Die Welt - 06.04.2020

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DIE WELT MONTAG,6.APRIL2020 SEITE 11

WIRTSCHAFT


D


ie Wernecker Bierbraue-
rei hat Weltkriege über-
lebt, dazu Revolutionen
und Wirtschaftskrisen.
Nun aber ist Schluss.
Nach über 400 Jahren schließt das klei-
ne Familienunternehmen aus Werneck
im Landkreis Schweinfurt in Unterfran-
ken. „Das Coronavirus hat einen Strich
durch die Rechnung gemacht“, verkün-
det Inhaberfamilie Lang auf Facebook.

VON CARSTEN DIERIG

Weil Veranstaltungen breitflächig ab-
gesagt und Gastronomiebetriebe ge-
schlossen sind, fehlen für eine noch
nicht absehbare Zeit die dringend nöti-
gen Einnahmen. „Was nützen staatliche
Darlehen, die man wieder zurückbezah-
len muss? Soforthilfen, die an viele Be-
dingungen geknüpft sind? Soforthilfen,
die nicht einmal ein Drittel der Mitar-
beiterlöhne eines Monats decken?“,
heißt es in dem emotionalen Abschieds-
brief der Brauereibesitzer, die nun die
Reißleine ziehen.
Ende September wird die jahrhun-
dertealte Geschichte des kleinen Unter-
nehmens mit zurzeit noch 15 Mitarbei-
tern und einigen Minijobbern enden.
Nun war es zuletzt ohnehin nicht im-
mer gut bestellt um die Wernecker
Brauerei. In den vergangenen drei Jah-
ren sei es aber wieder aufwärts gegan-
gen, beschreibt Inhaber Hans Jörg Lang.
Und auch für 2020 habe es sehr gut aus-
gesehen, versichert er via Facebook. Die

Corona-Krise aber ändert alles. Denn es
bleiben große und unwägbare Risiken
für die Brauerei, zum Beispiel, wie viele
Gastronomen und damit Großabneh-
mer die Krise überhaupt überstehen
oder wie die Folgen für die Zulieferer
sind. Aber darauf wird jetzt nicht mehr
gewartet. „Die Familie ist unendlich
müde und wird den neuen, riesigen
Kampf nicht mehr aufnehmen.“ Und
mit dieser resignierenden Reaktion
dürfte Familie Lang nicht alleine blei-
ben. Experten jedenfalls sehen den Fall
der Wernecker Brauerei als Startschuss
für eine tiefgreifende Konsolidierung in
der deutschen Brauwirtschaft. „Die
Branche wird nach Corona nicht mehr
so aussehen wie vorher“, prognostiziert
etwa Marcus Strobl, der Biermarktana-
lyst von Marktforscher Nielsen in
Deutschland. Sorgen müsse man sich
dabei vor allem um die kleinen Anbieter
machen.
Das weiß auch Holger Eichele. „Ohne
rasche Hilfe werden viele Brauereien
aufgeben müssen“, fürchtet der Haupt-
geschäftsführer des Deutschen Brauer-
Bundes (DBB), der die aktuelle Lage als
„verheerend“ bezeichnet. Denn aktuell
kommen gleich mehrere Effekte zusam-
men. Zum einen ist das Exportgeschäft
weitgehend verloren gegangen. Und ins
Ausland wurden zuletzt immerhin rund
20 Prozent der Produktion verkauft, al-
len voran nach Italien, China und in die
USA – und damit in Länder, die beson-
ders stark vom Coronavirus betroffen
sind oder waren. Zum anderen gibt es

