Ölpreis
Erfolg via
S
piel und Satz hat Donald
Trump schon gewonnen, um
es in der Tennissprache zu sa-
gen. Ob es auch noch ein Sieg wird,
wird diese Woche bereits klar wer-
den. Während weltweit der US-Präsi-
dent für seine ruppige Twitter-Diplo-
matie geschmäht wird, könnte er nun
Wesentliches damit erreicht haben.
Denn seine Drohung mit Strafzöllen
auf Importöl sowie die Verkündung
seines Treffens mit Topmanagern der
US-Ölindustrie – wie üblich erst über
diesen Kanal veröffentlicht – hat den
Ölpreis stark zulegen lassen.
Und die mächtigsten Spieler auf
dem globalen Ölmarkt haben be-
reits etwas eingelenkt: Russlands
Präsident Wladimir Putin hat gleich
danach Trumps Forderung, den
weltweiten Ölausstoß deutlich run-
terzufahren, zugestimmt. Saudi
Aramco – der weltgrößte Ölkonzern
- hat am Sonntag die Festsetzung
seines neuen Preises für saudisches
Rohöl verschoben. Auf die Zeit nach
der jetzt für Donnerstag geplanten
Telefonkonferenz der Staaten des
Ölkartells Opec mit anderen großen
Produzentenländern wie Russland.
Trump hat mit seiner Drohung al-
so erreicht, dass die verfeindeten
Staaten wieder verhandeln. Und
dass Putin den ersten Schritt auf
das mächtige Königreich zu ge-
macht hat und Riad jetzt auch ein-
lenken und seinen Ölpreiskrieg be-
enden kann. Während Trump der
US-Ölindustrie, die beim aktuellen
Preisniveau nicht mehr rentabel Öl
fördern kann, Milliardenhilfen ver-
spricht, droht er weiter mit Strafzöl-
len gegen andere Produzenten, soll-
te es zu keiner Einigung kommen.
So hält er den Druck aufrecht. Offen
lässt der US-Präsident aber, ob auch
die amerikanischen Förderer bereit
sind, ihre Produktion abzusenken.
Denn eines ist klar: Die Kürzun-
gen, die für die Beratungen am
Donnerstag ventiliert werden, sind
mit zehn bis 15 Millionen Barrel täg-
lich deutlich geringer als der wegen
der Coronakrise verursachte Rück-
gang der Ölnachfrage. Diesen hat
Goldman Sachs auf 26 Millionen
Fass errechnet – das ist ein Ein-
bruch um ein Viertel. Und das Maß-
nahmenpaket ist entsprechend
noch deutlich zu klein.
Donald Trump wird für seine Politik
via Social Media oft kritisiert. Jetzt
scheint sie wirklich mal sinnvoll zu
wirken, meint Mathias Brüggmann.
„Der Konzern hat in einem enormen Kraftakt
seine Personalgewinnung innerhalb
weniger Tage an die veränderten
Rahmenbedingungen angepasst.“
Martin Seiler, Personalvorstand der Deutschen Bahn, lässt
Vorstellungsgespräche virtuell führen.
Worte des Tages
Der Autor ist International
Correspondent.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
D
as ist in diesen Tagen wichtig: Hal-
tung. Vorstände führender deutscher
Industriekonzerne verzichten auf Ver-
gütung und begründen das damit, Zei-
chen setzen und Solidarität mit kurz-
arbeitenden Beschäftigten zeigen zu wollen. Eben
Haltung zu demonstrieren. Manche spenden, andere
lassen das Geld im Unternehmen. Eine Entschei-
dung zwischen Solidarität und Firmenkasse.
Bosch, Daimler, Lufthansa, Puma, Thyssen-Krupp
- quer durch die Republik üben Manager Verzicht.
Manche natürlich nicht ganz freiwillig, weil doch die
Regierung angekündigt hat, wer staatlichen Schutz in
Anspruch nimmt, sollte sich selbst bescheiden. Aber
nicht alle Vorstände rücken von ihren teilweise mil-
lionenschweren Vergütungen ab. Warum sollten sie,
wenn das Geschäft ihres Unternehmens brummt?
