Die Welt - 06.04.2020

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/ DIETER HOPF
Soziale Distanz gilt auch bei Tieren. Die ersten Rehkitze dieses Jahres sind
geboren. Auch wenn coronabedingt weniger Verkehr ist, sollten Spaziergänger
und Hundehalter bis in den Sommer auf den Wegen bleiben. Rehkitze sind
besonders gefährdet, weil ihre Mütter sie im hohen Gras zurücklassen.
In keinem Fall sollten Menschen vermeintlich alleingelassenes Jungwild
anfassen. Das schreckt Muttertiere ab und kann die Kitze zu Waisen machen.

Unbedingt Abstand halten!


E


twa 30 bis 40 Prozent aller
Raucher werden früher oder
später an einer chronischen
Atemwegserkrankung lei-
den. Oft ist das eine chroni-
sche Bronchitis, später kann es sich zu
einer chronisch-obstruktiven Lungen-
erkrankung entwickeln, der COPD. Was
ist mit dem Coronavirus? Professor Mi-
chael Pfeifer ist unter anderem Präsi-
dent der Deutschen Gesellschaft für
Pneumologie und Beatmungsmedizin.

VON JULIAN AÉ

WELT:Raucher sind für viele Krank-
heiten anfälliger, insbesondere für Er-
krankungen der Atemwege. Wie schä-
digt das Rauchen den Körper?
MICHAEL PFEIFER: Die hauptsächliche
Schädigung findet in den Atemwegen
statt – die Schleimhäute werden durch
die toxischen Substanzen im Zigaret-
tenrauch so belastet, dass es zu einer
lokalen Entzündungsreaktion kommt.
WWWenn diese Entzündungsreaktion fort-enn diese Entzündungsreaktion fort-
schreitet, verändert sich die Schleim-
hautoberfläche. Die Zilien, die feinen
Flimmerhärchen, die für die Reinigung
der eingeatmeten Luft zuständig sind,
werden zerstört und immer weniger.
AAAußerdem verändert sich der Aufbauußerdem verändert sich der Aufbau
der Schleimhaut auf zellulärer Ebene.
Das kann dann schon die Vorstufe zu
einem Bronchialkarzinom sein, also
Lungenkrebs.

Liegt das am Nikotin, oder rühren die
meisten Schäden daher, dass man „et-
was Verbranntes“ einatmet?
Das Nikotin ist in den Atemwegen ei-
gentlich gar nicht das Problem. Das Ge-
fffährlichste sind die Beistoffe, die beimährlichste sind die Beistoffe, die beim
VVVerbrennungsprozess entstehen. Daserbrennungsprozess entstehen. Das
sind mehr als 6000 verschiedene Sub-
stanzen, von denen etwa ein Drittel gif-
tig ist. Auch die Schädigung der Gefäße,
die Raucher anfälliger für Herzinfarkte
und Schlaganfälle macht, ist eine Folge
dieser vielen schädlichen Stoffe. Die
fffeinen Partikel im Rauch können gut ineinen Partikel im Rauch können gut in
der Lunge resorbiert werden und tra-
gen erheblich zur Verkalkung der Blut-
gefäße bei.

Es gibt vermehrt Hinweise darauf,
dass Raucher schwerer an Covid-
erkranken als Nichtraucher.
Die chinesischen Daten, die wir bisher
haben, sind teilweise rätselhaft. Der
Anteil der Raucher unter den Patien-
ten ist überraschend niedrig. In China
raucht gut die Hälfte aller männlichen
Erwachsenen. Unter den Covid-19-Pa-
tienten waren jedoch nur 12 bis 15 Pro-
zent Raucher. Wir wissen aber nicht,
wie sicher die Daten erhoben wurden.
Da sind wir auch auf die europäischen
Beschreibungen gespannt. Die infi-
zierten Raucher aus den chinesischen
Daten hatten dann allerdings ein hö-
heres Risiko für einen schweren
Krankheitsverlauf. Das erklärt sich na-
türlich auch durch die Vorschädigung
der Lunge.