kein Gastronomiegeschäft mehr in
Deutschland, seit Restaurants, Gasthö-
fe und Kneipen oder auch Clubs und
Discos geschlossen sind und darüber hi-
naus sämtliche Volksfeste und Events,
Konzerte und Festivals und nicht zu-
letzt Messen und Sportveranstaltungen
teilweise bis weit in den Sommer hinein
abgesagt sind.
Zwar liegt der Gastronomieanteil der
deutschen Brauereien im Schnitt nur
bei rund 20 Prozent. Die Bandbreite
hinter diesem statistischen Mittelwert
aber ist riesig. „Es gibt eine Vielzahl von
Brauereien mit 60, 70 oder sogar 80
Prozent Gastronomieanteil“, weiß Lo-
thar Ebbertz, der Hauptgeschäftsführer
des Bayerischen Brauer-Bundes. Gast-
hausbrauereien seien sogar komplett
auf das Kneipengeschäft ausgelegt.
„Grundsätzlich gilt: je kleiner die
Brauerei, desto größer die Abhängigkeit
von der Gastronomie.“ Und der Anteil
dieser kleinen Bierhersteller ist riesig.
Von den zuletzt 1548 registrierten
Brauereien in Deutschland haben 1124
und damit mehr als 70 Prozent eine Jah-
resproduktion von nicht mal 5000 Hek-
tolitern. Zum Vergleich: Der Ausstoß
von Krombacher Pils, der hierzulande
meistgetrunkenen Biermarke, lag 2019
bei alleine 4,5 Millionen Hektolitern.
Zwar klammern sich viele kleine und
auch mittelgroße Unternehmen nun an
die staatlichen Hilfen, also Kredite und
Bürgschaften. Noch dazu haben Bund
und Länder kurzfristig eine Stundung
der Biersteuer erlaubt, was zu einer

zwischenzeitlichen Entlastung von
rund 650 Millionen Euro führen kann.
„Man darf diese Hilfen aber nicht
überbewerten“, warnt Verbandsvertre-
ter Ebbertz. Denn der im März und
April verlorene Umsatz in Handel und
Gastronomie werde im Mai nicht nach-
geholt: „Keiner trinkt oder isst im Mai
das mehr, was er dank Corona im März
und April weniger konsumiert hat.“ Die
entstandene Liquiditätslücke werde
durch Kredite also nicht überwunden,
sondern nur verschoben. „Viele Braue-
reien sind also spätestens dann am En-
de, wenn die Rückzahlungen anstehen“,
sagt Ebbertz. „sagt Ebbertz. „sagt Ebbertz. „Wir befürchten, dass etli-Wir befürchten, dass etli-
che den Kampf ums Überleben verlie-
ren werden.“ Nötig seien daher Zu-
schüsse statt Kredite.
Ansonsten verschwindet wohl ein
großer Teil der viel gerühmten Vielfalt
im deutschen Biermarkt. „Es besteht
die Gefahr, dass die Auswahl eintöniger
wird“, sagt Marktexperte Strobl. So wie
in anderen Ländern, wo oftmals nur
vier oder fünf Hersteller den Großteil
des Marktes abdecken.. „Mit der Krise
werden die Karten neu gemischt.“ Zwar
bricht auch den großen nationalen
Brauereien das Export- und Gastrono-
miegeschäft weg. „Die haben zum Aus-
gleich aber noch einen starken Fuß im
Handel“, sagt Nielsen-Analyst Strobl.
„Und da gab es gerade in den Kalender-
wochen elf und zwölf, also in den mitt-
leren Märzwochen gute Absätze im Zu-
ge der allgemeinen Hamsterkäufe.“
Doch auch bei Krombacher, Veltins, Bit-

