdem dür-
fe man nicht davonausgehen, dassein
ganzer Kriminalitätszweig lahmgelegt
sei. „Die organisierte Kriminalität wird
in dieserZeit nicht Schafezüchten“,
sagt Huth. DassMafia und Clans sich
im Bereichgefälschter Medizinproduk-
te einbringen, hält Huthnicht fü rausge-
schlossen.„Wir sehen im Moment eine
klareVerschiebung, wissen aber noch
nicht,wohin siegeht.“ Errechnet da-
mit, dasseine drohendeWirtschaftskri-
se zurFolgehabenkönnte, dassgezielt
insolventeGeschäfte angekauftwür-
den –für Geldwäsche imgroßenStil.

mic.PARIS.Nachdem Messerangriff
im StadtzentrumvonRomans-sur-Isère
etwa100 Kilometersüdlichvon Lyon
hat die Anti-Terror-S taatsanwaltschaft
in ParisErmittlungen aufgenommen.
Ein 33 Jahrealter Sudanesewaram
Samstagvormittag mit einem Schlach-
termesser aufPassanten imStadtzen-
trum des 33 000 Einwohner zählenden
Orteslosgegangen und hattezweiMen-
schengetöte tund fünfweiter eteils
schwerverletzt. Er soll dabei lautAu-
genzeugen„Allahu akbar!“ (Gott ist
groß) gerufenhaben. Bei seinerFest-
nahme leisteteer keinenWiderstand,
soll aber nachAussagen einesPolizei-
sprechersdie Beamten dazu aufgefor-
derthaben, ihn zu erschießen.
In seinerWohnungfand diePolizei
bei einer Durchsuchungislamistische
Schriftenund Aufzeichnungen, in denen
der Täte rsichdarüber beklagt habe, in
einemLand derUngläubigenzuleben.
Zwei Wohngenossen des Täters,die
auchsudanesischer Herkunftsind, wur-
den wegendes Verdachts derZugehörig-
keit zu einerterroristischenVereinigung
festgenommen. Präsident Emmanuel
Macronverurteiltedie „niederträchtige

Tat“ und sagte, eswerdealles unternom-
men, um dieStraftat aufzuklären, die
„einohnehin schon leidgeprüftesLand
tref fe“. Am Sonntag wurdenneue De-
tails der Messerat tackebekannt.
So soll der Mann, der 2017 als Flücht-
ling anerkannt worden war, zunächstin
einen Tabakladen eingedrungen sein
und das Inhaberehepaar angegriffen ha-
ben. Dem Ehepaargelang es, dem An-
greifer das Messer zu entreißen; beide
wurden schwerverletzt.Der Täterstürz-
te daraufhin in den benachbartenMetz-
gerladen,töteteden Schlachtermeister
und entwendete ein Schlachtermesser,
mit dem er einenKunden im Altervon
55 Jahrenverletzte. Dann soll er ins
Freie gestürzt sein und einen 59 Jahre
alten Passanten verletzt haben. An-
schließendtöteteer einen 44 Jahreal-
tenFamilienvater, der gerade dabei
war, seineFensterläden zu öffnen, und
sichschützendvorseinen zwölfJahreal-
tenSohn gestellt hatte. Aufseiner
Fluchtverletzteder Angreifer einen 63
Jahrealten Mann und eine 38 Jahrealte
Frau. „Alle Indizien deuten auf einen
Terrorakt hin“, sagteDavid Olivier
Reverdyvon der Polizeigewerkschaft
AlliancePolice.