Was folgt daraus?
Die Begleiterkrankungen des Rauchens
stellen einfach einen ungünstigen Fak-
tor für den Krankheitsverlauf dar – die
genauen kausalen Zusammenhänge
kennen wir allerdings noch nicht. Wir
vermuten, dass der vorgeschädigten
Lunge die natürlichen Reserven fehlen,
um so eine Stresssituation zu kompen-
sieren. Herz- und Gefäßkrankheiten,
die bei Rauchern häufiger auftreten,
werden sicherlich auch eine Rolle spie-
len. Ohne die epidemiologischen Aus-
wertungen, auf die wir noch warten,
kann man dazu aber schwer etwas Fun-
diertes sagen.

Eine Theorie besagt, dass Raucher
mehr ACE2-Rezeptoren im Lungenge-
webe bilden. An genau diese Rezep-
toren bindet das Spike-Protein von
Sars-CoV-2. Ein Raucher könnte dem-
nach mehr „Einfallstore“ in die Zellen
seiner Lunge haben. Wie stehen Sie
dieser Theorie gegenüber?
Es ist eine Theorie, mehr nicht. Wir fan-
den das allerdings sehr spannend, weil
beschrieben wurde, dass der ACE2-Re-
zeptor eine wesentliche Rolle beim Ein-
dringen des Virus in die Zellen spielt.
Das würde in diesem Rahmen auch ein
ganz anderes Licht auf bestimmte Me-
dikamente werfen, die die ACE-Rezep-
tordichte beeinflussen – das ist zum
Beispiel bei einigen Blutdrucksenkern
der Fall. Wir bewegen uns hier aber in
einem rein hypothetischen Bereich. So-
lange es keine klinischen Daten gibt,
sollten Patienten keinesfalls irgendwel-
che Medikamente absetzen.

Auf welche Symptome sollten Rau-
cher jetzt besonders achten?
Im Wesentlichen auf die gleichen Symp-
tome wie alle anderen auch. Wir sehen
jeden Tag, wie vielfältig die Symptoma-
tik sein kann, und lernen ständig dazu.

Es ist nicht so eindeutig, wie wir bisher
gedacht haben, sondern wir sehen alle
Schattierungen von schwer krank bis
praktisch symptomfrei. Raucher sollten
aufpassen, wenn der Auswurf zunimmt
und allgemeine Krankheitssymptome
wie Fieber und Husten dazukommen.
Da muss man allerdings auch differen-
zieren – etwa 40 Prozent der Patienten
stellen sich ohne Fieber vor. Es kommt
oft erst im späteren Krankheitsverlauf
hinzu, bleibt dann aber über einem län-
geren Zeitraum auf hohem Niveau.

Was ist mit Geruchs- und Geschmack-
verlust?
AAAuch diese „neuen“ Symptome könnenuch diese „neuen“ Symptome können
wichtige Hinweise sein. Diese Sympto-
me sind ja in China seltsamerweise
nicht so auffällig gewesen. Raucher ha-
ben, je nachdem, wie viel sie rauchen,
ohnehin schon einen eingeschränkten
Geschmacks- und Geruchssinn. Was un-
sere Covid-19-Patienten berichten, hat
allerdings noch mal eine ganz andere Di-
mension und ist auch nicht vergleichbar
mit einem ordinären Schnupfen.

Was raten Sie Rauchern angesichts
der derzeitigen Situation?
Ich empfehle allen Rauchern, sich eben-
so zu schützen, wie alle anderen es auch
tun. Wenn möglich, sollte man natür-
lich unbedingt mit dem Rauchen aufhö-
ren. Es gibt bisher zwar keine Belege da-
für, dass Raucher ein höheres Infekti-
onsrisiko für Sars-CoV-2 haben. Aber
wenn man sich infiziert, dann hat man
ein deutlich höheres Risiko für einen
schweren Krankheitsverlauf.

Aufzuhören ist leichter gesagt als ge-
tan. Wer könnte helfen?
Wenn man mit dem Rauchen aufhören
möchte, bietet jeder Lungenfacharzt
Unterstützung an. Auch die Hausärzte
sind dafür in der Regel geschult. Dazu

gibt es praktisch in jeder Stadt Anlauf-
stellen, bei denen man Rat und Unter-
stützung findet – zum Beispiel bei den
Krankenkassen. Am besten ist es natür-
lich, wenn man einen Arzt hat, der das
begleitet.

