Süddeutsche Zeitung - 06.04.2020

(Nora) #1

Baiern/München – Massiver sexueller
Missbrauch, Gewalt, Prostitution: Schwere
Vorwürfe rücken ein ehemaliges katholi-
sches Heim für schwer erziehbare Buben
ins Visier der Justiz – und bringen die Kir-
che und ihre Aufklärungsarbeit einmal
mehr unter Druck. Die Staatsanwaltschaft
München II hat Vorermittlungen eingelei-
tet gegen einen früheren Erzieher des ehe-
maligen Jugenddorfes Piusheim in Baiern
(Kreis Ebersberg) in der Nähe von Mün-
chen und einen damals angehenden Pries-
ter. Das teilte die Behörde auf Anfrage der
Deutschen Presse-Agentur mit.
Hintergrund der Ermittlungen sind Vor-
würfe massiven sexuellen Missbrauchs,
die bei einem Prozess vor dem Landgericht
München II bekannt wurden. Ein 56 Jahre
alter Mann, der selbst wegen schweren
Missbrauchs an kleinen Kindern ange-
klagt ist, hatte vor Gericht angegeben, in
seiner Kindheit und Jugend unter ande-
rem im Piusheim von mehreren Männern
missbraucht worden zu sein.
Er schilderte Entsetzliches, sprach von
Prostitution, von „Anschaffen“ und „Sex-
partys“. „90 Prozent der Jungen gingen am
Wochenende los und beklauten die Dorfbe-
wohner, zehn Prozent fuhren zum Anschaf-
fen nach München.“ Zwei seiner Freunde
hätten sich erhängt – einer davon in der Du-
sche mit einem Schal von 1860 München.
Auch er selbst habe schon als Kind ver-
sucht, sich das Leben zu nehmen.
Belegen lassen sich diese Vorwürfe der-
zeit noch nicht. „Ob die Angaben sich als be-
lastbar erweisen und ob schließlich eine
strafrechtliche Ahndung erfolgen kann,
kann noch nicht gesagt werden“, betont
Staatsanwältin Karin Jung. Das Erzbistum
München-Freising bestätigt allerdings,
dass im Zusammenhang mit der 2006 ge-
schlossenen Einrichtung seit 2010 neun
Verdachtsfälle wegen sexueller Übergriffe
oder körperlicher Gewalt gemeldet wur-
den. Alle Fälle ereigneten sich nach Anga-
ben der Katholischen Jugendfürsorge
(KJF) von den 1950er-Jahren bis Mitte der
1970er. Die Jungen, die im Piusheim als
„schwer erziehbar“ betreut wurden, waren
zwischen sechs und 18 Jahre alt, die meis-
ten älter als 14.


In zwei Fällen seien „Zahlungen zur An-
erkennung des Leids“ geleistet worden,
sagt ein Bistumssprecher. Einmal sei es
um einen Priester gegangen, den das mut-
maßliche Opfer aber nicht namentlich be-
nennen konnte. Die Vorwürfe seien so
glaubhaft gewesen, dass das Bistum trotz-
dem zahlte. In einem zweiten Fall habe die
KJF die Zahlung übernommen, weil es sich
beim mutmaßlichen Täter nicht um einen


Priester, sondern um einen Erzieher han-
delte. Nach KJF-Angaben hätten einige
mutmaßliche Opfer um Ortstermine gebe-
ten, um sich mit der Vergangenheit ausein-
andersetzen zu können. Diese seien ermög-
licht worden. „Wir gehen jedem Hinweis
auf Missbrauch nach“, betont der Spre-
cher. „Und wir sind zur vollumfänglichen
Kooperation mit der Staatsanwaltschaft be-
reit.“ Die Verteidigerin des Angeklagten
hält die Aussage ihres Mandanten für abso-
lut authentisch. Der 56-Jährige habe im
Vorfeld der Verhandlung angedeutet, was
ihm in seiner Jugend passiert sei. Dass er
vor Gericht so ausführlich darüber berich-
tete, habe sie selbst überrascht, die Dimen-
sion des Ganzen habe sie schockiert.