Doch es geht in Coronazeiten gar nicht darum,
Vorständen und Geschäftsführern pauschal ihre Ver-
gütung streitig zu machen. Es geht darum, Verhält-
nismäßigkeit zu wahren. Und das aus einem einfa-
chen Grund: Die Pandemie wird eines Tages über-
standen sein, und die Menschen, die jetzt noch in
erster Linie um ihre Gesundheit oder ihren Arbeits-
platz bangen, werden sich rückblickend fragen, wie
hat sich eigentlich mein Arbeitgeber, wie hat sich die
gesamte Wirtschaft verhalten?
Es darf als sicher gelten, dass nach der Lösung der
Coronafrage auch die Systemfrage gestellt werden
wird. Das Jahrhundert ist noch keine 20 Jahre alt,
und wir erleben jetzt mit der Coronakrise schon die
dritte Krise, die das Zeug hat, Vertrauen in das Wirt-
schaftssystem nachhaltig zu erschüttern. Als die Dot-
com-Blase gleich zum Auftakt des 21. Jahrhunderts
platzte, erwischte es noch einen vergleichsweise
kleinen Teil der Menschen. Anleger wurden mit lufti-
gen Versprechungen und frisierten Bilanzen um ihr
Geld gebracht.
Nur wenige Jahre später erschütterte die Finanz-
und Wirtschaftskrise die Welt. Die Finanzindustrie
war irrwitzig hohe Risiken eingegangen, die den
Banken dann aber um die Ohren flogen. Und nicht
nur ihnen. Die Finanzkrise löste einen Absturz der
Realwirtschaft in einem Ausmaß aus, das die Welt
seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte. Spätes-
tens 2009 stellten viele Menschen die Sinnfrage. Ist
Wirtschaften eigentlich für den Menschen da oder
umgekehrt?
Die aktuelle Coronakrise hat nur auf den ersten
Blick einen völlig anderen Auslöser, nämlich ein Vi-
rus. Tatsächlich aber stellen wir schon jetzt die
Grundzüge unseres Systems infrage: die arbeitsteili-
ge Wirtschaft beispielsweise. Wie kann es sein, dass
Grundstoffe der pharmazeutischen Industrie in
hochentwickelten europäischen Ländern nicht mehr
produziert werden? Ist medizinische Versorgung
nicht originäre Aufgabe des Staates?
All das wird uns in Nach-Corona-Zeiten intensiv
beschäftigen. Und es dürfte schon heute feststehen,
dass die Antworten darauf einige Prinzipien unseres
bisherigen Wirtschaftens aushebeln werden. Etwa
diese: Privatisierung ist out, der Staat wird in Zu-
kunft wieder viele Aufgaben an sich ziehen.
Das werden die Führungskräfte in den Unterneh-
men nicht verhindern, aber sie können die bevorste-
hende Auseinandersetzung zwischen Wirtschaft und
Gesellschaft im Positiven beeinflussen. Indem sie
jetzt verantwortlich mit der wahrlich komplizierten
Lage umgehen.
Beispiel Dividenden. Rund 44 Milliarden Euro
wollten die Aktiengesellschaften noch vor wenigen
Wochen in Summe an die Aktionäre ausschütten. Be-
triebswirtschaftlich ist das korrekt, berechnen sich
Dividenden doch nach dem Geschäftsergebnis des
Vorjahres. Und das war bei vielen herausragend.
Doch die Zeiten sind jetzt andere. Vorsorge ist ange-
sagt. Und es mutet doch sonderbar an, wenn die Ar-
beitnehmer des Unternehmens Gehaltseinbußen we-
gen Kurzarbeit akzeptieren müssen, während die Ei-
gentümer ungeschoren davonkommen. Und das
Unternehmen womöglich noch weitere Staatshilfen
in Anspruch nehmen muss.
Furore machten zuletzt sogar Mietverpflichtungen
für Geschäftslokale. Normalerweise interessiert das
niemanden. Aber die Zeiten sind nicht normal. Adi-
das bekam den Sturm der Entrüstung stellvertretend
für alle zu spüren, die dasselbe planen, als der
Sportartikelhersteller kurzerhand Mietzahlungen
aussetzen wollte. Darf ein Konzern, der Milliarden
verdient, arme Vermieter austrocknen? Man könnte
es auch anders sehen: Adidas wollte Lasten der Co-
ronakrise an gut verdienende Immobilienfonds wei-
terreichen. Denn denen dürften die meisten Adidas-
Geschäfte in den 1-a-Lagen gehören.