TrotzvielerWarnungen sind die Bürger
des amerikanischen BundesstaatesWis-
consin inmitten der Coronavirus-Krise
aufgerufen, am Dienstaganden Vorwah-
len teilzunehmen. Sowarjedenfalls der
Stand am Sonntag. Zwölf Bundesstaaten
habenangesichtsder Pandemie ihreWahl-
termine für die parteiinternen „Prima-
ries“ der Demokraten undRepublikaner
verschoben. InWisconsin indes will man
an demTermin festhalten, obwohl zuletzt
sogar mehrereBürgermeistersignalisiert
haben, dasssie fürchten,nicht genügend
Wahlhelfer mobilisieren zukönnen.
Zuletzt sprachsichnur nochdie repu-
blikanische Mehrheit im Parlament in
Madison, der Hauptstadt des Bundesstaa-
tes, gegeneine Verlegungaus. Doches
wäre zu einfach, denRepublikanerndie
alleinigeSchuld anderPosse zugeben.
Bisvor wenigenTagenverteidigte auch
nochder demokratische Gouverneur
Tony Eversden Wahltermin; schließlich
gebe es parallelWahlen für einigekom-
munale Ämter. UndVakanzen könne
man sichnicht erlauben. Sogar Joe Bi-
den, der mutmaßliche Präsidentschafts-
kandidatder Demokraten, äußerte, es sei
Sache derVerantwortlichen inWiscon-
sin, dieFragezuklären.
Nacheinem Gerichtsurteil, das Brief-
wählerndie Möglichkeit gibt, nochbis
zum 13. April abzustimmen, änderte
Eversseine Meinung. Dies wiederumver-
anlassteDonaldTrump, dem Gouverneur
zu unterstellen, er sei nur deshalb plötz-
lichfür eineVerlegung,weil einkonserva-
tiverRichterkandidat zuletzt in denUm-
fragen habe zulegenkönnen. So viel also
zu denAufrufen, angesichts derPande-
mie dürfe es nicht um parteipolitisches
Kleinkleingehen.
Am Samstagwidmete sichder Präsi-
dentwährend seines Corona-Briefings

auchseinem mutmaßlichen Herausforde-
rer. Trumphat seinetägl ichen Pressekon-
ferenzen imWeißen Haus schon mehr-
fach dazugenutzt, kleine Gehässigkeiten
gegenBiden zuverbreiten. „SleepyJoe“,
wie er ihn nennt, sitze in seinem „Bunker
in Wilmington“.Tatsächlichhat sichder
77 JahrealtefrühereVizepräsident in
sein Haus nachDelaware zurückgezogen.
Auch Biden musssichanden „Stayat
home“-Erlassseines Gouverneurshalten.
Trumps Lästereiüber den „Bunker“ in
Wilmington soll den Amerikanernden
Eindruckvermitteln,vorwelcherWahl
sie imNovemberstehen: Hier ein uner-
schrockener Krisenmanager,der sich
selbstnicht an die soeben ausgesproche-
ne Empfehlung hält, in der Öffentlichkeit
eineAtemschutzmaskezutragen. Dort
ein ängstlicher alter Mann, der sichnicht
aus dem Haus traut.

Ein seniler Not-Kandidat?

Als Trump am Samstag auf einenTwit-
ter-Eintrag Bidens angesprochen wurde,
hatte er nurSpott für ihn übrig.Biden
hatt egeäußert, derPräsidentsei zwar
nicht für diePandemieverantwortlich,
wohl aber für das Scheitern, darauf ange-
messen zu reagieren. Trumpging gar
nicht aufden Vorwurfein, sondernent-
gegnete schlicht:Biden habediesen
Tweetdochgar nichtverfasst,sondernir-
gendein Berater.Der Demokrat sei zu so
etwasdochgar nicht in derLage.Und:
SollteBiden die Pressekonferenz aus
demWeißen Hausverfolgen, würde er
auch nichtverstehen,worum esgehe.
DieBotschaftist klar:Trump suggeriert,
Biden sei ein seniler Mann, auf den sich
dasEstablishment derPartei in ihrerVer-
zweiflungals Kandidaten verständigt
habe. DieParteiführersteuertenihn. Bi-