burger, Warsteiner und Co. steigt die
Unruhe. „Der März ist ohnehin ein ver-
gleichsweise ruhiger Monat“, heißt es
zum Beispiel bei Veltins. Die große Fra-
ge sei daher, was im April und Mai pas-
siert. Denn dann beginnt zum Beispiel
die Grillsaison. Und auch sonst zieht
der Freizeitkonsum mit den steigenden
Temperaturen üblicherweise an. Wenn
sich aber weiterhin niemand treffen
darf, fehlen die Konsumanlässe. „Im
April und Mai wird sich zeigen, wie viel
Konsum zumindest noch in die Haus-
halte verlagert wird und wie viel kom-
plett verloren geht“, sagt auch Markt-
forscher Strobl.
Doch auch mit der Versorgung der
Haushalte kann es mittelfristig Proble-
me geben. „Noch ist in fast allen deut-
schen Brauereien die Produktions- und
Lieferfähigkeit gesichert“, meldet der
Deutsche Brauer-Bund. Kritischer sei
das Bild aber bei der Verfügbarkeit von
Rohstoffen und Verpackungen. Schon
acht Prozent der Brauereien hätten
Ausfälle zu beklagen, meldet der Ver-
band mit Verweis auf eine aktuelle Mit-
gliederbefragung. So gebe es erste Eng-
pässe bei Verpackungsmaterial, Ver-
schlüssen und Glas.
Noch dazu stockt der Rücklauf beim
Leergut. Laut Umfrage rechnet fast jede
zweite Brauerei mit Engpässen beim
Rückfluss der Pfandflaschen in den
kommenden Wochen. Und diese Ge-
mengelage wird Folgen haben für die
Beschäftigten in den Brauereien. Auch
das zeigt die Umfrage: 87 Prozent der
Betriebe rechnen damit, dass sie ihre
Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müs-
sen, 18 Prozent gehen sogar von Entlas-
sungen aus. „Es ist zu erwarten, dass die
Gastronomie und das Eventgeschäft bei
den Lockerungsmaßnahmen jeweils am
Ende der Kette stehen“, prognostiziert
DBB-Chef Eichele.
Es gibt sogar schon Stimmen, wonach
„Stand heute“ nicht mal sicher ist, ob
und in welcher Form das Münchner Ok-
toberfest stattfinden wird. Dazu passt
zudem, dass der Profifußball nicht mehr
damit rechnet, in diesem Jahr noch mal
vor Zuschauern spielen zu können. Etli-
che Brauer befürchten bereits das mit
Abstand schlimmste Minusjahr für die
deutsche Brauwirtschaft. Und das in ei-
ner ohnehin strukturell kritischen Pha-
se für die Branche. Der Konsum jeden-
falls ist seit vielen Jahren rückläufig.
2019 wurde beim Pro-Kopf-Verbrauch
sogar die magische Grenze von 100 Li-
tern unterschritten, wie der Brauer-
Bund gegenüber WELT bestätigt. Ste-
hen geblieben ist der Messwert bei rund
99,7 Litern, meldet der Verband. Zum
Vergleich: Vor 25 Jahren lag der entspre-
chende Wert noch bei 136 Litern, das
Allzeithoch wiederum waren 151 Liter
im Jahr 1976. Gründe für den rasanten
Abwärtstrend ist zum einen die altern-
de Bevölkerung – im Alter geht der Kon-
sum zurück. Zum anderen hat sich das
Verbraucherverhalten verändert im Zu-
ge eines deutlich gestiegenen Gesund-
heitsbewusstseins.
Zudem verschwindet Bier aus All-
tagssituationen: Auf Baustellen etwa ist
Pils längst nicht mehr das Hauptge-
tränk, auch das Feierabendbier bei zum
Beispiel Büroangestellten hat nicht
mehr den Stellenwert vergangener Jah-
re, und auf dem Land verschwinden
sukzessive die klassischen Stammtische
nach der Sonntagsmesse.

Eine Befüllungsanlage bei
VVVeltins. Dieser eher großeeltins. Dieser eher große
Akteur ist nicht direkt
gefährdet, aber auch dort
macht man sich Sorgen

PICTURE ALLIANCE/ RAINER JENSEN

Das Brauereisterben beginnt


Den deutschen Bierherstellern ist erst der Export weggebrochen und dann das Geschäft


mit der Gastronomie. Viele werden das nicht überleben – vor allem die kleineren Betriebe


Der VW-Chef über die Corona-


Krise und ihre Folgen Seite 12


Herbert Diess


LUFTHANSA

Finanzvorstand tritt
überraschend zurück

Die Lufthansa muss sich inmitten
der Turbulenzen durch die Corona-
Pandemie einen neuen Finanz-
vorstand suchen. Ulrik Svensson
lege mit Wirkung zum 6. April sein
Mandat aus gesundheitlichen Grün-
den nieder, teilte der Dax-Konzern
mit. Der Aufsichtsrat werde zeitnah
über eine Nachfolgelösung beraten
und entscheiden. Nähere Angaben
macht das Unternehmen nicht. Der
59-jährige Schwede war seit 1. Janu-
ar 2017 Vorstandsmitglied. Luft-
hansa ist wie alle anderen Flugge-
sellschaften schwer von den Folgen
der Corona-Krise getroffen. Der
Konzern hat nahezu die gesamte
Flotte stillgelegt, Zehntausende
Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt
und wirbt um milliardenschwere
Staatshilfen.