Covid-19 treibt Manager in ein Dilemma. Es gibt
kein Richtig oder Falsch mehr. Die Frage lautet: Was
ist angemessen? Im Grunde ist der Gehaltsverzicht
von hochbezahlten Vorständen ein Witz im Ver-
gleich zu den Sorgen eines Fabrikarbeiters. Aber er
zeigt Haltung. Und das zählt in diesen Tagen und
auch für die Zukunft mehr als so manche betriebs-
wirtschaftlich gut begründete Entscheidung.
Management
Achtet auf Risiken
und Nebenwirkung!
Covid-19 kann
nicht nur die
Gesundheit
zerstören,
sondern auch das
Vertrauen in die
Wirtschaft, warnt
Dieter
Fockenbrock.
Der
Gehaltsverzicht
von hoch -
bezahlten
Vorständen ist
ein Witz im
Vergleich zu den
Sorgen eines
Fabrikarbeiters.
Aber er zeigt
Haltung.
Der Autor ist Chefkorrespondent im Ressort
Unternehmen & Märkte. Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Meinung
& Analyse
MONTAG, 6. APRIL 2020, NR. 68
28
„Wir sollten die Saison
dieses Jahr beenden und
nächstes Jahr hoffentlich neu
starten.“
Bernie Ecclestone, bis 2017 Chef der Formel 1,
mahnt angesichts der Coronakrise zu Realismus.
„Dass solch ein gewaltiger Schock, wie
wir ihn jetzt erleben, auch schwere
Beschädigungen nach sich ziehen
wird, versteht sich leider von selbst.“
Felix Hufeld, Chef der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), rechnet mit
gravierenden Folgen der Coronakrise für die Banken.
G
eht das nicht konkreter, Google? Seit Wochen
fragen sich Menschen weltweit, ob der Tech-
Konzern im Kampf gegen die Corona-Pandemie
helfen könnte, etwa durch Prognosen, wie sich das Vi-
rus ausbreiten wird, oder beim Auffinden von Men-
schen, die Kontakt mit Infizierten hatten. Viele sind
derzeit bereit, persönliche Daten preiszugeben. Die US-
Regierung hat das Gespräch mit Google gesucht.
Jetzt hat der Konzern reagiert und Berichte für 131
Länder vorgelegt. Sie zeigen, wo sich Menschen in der
Krise mehr oder weniger aufhalten. Damit sollen Kri-
senmanager laut Google besser entscheiden können,
wie die Bevölkerung versorgt und das Infektionsrisiko
gesenkt werden soll. Vor allem zeigen die Berichte aber,
dass Google viel mehr weiß, als es preisgeben kann
oder will. Das stellt den Nutzen von Big Data, den lange
angesammelten Datenmengen, einmal mehr infrage.
Der Ansatz an sich ist gut. Google weiß, ob und wo es
trotz der Kontaktbeschränkungen noch zu Menschen-
ansammlungen kommt. Es sammelt diese Daten näm-
lich ständig, um Werbekunden zielgerichtetes Marke-
ting zu ermöglichen und Anzeigenplätze zu verkaufen.
Was die Auswertung der Daten nun aber rechtlich pro-
blematisch macht: Google hat sie auf Landes- und Bun-
desebene zusammengeführt, bevor es sie als Coronahil-
fe präsentierte.
Behörden und Logistiker wollen nun wissen: Wo
müssten Supermärkte durch mobile Verkäufer entlastet
werden? Wo sind zusätzliche Straßenbahnwagen nötig,
damit Menschen Abstand halten können? Doch Google
verweist auf den Datenschutz. Detailliertere Auswertun-
gen könnten derzeit nicht geteilt werden, weil Rück-
schlüsse auf Einzelne verhindert werden müssten.
Es ist schwer zu sagen, ob es wirklich in der Kürze
der Zeit unmöglich ist, die Daten nutzbar zu machen,
oder ob es hier bloß um Marketing geht. Sicherheitslü-
cken haben wiederholt zu Kritik an dem Unternehmen
geführt. So oder so kann man viel daraus lernen.
