Süddeutsche Zeitung - 06.04.2020

(Nora) #1
Hamburg – Ein ehemaliger Kieler ist
schon jetzt Handball-Meister der Saison
2019/20. Nationaltorhüter Andreas Wolff
hat gerade mit seinem neuen Klub Vive
Kielce in Polen den Titel zugesprochen be-
kommen, weil der dortige Verband die
Spielzeit abgebrochen hat und Kielce Ta-
bellenführer ist. Wolff empfiehlt den Deut-
schen die gleiche Konsequenz: „Ange-
sichts des Infektionsrisikos wären – wenn
überhaupt – nur Geisterspiele möglich“,
glaubt er. Und wenn die Teams demnächst
unvorbereitet in den Saisonendspurt gin-
gen, „macht das unseren Sport kaputt“. Ge-
rade die Bundesliga lebe von ihren Zu-
schauern und der tollen Stimmung.

Doch so weit ist es noch nicht ganz. Am
Freitag wurde bei einer Videokonferenz
der Handball-Bundesliga (HBL) beschlos-
sen, die zunächst bis 20. April beschlosse-
ne Auszeit bis zum 16. Mai zu verlängern
und danach zu versuchen, die Saison bis
zum 30. Juni sportlich zu Ende zu bringen.
Eine weitere Verlängerung der Spielzeit bis
in den Juli oder August, wie es der europäi-
sche Verband EHF für die Europacup-Wett-
bewerbe plant, schloss die Liga nach recht-
licher Prüfung aus. Bei einer Fortsetzung
könnte aber nur ein geringer Teil der von
HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann auf
25 Millionen Euro taxierten Verluste bei ei-

nem Abbruch der Spielzeit gerettet wer-
den. Anders als beim Fußball betragen die
TV-Einnahmen der HBL gerade mal fünf
Prozent, während Zuschauer- und Sponso-
ring-Erlöse etwa 80 Prozent ausmachen.
Würde die HBL dem polnischen Beispiel
doch folgen, könnte der THW Kiel zum
21.Mal deutscher Meister werden. Aber bis
es soweit ist, hat der Rekordmeister aus
Schleswig-Holstein wie alle anderen Klubs
die Kosten drastisch heruntergefahren. In
der vergangenen Woche hat der THW Kurz-
arbeit für alle Mitarbeiter beantragt, auch
für die Profis. Und wie der Titelkonkurrent
SG Flensburg-Handewitt und alle anderen
Vereine hat der THW mit den Spielern ei-
nen drastischen Gehaltsverzicht ausgehan-
delt. Laut dem Sportlichen Leiter Viktor
Szilagyi ist er sogar noch höher als bei den

anderen Klubs, wobei die Kieler ja auch ins-
gesamt die höchsten Gehälter zahlen.
„Als Familie steht man in guten und in
schlechten Zeiten zusammen. Wir alle ha-
ben dem Klub, den Sponsoren und den
Fans viel zu verdanken. Heute ist es mehr
denn je wichtig, als Team zu agieren, damit
wir hoffentlich bald wieder gemeinsam
emotionale Handball-Momente erleben
können“, sagt THW-Kapitän Domagoj Duv-
njak. Der Verein stellt den Spielern laut Szi-
lagyi aber in Aussicht, einen Teil des Ver-
zichts zurückzuzahlen, „wenn das Ergeb-
nis des Geschäftsjahres 2019/20 besser
ausfällt als jetzt unterstellt“. Das ist eine
Art Besserungsschein.
Bei aller Solidarität der aktuellen THW-
Profis wird der Transfer des norwegischen
Rückraumspielers Sander Sagosen ein Fin-