Was ist mit Ersatzprodukten, um ih-
ren Zigarettenkonsum zu reduzieren?
Das ist eine schwierige Frage. Reine Ni-
kotinersatzpräparate wie Pflaster oder
Kaugummis können am Anfang der Ent-
wöhnung durchaus sinnvoll sein. Bei E-
Zigaretten sehen wir Fachärzte das an-
ders. Wir wissen nicht, wie sich der
„Dampf“ der E-Zigaretten auf die Bron-
chialschleimhaut auswirkt – besonders
im Falle einer Infektion. Es gibt zuneh-
mend Belege dafür, dass E-Zigaretten
doch nicht so unschädlich sind, wie
manche annehmen. Möglicherweise
spielen da ganz andere Schädigungsme-
chanismen eine Rolle. Wir sind bei die-
sem Thema deshalb sehr zurückhaltend
und sprechen keine Empfehlung aus.

Auf E-Zigaretten sollte man aus Angst
vor Covid-19 also nicht umsteigen?
Wir haben keine Langzeitdaten zur Ge-
fährlichkeit von E-Zigaretten. Vom her-
kömmlichen Rauchen wissen wir, dass
sich die Schäden nicht nach wenigen
Jahren, sondern oft erst nach Jahrzehn-
ten manifestieren. Diese Erfahrung
fehlt uns bei der E-Zigarette. Wir müs-
sen auf Untersuchungen von akuten
Fällen zurückgreifen, bei denen man
durchaus Schäden beobachten kann.
Die giftigen Substanzen sind zwar nur
in einer erheblich geringeren Konzen-
tration nachweisbar als beim klassi-
schen Rauchen, allein aus dieser Beob-
achtung eine allgemeine Empfehlung
abzuleiten wäre aber fahrlässig.

Wie schnell erholt sich die Lunge,
wenn man mit dem Rauchen aufhört?
In der Anfangsphase ist eine Erholung
je nach Dauer und Stärke des Konsums
durchaus möglich. Sind nach vielen Jah-
ren des Rauchens Schäden entstanden,
sieht es eher schlecht aus – „die Lunge
vergisst nichts“. Wenn der vorhin be-
schriebene Umbauprozess auf zellulä-
rer Ebene bereits stattgefunden hat, ist
das nicht mehr rückgängig zu machen.
Durch die chronische Entzündung zu-
rückgebildetes Gewebe ist leider auch
unwiederbringlich verloren. Mit dem
Rauchen aufzuhören ist trotzdem auch
dann noch eine extrem gute Idee, denn
es ist ein entscheidender Risikofaktor
für sehr viele andere Erkrankungen. Das
Risiko für Lungenkrebs nähert sich sta-
tistisch nach etwa zehn Jahren ohne Zi-
garetten wieder dem der Gesamtbevöl-
kerung, aber für den Einzelfall muss das
nicht zutreffen.

Wie lange ist man nach Rauchstopp
anfälliger für schwere Verläufe von
Covid-19?
Wir erleben eine völlig neue Krankheit,
ein völlig neues Phänomen. Man muss
leider sagen: Wir wissen es nicht.

„Die Lunge


vergisst nichts“


Raucher sind wegen der Vorschädigung


der Atemwege anfälliger für schwere Verläufe


von Covid-19. Ein Pneumologe klärt auf


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DIE WELT MONTAG,6.APRIL2020 SEITE 10

WISSEN


WISSENSCHAFTSREDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 719 50|E-MAIL: [email protected]|INTERNET: WELT.DE/WISSENSCHAFT