Zum einen, dass Daten, die für andere Zwecke gesam-
melt wurden, in Notsituationen wenig nützen. Sie müs-
sen aufwendig aufbereitet werden. Ob und wie das ge-
schieht, hängt stärker von den Interessen der Daten-
sammler ab als von denen der Betroffenen.
Zum anderen könnten aggregierte, anonymisierte Da-
ten tatsächlich helfen. Etwa dann, wenn sie zur Krisen-
bekämpfung erhoben werden und wenn die Bevölkerung
aktiv mithilft und der Verarbeitung ihrer Daten zweckge-
bunden und temporär zustimmt. Ein gutes Beispiel ist
die Corona-Warn-App, mit der 130 europäische Wissen-
schaftler die Kontaktpersonen von Infizierten benach-
richtigen wollen. Nur: Big Data braucht dafür niemand.
Big Data gegen Corona
Viele Daten, wenig Nutzen
Google will im Kampf gegen die
Pandemie mit Daten helfen. Doch
die vorgelegten Berichte lassen
am Nutzen von Big Data zweifeln,
meint Larissa Holzki.
Die Autorin ist Reporterin im Ressort Unternehmen &
Märkte.
Sie erreichen sie unter:
[email protected]
Viele sind
derzeit
bereit,
persönliche
Daten
preiszu -
geben.
imago images, imago images/Motorsport Images, Bloomberg
Finanzinstitute
Neue Risiken
für Banken
W
ie gefährlich wird die Co-
ronakrise für die Banken?
Wirklich beantworten
lässt sich diese Frage im Moment
noch nicht, aber ein Vergleich mit
der Finanzkrise von 2008 kann erste
Hinweise geben, was auf die Branche
zukommt. Zunächst der wichtigste
Unterschied: Damals waren Banken
die Auslöser der Krise, heute gehö-
ren sie zu den Opfern. Während der
Schock die Institute damals unmittel-
bar traf, stehen sie heute eher am
Ende der Schadenskette. Das heißt
allerdings nicht, dass die Coronakrise
weniger gefährlich wäre. Viele euro-
päische und deutsche Banken haben
auch ein Jahrzehnt nach dem Leh-
man-Schock noch kein robustes Ge-
schäftsmodell gefunden. Die Institute
mögen besser kapitalisiert sein, aber
bei der Profitabilität hapert es oft ge-
waltig. Die Coronakrise wird diese
Schwächen schonungslos offenlegen,
auch wenn der Schaden in den Bilan-
zen wohl eher einer Erosion als ei-
nem Erdrutsch gleichen wird.
In der Finanzkrise lag das Epizen-
trum des Bebens im Investmentban-
king. Hochkomplexe Derivate, die
üppige Gewinne abgeworfen hatten,
verloren rasant an Wert und ent-
puppten sich als Zeitbomben, die in
einer Kettenreaktion explodierten.
Eine Bank nach der anderen geriet
in Existenznot. Dieses Mal steckt die
Gefahr eher in den Kreditbüchern.
Unternehmen werden in Not gera-
ten und ihre Darlehen nicht mehr
zurückzahlen, Verbraucher werden
ihre Jobs verlieren und ihre Kredite
nicht mehr bedienen. Das Invest-
mentbanking dürfte dagegen zumin-
dest vorläufig zu den Gewinnern der
Krise gehören. Zwar herrscht im Ge-
schäft mit Übernahmen und Börsen-
gängen Eiszeit. Dafür floriert an
quasi allen Märkten der Handel, wo-
für die heftigen Kursausschläge ein
deutliches Zeichen sind. Und der
Handel mit Wertpapieren ist der
Hauptumsatzbringer für die Invest-
mentbanking-Abteilungen großer In-
stitute. All das lässt befürchten, dass
dieses Mal jene Banken ins Zentrum
des Sturms geraten könnten, die in
der Finanzkrise noch als grundsoli-
de galten: Institute, die ihr Geld vor
allem mit Unternehmen und Privat-
kunden verdienen.
Die Coronakrise lässt sich nicht mit
der Finanzkrise vergleichen.
Bedrohlich ist sie für Geldhäuser
trotzdem, warnt Michael Maisch.
Der Autor ist stellvertretender
Ressortleiter Finanzen
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Unternehmen & Märkte
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