gerzeig für die Zukunft. Das Gehalt für Sag-
osen, der im Sommer kommen soll, wurde
in virusfreien Zeiten ausgemacht, es soll
angeblich 40 000 Euro pro Monat betra-
gen. Jetzt müsste der THW wohl noch ein-
mal nachverhandeln mit dem Spieler, der
bei der WM 2019 und bei der EM 2020 ins
„All-Star-Team“ gewählt wurde – und das
könnte schwierig werden: Sagosen zählt
schon bei dem aus Katar geförderten fran-
zösischen Titelträger Paris St. Germain zu
den gut bezahlten Angestellten.
Die Franzosen könnten international
die finanziellen Sieger sein. Für sie gilt
wohl nicht, was THW-Aufsichsratschef
Marc Weinstock in einem Interview mit
denKieler Nachrichtenvorhersagte: Das
Gehaltsniveau werde bei der „größten
Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Welt-
krieg in vielen Sportarten sinken“. Auch
Monatsgehälter von fast 30 000 Euro, wie
sie die Nationalspieler Steffen Weinhold
oder Patrick Wiencek bisher bezogen,
könnten der Geschichte angehören. Zu-
dem denkt der Unternehmer Weinstock
ähnlich wie Wolff. Er vermutet, das frühzei-
tige Ende der Saison sei nicht zu verhin-
dern. Zudem machten Geisterspiele, so der
THW-Chef, anders als im Fußball, „für uns
keinen Sinn“. Lieber zeigt der THW jetzt
„Re-Live-Videos“ von legendären Partien
der Kieler Handball-Geschichte.

Auch in der Bundesliga sind viele skep-
tisch, was die Fortsetzung der Saison an-
geht. Nationalmannschafts-Kapitän Uwe
Gensheimer bekräftigt, man habe „keine
Lust auf Geisterspiele“. Nach dem 20. April
„muss eine Entscheidung fallen“, fordert
der Sportvorstand der Füchse Berlin, Ste-
fan Kretzschmar. Schon in dieser Woche
will das HBL-Präsidium den Klubs ein Ab-
bruch-Szenario vorstellen. Es wird haupt-
sächlich um Fragen gehen, wer als Meister
gekürt wird und wer an den europäischen
Wettbewerben teilnehmen darf. Fast si-
cher ist, dass es bei einem Abbruch keine
Absteiger gibt, sondern nur Aufsteiger. Ab-
zuwarten ist allerdings, ob sich Mannschaf-
ten trotzdem aus finanziellen Gründen zu-
rückziehen. jörg marwedel

Die Handballerin Maike Schirmer wech-
selt vom Bundesligisten Buxtehuder SV
zum französischen Erstligisten Toulon
Saint-Cyr Var Handball. Das teilte der
neue Klub der 29-Jährigen am Wochen-
ende auf seiner Homepage mit. Die
Rechtsaußen, die ihren Abschied aus
Buxtehude schon vor einigen Wochen
bekanntgegeben hatte, unterschrieb
zunächst für ein Jahr in Südfrankreich.
„Nach zehn Jahren in der Bundesliga
kann ich es kaum erwarten, dieses auf-
regende neue Abenteuer zu beginnen“,
wurde die 14-malige Nationalspielerin
auf der Homepage der Französinnen
zitiert. Die Saison der Frauen in
Deutschland ist wegen der gegenwärti-
gen Corona-Pandemie vorzeitig been-
det worden. In Frankreich ist der Spiel-
betrieb bislang nur unterbrochen. dpa

Rund zehn Wochen nach seinem tödli-
chen Helikopterabsturz ist der fünfmali-
ge NBA-Champion Kobe Bryant in die
Ruhmeshalle des Basketballs aufgenom-
men worden, die „Hall of Fame“. In der
offiziellen Begründung hieß es über den
ehemaligen Profi der Los Angeles La-
kers: „Er war einer der Größten, die je-
mals das Parkett betreten haben.“ Die
Aufnahmezeremonie ist derzeit für den