Besonders viel ist über das Piusheim
nicht dokumentiert. Es wurde nach Anga-
ben der Katholischen Jugendfürsorge
(KJF) im Oktober 1905 vom katholischen
„Verein zur Betreuung der verwahrlosten
und bestimmungslosen Jugend“ gegrün-
det. Die KJF übernahm die Trägerschaft
am 1. Oktober 1981 und gab sie am 30. Juni
2006 wieder auf. Das Anwesen wurde ver-
kauft, heute befindet sich auf dem Gelän-
de unter anderem eine Privatschule.
In einem Buch über Heimerziehung
schreiben die Autoren von Gewalt im Pius-
heim in den 1950er- und 60er-Jahren. Und
von einem „Sittlichkeitsvergehen“, das ei-
nen Erzieher „in Untersuchungshaft“
brachte. Der Landsberger Psychothera-
peut Günther Mühlen, der Anfang der
1970er-Jahre ein Praktikum im Piusheim
machte, berichtet von einem leitenden Päd-
agogen, der „nach meiner Zeit“ wegen se-
xuellen Missbrauchs von Kindern und Ju-
gendlichen den Dienst quittieren musste.
In die sogenannte MHG-Studie zur Auf-
arbeitung sexuellen Missbrauchs in der ka-
tholischen Kirche, die deutschlandweit
Tausende Fälle dokumentierte, schafften
es die meisten Vorwürfe zum Piusheim
nicht. Nur der eine Verdachtsfall mit dem
Priester taucht auf, wie der Bistumsspre-
cher sagte – unter anderem, weil es sich
sonst um Erzieher handelte oder die Hin-
weise vage geblieben seien. Auch im „West-
phal-Bericht“ über Missbrauch im Bistum
taucht das Piusheim den Angaben nach
nicht auf.
Der Sprecher der Opfer-Initiative „Ecki-
ger Tisch“, Matthias Katsch, hofft, dass
sich nun ehemalige Bewohner des Pius-
heims melden. „Die noch vorhandenen Un-
terlagen über diese und andere Einrichtun-
gen in kirchlicher Trägerschaft müssen
jetzt gesichert werden“, fordert er. „Ich bin
sicher, wir werden dann noch so einige
Überraschungen erleben.“ dpa

München– Er und sie, verliebt. Er hat sei-
nen rechten Arm um ihren Nacken gelegt.
In der linken Hand trägt er eine große Pa-
ckung Klopapier. So gehen sie vorbei an
Grabmälern. Ob er mit der Beute ihr Herz
erobert hat? Liebe in Zeiten von Corona.
Der Himmel über München ist so blau
wie nie, es sind kaum Flugzeugabgase in
der Luft. Forsythien leuchten gelb durch
die grün schimmernden Zweige im Alten
Nordfriedhof, einer der wenigen grünen
Flecken der Maxvorstadt. Er ist an diesem
Samstag so belebt wie immer. Die Leute lie-
gen zwischen den Gräbern, die Bänke sind
besetzt, die einen lesen, die nächsten telefo-
nieren, die übernächsten essen Pizza aus
Kartons. Wäre man jetzt Polizist, man
müsste womöglich alle fragen: Wie lange
sitzen sie schon hier? Kommen Sie aus
demselben Hausstand? Polizei ist gerade
nicht zu sehen.
Am Ausgang hängt das übliche blaue Co-
rona-Regel-Plakat, „Abstand halten“,
Gruppenbildung vermeiden und so weiter,
darunter hat Julian einen Zettel aufge-
hängt. Julian ist ein 13-jähriger Bub aus
dem Viertel, er bietet Einkaufshilfe an,
„einfach anrufen“. Von den Abreißzetteln
mit seiner Nummer ist nur noch einer da.
Mit dem Rad weiter Richtung Engli-
scher Garten. Vor der Uni an der Ludwig-
straße fällt nur auf, dass nichts auffällt. Im-
merhin, sie röhren noch. Wer ein tieferge-
legtes Auto mit dicken Auspuffen hat, den
locken die freien Straßen zum Cruisen.
Würde es nicht mehr dröhnen zwischen
Feldherrnhalle und Münchner Freiheit –
es wäre für München Ausnahmezustand.
Kurz hinterm Eingang zum Englischen
Garten, bei der Tiermedizin, ist Polizei in
Sicht. Linker Hand ein Mannschaftswa-