gehen davon aus, dass diese Arbeiten
von Gla aus organisiert wurden.
Man hat Gla als „wirtschaftliche und
technische Betriebszentrale der zeit-
gleich gebauten Drainagekonstruktion
gedeutet, aber auch als Anlauf- und
Sammelstelle für die gesteigerte Agrar-
produktion in der Gegend“, schreibt
die griechische Archäologin Eleni Papa-
dopoulou. Dazu würden die sechs Ge-
bäude passen, deren Spuren das Team
um die Ausgrabungsleiterin Elena
Kountouri in Gla freigelegt hat. Es
könnte sich um Lagerhäuser, Werkstät-
ten oder deren Speicher handeln.
Jedes der sechs 240 Quadratmeter
großen Gebäude hat exakt die gleichen
AAAbmessungen, ist abstandsgleich undbmessungen, ist abstandsgleich und
in drei gleiche Sektionen unterteilt,
sagt die Archäologin. „Sie sehen aus, als
sei dort eine große Zahl von Menschen
untergebracht gewesen, aber warum
und zu welchem Zweck können wir
noch nicht sagen.“
Anders als die bekannten mykeni-
schen Burgen war Gla vermutlich kein
politisches und wirtschaftliches Zen-
trum mit einem Palast, von dem aus ein
Fürst ein Territorium zentral verwalte-
te. Vielmehr unterstand es wohl den
Herren von Orchomenos, das in Kon-
kurrenz zu Theben den nördlichen Teil
der Landschaft Böotien kontrollierte.
In seiner „Ilias“ rühmt Homer den
Reichtum von Orchomenos, was von
späteren Autoren bestätigt wird. Dafür
spricht auch das monumentale Kuppel-
grab, das der deutsche Archäologie-
AAAbenteurer Heinrich Schliemannbenteurer Heinrich Schliemannin
den 1880er-Jahren in Orchomenos frei-
legte und als „Schatzhaus des Minyas“
deutete. Es ist nur unwesentlich kleiner
als das ebenfalls von Schliemann ent-
deckte berühmte „Schatzhaus des
AAAtreus“ in Mykene, einer oder gar dertreus“ in Mykene, einer oder gar der
VVVormacht der ersten griechischenormacht der ersten griechischen
Hochkultur, was einiges über den Rang
von Orchomenos aussagt.
Die laufenden Ausgrabungen zeigen,
dass die bebaute Fläche in der Zitadelle
von Gla deutlich größer war als bislang
angenommen. Hier waren offenbar die
Arbeiter und ihre Hilfsmittel konzen-
triert, die sie für ihre Entwässerungsar-
beiten brauchten. „Es war ein beispiel-
loses Projekt, allein das Konzept ist
verblüffend“, sagt Elena Kountouri. „Es
belegt sehr weitreichende Kenntnisse
über Architektur und Wassertechnik.“
Umso erstaunlicher ist es, dass die
Anlage, die über drei monumentale
Toranlagen und drei klei-
nere Öffnungen verfügte,
um etwa 1230 v. Chr auf-
gegeben und verlassen
wwwurde. Da bislang keineurde. Da bislang keine
Spuren gefunden wur-
den, die auf Krieg oder
Belagerung verweisen,
bleibt der Rückzug ein
Rätsel, zumal sich auch in
den Linear-B-Schriftta-
fffeln der mykenischeneln der mykenischen
Griechen keine Hinweise
darüber finden.
Sicher ist, dass Gla et-
wa eine Generation vor
dem politischen und wirt-
schaftlichen Kollaps ver-
lassen wurde, der ab 1200
vvv. Chr. zum Zusammen-. Chr. zum Zusammen-
bruch des mediterranen
Mächtesystems führte.
Damals gingen nicht nur
das Großreich der Hethi-
ter in Kleinasien, sondern
auch und zahlreiche Herrschaften in
Syrien und Palästina unter. Nur mit
Mühe konnte sich das Neue Reich der
Ägypter gegen den Ansturm der „See-
völker“ zur Wehr setzen.
Glas Bewohner sind „mit ihrem ge-
samten Hab und Gut fortgezogen, und
das Gleiche passierte in zwei anderen,
viel kleineren befestigten Siedlungen in
der Nähe“, sagt Elena Kountouri. „Das
könnte mit einer langen Trockenzeit
zusammenhängen, vielleicht konnten
sie ihre Feldfrüchte nicht anbauen, hat-
ten nichts mehr zu essen und sind fort-
gegangen.“ Die Drainage-Anlagen, die
die Kopaisebene entwässert hatten,
verfielen und wurden wieder von Mala-
riamücken besiedelt. Erst 1931, nach
jahrzehntelangen Arbeiten, gelang es,
das Gebiet erneut vollständig trocken-
zulegen. Seitdem ist die Region eine
Kornkammer Griechenlands.