  1. August vorgesehen, sie wird traditio-
    nell in der Ruhmeshalle in Springfield,
    im US-Bundesstaat Massachusetts abge-
    halten. Die Nominierung für die „Hall of
    Fame“ kann traditionell frühestens drei
    Jahre nach dem Karriereende erfolgen;
    Bryant hatte nach 20 Jahren bei den La-
    kers am Ende der Saison 2015/16 aufge-
    hört. Mit 33 643 Punkten belegt er Rang
    vier in der ewigen Korbjägerliste der
    amerikanischen Profiliga NBA.
    Bryants Ehefrau Vanessa bezeichnete
    die Aufnahme als einen der größten Er-
    folge ihres Mannes. „Das ist eine un-
    glaubliche Ehre, wir sind sehr stolz auf
    ihn“, sagte sie dem amerikanischen
    SportsenderESPN: „Jede einzelne Leis-
    tung, die er als Sportler erreicht hat, war
    ein kleiner Schritt auf dem Weg hierhin.“
    Lakers-Besitzerin Jeanie Buss würdigte
    in einem Statement Bryants Fähigkei-
    ten, Moral und Entschlossenheit: „Diese
    Qualitäten haben Kobe geholfen, uns zu
    fünf Meisterschaften zu führen – und ha-
    ben ihn nun in die Hall of Fame gebracht,
    wo er mit den Größten versammelt ist,
    die dieses Spiel jemals gespielt haben.
    Niemand verdient es mehr.“
    Neben Bryant, der am 26. Januar im
    Alter von 41 Jahren gemeinsam mit sei-
    ner 13 Jahre alten Tochter Gianna und
    sieben weiteren Menschen in der Nähe
    von Los Angeles tödlich verunglückt
    war, wurden weitere acht Persönlichkei-
    ten in die Ruhmeshalle aufgenommen,
    die sich um den Basketballsport ver-
    dient gemacht haben. Dazu gehören Tim
    Duncan, der fünfmalige NBA-Meister
    mit den San Antonio Spurs, und dessen
    NBA-Kollege Kevin Garnett sowie Tami-
    ka Catchings, die mit den USA viermal
    Olympiasiegerin wurde. sid, sz


Es gilt als ausgemacht, dass es
bei einem Saisonabbruch nur
Aufsteiger gibt, keine Absteiger

Sebastian Coe, der Präsident des Leicht-
athletik-Weltverbandes „World Athle-
tics“, hat Sportler weltweit gewarnt, die
aktuelle Corona-Krise als Schlupfloch
für Doping zu nutzen. Kein Sportler
solle jemals zu dem Schluss kommen,
dass er sich in einer Sperrzone für Tests
befinde, sagte der Brite der ARD-Do-
pingredaktion. Derzeit ruht das interna-
tionale Kontrollsystem weitgehend. Coe
wies jedoch auf weiterlaufende Prozes-
se hin: „Kein Athlet sollte jetzt glauben,
nach Belieben an Wettbewerben teilneh-
men zu können, ohne sich der Integrität
des Sports zu unterwerfen. Wir werden
sie erwischen!“ Besorgt sei er dennoch.
„Es wäre ja lächerlich, wenn ich sagen
würde, dass dies keinen Einfluss haben
wird. Ich denke, das wissen wir alle“,
sagte Coe. sid

Der langjährige Formel-1-Chef Bernie
Ecclestone plädiert dafür, die Saison
2020 aufgrund der Corona-Krise kom-
plett ausfallen zu lassen. „Wir sollten
die Meisterschaft dieses Jahr stoppen
und nächstes Jahr hoffentlich wieder
beginnen. Ich sehe nicht, wie man in
diesem Jahr noch auf die notwendige
Anzahl von Rennen kommen soll“, sagte
der 89-Jährige demBBC Radio.Die
ersten acht der 22 geplanten Saisonren-
nen sind bereits verschoben oder – wie
im Falle des Großen Preises von Mona-
co – abgesagt worden. Nach aktuellem
Plan soll die Saison Mitte Juni in Kana-
da starten. Für eine Wertung als Welt-
meisterschaft braucht es mindestens
acht Rennen. „Ich sehe nicht, wie das
gehen soll“, sagte Ecclestone. Sollte die
Saison dennoch aufgenommen werden,
gibt es für ihn nur einen Favoriten:
Lewis Hamilton. „Er würde alle acht
Rennen gewinnen. Es wäre keine tolle
WM“, ist Ecclestone überzeugt. sid