den sitzenur in seinemOhrensessel in
Wilmingtonund lächele freundlich.
Nunwerden viele AmerikanerTrumps
Angriffegewissfür niederträchtig halten.
Der Präsident aber setzt darauf, dasseini-
ge Wählerder politischen Mitte, die Bi-
den an sichfür einen anständigenKerl
mit vernünftigen Ansichten halten, viel-
leicht dochein ungutes Gefühl be-
schleicht, für jemanden zustimmen, der
seinenZenit erkennbar überschritten hat.
Wenn der Demokrat sichvon Wilming-
tonaus in dieNachrichtensendungendi-
verser Networ ks schalten lässt,wirkt das
Settingtatsächlichnicht sehr präsidial:Bi-
den, ohnehin einTyp, der eher im persön-
lichen GesprächseineStärkenentfaltet,
blickt in einem schlecht ausgeleuchteten
Raum einwenig verloren in dieKamera
und verhaspelt sichmitunter.
Erst vorwenigenTagenhatten die De-
mokraten beschlossen, ihren für Juli in
MilwaukeegeplantenNominierungspar-
teitag zuverschieben. Biden hattesichzu-
vordafür ausgesprochen. MitteAugust
will man sichnun versammeln–eine Wo-
chevor demParteitag derRepublikaner
in Charlotte. Spricht man mitVerantwort-
lichen, heißt es: Alles sei im Fluss. Denn
auchdie August-Termine hängen davon
ab, dassbis dahin die Bestimmungen zum
„Social Distancing“ aufgehoben sind.
Unddann istdanochBernie Sanders,
der immer nochüberlegt, wie es mit sei-
ne rKampagneweite rgehensoll. Nach sei-
nen Niederlagen Anfang Märzhatteer
sicheinigeWochen Bedenkzeit erbeten.
Schon damals hieß es, dem Linksaußen-
Kandidatengehe es nur nochdarum, Bi-
den zu programmatischenZugeständnis-
sen zu bewegen. Inzwischen sollen dem
Senator ausVermont aucheigene Berater
nahegelegt haben, aus demRennen auszu-
steigen.

Rafael Callejas


Die Ahnenper Livestream ehren


Totengedenken: ChinasStaats- undParteiführung um Xi Jinping ehrtdie imKampfgegen das Coronavirus Gestorbenen. Fotodpa

Kriminelle nutzenCorona


In derPandemiewerden andereStraftatenbegangen


VonHeleneBubrowskiundTimoSteppat


Indiziendeuten aufTerrorakt


ZweiTote bei Messerangriff in Frankreich


Quarantäne in Wilmington


Joe Biden hat es derzeit schwer,sichzuprofilieren / VonMajidSattar, Washington


Wichtiges inKürze


elo.BERLIN.Bundestagspräsident
Wolfgang Schäuble (CDU) hat aber-
malsangeregt, für Krisenzeiten ei-
nen sogenanntenNotfallausschuss
des Bundestageseinzurichten. Bis-
langist nur für Kriegs- undVerteidi-
gungsfällevorgesehen, den Bundes-
tag in einer kleinenZusammenset-
zungtagen zu lassen, nicht aberfür
andereFälle wieetwa einePande-
mie.Ineinem Schreiben an dieFrak-
tionsvorsitzenden, dasdieser Zei-
tungvorliegt, schreibt Schäuble,eine
Änderungsolle „dringend erwogen“
werden.Allerdings schlug ihm brei-
terWiderstand aus denFraktionen
entgegen, auchaus derUnionsfrakti-
on. DieFraktionenseiensicheinig,
„dass wir jetztkeine Grundgesetzän-
derung durchführen“, sagteder Erste
ParlamentarischeGeschäftsführer
der Unionsfraktion, Michael Grosse-
Brömer (CDU), demRedaktionsnetz-
werk Deutschland. „Krisen sind für
Verfassungsänderungen kein guter
Ratgeber“, sagteder FDP-Partei-
und -Fraktionsvorsitzende Christian
Lindnerder Deutschen Presse-Agen-
tur.Schäubleteilteden Abgeordne-
tenmit, er habe zudem bei derBun-
destagsverwaltung eine Prüfungin
Auftraggegeben,obestechnisch
undrechtlic hmöglichsei, Plenarsit-
zungendes Bundestages in besonde-
renSituationen virtuell abzuhalten.


Schäubleregt


Notparlament an


Die Chinesen sehnen


sichnachNormalität,


die Regierung lässt das


aber nurstreng dosiert


zu –ihrePrioritäten


sind andere.


VonFriederikeBöge,


Peking

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