gen, mittig noch einer. Und Wagen drei
fährt langsam am Schwabinger Bach ent-
lang, biegt rechts ab, stoppt an der ersten
Bank, Fenster runter, die Worte zu den Sit-
zenden sind nicht zu verstehen. Paar Meter
weiter, stopp, weitere Worte, zwei Leute
stehen auf, langsam fährt der Polizeibus
weiter. Dann nähert sich Wagen drei Wa-
gen zwei, der bewegungslos wacht. Sie
kommen sich bedenklich nahe, aber hal-
ten Abstand. Wagen drei fährt weiter, eine
Staubwolke hinter sich herziehend. Schon
die würde reichen, Sonnenbadende zu ver-
treiben.
Tschuldigung, kurze Frage. Die Polizis-
ten fahren das Fenster runter, sie sind vom
USK, das ist die Einheit, die sonst bei De-
mos und Fußballspielen dazwischen geht.
Nein, sagt ein Beamter, sie vertreiben nie-
manden, sie informieren nur, weil so viel
Unsicherheit in der Welt sei: Bitte nicht zu
lange sitzen bleiben, ein paar Minuten,
okay, aber nicht länger. Das USK als freund-
liches Aufklärungskommando, auch das
ist München in Zeiten von Corona. Man
stelle sich vor, die Polizei würde in norma-
len Zeiten Autofahrern die Verkehrsregeln
erklären, bitte nicht falsch parken, bitte
nicht rasen, keine Fußgänger und Radler
zu gefährden. Gäbe es dafür die Akzeptanz
wie beim Durchsetzen der Corona-Regeln?
17 300 Corona-Kontrollen vermeldet die
Münchner Polizei, allein von Freitag- bis
Sonntagfrüh. 600 Verstöße hat man no-
tiert, aber „alles nicht sehr dramatisch“,
sagt ein Polizeisprecher. Hotspots hätten
sich auch nicht gebildet, „die Leute halten
sich daran“.
Ansonsten? Die Welle ist weg, die Stadt
hat das Wasser im Eisbach runtergeregelt,
um die Surfer und ihre Zuschauer nicht in

Versuchung zu führen. Unterm Landtag,
wo die Isar nach unten rauscht, setzt sich
ein Mann auf eine Bank und packt die Zei-
tung aus. Ist das ein „triftiger Grund“?
Man will es hoffen, er liest dieSüddeutsche
Zeitung. Keine Polizei schreitet ein, weil ge-
rade keiner da ist.
Weiter gen Süden, grob Richtung Berge,
die man meiden soll. Der Isarradweg wirkt
wie ein Risikogebiet, so eng und so voll wie
er ist. Sie radeln, sie rasen, sie skaten, hof-
fentlich kann man sich beim Überholen
nicht anstecken. Im Augenwinkel erkennt
man eine Frau mit Wägelchen, eine Fla-
schensammlerin. Auch um ihre Lebens-
grundlage ist es schlecht bestellt. Wenn
kaum mehr jemand draußen Bier trinkt,
lässt auch kaum mehr jemand seine Pfand-
flaschen stehen.
Auf den großen Isarwiesen herrscht fast
üblicher Frühlingsbetrieb, aber größere
und damit illegale Menschengruppen sind
nicht zu erkennen. Am Flaucher staksen
Kinder mit hochgekrempelten Hosenbei-
nen durchs Wasser. Aber da! Ein Fußball-
spiel! Erlaubt? Vermutlich ja. Es sind nur
drei Spieler, eine gemischtgeschlechtliche
Partie, eine hingeworfene Jacke dient als

Tor, ein Mädchen versucht, Mama und Pa-
pa auszudribbeln. Eigentlich wäre jetzt
Bundesliga.
Halb vier, ein Eurocity der österreichi-
schen Bahn quert die Isar auf der Braunau-
er Eisenbahnbrücke. Man kann durch ihn
hindurchschauen, es sind keine Umrisse
von Reisenden zu erkennen. Wenig später,
ein Railjet fährt in die andere Richtung,
auch er ist leer.
Die Tour führt rein in die Innenstadt,
Münchens berühmtester Radwege, der in
der Fraunhoferstraße, ist frei, wenn man
von ein paar Falschparkern absieht. Am
Gärtnerplatz geht eine Frau mit Hund die
Stufen des Theaters nach oben, macht Fo-
tos vom Treiben im Rondell, das sonnenge-
mäß gefüllt ist. Anders die Kaufingerstra-
ße, hier verlieren sich die Menschen. Hier
ist München nicht mehr München. Und
weil keine Touristen da sind, ist auch Ruhe
in der Frauenkirche, wenn man von den
drei Männern absieht, die die Online-Über-
tragung des Palmsonntagsgottesdienstes
vorbereiten. Im Mittelschiff steht ein läng-
liches, hohes Gebilde, darin eine Kamera,
sie wird Kardinal Reinhard Marx aufneh-
men, wenn er in seiner Predigt über Jesus,
die Welt und sich selbst nachdenkt: „Spöt-
ter, Verächter, Machthaber, Intriganten:
All das steckt in uns selber. Ich sehe in der
Karwoche die Ermutigung zu schauen: Wo
stehe ich selber?“
Selbst der Hauptbahnhof ist dieser
Tage ein Ort der Andacht. Erster Ferien-
tag, erster Reisetag, aber Verreisen ist ja
verboten. 17.03 Uhr. Auf Gleis 15 kommt
der ICE aus Hamburg-Altona an. Es stei-
gen auch Fahrgäste aus, und es sind sogar
mehr als Zugbegleiter, dreizehn, um ge-
nau zu sein. bernd kastner