Der fünfmalige Windsurf-Weltmeister
Philip Köster fürchtet, dass seine Jagd
auf die Rekordchampions Björn Dunker-
beck und Robby Naish (jeweils sieben
Titel) in diesem Jahr von der Corona-
Pandemie gestoppt werden könnte.
„Ein großes Problem könnte das Reisen
darstellen. Ich weiß nicht, wie sicher es
sein wird, ob jeder zu den Events kom-
men kann. Die meisten Hersteller von
Windsurfmaterial sind in Thailand und
China ansässig, das heißt die Produkti-
on verschiebt sich ebenfalls nach hin-
ten. Es kommen schon viele Dinge zu-
sammen“, sagte Köster dem Internetpor-
talSport1. An seinem Ziel, Dunkerbeck
und Naish zu überholen, ändere die
aktuelle Situation nichts, mit 26 Jahren
ist Köster ohnehin noch jung genug.
„Björn Dunkerbeck hat sieben Wave-Ti-
tel, ich möchte schon ein paar mehr
haben“, sagte er. Der erste Weltcup soll
im Juli in Spanien ausgetragen werden,
an eine planmäßige Durchführung
glaubt Köster aber nicht: „Ich würde die
Tour dieses Jahr sehr gerne haben, aber
das könnte schwierig werden.“ sid

Zahlreiche Reiter kämpfen mit den
finanziellen Auswirkungen der Corona-
Krise. Die Einnahmen fallen derzeit
weg, die hohen Fixkosten für die Tur-
nierställe aber bleiben. „Es trifft uns
alle“, sagt die Dressurreiterin Isabell
Werth (FOTO: ALEX GRIMM / RTR): „Aber einige
schwerer. Alle Turnierställe sind davon
abhängig, dass Turniere stattfinden.“

Die sechsmalige Olympiasiegerin erklär-
te: „Es gibt keine Preisgelder. Und es
werden von den Handelsställen keine
Pferde verkauft.“ Pferdeverkauf ist
zwar nicht für Werth, aber vor allem bei
vielen Springreitern die wichtigste Ein-
nahmequelle. „Drei, vier Monate kön-
nen wir das aushalten, ohne gleich in
die Insolvenz zu gehen“, sagte Springrei-
ter Ludger Beerbaum. Bei einem halben
Jahr würde es anders aussehen, erklär-
te der Betreiber eines Turnier- und
Handelsstalls. Dann müsse er über
Sparmaßnahmen nachdenken. dpa

Schirmer geht nach Toulon


von sebastian winter

D


er vergangene Freitag wird als his-
torisches Datum in die Geschichte
der Volleyball-Bundesliga (VBL) ein-
gehen. Als erster Klub aus ihren Reihen hat
der TV Rottenburg an jenem 3. April wegen
der Corona-Pandemie seinen Rückzug aus
dem Profibetrieb bekanntgegeben. Die Be-
gründung: Allein in den vergangenen Ta-
gen hätten die Sponsorenabsagen für die
kommende Saison einen sechsstelligen
Fehlbetrag erreicht. Da sich der Klub prin-
zipiell nicht verschulden wolle, habe er
nun die Reißleine ziehen müssen, hieß es
in einer Mitteilung, von der die Liga offen-
sichtlich überrascht wurde. „Das kam wie
ein Blitz aus heiterem Himmel und ist aus
meiner Sicht verfrüht“, sagte VBL-Vor-
standssprecher Andreas Bahlburg: „Ich
hätte mir einen Dialog gewünscht. Dass
Rottenburg ohne Vorankündigung die
Reißleine zieht, gefährdet auch andere
Standorte und beschädigt die Solidarität in-
nerhalb der Bundesliga.“


Rottenburg galt als einer jener Klubs,
die man bisher zum Erstliga-Inventar zäh-
len musste. 2006 stiegen die Männer aus
dem Schwäbischen erstmals auf und di-
rekt wieder ab, seit 2008 zeigen sie am Ne-
ckar ununterbrochen Profivolleyball. Mit
bescheidenen Mitteln allerdings, der Etat
lag immer bei weit weniger als einer Milli-
on Euro, zuletzt waren es dem Vernehmen
nach rund 650000 Euro. Für ihre Heim-
spiele zogen die Rottenburger mangels ei-
gener tauglicher Halle in die benachbarte
Studentenstadt Tübingen um. Die dortige
Paul-Horn-Arena war innen so grellrosa ge-
strichen, dass den Gegnern schon beim Ein-
spielen die Augen schmerzten.
Stimmungsvoll war es dort fast immer,
in dieser kurz vor den Playoffs abgebroche-
nen Saison hatten die Volleyballer erneut
den zweithöchsten Zuschauerschnitt der
Liga – hinter Meister Berlin. Auch sport-
lich lief es wieder besser, nachdem ihr lang-
jähriger Trainer Hans Peter Müller-Angst-
enberger 2019 zurückgetreten war. Müller-
Angstenberger, der sogenannte „Hexer“,
der an der Seitenlinie oft wie ein Rumpel-
stilzchen hin- und herrannte, hatte die
sportliche Talfahrt nicht mehr aufhalten
können. Rottenburg blieb vor einem Jahr
nur Erstligist, weil zu wenige Klubs in die
höchste Klasse aufsteigen wollten.
In der nun Mitte März jäh gestoppten
Saison blühte der Klub aber wieder auf, er-
reichte mit einem guten Kader das Pokal-
Halbfinale, besiegte in der Liga die favori-
sierten Gegner Frankfurt, Düren und die
Alpenvolleys. Die Playoffs waren noch in
Reichweite, als das Virus die Spielzeit been-
dete. Nun zieht sich Rottenburg in die drit-
te Liga zurück, dort sollen eigene Talente
gefördert werden. „Es fühlt sich so an, wie
wenn wir in einem Boxkampf zwölf Run-