Z


u den geheimnisvollsten Orten
des griechischen Altertums zählt
die riesige Festung von Gla in
Mittelgriechenland. Die Mauern mit ei-
ner Gesamtlänge von fast drei Kilome-
tern übersteigen alles, was sich aus der
sogenannten mykenischen Zivilisation
erhalten hat. Damit wird jene Epoche in
der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtau-
sends vor Christus bezeichnet, in der
hoch entwickelte Zentren wie Mykene
auf der Peloponnes das Land be-
herrschten, das zu den Großmächten
der mediterranen Bronzezeit gehörte.

VON BERTHOLD SEEWALD

Anders als für die berühmten Stät-
ten wie Mykene, Tiryns, Theben oder
Pylos ist bis heute jedoch ungeklärt,
ob die gigantische Burg von Gla in den
homerischen Epen über den Krieg der
Griechen gegen Troja überhaupt er-
wähnt wird, also aus antiker Perspekti-
ve satisfaktionsfähig war. Mit umso
größerer Aufmerksamkeit werden da-
her Ausgrabungen begleitet, die der-
zeit von griechischen Archäologen in
Gla vorangetrieben werden. Das grie-
chische Kulturministerium spricht
von „besonders ermutigenden“ Ergeb-
nissen.
So wurden die Reste von sechs Ge-
bäuden freigelegt, die offenbar zur
gleichen Zeit um 1300 v. Chr. errichtet
wurden. Die Ausgräber deuten das En-
semble als einen präzise konstruierten
Komplex, der sich deutlich von der
Baugeschichte von Mykene oder Ti-
rrryns unterscheidet. Deren Zitadellenyns unterscheidet. Deren Zitadellen
waren über Generationen hinweg ge-
wachsen und immer wieder erweitert
worden. Viel spricht dafür, dass in Gla,
nach dem albanischen Wort für Burg,
dagegen zielgerichtete Planung am
WWWerk war.erk war.
Die dürfte auch den spektakulären
Ruinen zugrunde liegen, die unweit von
Gla ausgemacht wurden und in denen
die große Festung wahrscheinlich eine
wichtige Rolle spielte. Sie liegt auf ei-
nem flachen Hügel, der sich über einer
Ebene erhebt, die noch heute unschwer
als ausgetrockneter See identifiziert
werden kann. Dieser „Kopaissee“, der
bis ins 19. Jahrhundert ein regelrechter
Malariasumpf war, wurde in der Bron-
zezeit trockengelegt.
Dieses Großunternehmen ist ein mo-
numentales Zeugnis für die Ingenieur-
kunst der mykenischen Griechen. Um

den See in fruchtbares Ackerland zu
verwandeln, errichteten ihre Baumeis-
ter einen 25 Kilometer langen Draina-
gekanal, dessen Erddämme von soge-
nannten Zyklopenmauern – passgenau
zusammengefügten polygonalen Kalk-
steinblöcken – gestützt wurden. Mit ei-
ner Tiefe von bis zu drei Metern war
der Bau zum einen in der Lage, das
WWWasser des Sees und Hochwässer abzu-asser des Sees und Hochwässer abzu-
leiten. Zum anderen diente er der Be-
wässerung der Äcker und dem Trans-
port der Ernten.
Die Wassermassen wurden im Nord-
osten des Sees zu Schlucklöchern (Ka-
tavothren) geführt, durch die sie unter-
irdisch Richtung Meer abfließen konn-
ten. Das bedeutete allerdings auch, dass
diese Löcher regelmäßig gewartet wer-
den mussten, drohten doch im Fall von
VVVerstopfungen schwere Überschwem-erstopfungen schwere Überschwem-
mungen. Zahlreiche Wissenschaftler

WWWarum die Riesenfestungarum die Riesenfestung


plötzlich verlassen wurde


Wasser-Management vor 3000 Jahren: Archäologen


untersuchen die gewaltige Burg Gla in Griechenland


Der Gebäudekomplex in Gla wurde offenbar planmäßig
errichtet – hier die Fundamente

AP
/PG

Professor Michael Pfeiferist Leiter der
Pneumologie am Universitätsklinikum
Regensburg. Er studierte Medizin an der
TU München und an der Universität
Würzburg. 1998 habilitierte er und folgte
dem Ruf auf eine Professur in Regensburg.

Zur
Person UNIKLINIKUM REGENSB.

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