Missbrauchsvorwürfe gegen


früheres Piusheim


Staatsanwälte wegen Gewalt und Sexpartys eingeschaltet


Gemeinsam getrennt


Bei schönem Wetter zieht es die Menschen nach draußen. Sie genießen die Sonne,
radeln, flanieren. Und die Polizei erklärt freundlich die Regeln.
Ein Streifzug durch die Stadt am dritten Wochenende der Ausgangsbeschränkung

Der Sprecher der Opfer-Initiative
hofft, dass sich nun
frühere Bewohner melden

von katja auer und johann osel

München– Bayerns Pflegekräfte sollen ei-
nen Bonus von 500 Euro erhalten. Das kün-
digte Ministerpräsident Markus Söder am
Sonntag an. Die „vorläufig einmalige“ Zah-
lung, wie ein Sprecher der Staatskanzlei
sagte, soll aus dem Staatshaushalt finan-
ziert werden. Eine Wiederholung ist also
nicht ausgeschlossen. Profitieren sollen
gut 250000 Pflegekräfte in Krankenhäu-
sern, Alten- und Pflegeheimen und Behin-
derteneinrichtungen. Der Bonus soll steu-
erfrei sein und zeitnah ausgezahlt werden.
Der Bonus kostet den Staat 126 Millio-
nen Euro und soll eine Anerkennung sein
für die vielen Menschen, die in der Corona-
Krise besonders belastet sind. Am Diens-
tag soll das Kabinett den Vorschlag verab-
schieden. Zudem hat die Staatsregierung
bereits die Verpflegung mit Essen und Ge-
tränken der Pflegekräfte übernommen.
Die Grünen im bayerischen Landtag hat-
ten vergangene Woche eine monatliche Ge-
fahrenzulage für Pflegekräfte von 500 Eu-
ro gefordert. Das sei zurzeit nicht vorgese-
hen, heißt es aus der Staatskanzlei. Bundes-
finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat be-
reits angekündigt, Boni für Pflegekräfte
bis 1500 Euro steuerfrei stellen zu wollen.


Als zunächst „großartiges“ Signal, dass die
Staatsregierung konstruktive Vorschläge
aufnehme, wertete auf Anfrage Andreas
Krahl die Ankündigung. Er ist pflegepoliti-
scher Sprecher der Grünen, selbst Kran-
kenpfleger und in den Ferien aushelfend
im Einsatz. Jedoch vergesse Söder „wichti-
ge Rädchen im System“, wie Rettungs-
dienste, Reinigungspersonal in Kliniken,
Atemtherapeuten sowie auch die Ärzte-
schaft. Krahl verwies erneut auf die Idee ei-
ner permanenten „Gefahrenzulage“ in der
Krisenzeit. Zumindest habe Söder einen
„kleinen Fauxpas“ wettgemacht – näm-
lich, dass er mit der simplen Essensüber-
nahme übertrieben stark geworben habe.
„Zu den gewohnten Dankesworten“ gebe
es „diesmal eine sprichwörtliche Leberkäs-
semmel auf die Hand dazu“, hatte das
Krahl vor einigen Tagen noch kommen-
tiert.

Der Abgeordnete denkt auch an die Zeit
nach der Krise: Es gebe nun parteiübergrei-
fend und gesellschaftlich die Erkenntnis,
dass diese Fachkräfte systemrelevant
sind, „und nicht nur ein bisschen waschen
und Essen verteilen“. Dies müsse sich in
der Bezahlung niederschlagen, die Vertre-
ter seiner Profession sollten „laut“ an ihre
Rolle erinnern und Forderungen vertreten.

Marliese Biederbeck vom Berufsver-
band für Pflegeberufe erkennt in dem Bo-
nus „eine nette Geste – für den Anfang“. Ih-
rem Verband schwebt ein Risiko-Zuschlag
von 50 Euro pro Schicht vor, was sich in der
regel auf etwa 1000 Euro monatlich sum-