BANKEN

Tausende Filialen


werden abgebaut


Durch die Corona-Krise wird sich
der Filialabbau bei deutschen Ban-
ken beschleunigen. „Corona-be-
dingt“ dürften bis zum Jahr 2025
zusätzlich 3500 Filialen wegfallen,
schreibt WELT AM SONNTAG
unter Berufung auf eine Studie der
Beratungsgesellschaft Investors
Marketing. Die Anzahl der Kunden-
anlaufstellen werde damit insge-
samt um 10.700 auf rund 16.
fallen. „Die Krise zeigt mit Nach-
druck, wie anfällig die stationären
Geschäftsmodelle sind“, sagte der
Chef von Investors Marketing, Oli-
ver Mihm. Institute würden fest-
stellen, dass sie weniger Zweig-
stellen brauchen, als sie dachten.
Laut Mihms Prognose wird die Zahl
der Bankfilialen damit um durch-
schnittlich mehr als acht Prozent
pro Jahr sinken.

DEUTSCHE BAHN

Konzern setzt auf
digitale Bewerbungen

Die Deutsche Bahn setzt wegen der
Corona-Krise bei Einstellungsver-
fahren auf digitale Bewerbungs-
gespräche. Tausende Vorstellungs-
gespräche seien zuletzt „virtuell“
erfolgt, teilte die Bahn mit. Auch
Recruiting-Events finden demnach
in digitalen Formaten statt. Die
Berufsausbildung werde ebenfalls
über virtuelle Lernformate weit-
gehend sichergestellt. „Der Konzern
hat in einem enormen Kraftakt
seine Personalgewinnung innerhalb
weniger Tage an die veränderten
Rahmenbedingungen angepasst“,
erklärte Personalvorstand Martin
Seiler. Die Bahn stelle auch während
der Pandemie weiter ein. „Heute
kann niemand genau absehen, wie
sich die Corona-Krise in Deutsch-
land wirtschaftlich auswirken wird.
Aber klar ist: Wir brauchen die neu-
en Kolleginnen und Kollegen für
einen starken Schienenverkehr.“

KFW

Hohe Nachfrage nach


Corona-Krediten


Die Nachfrage von Unternehmen
nach Corona-Krediten der staatli-
chen Förderbank KfW ist weiterhin
ungebrochen. Bis Donnerstag wur-
den rund 3200 Anträge mit einem
Volumen von rund elf Milliarden
Euro bei der KfW gestellt, wie das
Bundeswirtschaftsministerium mit-
teilte. Bisher seien etwa 2700 An-
träge mit einer Gesamthöhe von
etwa 960 Millionen Euro zugesagt
worden. Zuvor hatte die „Bild am
Sonntag“ darüber berichtet. Rund
750 Millionen Euro seien an den
Mittelstand gegangen, betonte das
Ministerium. „Das heißt, das Pro-
gramm kommt im Mittelstand auch
an.“ Seit dem 23. März können Fir-
men Mittel aus dem KfW-Sonder-
programm bei ihrer Hausbank be-
antragen.

KOMPAKT


F


irmenlaptop, Headset und Maus


  • das sind die drei Rettungsan-
    ker für Marc Wittlinger in der
    Krise. Seine Aufgabe ist komplex: Er
    soll helfen, ein vernetztes System für
    eine Werkzeugmaschinenfabrik zu ent-
    wickeln.


VON INGA MICHLER

Eine Art Navigationssystem, das
Staus in der Produktionslinie vorher-
sagt. Natürlich wäre es einfacher, Witt-
linger liefe dazu durch die Produktions-
hallen. Zur Not geht es aber auch von
daheim. Per Videoschalte erklärt er Ar-
beitern, wie sie Sensoren auf Produkti-
onsteilen anbringen. Die Bewegungsda-
ten bekommt er dann direkt auf seinen
Computer.
Wittlinger schreibt seine Masterar-
beit in Wirtschaftsinformatik bei
Trumpf, dem weltgrößten Anbieter für
Werkzeugmaschinen. Für sechs Monate
sollte er in der Abteilung für vernetzte

Systeme mitarbeiten. Nach eineinhalb
Wochen mussten sämtliche Mitarbeiter
ins Homeoffice. „Wenigstens konnte ich
meine Kollegen noch persönlich ken-
nenlernen“, sagt Wittlinger. Er ist froh,
dass er weiterarbeiten kann. Etwas an-
deres wäre für seinen Chef, Jens Ott-
nand, auch nicht infrage gekommen. Er-
stens, weil Trumpf grundsätzlich zu sei-
nen Zusagen stehe. Und zweitens, weil
IT-Fachkräfte, Corona hin, Corona her,
für Trumpf besonders wertvoll sind –
und besonders schwer zu finden.
Tatsächlich boomt der Arbeitsmarkt
für Informatiker, Programmierer, Ma-
thematiker und Datenanalysten auch in
der Corona-Krise weiter. So mancher
Konzern schreibt sogar gerade jetzt
Stellen aus. Vielleicht gelingt es, den
einen oder anderen zaudernden Solo-
Selbstständigen an Bord zu holen. Oder
es lässt sich einem Unternehmen in der
Krise eine begehrte Arbeitskraft abluch-
sen. „Viele Großunternehmen suchen
seit Monaten händeringend nach ITlern