den tapfer gekämpft haben und dann der
Corona-K.-o. zuschlägt“, sagte Rotten-
burgs Geschäftsführer Norbert Vollmer.
Der gesamten Liga könnte nun ein
Schneeballeffekt drohen, der sich zur Lawi-
ne ausweitet, denn gerade die finanzschwä-
cheren Vereine aus der unteren Tabellen-
hälfte leiden enorm in diesen Wochen, in
denen normalerweise für die kommende
Spielzeit geplant wird und die Verträge un-
terschrieben werden. Zwar hat die VBL
nach dem Saisonabbruch zwei Spieltage
vor dem Playoff-Beginn beschlossen, dass
es keine sportlichen Absteiger geben wird,
allerdings fehlen den Klubs jetzt die Zu-
schauer- und Werbeeinnahmen aus den be-
sucherstarken Playoff-Duellen. Und dass
Sponsoren gerade reihenweise absprin-
gen, erleben nicht nur die Rottenburger.
Erst am vergangenen Dienstag hat der
ohnehin insolvente unterfränkische Klub
aus Eltmann sein Erstligaprojekt für been-
det erklärt, ausstehende Gehälter an Spie-
ler und Trainer kann der Tabellenletzte we-

gen leerer Konten nicht mehr überweisen.
Eltmann hatte bereits kurz vor Weihnach-
ten Insolvenz beantragt, der finanzielle Ab-
sturz hatte zunächst also nichts mit der Co-
rona-Krise zu tun, sondern war selbst ver-
schuldet. Unter anderem geriet der Aufstei-
ger deshalb ins Schlingern, weil er für sei-
ne Heimspiele in die große (und teure) Bro-
se-Arena nach Bamberg umzog, die auch
die dortigen Bundesliga-Basketballer nut-
zen. Im Schnitt kamen zu Eltmanns Heim-
spielen aber viel zu wenige Zuschauer,
selbst bei Topspielen wie gegen Berlin wur-
den massenhaft Freikarten verschenkt.
Kürzlich teilte einer von Eltmanns Haupt-
sponsoren den Volleyballern mit, dass er
die ausstehenden Beträge wegen der Coro-
na-Krise nicht mehr zahlen könne. Elt-
mann droht von Seiten der VBL nun neben
32000 Euro Geldstrafe der Ausschluss aus
den Lizenzligen. Dass der Klub Erstligist
bleibt, gilt als nahezu ausgeschlossen.
Es könnte noch weitere Vereine treffen,
auch sehr prominente. Die Alpenvolleys,

das deutsch-österreichische Projekt mit
Sitz in Innsbruck und Unterhaching, wol-
len nach Ostern entscheiden, ob und wie es
für sie weitergeht. Zuletzt war es aufwärts
gegangen mit dem bislang strukturell eher
holpernden Bündnis, das sich sportlich
längst hinter Berlin und Friedrichshafen
als Nummer drei der Liga etabliert hat. Die
Zuschauerzahlen stimmten, eine gewisse
Euphorie war spürbar. Manager Hannes
Kronthaler, als Tiroler Bauunternehmer
zugleich einer der wichtigsten Geldgeber,
fragt sich dennoch, ob das grenzübergrei-
fende Projekt in diesen kaum planbaren
Zeiten noch Sinn ergibt.
Einer Liga, in der zuletzt nur zwölf
Mannschaften spielten, würde binnen Wo-
chen ein Viertel ihrer Teilnehmer fehlen,
falls nach Rottenburg und Eltmann auch
noch die Alpenvolleys ihren Abschied ver-
künden. Die VBL möchte noch keine Panik
verbreiten, ihr Geschäftsführer Klaus Pe-
ter Jung sagt: „Ein Ligabetrieb mit zwei
Mannschaften ergibt, stark überspitzt for-