mieren dürfte; nach Ende der akuten Krise
sei auch über zusätzlichen Urlaub nachzu-
denken. Derlei „Anreize“ könnten, so Bie-
derbeck, auch dabei helfen, unter derzeiti-
gen freiwilligen Helfern dringend benötig-
te Fachkräfte zu akquirieren. Was sie eben-
falls umtreibe, sei die Ausstattung mit Mas-
ken, Schutzkleidung und Desinfektions-
mitteln. Bemühungen der Politik gebe es,
gerade in Kliniken spürbar. An bestimm-
ten Stellen – in der Altenbetreuung und
ambulanten Pflege – komme aber „viel zu
wenig an“. Ein Abstand von 1,5 Metern sei
auch hier schlichtweg unmöglich.
Am Samstag ist ein Aufnahmestopp für
Pflegeheime und Einrichtungen für Behin-
derte in Kraft getreten, sie dürfen wegen
der Corona-Pandemie keine neuen Bewoh-
ner aufnehmen. Das Gesundheitsministe-
rium hat das per Allgemeinverfügung an-
geordnet, um weitere Ansteckungen mög-

lichst zu verhindern, wie Ministerin Mela-
nie Huml (CSU) mitteilte. Die Verfügung
gilt zunächst bis 19. April. Für ältere, pflege-
bedürftige und auch schwerbehinderte
Menschen bestehe eine hohe Gefahr, an Co-
vid-19 mit schwerem Verlauf zu erkran-
ken. Eine Ausnahme gilt für Einrichtun-
gen, in denen Neuzugänge 14 Tage in Qua-
rantäne untergebracht werden können.
Auch dürfen Bewohner nur dann vom
Krankenhaus in Einrichtungen zurückver-
legt werden, wenn sie zwei Wochen isoliert
werden können und die notwendige
Schutzausrüstung vorhanden ist. Andern-
falls müssen Betroffene in andere Einrich-
tungen kommen, die zur Versorgung geeig-
net sind, hieß es: Senioren etwa in Reha-
Einrichtungen, die Kurzzeitpflege bieten,
oder Behinderte in betreuten Wohnfor-
men. Zur Beratung von Pflegeeinrichtun-
gen richtet das Landesamt für Gesundheit

und Lebensmittelsicherheit eine Task-
force ein, die auch Behörden am Ort unter-
stützen soll. In mehreren Alten- und Pflege-
heimen – unter anderem in Würzburg und
München – war es zuletzt zu zahlreichen
Corona-Infektionen gekommen.
Kritik an der Maßnahme kam vom Sozi-
alverband VdK. Dessen Präsidentin Verena
Bentele reagierte mit Skepsis auf den Auf-
nahmestopp. Dieser stelle viele Menschen
mit Pflegebedarf und deren Familien vor
„unlösbare Probleme“, sagte sie im Bayeri-
schen Rundfunk. Es gebe auch andere
Maßnahmen, vor allem mittels vermehr-
ter Testung. Als Lösung schlug Bentele zu-
dem die Unterbringung und Versorgung
außerhalb der Heime vor, etwa in leer ste-
henden Hotels. Bei Schutzkleidung und
Desinfektionsmitteln müssten Einrichtun-
gen für ältere Menschen bevorzugt wer-
den, so Bentele. Der VdK bekomme viele
Anfragen von Angehörigen oder Pflegebe-
dürftigen selbst, „die sich nicht mehr zu
helfen wissen“. Marliese Biederbeck vom
Berufsverband sieht im Aufnahmestopp
dagegen den „richtigen Schritt“, um Infek-
tionsgefahren zu verringern. Ein passabler
Weg sei die Verlegung nach Hause, mit gu-
ter ambulanter Pflege – wobei aber wieder
das Ausrüstungsproblem auftrete.

Das ehemalige katholische Piusheim in Baiern ist heute eine Privatschule. Gegen ei-
nen früheren Erzieher gibt es Vorermittlungen. FOTO: STEFFEN HEINEMANN/DPA


DEFGH Nr. 81, Montag, 6. April 2020 (^) MÜNCHEN · BAYERN 27
Das Erzbistum sei bereit zur
„vollumfänglichen Kooperation“
mit der Staatsanwaltschaft
Menschen sind durchaus
an der Isar unterwegs, am
Viktualienmarkt und im
Nymphenburger Park.
In der Fußgängerzone
hingegen ist die Stadt
ganz anders. Touristen
sind kaum da. In der
Frauenkirche brennt nur
eine einzelne Kerze.
FOTOS: C. HESS, B. KASTNER
500 Euro Bonus für Pflegekräfte
Die Staatsregierung will die besondere Belastung in der Corona-Krise „vorläufig einmalig“ finanziell honorieren.
Unterdessen gibt es einen Aufnahmestopp für Alten- und Pflegeheime. VdK-Chefin Bentele kritisiert den Schritt
Berufsverband für Pflegeberufe
fordert Risiko-Zuschlag von
50 Euro pro Schicht

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