und Digitalexperten. Für sie hat die ak-
tuelle Krise auch etwas Gutes“, sagt
Jens Baier, Partner bei der Unterneh-
mensberatung BCG und dort Experte
für Personalthemen.
Solo-selbstständige Programmierer
oder Software-Ingenieure machten sich
in Zeiten der Unsicherheit auf die Suche
nach einem festen Job. „Für Konzerne,
an die sich junge Querdenker oft nicht
binden wollten, ist das eine Chance,
kluge Köpfe für sich zu gewinnen.“
„Wir setzen das Recruiting von Soft-
ware- und IT-Experten natürlich auch
in Corona-Zeiten fort“, erklärt Andrea
Morgan-Schönwetter, Leiterin des Re-
cruiting & Talent Marketing bei Volks-
wagen. Praktisch liefen viele Vorstel-
lungsgespräche derzeit über Videokanä-
le. Es habe sich in der IT-Szene herum-
gesprochen, dass Volkswagen ein at-
traktiver und obendrein „sehr fairer Ar-
beitgeber“ sei. Von Kurzarbeit jeden-
falls sind die meisten ITler bei Volkswa-
gen nicht betroffen. Achim Berg, Präsi-

dent des Digitalverbands Bitkom, ist
überzeugt, dass Unternehmen bei der
Digitalisierung als Allerletztes kürzen
sollten. „Manager, die unter dem Ein-
druck der Krise an Personal bei der Di-
gitalisierung sparen wollen, spielen mit
der Zukunft ihres Unternehmens“,
warnt er. Berg hat beobachtet, dass gro-
ße Firmen gerade jetzt gezielt nach IT-
Experten wie etwa Softwareentwicklern
und Datenanalysten suchen.
Genug IT-Fachkräfte für alle wird es
auch in der Krise nicht geben. Ende
2 019 waren nach Schätzungen des Bit-
kom branchenübergreifend 124.
Stellen unbesetzt. Die Zahl hatte sich
binnen zwei Jahren mehr als verdop-
pelt. Auch mit Corona ist kaum Ent-
spannung in Sicht.Auf lange Sicht im-
merhin könnte die Krise doch etwas Ab-
hilfe schaffen: Selten waren Wissen-
schaftler gefragter als in Zeiten von Co-
rona. Virologen, Mathematiker und Da-
tenanalysten sind Krisenerklärer und


  • bekämpfer zugleich. Das ist beste Wer-


bung für ihre Fächer. Gut möglich, dass
sich künftig mehr Jugendliche als bis-
her für eine Karriere in den Natur- und
Computerwissenschaften entscheiden.
Bis dahin bleibt der Mangel. Bayer etwa
hat aktuell 43 offene IT-Profile auf sei-
ner globalen Karriereseite ausgeschrie-
ben und betont, dass für viele Stellen
auch mehr als ein neuer Mitarbeiter ge-
sucht werde.
Als „Chance“, IT-Spezialisten an Bay-
er zu binden, möchte Bernd Schmitz
Corona dennoch nicht sehen. „Wir sind
für IT-Spezialisten zu allen Zeiten ein
sehr attraktiver Arbeitgeber“, betont
der Leiter des Bayer-Personalmarke-
tings. „Dies wird auch dann noch gelten,
wenn die Pandemie schon lange vor-
über sein wird.“ In Unternehmen aller
Branchen wird Corona die Digitalisie-
rung weiter vorantreiben, so viel ist si-
cher. Und gestärkt werden aus der Krise
nur jene hervorgehen, die es schaffen,
sich zum Magneten für die begehrten
IT-Fachkräfte zu machen.

Die Krise macht Informatiker noch begehrter


Viele Menschen werden demnächst ihren Job verlieren. Manche sind aber so gefragt, dass sich große Firmen gerade jetzt auf sie stürzen


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