muliert, keinen Sinn. Aber mit solchen Sze-
narien müssen wir uns derzeit nicht be-
schäftigen.“ Es gibt allerdings inzwischen
bereits Kurzarbeit in den meisten Klubs.
„Wir stecken in unserer bisher prekärsten
Lage, so etwas Einschneidendes ist mir aus
der Historie der Volleyball-Bundesliga
nicht bekannt“, sagt VBL-Vorstandsspre-
cher Bahlburg, der selbst als Vorsitzender
des Ligaachten SVG Lüneburg ein Etatloch
in einer mittleren fünfstelligen Höhe stop-
fen muss.
Bei den Frauen ist die Lage ebenfalls
ernst, aber dem Vernehmen nach nicht
ganz so schlimm wie bei den Männern.
Auch weil sich die Etats besser verteilen
und die Schere zwischen Arm und Nicht-
ganz-so-Arm nicht so weit auseinander-
klafft. Doch auch dort ist zu befürchten,
dass Vereine unterhalb der großen Drei –
Schwerin, Stuttgart und Dresden – aufge-
ben müssen. Der Schneeball, der in Rotten-
burg und Eltmann ins Rollen kam, nimmt
gerade erst Fahrt auf.

(^26) SPORT Montag, 6. April 2020, Nr. 81 DEFGH
Späte Ehre
Bryant in der „Hall of Fame“
Keine Lust auf Geisterspiele
Die Handball-Klubs bereiten sich auf den Saisonabbruch vor – und stimmen ihre Profis auf ein sinkendes Gehaltsniveau ein
Handball-Bundesliga
Tabelle nach dem 27. Spieltag am 8. März
Coe warnt die Doper
Ecclestone für Formel-1-Stopp
Köster verschiebt Ziele
Reiter befürchten Einschnitte
KURZ GEMELDET
Das tut nicht nur den Augen weh: Rottenburgs Volleyballer werden fürs Erste niemanden mehr in die Paul-Horn-Arena in Tübingen locken. FOTO: ULMER / IMAGO
K.o. nach zwölf Runden
Als erster Klub der Volleyball-Bundesliga kündigt der TV Rottenburg an, wegen der aktuellen Situation seine Mannschaft zurückzuziehen.
Der höchsten Spielklasse hierzulande droht nun ein Schneeballeffekt: Auch bei anderen Vereinen springen Sponsoren ab
Die Rottenburger hatten den
zweithöchsten Zuschauerschnitt –
auch sportlich ging es nach oben



  1. THW Kiel 26 782:650 44:8

  2. SG Flensburg-Hand. 27 732:647 42:12

  3. SC Magdeburg 27 782:717 39:15

  4. Hannover-Burgdorf 27 778:736 36:18

  5. Füchse Berlin 27 775:723 35:19

  6. Rhein-Neckar Löwen 26 729:686 34:18

  7. MT Melsungen 26 716:700 32:20

  8. DHfK Leipzig 26 714:714 27:25

  9. HSG Wetzlar 27 754:754 27:27

  10. TBV Lemgo 27 765:768 27:27

  11. F.a. Göppingen 26 679:684 23:29

  12. TVB Stuttgart 27 709:759 21:33

  13. Bergischer HC 27 709:728 20:34

  14. HC Erlangen 27 695:739 20:34

  15. TSV Minden 26 690:720 18:34

  16. Balingen-Weilstetten 27 741:818 16:38

  17. Ludwigshafen 27 639:702 15:39

  18. Nordhorn-Lingen 27 643:787 4:50


Kommt er? Bleibt er in Paris? Ob der Norweger Sander Sagosen wie verabredet im
Sommer zum THW Kiel wechselt, ist derzeit wieder offen. FOTO: SÖREN STACHE / DPA
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